G. F. Unger Sonder-Edition 166 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 166 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

River-Hai

Eine Weile starrte Barrington mich an. Dann sagte er langsam Wort für Wort: "Jetzt weiß ich, warum man dich River-Hai nennt, Rufus Lane! Und ich weiß auch, ich sollte mich endlich geschlagen geben. - Aber ich kann es nicht. Die Niederlage, die du mir zugefügt hast, ist zu groß. Du hast mir die Frau genommen. Mein Schiff fährt ohne mich nach Saint Louis zurück. Du hast mich unmöglich gemacht - bei meinen Leuten und bei meinen Bossen vom Fluss-Syndikat. Ich bin am Ende, aber gegen dich muss und will ich es noch einmal versuchen!"
Bei den letzten Worten ballte er die Fäuste und sprang mich an ...

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Seitenzahl: 176

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

River-Hai

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8199-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

River-Hai

Ich kam mit einem Sack voll Geld zu dem alten Fort an der Mule-Creek-Mündung, etwa hundert Meilen den Missouri hinauf von Kansas City entfernt. Mich selbst und den alten Sack hatte ich gut getarnt. Ich wirkte wie ein heruntergekommener Satteltramp, der aus dem letzten Loch pfiff. In dem Sack hinter dem Sattelzwiesel vermutete man sicherlich irgendwelche Lumpen, keinesfalls Geld.

Mein alter Gaul hinkte auf drei Eisen. Das vierte hatte er schon verloren. Ich war dreckig, unrasiert und abgerissen.

Die beiden Kerle am Ortseingang betrachteten mich verächtlich. Und so hatte ich schon die Hoffnung, dass sie mich passieren lassen würden. Ich sah mein Ziel schon ganz deutlich vor mir.

Dort an der Schiffslandebrücke lag das Dampfboot Colorado Star.

Warum ein Dampfboot auf dem Missouri ausgerechnet Colorado Star hieß, war mir schleierhaft, aber es war nun mal so. Wahrscheinlich hatte der Name nichts mit dem Colorado River zu tun, denn zwischen diesen beiden Strömen – Missouri und Colorado – gab es keine Verbindung.

Nun, ich will nicht vom Thema abkommen.

Ich sah also das Schiff an der Landebrücke und musste nur noch an den beiden hartgesichtigen Kerlen vorbei. Einen Moment lang sah es so aus, als würden sie mich vorbeilassen.

Aber dann sagte einer: »He, halt an!«

In seiner Stimme war ein Klang, der mir sagte, dass er mit seinem Partner kein einziges weiteres Wort verschwenden würde.

Und weil ich noch Hoffnung hatte, ohne besonderen Ärger oder gar Gewaltanwendung an den beiden Burschen vorbeizukommen, hielt ich auch wirklich gehorsam an.

Das war sonst nicht meine Art, wenn man mir so barsche Befehle erteilte.

»Was ist, mein Freund?« So fragte ich. »Seid ihr Deputies? Stört euch mein Aussehen? Ist dieses Nest so nobel, dass es nur feine und reiche Leute einreiten lässt?«

Ich versuchte es also auf die freundliche Art, denn in meiner Stimme war bei meiner Frage ein belustigter Klang.

Aber sie hatten keinen Humor. Sie verzogen nicht einmal die hartlippigen Münder.

Der Sprecher sagte: »Steig ab!«

»Gerne«, sagte ich. »Aber ich wüsste auch gerne den Grund. Wollt ihr ihn mir nicht verraten? Das wäre doch fair, nicht wahr?«

Nun grinsten sie endlich, aber es war ein hartes und unheilvolles Grinsen, das sie mir zeigten.

Der Sprecher sagte: »In wenigen Minuten findet dort auf dem Dampfboot die Versteigerung statt. Es könnte sein, dass du da in dem Sack hinter dem Sattel eine Menge Geld hast und mitbieten möchtest. Und das möchten wir verhindern. Also herunter vom Gaul. Und dann lass uns in den Sack sehen. Wir rechnen mit allen Tricks. Los, alter Junge!«

Nun war alles klar.

Sie waren erfahrene Burschen und hatten klare Befehle. Sie hätten nicht einmal eine alte Tante oder Oma undurchsucht zur Landebrücke und zum Schiff gelassen. Und wahrscheinlich waren noch mehr von ihrer Sorte überall verteilt und schirmten den Ort der Versteigerung nach allen Richtungen hin ab.

Niemand sollte kommen und mitbieten dürfen.

Ja, so einfach war das alles zu verstehen.

Ich seufzte bitter. Denn nun wusste ich, dass meine Verkleidung nichts genützt hatte. Ich würde rau werden müssen.

Langsam und etwas mühsam wirkend, so als wäre ich vom langen Reiten sattelsteif und verkrampft, saß ich ab.

Die beiden Kerle warteten lauernd zwei Schritte von mir und dem Pferd entfernt und beobachteten mich wachsam.

»Jetzt schnall den Sack vom Sattelzwiesel und zeig uns den Inhalt!«

Ich konnte die barschen Befehle kaum noch ertragen, denn ich war ein verdammt stolzer Bursche, der sich noch nie herumstoßen ließ.

Trotzdem gehorchte ich ein zweites Mal.

Ich schnallte den alten Sack ab, öffnete ihn und sagte: »Hahaha, ihr könnt das Geld wohl stets riechen? Ja, er ist voller Geld! Seht es euch an! Hier!«

Und ich trat einen Schritt auf sie zu und hielt ihnen die Öffnung des Sackes hin.

Sie aber fielen darauf rein. Sie näherten sich ebenfalls einen Schritt und beugten sich über die Sacköffnung.

Und weil sie tatsächlich wider Erwarten wirklich Geld sahen, staunten sie einen Sekundenbruchteil zu lange.

Denn ich war nicht sattelsteif, sondern schnell wie ein Wildkater, der in die Höhe springt und so dem zuschnappenden Stahl einer Falle entkommt.

Ich sprang zwar nicht in die Höhe, aber ich ließ den Sack fallen, griff rechts und links den Nacken der Kerle und ließ ihre nach vorne geneigten Köpfe zusammenbumsen wie zwei Melonen – einmal – zweimal – dreimal.

Dann war ich sicher, dass sie für eine Weile nicht mehr mitmachen konnten.

Ich hob den Sack wieder auf, saß damit auf und ritt das letzte Stück bis zur Landebrücke.

Es waren wenig mehr als zweihundert Schritte.

Eines der Häuser an der Uferstraße, an denen ich nun vorbei musste, war ein Saloon. Oben an den Fenstern und auf dem Balkon zeigten sich einige Mädchen. Eine dicke Frau beugte sich weit aus einem Fenster und ließ ihre Brüste hängen.

Ich kannte sie. Es war Nancy Brown, genannt Dollar-Nancy.

Und sie rief mir zu: »Gut gemacht, Rufus Lane! Du bist schon ein toller Bursche. Jetzt mach weiter so! Viel Glück!«

Oha, Dollar-Nancy kannte mich gut! Früher musste sie mal eine Schönheit gewesen sein. Jetzt war sie zu fett. Und ihr Herz war aus Stein, was ihren Umgang mit jener Welt betraf, zu der ihre Mädchen und Freunde nicht gehörten. Denn für Freunde und ihre Mädchen hatte sie ein weiches und großes Herz.

So war sie nun mal.

Ich winkte ihr zu und ritt zur Landebrücke.

Dort standen zwei Soldaten. Sie hatten alles beobachtet, und sie grinsten mich an.

Ich grinste zurück und fragte: »Na, ihr Blaubäuche, lasst ihr mich an Bord oder muss ich auch eure Köpfe zusammenbumsen?«

Mein Grinsen und der glucksende Ton meiner Stimme nahm meinen Worten jede Herausforderung, bewirkte vielmehr das Gegenteil.

Einer sagte: »Du musst dich beeilen, Bruder. Die Versteigerung beginnt in dieser Minute. Der Regierungsvertreter ist ein pünktlicher Mensch.«

Ich beeilte mich tatsächlich. Niemand an Bord stellte sich mir jetzt noch in den Weg.

Denn noch war die Colorado Star ein Regierungsdampfer. Er war einst als Kriegsbeute der Konföderiertenarmee abgenommen worden, tat dann bei der Unionsarmee Kriegsdienst als nobles und stets bewegliches Generalstabsquartier und sollte nun von der Regierung versteigert werden, wie so vieles andere Kriegsgerät.

Ich ging den Aufgang hinauf, betrat den Saloon des Kabinendecks und hörte eine präzise und nüchtern klingende Männerstimme sagen: »… eröffne ich hiermit die Versteigerung des Regierungsdampfbootes Colorado Star. Jeder unbescholtene Bürger der Union hat das Recht, mitzubieten; jedoch muss die Ersteigerungssumme sofort in bar gezahlt werden.

Der Sprecher war ein kleines, wie ausgetrocknet und verschrumpelt wirkendes Männlein, dessen Kopf jedoch der eines Riesen war. Er sah mich mit wasserhellen Augen an und fragte: »Haben Sie meine letzten Worte genau verstanden, Mister?«

Ich hob meinen Sack in die Höhe.

»Das wird schon langen«, sagte ich dabei.

Die anderen Männer im Saloon starrten mich an.

Einer saß als Schreiber neben dem Regierungsvertreter.

Die drei anderen gehörten zusammen. Einer war der Boss, die beiden anderen seine Leibwächter. Und mit Sicherheit waren sie die Beauftragten einer Vereinigung von Hintermännern, die man auf den großen Strömen einfach nur »Trust« oder »Syndikat« nannte. Diese Vereinigung strebte das Monopol auf allen Strömen an, um die Preise für Frachten und Passagierfahrten bestimmen zu können.

Und jeder freie Schiffseigner bekam mit dieser Bande zu tun, bis er sich entweder angeschlossen oder aufgegeben hatte.

Ich war auch solch ein freier Schiffseigner gewesen, und ich hatte dem Trust die Zähne gezeigt, wollte frei und unabhängig bleiben auf dem Missouri. Da hatten sie mein Schiff angezündet in einer dunklen Nacht in Saint Louis.

Doch jetzt war ich hier, um ihnen ein anderes Schiff wegzuschnappen.

Ich grinste die drei Kerle an und sagte: »Hoffentlich habt ihrgenug Geld mit, Freunde.«

Sie grollten.

Doch dann mussten wir uns alle dem Regierungsmann zuwenden, denn die Versteigerung begann.

Der Mann fragte sanft: »Wer bietet mehr als viertausend Dollar?«

»Ich«, sagte ich ebenso sanft. »Ich werde immer einen Dollar mehr bieten als dieser Gentleman.«

Nun starrten sie mich wieder an.

Der Beauftragte des Trustes starrte dann einen Moment auf den Sack zwischen meinen Füßen, so als versuchte er abzuschätzen, wie viel Geld er enthalten könnte.

Ich grinste ihn an. Als er seinen Blick auf mich richtete, fragte er: »Sie sind doch dieser Rufus Lane, dessen Madybell in Saint Louis abbrannte?«

Ich nickte.

Dann fragte er knurrend: »Woher haben Sie denn plötzlich so viel Geld? Waren Sie denn so hoch mit Ihrem Schiff versichert? Hat die Versicherung denn so schnell gezahlt?«

Ich grinste stärker. »Ich hatte einen Gönner«, sagte ich. »Wollen Sie mitbieten oder mit mir plaudern?«

Er bekam schmale Augen und knirschte mit den Zähnen.

Man sah ihm an, dass er eine Menge auf der Zunge hatte. Doch die Regierungsleute hinter dem Tisch hätten es gehört. Und so schluckte er alles herunter wie tote Kröten.

Er sagte zu seinen beiden Begleitern: »Wir gehen!«

Sie gingen. Er bot nicht mit. Wahrscheinlich hatten seine Auftraggeber ihm das Limit von viertausend Dollar gesetzt. Sie hatten ja auch mit Hilfe eines Rudels Hartgesottener dafür gesorgt, dass keine Konkurrenz zur Versteigerung kommen konnte.

Nur ich hatte es geschafft.

Der Regierungsvertreter kaute am Ende seines Federhalters.

»Viertausendundein Dollar«, sagte er schließlich widerwillig, »zum ersten – zum zweiten – und zum dritten.«

Dann klopfte er mit dem Hammer auf den Tisch.

Und mir gehörte die Colorado Star.

Eine Viertelstunde später waren alle Formalitäten erledigt. Ich bekam die Papiere und begleitete die Regierungsleute und deren Soldaten zur Gangway, die vom Schiff auf die Landebrücke führte.

Auch auf dem Schiff waren einige Soldaten gewesen.

Dann war ich allein auf dem Dampfboot.

In mir war kein Glücksgefühl oder gar Triumph, denn ich wusste, dass der Krieg zwischen mir und dem Trust jetzt erst richtig losgehen würde. Es war aber eine grimmige Zufriedenheit in mir.

Ich hatte zurückgeschlagen.

Und das Geld für die Versteigerung hatte ich mir vor drei Nächten aus dem Office des Trustagenten in Kansas City geholt. Sie würden es mir nicht beweisen können, doch wenn sie erfuhren, dass ich hier mit einem Sack Geld zur Versteigerung kam, da wussten sie Bescheid.

Sie hatten mein Schiff verbrannt, um mich klein zu machen.

Aber ich hatte ihren Geldschrank ausgeräumt in Kansas City und mir ein neues Schiff gekauft.

So war das.

Ich war ein Bursche, der sich nicht kleinmachen ließ.

Und sie würden mich noch ganz anders kennen lernen. Es war still an Land in dem kleinen Ort beim alten Fort an der Mule-Creek-Mündung.

Die beiden Kerle, die ich mit den Köpfen zusammengeknallt hatte, waren verschwunden. Auch von den drei anderen Männern, die hier an Bord zur Versteigerung gekommen waren, sah ich nichts mehr. Aber gewiss waren es insgesamt mehr als ein Dutzend gewesen.

Etwas weiter oberhalb am Ufer, an einer kleineren Landebrücke, da lag ein kleines Dampfboot. Wahrscheinlich waren sie mit diesem Ding gekommen.

Aus den oberen Fenstern des Saloons sahen immer noch Nancy Brown und deren Mädchen heraus. Sie winkten mir zu, denn sie sahen mich deutlich genug an der Gangway stehen. Auch andere Leute des Ortes beobachteten mich.

Ich sah den Wagenweg entlang, den ich auf dem alten Gaul geritten kam. Das Tier stand immer noch drüben an Land dicht bei der Landebrücke. Ich würde es bald gut versorgen lassen und jemandem im Ort schenken, der mir versprach, es nicht so hart arbeiten zu lassen.

Ich wusste, dass sich jetzt Dollar-Nancy, deren Mädchen, der ganze Ort und auch sonst noch alle Leute darüber Gedanken machten, was ich wohl allein mit der Colorado Star machen würde.

Nun, sie würden es gleich sehen.

Denn dort auf dem Wagenweg kam nun die Postkutsche, die ich in Kansas City für meine Männer als Sonderpost gemietet hatte.

Ja, da kamen sie. Es war die Besatzung der abgebrannten Madybell.

Die meisten von ihnen hatten damals nur die nackte Haut retten können nach der Explosion. Und zwei von ihnen waren nicht lebend davongekommen.

Auf meine Mannschaft konnte ich mich verlassen.

Und nun kamen sie. Als die Kutsche an der Landebrücke hielt, kletterten sie heraus. Mein Steuermann Mike Faro rief heraus: »Alles klar, Boss?«

Ich grinste und zeigte ihm mit dem Daumen und Zeigefinger das O, was ja so viel wie Okay hieß.

Und da kamen sie an Bord.

Ich wusste noch nicht, dass ich bald eine Überraschung erleben würde.

Als wir unten im Maschinenraum die beiden Dampfkessel inspizierten, da begann Pat Otis, mein Maschinist, sofort bitter zu fluchen, kaum dass er eine Feuertür geöffnet hatte und in den Feuerraum blickte. Dann sprang er auf Steuerbordseite hinüber und blickte in den Feuerraum des Steuerbordkessels.

Auch mein Steuermann Mike Faro und ich, wir taten es.

Dann fluchten wir zu dritt.

Aber das Fluchen konnte uns gewiss nicht die fehlenden Feuerroste ersetzen.

Und wir wussten, ohne die wichtigen gusseisernen Feuerroste konnten wir unter den Kesseln kein Feuer machen und Dampf erzeugen.

Mit diesen Feuerrosten war es auf allen Dampfbooten so eine Sache.

Man bekam schlecht Ersatz dafür. Denn es gab viele Gründe. Viele Kessel waren nur für das jeweilige Schiff hergestellt, besaßen also besondere Maße. Und so passten ganz selten einmal andere Feuerroste. Entweder bekam man sie gar nicht erst in die Feuerräume unter den Kessel – oder sie saßen zu locker und fielen immer wieder in den Aschenkasten.

Dann heulten, brüllten, kreischten und fluchten die Heizer und Maschinisten wie die Irren.

Wir standen also im Kesselraum und starrten uns ziemlich dumm an.

Zu sagen brauchten wir nichts, denn wir wussten Bescheid. Ohne Feuerroste konnten wir das Dampfboot nicht unter Dampf setzen.

»Verdammt«, knirschte Pat Otis, »wer hat uns das angetan? Wer hat dieses Schiff verstümmelt?«

Er meinte es ernst. Für ihn war es die Verstümmlung eines sonst funktionierenden Körpers.

Ich schnaufte, und ich wusste, dass die Leute des Trustes wohl doch noch einige Trümpfe im Ärmel hatten. Aber dann kam es doch anders. Was ich zu wissen glaubte, war ein Irrtum.

Denn von oben rief einer unserer Decksleute herunter: »He, Chef, die dicke Nancy Brown ist an Bord gekommen und will mit Ihnen reden. Sie will sogar in den Maschinen- und Kesselraum hinunter. Sollen wir das zulassen?«

Wir starrten auf den Niedergang, der von oben herunterführte. Es war eine schmale Eisentreppe. Und wir stellten uns vor, wie Nancy Brown dort herunterkommen würde.

Und so nickten wir alle drei heftig. Pat Otis brüllte begeistert: »Hoiii, lasst sie kommen! Lasst sie nur kommen!«

Wenig später kam sie. Sie stieg rückwärts nach unten und zeigte uns ihren prallen Hintern. Unten wandte sie sich schnaufend um und sah uns an.

»Ihr werdet bald nicht mehr wie Haifische grinsen«, sagte sie. »Denn ich bin der einzige Mensch, der euch zu den Feuerrosten verhelfen kann. Nicht wahr, da staunt ihr! Ich bin nur am Körper fett. Mein Hirn ist nicht verfettet. Und ich will mit meinen Paradiesvögeln hinauf ins Goldland. Na?«

Ich begriff es schnell. Es war ja so einfach zu begreifen.

Dollar-Nancy Brown wollte hinauf in den Norden. Wahrscheinlich wollte sie dem Trust entkommen, der auch die Vergnügungsgeschäfte an Land zu kontrollieren begann in allen Hafenorten.

Ich sah in ihre harten Augen, und ich wusste ohnehin, wie hartgesotten sie war. Denn sie musste sich inmitten einer harten Welt behaupten und für ihre Mädchen sorgen. Sie hatte es ständig mit Sündern zu tun, von denen keiner edel war. Und wenn sie nicht hart und schlau war, dann zog man ihr und ihren Honeys das Fell über die Ohren.

Das alles war mir bewusst, indes ich in ihre harten Augen sah. Und ich wusste, dass es kein Handeln gab. Sie wollte hinauf ins Goldland von Montana. Dort in den Crazy Mountains und im Gallatin Valley suchten mehr als zehntausend Goldsucher und Minenleute nach dem gelben Metall, das von jeher schon die Menschen um den Verstand brachte.

Und Dollar-Nancys Paradiesvögelchen würden sich dort ihre Gunst mit Gold aufwiegen lassen können. Sie hatten dort kaum Konkurrenz. Es gab gewiss nur wenige Frauen im Goldland.

Mein Steuermann Mike Faro und mein Maschinist Pat Otis begannen leise zu fluchen.

Mike Faro sagte: »Boss, diese Lady gehört wohl nicht zu den Reinen und Guten.«

»Nein«, sagte Dollar-Nancy sofort an meiner Stelle, »Zu denen gehöre ich gewiss nicht. Denn ich habe es schon zu lange mit Männern zu tun. Also, Rufus Lane, wie ist es? Wollen Sie die Feuerroste oder nicht?«

Ich grinste. »Und wenn ich euch wieder von Bord schicke, sobald ich die Roste habe?« So fragte ich und versuchte meiner Stimme einen hinterhältigen Klang zu geben.

Aber da schüttelte sie den Kopf, so dass ihre roten Locken nur so flogen.

»Du nicht«, sagte sie. »Du nicht, Rufus Lane. Du bist zwar ein verdammter River-Hai, aber du bist auch ein Mann mit Selbstachtung. Du gehörst zu der Sorte, die Wort hält. Und dein Wort wirst du uns geben müssen, dass du uns an Bord behältst, bis wir oben in Montana bei Fort Benton anlegen. Also?«

Bei ihrem letzten Wort sah man ihr an und spürte es auch deutlich, dass sie nun nicht mehr verhandeln würde. Sie hatte alles gesagt, und wenn ich ablehnte, würde sie von Bord gehen.

Ich hatte keine andere Wahl.

Und so nickte ich. »Abgemacht«, sagte ich. »Wir nehmen euch mit bis Fort Benton. Wo sind die Roste?«

Sie wandte sich wortlos dem Aufgang zu und stemmte ihren schweren Körper die eisernen Treppenstufen hinauf, zog dabei kräftig rechts und links am Geländer. Wir hörten ihr Keuchen.

Oben folgen wir ihr.

Ein riesiger Neger wartete hier. Auch ihn kannte ich, denn auch er gehörte zu den großen Strömen. Einst hatte er zwischen New Orleans und Saint Louis einen guten Namen als Preiskämpfer, und er gehörte als Sklave einem weißen Herrn.

Doch das war vor dem Krieg.

Nun gehörte er zu Nancy Browns »Hühnerstall«.

Er grinste mich an. Sein Gesicht war narbig, gezeichnet von harten Fäusten. Denn man kämpfte ja noch ohne Handschuhe bei Preiskämpfen. Aber seine Zähne waren noch makellos. Die hatte ihm keiner seiner Gegner aus dem Mund schlagen können. Wahrscheinlich konnte er mit seinen Zähnen Kieselsteine zu Mehl zermalmen.

Ich folgte ihm – und hinter mir kamen die anderen.

Bob Blueman, so hieß der Schwarze, führte uns nach achtern auf die Steuerbordseite. Hier beugte er sich über die Reling und deutete ins Wasser.

»Da unten liegen sie«, sagte er. »Ich springe jetzt hinunter und reiche sie euch hoch.«

Kaum hatte er ausgesprochen, da schwang er sich über die Reling.

Der Fluss war hier nur so tief, dass ihm das Wasser bis zur Brust reichte.

Er hockte sich nun nieder, tauchte unter, und wir konnten von oben erkennen, dass er am Flussgrund mit tastenden Händen suchte.

Aber als er sich aufrichtete, brachte er einen der Roste zum Vorschein.

Es war ein schweres Ding, gewiss schwerer als ein Mann. Doch er stemmte es zu uns empor. Wir beugten uns weit über die Reling und ergriffen es, zogen und hoben es an Bord.

Es waren insgesamt vier Roste, und wir brachten sie schnell in den Kesselraum und legten sie in die Feuerräume unter den Kesseln.

Pat Otis sagte zu seinen beiden Heizern: »Macht Feuer an, Jungens! Wir wollen so schnell wie möglich Dampf haben.«

Ich ging mit Mike Faro nach oben.

Mike lachte heiser: »Jetzt haben wir eine ganze Truppe goldiger Engelchen an Bord«, sagte er. »Wir könnten ein schwimmendes Tingeltangel-Etablissement aufmachen. Dann wärst du das männliche Gegenstück von Dollar-Nancy, hahaha!«

Er lachte wiehernd, und er war ein drahtiger, rothaariger Ire.

Ich lachte nicht, denn sein Vergleich missfiel mir. Wäre er nicht mein Freund gewesen, hätten ich ihm was aufs Maul geschlagen. Ja, ich war ziemlich wütend.

Aber es gab anderes zu tun.

Das ganze Schiff war zu inspizieren. Wir mussten herausfinden, was zu reparieren oder sonst wie zu verändern war. Aber wir wurden angenehm enttäuscht. Das Schiff war tadellos instand. Wahrscheinlich lag es daran, dass es ein schwimmendes Generalstabsquartier gewesen war. Und hohe Offiziere beanspruchten nun mal Luxus, besonders solche Generalstabshengste.

Es gab nichts auszusetzen. Das einst so noble Luxussaloondampfboot war immer noch nobel, sehr gepflegt und bestens in Schuss.

Nun wusste ich auch, warum der Trust so scharf darauf war.

Und ich freute mich, dass ich es der Bande wegschnappen konnte.

Aber das sollte erst der Anfang sein.

Ich war noch längst nicht fertig mit diesem Banditensyndikat.

So glaubte ich damals.

Es war dann schon später Nachmittag, als ich von Bord ging, um im Store Einkäufe zu machen. Unser chinesischer Koch begleitete mich, denn hauptsächlich musste Proviant eingekauft werden. Dafür war er zuständig.

Wir nannten ihn einfach nur Ching. Er sprach einigermaßen gut englisch. Es ging das Gerücht über ihn um, dass er einst an der chinesischen Küste ein Pirat gewesen sei.

Und so sah er auch aus.

Aber er kochte erstklassig, war sauber bis zur Pingeligkeit und hatte nur eine einzige Schwäche, nämlich einen Kampfhahn, den er in einem großen Käfig hielt, jeden Tag aber an einer Leine spazieren führte.

Und überall, wo Hahnenkämpfe stattfanden, da ließ er seinen »Adler« kämpfen.

Bisher gewann dieser Hahn jeden Kampf.