G. F. Unger Sonder-Edition 165 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 165 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Ritt zum Sterben

Dumpfe Hammerschläge hallen über Camp Concho. Auf dem Paradeplatz lässt Major Edson Collins einen Galgen errichten. Einen Galgen für Juan Colorado, den Apachenhäuptling, der die Ehre des Majors besudelte, als er ihm die Frau raubte und ihr Gewalt antat. Collins brennt vor Hass. Darüber vergisst er, dass es der gemeine Mord an den Frauen und Kindern eines Apachendorfes war, der ihm die Feindschaft Colorados eintrug. Doch der Hass des Majors erhält ständig neue Nahrung, denn er kann des Apachen nicht habhaft werden. Alle Patrouillen, die er gegen ihn aussandte, kehrten nicht mehr zurück. Nun wird Collins selbst an der Spitze seiner restlichen Männer ausrücken, um Colorado unter den Galgen zu schleifen. Und alle im Camp fragen sich: Wird es auch diesmal ein Ritt zum Sterben sein?

Lesen Sie in der G.F. UNGER SONDER-EDITION erstmals die Leih- und Taschenbücher des großen Western-Autors in einer 80-seitigen, ungekürzten Romanheft-Fassung!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 179

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Ritt zum Sterben

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8198-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ritt zum Sterben

Der Weg von Camp Concho am Javelinas Creek – Javelinas, das sind wilde Moschusschweine – ist nur knapp dreißig Meilen weit, ein knapper Tagesritt also für die kleine Schar von Blauröcken, die mit dem jungen Lieutenant reitet.

Zusammen sind sie sieben Reiter, ausreichend genug, um die Frau des Majors von der Poststation abzuholen und in das befestigte Armeecamp am Javelinas Creek zu bringen.

Der kleine Trupp hat auch keinen Zivilscout dabei. Man rechnet gar nicht damit, dass so dicht beim Fort oder zwischen ihm und der Poststation Apachen sein könnten. Denn wurde den Apachen nicht erst vor wenigen Wochen eine böse Niederlage zugefügt? Hat man nicht Juan Colorados Dorf völlig zerstört und alles Lebende in diesem Dorf vernichtet?

Nein, die Apachen wurden geschlagen und sind hier in diesem Gebiet keine Gefahr mehr. Der Major im Fort wird sicherlich bald eine Belobigung erhalten und auf der Liste der zur Beförderung anstehenden Offiziere einige Plätze höherrücken.

Der Lieutenant und seine sechs Mann reiten ziemlich sorglos.

Es ist ja auch nicht einmal ein erfahrener Sergeant bei dem Trupp.

Als sie in den engen Canyon reiten, dessen Creek den Pferden nur bis zu den Fesseln reicht, da halten sie dennoch ihre Waffen bereit und sichern nach oben.

Aber es rührt sich nichts. Nur einige Falken steigen auf und kreisen über dem Canyon, solange der Trupp dort Staub aufwirbelt.

Und eine Pumakatze schleicht mit ihren drei Jungen davon.

Da und dort rasselt eine Klapperschlange – aber der Hufschlag der Pferde und das typische Klirren von Metallteilen, das reitende Kavalleristen begleitet, übertönen das Rasseln der Schlangen.

Es ist heiß. Den kalten Nächten folgen in diesem Land hitzeflimmernde Tage.

Als sie aus dem Canyon reiten, atmen sie erleichtert auf, denn vor ihnen liegt einigermaßen flaches Gelände, auf dem da und dort Dornenbüsche, Kakteen und Mescal kleine grüne Flecken bilden.

Die Kakteen haben wunderschöne Blüten, um die Kolibris schwirren.

Es ist später Mittag, und die Hitze wabert über dem Boden.

Staub wirbelt, setzt sich nieder und vermischt sich mit dem Schweiß von Männern und Pferden.

Der leichte, zweirädrige Wagen ist ebenfalls mit diesem gelben Staub gepudert.

Und dann passiert es ganz plötzlich.

Die Apachen hatten sich in diesem Staub eingegraben und die Köpfe unter kaum kniehohen Buschpflanzen verborgen. Sie liegen genau da, wo die Soldaten hindurchreiten. Und sie springen die wenigen Männer von allen Seiten an. Stumm, aber mit gnadenloser Entschlossenheit.

Denn die Frauen, Schwestern, Mütter und Kinder dieser Krieger wurden vor wenigen Wochen mit dem Dorf vernichtet, indes die Krieger in Mexiko zum Pferdehandel waren.

Nein, sie kennen keine Gnade.

Sie töten den jungen Lieutenant und dessen sechs Reiter binnen einer Minute und haben dabei selbst nur drei leichtverwundete Krieger als Preis zu zahlen.

Da sie keine Pferde haben, nehmen sie die Tiere der Soldaten, auch die beiden Gespannpferde des leichten Wagens. Sie nehmen die Waffen und alles, was sie gebrauchen können – auch die Uniformen, einfach alles.

Nur die nackten Toten bleiben mit dem umgekippten Wagen zurück.

Und bald kreisen Geier über der Stelle und schleichen sich Coyoten näher.

Juan Colorado hat zugeschlagen, aber es ist nur der Anfang.

Seine Krieger hier waren eine auserwählte Schar. Sie handelten genau nach seinen Instruktionen.

Juan Colorado selbst ist zu dieser Zeit zehn Meilen weiter tätig.

Die Pueblo Station ist ein ziemlich sicherer Ort. Schon für die alten Pueblo-Indianer waren ihre zum Himmel aufragenden und zumeist an einer Felswand erbauten Dörfer eine sichere Zuflucht.

Dieses Pueblo steht an der Ostwand der roten Mesa, und als die Kutsche davor hält, holt der rote, wirbelnde Staub sie ein und macht alles in der Umgebung des Pueblos undeutlich wie ein rötlich gelber Nebel.

Noch bevor die Fahrgäste ausstiegen und der Fahrer und sein bewaffneter Begleitmann vom hohen Sitz geklettert sind, tauchen Apachen im rotgelb wirbelnden Staub auf.

Es sind mehr als zwei Dutzend, und Juan Colorado selbst führt sie an. Knapp ein halbes Dutzend Schüsse krachen – mehr nicht. Sonst wird nur mit Messern gekämpft, werden ein paar Pfeile verschossen. Aber diese Nahkämpfe Mann gegen Mann sind von einer kalten Erbarmungslosigkeit.

Dann wird es still – nur da und dort röcheln Sterbende.

In der offenen Tür der Kutsche erscheint nun Juan Colorados gedrungene Gestalt. Für einen Apachen ist er dennoch mehr als mittelgroß. In seinen schrägen Augen funkelt böser Triumph.

Er sieht in die Kutsche hinein und betrachtet die Frau.

Alle anderen Passagiere sind tot. Sie wollten aus der Kutsche in das Pueblo flüchten, versprachen sich dort Schutz.

Nun Reva Collins blieb wie gelähmt in der Kutsche und hoffte, dass die Männer die Apachen zurückschlagen würden.

Dabei kam ihr die ganze Gnadenlosigkeit dieses Landes endgültig zu Bewusstsein.

Ihre Hoffnung, dass alles letztlich doch nicht so schlimm sein würde in diesem Land, starb endgültig, und sie begann in dieser Minute den Tag zu verfluchen, an dem sie Edson Collins heiratete, den Mann, der in dieses Land versetzt wurde als Kommandant von Camp Concho – und dem sie als Frau folgen musste.

Es war eine weite Reise von Saint Louis nach Kansas City und von dort nach Santa Fé, eine beschwerliche Reise in rüttelnden und schüttelnden Kutschen und zwischen manchmal geradezu stinkenden Passagieren.

Von Santa Fé ging es dann nach Süden, und so wild und schön dieses Land auch anzusehen war, sie begann sich davor zu fürchten. Denn die Ahnung, dass es ein grausames und hartes Land zu allen Lebewesen ist, die Ahnung, dass es hier nur Jäger und Gejagte gibt, Fresser und Gefressene, diese Ahnung wurde immer mehr zur Gewissheit.

Nun aber sieht sie den Apachen im offenen Rechteck des Wagenschlags.

Und er winkt ihr mit dem gekrümmten Zeigefinger.

»Komm, Frau«, sagt er in einem kehligen Englisch, das er einst als Knabe in der Missionsschule der Jesuiten lernte. »Komm heraus, Frau!«

Sie blickt in seine schrägen Augen, und sie erinnert sich daran, dass die Apachen einst in grauer Vorzeit als Eroberer aus dem Norden nach Süden kamen und eigentlich mit den jetzigen Eskimos nahe verwandt sind. Sie las es in einer Zeitschrift.

Die schrägen Augen des Apachen verraten ihr, was er von ihr will.

Und sie begreift, dass es keinen Ausweg gibt für sie.

Fast tonlos fragt sie: »Und warum willst du das mit mir tun, du verdammter Bastard, du …«

Die Stimme versagt ihr. Und sie sieht sein grausames Grinsen.

Dann erwidert er: »Ich zahle zurück. Die Soldaten deines Mannes überfielen mein Dorf, als ich mit der Mehrzahl meiner Krieger abwesend war. Die meisten Frauen und Mädchen meines Dorfes mussten ertragen, was auch du wirst ertragen müssen. Doch sie wurden getötet. Dich werde ich zum Major bringen lassen. Du wirst leben dürfen. Wenn er dich ansieht, dann wird er sich erinnern, was er meinem Dorf, allen Frauen und Mädchen, antun ließ. Vielleicht wirst du ihm gar in neun Monaten einen Bastard schenken. Komm, Frau.«

Wieder winkt er mit dem gekrümmten Zeigefinger, und sie weiß, dass er sie mit Gewalt aus der Kutsche reißen wird, sollte sie nicht gehorchen.

Einen Moment hat sie den Wunsch, tot zu sein, einfach sterben zu können von einem Atemzug zum anderen ohne Not und Qual.

Sie bekommt eine Ahnung davon, wie den Frauen und Mädchen des Apachendorfes zumute war, als die Soldaten und ein Aufgebot der Bürgermiliz über sie herfielen.

Immer noch starrt sie in die schrägen Augen des Apachen.

Und plötzlich steigt aus ihrem Kern eine Lebenskraft, die sie bisher noch nie gespürt hat.

Sie will nicht sterben.

Sie will leben, alles ertragen, überstehen.

Nun gleicht sie einer verzweifelten Nichtschwimmerin, die nicht ertrinken will und nicht aufzugeben gedenkt. Aber sie begreift auch in ihrer Verzweiflung sehr schnell, dass sie sich unter Kontrolle halten oder bekommen muss.

Sie muss wieder denken und handeln können, darf kein kreischendes Bündel Mensch sein.

Und so bewegt sie sich endlich, klettert hinaus. Als sie vor dem Apachen steht, ist sie fast so groß wie er. Doch sie wiegt gewiss fünfzig Pfund weniger.

»Du willst also meinen Mann bestrafen, indem du mir Gewalt antust?« So fragt sie kühl.

Er grinst nicht mehr. Es ist ihr, als verschlüge es ihm einen Moment lang die Sprache, als wunderte er sich über ihre Sachlichkeit.

Doch dann nickt er und zieht sie mit sich in das dunkle Pueblo hinein.

Sie müssen über einige Tote steigen.

Und sie denkt: Du lieber Vater im Himmel, lass mich alles überstehen, hilf mir, dass ich nicht verrückt werde! Hilf mir, gib mir Kraft!

Als der Lieutenant mit seinem Begleitkommando und die Frau des Kommandeurs überfällig sind und darüber hinaus noch eine lange Nacht vergangen ist, beruhigt sich der Major mit der Annahme, dass er sich verrechnet hat und Reva eine Postkutsche später kommen wird.

Aber als dann auch der nächste Tag vergeht und danach die Nacht, da lässt er eine Doppelpatrouille marschbereit machen und den ebenfalls noch sehr jungen Lieutenant und den First Sergeant Jock McQuene in die Kommandantur kommen.

Als sie sich bei ihm melden, starrt Major Edson Collins den jungen Lieutenant an und fragt sich voller Zweifel, ob er sich nicht besser selbst auf den Weg machen sollte.

Doch er kann als Fortkommandant nicht auf Patrouille. Er hat andere, übergeordnete Aufgaben. Seine Patrouillen reiten in alle Richtungen. Was sie berichten, bedarf einer sorgfältigen Analysierung. Er hat auch alle zwei Tage einen Bericht an seinen Vorgesetzten in Fort Apache zu senden.

Nein, er kann nicht weg von hier.

Und so fragt er bitter: »Wie alt sind Sie, Lieutenant?«

»Einundzwanzig, Sir.«

Du lieber Gott, denkt der Major. Da erhielt ich einen Schwarm von jungen Lieutenants, die hier an der Grenze Indianererfahrung sammeln sollen. Und immer wieder, wenn ich sie losschicke, da muss ich befürchten, dass es ein Ritt zum Sterben sein wird.

Er wendet sich dem First Sergeanten Jock McQuene zu.

Dieser erwidert seinen Blick kühl und fest.

»Sie werden den Lieutenant in allen Zweifelsfällen beraten, Sersch«, spricht er. »Und Sie, Lieutenant, werden auf den Rat des Sersch hören. Verstanden?«

»Yes, Sir«, erwidert der Lieutenant. »Aber darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass ich Jahrgangsbester in West Point war, Sir! Ich fühle mich durchaus imstande, in Zweifelsfällen die richtige Entscheidung selbst zu treffen.«

Der Major nickt.

Dann sieht er den Sergeanten an. »Sie können gehen, Sersch. Halt, Lieutenant, Sie bleiben noch.«

Als Sergeant Jock McQuene die Tür hinter sich geschlossen hat, tritt der Major an den Lieutenant heran. Ihre Nasen berühren sich fast, und der Atem des Majors trifft das Milchgesicht seines Untergebenen.

»Mein Junge«, sagt er mit knirschender Bitterkeit, »Sie sind hier gewissermaßen ein Baby, das noch in die Windeln macht. Ich hoffe, dass Sie trocken werden, bevor die Apachen Ihnen die Haut abziehen. Hören Sie auf den Sersch! Und nun holen Sie meine Frau ins Camp. Ich denke, dass sie alle bei der Pueblo Station festsitzen, vielleicht belagert werden. Oder die Kutsche kam noch nicht. Reiten Sie.«

Der Lieutenant schluckt, salutiert und geht.

Und wenig später führt er vierundzwanzig lustlose Soldaten hinaus in das hitzeflimmernde Land, weg vom Javelinas Creek und hinein ins Ungewisse.

Einer der Soldaten sagt zu seinem Nachbarn, mit dem er in Doppelreihe reitet: »Verdammt, hoffentlich ist das kein Ritt zum Sterben.«

Aber sein Nachbar grinst und schüttelt den Kopf.

»Der Sersch wird auf den Kleinen schon aufpassen. Sersch McQuene ist unsere Lebensversicherung. Mach dir keine Sorgen, Jubel.«

Dieses kurze Gespräch zwischen zwei Reitern der Doppelpatrouille gibt so ziemlich die Gedanken aller Beteiligten wieder.

Nur der Lieutenant und der Sergeant haben andere Gedanken.

Der Junge, dem das Leben von vierundzwanzig Männern anvertraut ist, ärgert sich immer noch mit dummer Arroganz über die Worte des Majors, und er denkt: Es ist alles nur eine Sache der Intelligenz, der raschen Auffassungsgabe und des Glaubens an die Richtigkeit von Entscheidungen. Dieser Saufbold von Sergeant da links neben mir wird mir keine Ratschläge geben. Wo kommen wir denn hin, wenn Offiziere wie ich, die auf der Militär-Akademie als Jahrgangsbeste abschnitten, in diesem Mistland bei einer Entscheidung die Hilfe von Untergebenen in Anspruch nehmen müssen? Verdammt, für was hält mich dieser Major eigentlich? Ich wittere manchmal so etwas wie Schnapsgeruch. Ob dieser Sergeant vielleicht gar Feuerwasser in seiner Wasserflasche hat? Ob ich das mal kontrollieren soll? Der sieht ja ohnehin noch ganz verkatert aus. Und warum trägt der Bursche die Hosenträger über dem Reithemd? Das ist verboten. Der gibt den Soldaten nur ein schlechtes Beispiel. Die Kerle kennen sowieso keine Ordnung!

Aber er unterlässt es dann doch, sich vom Sergeant die Wasserflasche reichen zu lassen. Er unterlässt es auch, den Sergeant wegen der unvorschriftsmäßig getragenen Hosenträger zu rügen.

Denn wenn er zur Seite blickt und den einen halben Schritt hinter ihm reitenden Sergeant betrachtet, bekommt er immer wieder eine Ahnung davon, was ein wirklich harter Mann ist.

Jock McQuene ist zwar gelbhaarig und grünäugig, aber er gehört zu den wenigen Typen, die dennoch schnell braun werden. In seinem etwas unregelmäßigen Gesicht sind einige Narben, die von einem oft gewalttätigen oder zumindest gefährlichen Leben zeugen.

Der Sergeant ist groß, hager und knochig, mit keinem einzigen Gramm überflüssigem Gewicht. Über einem harten Mund hängt ein Sichelbart. Der ganze Mann strömt Härte aus, nichts als schweigsame, einsame Härte. Der Lieutenant spürt es ständig, und es macht ihn unsicher. Aber gerade diese Unsicherheit wird ihn dazu antreiben, eigene Entscheidungen zu treffen und keinen Rat anzunehmen.

Sergeant Jock McQuene hat zur gleichen Zeit, da er schräg neben dem Lieutenant reitet, völlig andere Gedanken. Und er hat sie schon einige Male gehabt. Er kennt sie bereits. Es sind stets die gleichen Gedanken.

Denn in den vergangenen Monaten ritt er schon mehrmals mit solch jungen Offizieren auf Patrouille.

Sie kommen von der Militärakademie West Point. Es sind Offiziere, die erst nach dem Krieg als Kadetten in die Armee eintraten. Sie gehören alle zum ersten Lieutenant-Jahrgang, der nach dem Krieg die Akademie verließ. Und einige wurden dazu bestimmt, hier im Südwesten Erfahrungen im Krieg gegen die Apachen zu sammeln.

Denn mit den Apachen liegt die Armee in einem fortwährenden Krieg.

Jock McQuene denkt: Das ist also wieder einer von der Sorte. Denen haben sie beigebracht, dass sie eine Auslese seien, und hier in unserem Land werden sie nicht alt genug, um begreifen zu können, dass sie alles vergessen müssen, was sie gelernt haben, um zu überleben. Verdammt, dieser Junge reitet mit uns zum Sterben. Denn es muss was passiert sein mit der Frau des Majors. Ja, es muss was geschehen sein. Der andere Lieutenant mit den sechs Mann ist ja auch schon überfällig. Wenn die Frau nicht gekommen wäre, hätte er Nachricht geschickt.

Seine Gedanken beschäftigen sich dann damit, was sein würde, sollten die Apachen die Frau des Majors geschnappt haben. Dann wäre schon mal eines klär, nämlich, dass es im Camp Concho jemanden gab, der den Apachen einen Tipp zukommen ließ.

Denn wie sonst hätte Juan Colorado erfahren können, dass Mrs. Collins zu ihrem Mann gereist kommt?

Jock McQuene versucht sich vorzustellen, wer als Verräter in Betracht kommen könnte. Rings um das Camp Concho, das als Fort ausgebaut wird, leben eine Menge Zivilisten. Eine kleine Stadt entstand im Schutz der Armee. Aber auch im Fort gibt es einige Dutzend Menschen, von denen jeder ein Verräter sein könnte. Da sind Scouts von mexikanischer oder indianischer Abstammung, also Halbbluts. Da sind auch Frauen dieser Abstammung, die Wäsche waschen, in der Kantine bedienen – und da gibt es auch einige Putas, die am Rand der primitiven Stadt in Hütten leben und den Soldaten den ohnehin schon kargen Sold abnehmen für etwas, was man eine gewerbsmäßige Dienstleistung nennen könnte, was aber zugleich auch ein Hinweis ist auf das traurige und freundlose Leben der Soldaten in diesem Land.

Einige Soldaten haben bestimmt gewusst, dass der Major seine Frau kommen lässt.

Und irgendwie erfuhr es dann auch Juan Colorado.

Sergeant Jock McQuene gibt sich keinen Illusionen hin.

Er kennt dieses Land, weiß eine Menge über die geheimen Ströme und Signale. Er kennt auch die Menschen – und vor allen Dingen die Armee und die freudlose Trostlosigkeit aller, die hier unter der Fahne leben.

Es ist das Land, das alles so erbärmlich und bitter macht für alle.

Und das wird sich nicht ändern, solange die Apachen Krieg machen und die Soldaten reiten müssen. Die Apachen kämpften schon gegen die spanischen Eroberer unter Coronado. Dann kämpften sie gegen die Mexikaner und tun es immer noch. Und sie kämpfen gegen die Amerikaner.

Das alles ist so seit vielen, vielen Generationen.

Und es wird noch lange so bleiben.

Sergeant McQuene verflucht den Tag – oder besser die Nacht –, da er betrunken war und einem Werber der Armee in die Hände fiel. Betrunken unterschrieb er seine Verpflichtung.

Und nun hat er einen Vertrag mit der Armee, den einzuhalten ihm immer schwerer fällt. Manchmal schon dachte er daran, einfach über die Grenze nach Mexiko zu reiten – und auch jetzt denkt er wieder daran, wenn er diesen Jungen da halb rechts vor sich reiten sieht und an die Toten denken muss, die es gewiss bald geben wird.

Wir sind arme Schweine, denkt er. Wir stehen unter Befehl, und es herrscht Kriegsrecht im Land. Verdammt, was wartet diesmal vor uns?

Sie kommen etwa zwanzig Meilen weit und durchreiten den Canyon, den auch der andere Lieutenant mit seinen sechs Reitern durchritt.

Sie reiten vorschriftsmäßig mit Vor- und Nachhut, sichern mit schussbereiten Karabinern nach oben zu den Rändern des Canyons.

Aber auch sie kommen unbehelligt hinaus auf die Ebene und erreichen bald den Platz, wo ihre Vorgänger starben. Es ist nicht mehr viel von den nackten Leichen übrig. Die Aasfresser des Landes taten schon ihre Pflicht. Totes zu vertilgen, dies ist seit der Schöpfung ihre Aufgabe.

Der Lieutenant lässt absitzen, die Überreste einsammeln und bestatten.

Sie geben ihnen die Flagge mit ins Grab, und der Junge hält eine Rede, die man ihm gewiss auch in West Point beigebracht hatte für den Fall der Fälle. Sergeant Jock McQuene hätte eine andere Rede gehalten, eigentlich nur wenige Worte gesprochen, etwa so: »Nun, Jungens, ihr habt es schon hinter euch. Das ist vielleicht gar nicht so schlecht, wenn es euch im Jenseits besser geht, als hier in diesem Mistland. Ein paar von euch haben bei mir noch Pokerschulden. Die kann ich jetzt wohl abschreiben. Also ihr seid mir nichts mehr schuldig. Bis später, Jungens, wir kommen alle mal dorthin, wo ihr seid.«

Ja, so etwa hätte Jock McQuene geredet.

Sie wollen weiter und sitzen auf Kommando auf.

Und dann sehen sie es.

Einer der Soldaten, der zum breiten Maul des Canyons zurückblickt, sieht es zuerst. Und er ruft: »Aufgepasst! Hinter uns im Canyonmaul!«

Nun blicken sie alle zurück.

Sie sehen zweierlei.

Das breite Schluchtmaul wird von etwa drei Dutzend Apachenkrieger gesperrt.

An der rechten Seite des steilen Hanges gibt es eine schmale Terrasse, etwa drei Yards über der Sohle des Canyons.

Dort oben steht ein Apache mit einer weißen Frau. Er hält sie hinten am Hals fest. Vielleicht muss er sie so aufrecht halten.

Dann sie ist offenbar am Ende ihrer Kraft.

Ihre einst so hübsche und moderne Reisekleidung ist zerfetzt. Ihr rotes Haar ist gelöst. Sie macht einen erbarmungswürdigen Eindruck.

Doch jetzt kann man erkennen, dass sie sich noch einmal unter Kontrolle bekommt. Sie richtet sich auf. Der Apache muss sie nicht mehr halten. Und so nimmt er seine Hand von ihrem Hals.

Dann winkt er den Soldaten zu.

»Kommt und holt sie euch, Blaubäuche!« So tönt seine Stimme zu ihnen, und sie verstehen jedes Wort durch das Schnaufen ihrer Pferde, das Knarren der Sättel und Klirren der Metallteile.

Die Entfernung beträgt wenig mehr als eine Steinwurfweite.

Ja, sie können jede Einzelheit sehen und jedes Wort hören.

Der junge Lieutenant knirscht mit den Zähnen.

Dann sagt er laut genug: »Männer, denen zeigen wir den Weg zur Hölle!«

Er reitet nun an der wartenden Doppelreihe entlang, um sich an die Spitze der Abteilung zu setzen. Der Sergeant folgt ihm, und dabei greift er in seine rechte Satteltasche und holt dort einen zweiten Colt heraus. Indes er dies tut, sagt er aus dem Mundwinkel zum Lieutenant: »Sir, wenn wir angreifen, dann ist das genau das, was die roten Burschen wollen. Der Kerl da oben neben der Frau ist Juan Colorado selbst. Und bei der Frau dürfte es sich um Mrs. Collins handeln. Wir sollen angreifen. Sie werden vor uns in den Canyon flüchten. Und wenn auch wir im Canyon sind, werden hinter uns noch welche auftauchen. Dann stecken wir in der Falle. Haben Sie das kapiert, Lieutenant?«

Aber dieser gibt keine Antwort. Er scheint die Worte des Sergeants gar nicht mitbekommen zu haben. Offenbar ist er völlig nach vorn auf die wartenden und herausfordernd wirkenden Apachen konzentriert.

Er lässt dann die wartende Zweierreihe der Reiter zu einem doppelten Glied nach rechts schwenken.

Die Reiter gehorchen präzise.

Und dann verharren sie noch einmal, zwei Glieder zu je zwölf Reitern.

Vor den beiden wartenden Gliedern machen sich der Lieutenant und der Sergeant bereit.

»Sie bleiben am linken Flügel, Sersch«, knirscht der Lieutenant. »Wir schlagen zunächst diese verdammten roten Bastarde. Dann holen wir die Frau. Aber erst erledigen wir sie alle, verstanden?«

»Sie werden uns in eine Falle locken, Sir«, erwidert der Sergeant und blickt sich um. Aber hinter den beiden wartenden Doppelreihen ist nichts zu sehen auf der Ebene, gar nichts.

Doch Jock McQuene weiß, dass dies bei den Apachen nichts zu bedeuten hat.

Es kann schon in nächster Nähe einen trockenen Arroyo geben, in dem sie lauernd verborgen sind.