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Böse Stadt
Drei Ereignisse sind es, die aus dem gottverlassenen Nest Hope am Rand der Apachenwüste für kurze Zeit eine Stadt machen: Der alte Sam Hickman stößt auf eine Silberader. Ein Unwetter zwingt die fünf Insassen einer Postkutsche, in Hope Zuflucht zu suchen, und drei flüchtige Banditen und zwei skrupellose Abenteuerinnen wittern das große Geld. Das dritte Ereignis ist das Eintreffen Slon Harpers, der seine verschollene Freundin sucht.
Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf: Hope wird zu einer Stadt des Bösen, in der Verbrechen und Laster regieren und deren unausweichlichen Untergang nur wenige überleben werden ...
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Seitenzahl: 181
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Böse Stadt
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8321-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Böse Stadt
Drei Ereignisse sind es, die aus dem gottverlassenen Nest Hope am Rand der Apachenwüste für kurze Zeit eine Stadt machen: Der alte Sam Hickman stößt auf eine Silberader. Ein Unwetter zwingt die fünf Insassen einer Postkutsche, in Hope Zuflucht zu suchen, und drei flüchtige Banditen und zwei skrupellose Abenteuerinnen wittern das große Geld. Das dritte Ereignis ist das Eintreffen Slon Harpers, der seine verschollene Freundin sucht.
Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf: Hope wird zu einer Stadt des Bösen, in der Verbrechen und Laster regieren und deren unausweichlichen Untergang nur wenige überleben werden …
Dass aus Hope so schnell eine böse Stadt wird, daran sind mehrere Ereignisse in diesen Tagen des späten Sommers im Jahre 1868 beteiligt.
All diese Ereignisse lassen zuerst keinen Zusammenhang erkennen, aber das ist ja oft so auf unserer Erde und im Leben der Menschen auf ihr.
Zuerst findet der Gold- und Silbersucher, Joel Webster, irgendwo in der Apachenwüste eine Quelle. Eigentlich will er kostbares Erz finden. Doch als er im felsigen Boden das Loch noch keinen Yard tief ausgehoben hat, da schießt ihm das Wasser ins Gesicht.
Dieses Wasser füllt binnen weniger Stunden eine felsige Mulde und schafft so eine große Wasserstelle, in der Joel Webster am nächsten Tag ein Bad nimmt und dann auch seine schmutzigen, nach Schweiß stinkenden Kleider und sein altes, zerlöchertes, rotes Armeeunterzeug wäscht.
Und indes die Sachen dann in der Sonne trocknen, nimmt er nochmals ein Bad und ist vergnügt wie noch nie zuvor in nüchternem Zustand.
So gern würde er sich jetzt betrinken.
Doch als Ersatz beginnt er, das Lied vom guten Pikes Whiskey zu singen:
Hoiii, Doc Bonescale einst in einer Stadt
zwölf tote Männer gefunden hat!
Er gab ihnen Pikes Whiskey zu trinken,
da standen sie auf, um mit den Hüten zu winken.
Dieses Lied hat noch eine Menge Strophen, und er singt sie alle mit Begeisterung.
Dann endlich beginnt er nachzudenken.
Und da wird ihm eines klar: Er ist ein gemachter Mann. Er hat hier zwar kein Gold und Silber gefunden, dafür aber Wasser. Und das ist in diesem Teil des Landes nicht weniger kostbar, wahrscheinlich sogar noch wertvoller.
Er beginnt darüber nachzudenken, wie er seinen Wasserschatz zu Gold machen kann. Und weil er sich im Land auskennt, weiß er, dass diese Wasserstelle den Wagenweg, auf dem alle Postkutschen und Frachtwagenzüge zwischen Nogales, El Paso und Santa Fé verkehren, nun um etwa fünfzig Meilen verkürzen wird.
Dann wird dieser Wagenweg auch dicht an der Stadt Hope vorbeiführen.
Und von diesem Moment an wird Hope an der Lebensader des Landes liegen. Das kleine, verschlafene Nest wird sich gewaltig verändern.
»Vor allen Dingen muss ich mir diesen Wasserclaim nach Squatterrecht sichern«, sagt Joel Webster stolz.
Er starrt auf sein zerlöchertes Unterzeug, welches auf einem Felsen trocknet.
»O Himmel«, betet er, »ich bedanke mich und werde in der Kirche von Hope auch eine Kerze spendieren und anzünden. Ich will ein möglichst guter Mensch werden. Und nie wieder will ich zerlöchertes Unterzeug tragen – nie wieder, verdammt!«
Als er das letzte Wort spricht, zuckt er im Wasser zusammen und blickt gen Himmel. »Aber fluchen darf ich doch, dann und wann, nicht wahr, du guter Vater? Was ist das Leben ohne diese Würze!«
Er denkt dann noch über all die Freuden nach, die er sich demnächst wird leisten können. Wirklich ernsthaft überlegt er, ob er sich ein ganzes Hurenhaus herbestellen oder ob er eins in der Stadt eine ganze Woche lang für sich allein mieten soll, um dort mal so richtig zu feiern. Dies hat er sich schon immer vorgenommen, für den Fall, dass er einmal einen großen Silber- oder Goldfund machen würde.
Und er jubelt wieder laut. »Wasser, Wasser ist sauberer als Gold- oder Silbererz! Und es kommt von selbst aus der Erde hoch. Ich muss es nicht herauskratzen. Joel, du bist ein richtiger Lucky Cuss, ein Glückskerl, ohooo!«
☆
In diesen Tagen geschieht noch etwas anderes, etwas, was nur alle paar Jahre einmal in diesem Land zum Ausbruch kommt. Ein Unwetter bricht nieder, so als wollte der Himmel dieses Land für viele Jahre der Trockenheit entschädigen. Es ist, als wollte der Himmel das Land in ein Meer verwandeln. Seit mehr als zehn oder gar zwanzig Jahren hat es nicht mehr solche gewaltigen Wolkenbrüche gegeben. Und so kann das sonst so trockene Land die Wassermengen gar nicht aufnehmen. Aus den zahllosen trockenen Creeks werden reißende Flüsse.
Einer dieser Flüsse entstand aus dem Arroyo Verde, dessen Wasserstand niemals höher war als knöcheltief, zumeist war der Creek völlig trocken.
Nun ist er ein reißender Strom.
Und am Südufer hält die Postkutsche.
Die Wolkenbrüche haben etwas nachgelassen, doch der Regen prasselt immer noch ziemlich stark hernieder. Fahrer und Begleitmann auf dem hohen Bock überlegen sich die Sache noch.
Der Fahrer grollt: »Verdammt, Pete, wir müssen da durch, nicht wahr? In dieser Furt ist sonst nicht mehr Wasser als zehn Wildrinder in ihren Blasen haben und auf die gute Mutter Erde rauschen lassen können. Und jetzt … Sieh dir das an, Pete! Hast du in diesem gottverdammten Land schon mal so eine Sintflut erlebt?«
»Nein, Barney«, grollt auch Pete. »Aber wenn wir es nicht versuchen, können wir hier vielleicht zwei Tage warten, bis alles abgeflossen ist. Na los, Barney, worauf wartest du noch?«
Aus der Kutsche klingen nun die Rufe der Passagiere.
»He, warum geht es nicht weiter?«
»Zum Teufel, wollt ihr nicht durch diesen verdammten Fluss, bevor er den Pferden bis über die Ohren reicht?«
Und dann fragt eine Frauenstimme herausfordernd: »Soll ich heraufkommen und die Zügel in die Hand nehmen?«
Eine zweite Frauenstimme fragt höhnend: »Könnt ihr nicht schwimmen dort oben?«
Da flucht der Fahrer wild und brüllt: »Braaah! Braaah, ihr dicken Tanten! Lauft hinein und nehmt ein Bad! Es ist doch ganz einfach! Wir müssen nur hindurch, mehr nicht!«
Und sein Begleitmann nimmt Kiesel aus dem Eimer und pfeffert sie auf die Hinterteile der sechs Pferde des Gespanns.
Das Gespann wiehert wie verrückt, aber es gehorcht und jagt mit der Kutsche in die sonst so harmlose Furt hinein, die eigentlich nur deshalb als Furt bezeichnet wird, weil die Uferhänge nicht so steil sind.
Sie wollen mit Wucht hindurch, und vielleicht hätten sie das auch geschafft, obwohl das Wasser den Pferden bis zu den Hälsen reicht. Ihr Schwung hätte vielleicht ausgereicht, um wenigstens aus dem Creekbett herauszukommen auf das normalerweise trockene Land. Aber die Strömung ist schon zu stark.
Sie zieht den Tieren den Grund unter den Hufen weg, so dass sie nur noch schwimmen, aber nicht mehr ziehen können.
Die Kutsche wird abgetrieben und kippt um. Das Gespann reißt sich los. Und so wird die Kutsche zu einer umgekippten, treibenden Holzkiste mit Rädern, von denen eines fehlt, weil es abbrach.
Drei Männer und zwei Frauen sind in der Kutsche, und irgendwie kommen sie heraus. Es zeigt sich, dass die Männer die Nerven behalten und den beiden Frauen helfen. Als eine der Frauen untergeht in den Wirbeln, da taucht ein Mann im schmutzigen Strom und holt sie herauf.
Es wird nun ein schlimmer Kampf für alle. Denn auch der Fahrer Barney und dessen Begleitmann Pete wollen natürlich nicht ertrinken.
O ja, sie werden gewaltig abgetrieben. Aber irgendwann gelangen sie alle an Land, können dem reißenden Strom entkommen, der vor einer Stunde noch ein armseliger Creek war, ein kümmerliches Rinnsal in einem ausgetrockneten Land.
Der Regen prasselt immer noch gewaltig nieder, als sie sich sammeln.
Sie alle sind nass bis auf die Haut. Eine der beiden Frauen hat sich im Fluss ihrer Röcke entledigt, und die Röcke der anderen Frau wurden zerfetzt von irgendwelchen unter der Wasseroberfläche sich befindenden Dornen- und Stachelbüschen.
Auch die Männer sehen übel aus.
Eine ganze Weile hocken sie im Regen am Boden in der nassen Pampe und Matsche. Denn auch dort, wo der Creek nicht fließt, ist der Boden knöchelhoch mit Wasser bedeckt. Es kann gar nicht so schnell versickern oder gar abfließen.
Nach einer Weile beginnen sie zu fluchen, auch die beiden Frauen.
Doch dem Fahrer und dessen Begleitmann macht keiner einen Vorwurf.
Und so spricht Barney nach einer Weile: »Jedenfalls gebt ihr nicht mir die Schuld. Dafür danke ich euch. Es ist fair, mir nicht die Schuld zu geben. Oder will jetzt doch einer meckern?«
Er fragt es angriffslustig, so als ginge es ihm nicht ganz elend und wäre er nicht fast ertrunken. Aber er ist ja ein harter Bursche. Sonst wäre er nicht der Fahrer einer Postkutsche in diesem verdammten Land geworden.
Doch niemand sagt etwas.
Sie alle haben mit sich selbst zu tun. Sie müssen sich immer wieder erbrechen und spucken dann sandiges Wasser aus, welches sie geschluckt haben. Sie wurden zerschunden, weil die wirbelnde Strömung sie über den Creekgrund riss, dort wo während der jahrelangen Trockenheit die Dornensträucher und Kakteen standen. Ihre Kleidung ist zerfetzt, und keiner der Männer hat noch eine Waffe. Es ging alles verloren. Dem Begleitmann Pete fehlt sogar ein Stiefel.
Schließlich spricht einer der Männer. »Aber wir leben, nicht wahr, wir leben?«
Ein anderer Mann räuspert sich erst würgend und spricht dann nachdenklich: »Da fällt mir ein, was mein Vater einmal zu mir sagte, als ich noch klein war …«
»Na, was sagte er denn?«, fragt der Fahrer grollend. »Ganz sicher war es ein schlauer Spruch, der uns jetzt mächtig helfen wird.«
Sie warten nun alle – so schlecht es ihnen auch geht – auf die Antwort, also auf die schlauen Worte jenes Vaters.
Und dessen Sohn spricht jetzt aus der Erinnerung fast feierlich zu ihnen: »Er sagte immer, dass weit weg von Gott und den Menschen ein Pferd immer das Wichtigste ist. Oder stimmt das nicht, ihr Brüder und Schwestern?«
Sie schweigen verächtlich, und weil es ihnen allmählich etwas besser geht, blicken sie auf den tosenden Fluss, der aus einem armseligen, fast ausgetrockneten Creek entstanden ist.
Plötzlich hört der Regen auf. Und dann öffnet sich im Norden der Himmel. Sonne fällt auf die Erde nieder. Dieser Sonnenschein kommt auch zu ihnen gewandert und lässt das Wasser ringsum funkeln und glitzern.
Nur der Fluss bleibt braungelb, eine schwere, sandige Brühe.
Eine der Frauen fragt: »Und wo sind wir hier? Wie weit ist es zu den nächsten Menschen? He, Mr. Barney, wie weit ist es zur nächsten Station oder zum nächsten Menschenort?«
Barney ist ein schwergewichtiger, bulliger Bursche. Er hebt die Hand und wischt über sein stoppelbärtiges Gesicht.
»So genau weiß ich das nicht«, murmelt er schließlich, »denn diesen alten Weg fahre ich zum ersten Mal. Können Sie sich an die letzte Pferdewechselstation erinnern, die wir heute im Morgengrauen erreichten? Wahrscheinlich nicht, denn da haben Sie ja alle mehr oder weniger in der Kutsche geschnarcht und …«
»Wir Ladys schnarchen nicht, Mr. Barney!« Eine der beiden Frauen spricht es scharf.
»… geträumt«, spricht der Fahrer ungerührt weiter und vollendet so den Satz. »Es ist eine völlig neue Station. Vor einigen Tagen hat ihr Besitzer dort eine Quelle entdeckt, als er nach Gold und Silber grub. Das Wasser schoss so stark aus der Erde, dass der ficke Strahl ihm fast den Kopf von den Schultern riss. Er ritt nach Zozo, ließ die Wasserrechte auf seinen Namen registrieren und machte dann der Post- und Frachtlinie ein Angebot. Weil die Wagenwege von Nogales oder auch von El Paso nach Santa Fé nun an die fünfzig Meilen kürzer wurden durch diese wichtige Wasserstelle, bekam er auch sofort den Vertrag. Die Post- und Frachtlinie schickte einen Bautrupp zu der Quelle. Sie errichteten die Station binnen weniger Tage, schafften auch Pferde in die schnell erbauten Corrals – und ich war der erste Fahrer, der auf einem alten Spanierweg wieder Radfurchen hinterließ. Aber das alles hat euch ja nicht interessiert, weil ihr im Morgengrauen in der Kutsche geschnarcht habt, dass diese nur so bebte und zitterte.«
Der Fahrer Barney verstummt bitter.
Aber einer der Männer spricht nun mit trügerischer Freundlichkeit: »Na schön, mein Freund Barney. Wären Sie jetzt endlich geneigt, uns zu sagen, wo wir sind und wo die nächste Stadt liegt?«
Barney schnauft. Dann knurrt er: »Im Westen – etwa in hundert Meilen Luftlinie Richtung San Pedro River – da haben wir zwei Forts der Armee, nämlich Fort Thomas und Fort Grant. Weiter im Norden liegt Fort Apache. Vor uns aber muss es eine kleine Stadt geben. Ich war noch niemals dort. Sie heißt Hope. Ich denke, dass wir etwa zwanzig Meilen weit laufen müssen, denn die Quelle liegt etwa zwanzig Meilen zurück. Ich sollte in Hope ein neues Gespann bekommen. So war das geregelt von der Post- und Frachtlinie.«
Sie schweigen lange nach seinen Worten. Dann fragt eine der beiden Frauen: »Und was ist mit der Kutsche? Könnte man nicht nach ihr suchen? Sie ist vielleicht ans Ufer geworfen worden von diesem verdammten Fluss.«
»Das ist gar kein Fluss«, spricht die andere Frau. »Dieses Wasser dort wird in wenigen Stunden wieder ein armseliges Rinnsal sein. Man kann es mit einem brüllenden Mann vergleichen, der, sobald sein Rausch vergangen ist, ein jämmerliches Häufchen Elend wird nach all seinem Gebrüll.«
Sie blickt auf ihre unbedeckten Beine.
»In dieser Kutsche habe ich zwei Koffer mit Kleidern«, spricht sie weiter. »Wir müssen die Kutsche finden.«
»Die ist zertrümmert«, knurrt einer der Männer. »Die ist hin mit allem, was in ihr war. Und wir sollten froh sein, dass wir jetzt hier sitzen und mit heiler Haut davongekommen sind. Wandern wir also nach Hope. So soll dieses Nest doch heißen, oder?«
Der Fahrer Barney nickt. »Ja, so ist es wohl, Ladys und Gentlemen: Wir müssen einen hübschen Spaziergang machen. Doch eins kann ich Ihnen versprechen. Diese Wüstengegend der Gila Range wird sich binnen weniger Stunden verändern. Bevor wir in Hope sind, werden wir blühende Blumen sehen überall. Die Gilawüste wird sich für einige Tage in einen bunten Blumengarten verwandeln. Das ist doch schön, nicht wahr?«
Er fragt es voll bösem Spott und grimmigem Zorn.
Sie alle nicken.
»O ja, ich wollte schon immer einmal durch eine blühende Wüste wandern«, spricht eine der beiden Frauen und versucht dabei ihre zerfetzten Röcke ein wenig zu ordnen.
Sie spricht dann weiter: »Da wir nun gewissermaßen eine Gemeinschaft geworden sind in einem verdammten Land, sollten wir uns ein wenig besser kennen lernen. Ich bin Miss Eveline Keyes.«
Sie blickt die Männer der Reihe nach an.
»Na los, wer seid ihr?«, verlangt sie ziemlich grob.
Sie alle betrachten diese Eveline Keyes. Ja, sie macht eine Menge her, und auch während der Fahrt zog sie immer wieder die Blicke der männlichen Passagiere auf sich. Selbst jetzt, obwohl sie so zerzaust ist und mitgenommen, bietet sie immer noch einen erfreulichen Anblick. Denn sie ist makellos gewachsen und wundervoll proportioniert. Wäre ihr Haar nicht noch so nass und schmutzig von der Brühe des zum reißenden Strom gewordenen Arroyos, dann würde es jetzt wie Rotgold glänzen und einen wundervollen Gegensatz zu ihren schwarzen Augen bilden.
Ja, diese Eveline Keyes ist mehr als nur schön, denn Schönheit kann kalt sein. Aber ihre Schönheit wirkt vital, rassig und impulsiv.
Und sie wartet ungeduldig noch darauf, dass die Männer ihre Namen nennen.
Doch da spricht die andere Frau mit einem Klang von Geringschätzung in der Stimme. »Schwester, ich bin Jodie White und ebenfalls noch Miss. Aber von diesen Gentlemen werden wir wahrscheinlich nie die richtigen Namen erfahren. Ich könnte mir denken, dass diese Gentlemen Schatten auf ihrer Fährte haben oder gar steckbrieflich gesucht werden. Sie nahmen in Nogales die Postkutsche, weil diese alle dreißig Meilen das Gespann wechselt und auf einer langen Strecke von keinem Reiter oder Aufgebot einzuholen ist. Ist es nicht so, Jungs?«
Ihre letzten Worte kommen mit einem Lachen aus ihrer Kehle.
Auch sie ist eine rassige und mehr als nur hübsche Frau. Eigentlich ist sie – was Haar- und Augenfarbe betrifft – das Gegenstück zu Eveline Keyes. Denn ihr Haar war vor dem Bad im Fluss rabenschwarz. Doch ihre Augen sind leuchtend blau. Ja, auch sie ist auf vitale Art schön.
Sie nickt Barney zu: »Gehen wir, Barney.«
Dieser erhebt sich, denn inzwischen hat er seine Stiefel geleert und wieder angezogen.
Pete aber klagt: »Verdammt, ich habe nur noch einen Stiefel. Ich muss mir erst ein Hosenbein abschneiden und um den Fuß wickeln. Wenigstens habe ich noch mein Messer in der Tasche.«
Auch die anderen Männer erheben sich.
Einer sagt: »Nennt mich einfach nur Larry.«
»Und mich Burt«, spricht ein anderer.
»Ich bin Cole«, grinst der dritte Fahrgast. »Machen wir also eine Wanderung durch die bald blühende Gilawüste.«
Er setzt sich in Bewegung.
Sie folgen ihm. Nur Pete bleibt noch zurück, weil er sich erst sein Hosenbein abschneiden, um den Fuß wickeln und den Absatz seines einzigen Stiefels verkürzen muss.
☆
In diesen Tagen passiert oder geschieht noch mehr, diesmal aber in Hope selbst. Und auch dies trägt dazu bei, dass Hope sich verändern wird.
Es gibt noch einen weiteren glücklichen Burschen in diesem Land. Jedenfalls hält Sam Hickman sich für einen solchen.
Denn er kommt eilig auf seinem Maultier in die kleine Stadt geritten und wirft sich dort mit einem jauchzenden Ruf aus dem Sattel, obwohl seine Knochen schon ziemlich alt und morsch geworden sind in all den Jahren. Aber diesmal halten sie den Absprung noch aus.
Sam Hickman eilt in den Store, denn der Storehalter von Hope ist zugleich auch der Posthalter und Town Marshal. Letzteres Amt bekleidet er für das symbolische Gehalt von einem Dollar pro Monat. Er führt als Marshal auch die Register, trägt also die Sterbefälle und Geburten ein, registriert Besitzwechsel und Eheschließungen und dergleichen.
Sam Hickman schlägt mit seiner brettharten Hand auf den Ladentisch und brüllt nach dem Marshal.
Der Storehalter kommt aus der Eisenwarenabteilung und fragt ziemlich böse: »Warum brüllst du hier herum, Sam Hickman? Hat dein Maultier dich wieder in einen Kaktus geworfen so wie damals, als ich aus deinem Hintern die Stacheln herausoperieren musste?«
Aber Sam Hickman schüttelt heftig den Kopf und hebt beide Hände, um sie über seinem alten Hut zusammenzuklatschen.
»Ich habe die Ader gefunden – die große Ader. Trag sie ein, Lin Perrit, trage sie ein in dein schlaues Buch! Ich kann dir die genaue Lage angeben, die ganz genaue Lage am Schnittpunkt der Linien. Na los, ich habe wenig Zeit! Denn ich will mich gleich in Lolas Hurenhaus betrinken und mich von ihren Mädchen verwöhnen lassen. Dass ich das noch mal erleben kann! Ohooo!«
Sam Hickman ist vor Freude wie von Sinnen.
Der Storehalter aber greift unter den Ladentisch und holt eine Flasche und zwei Gläser hervor. Indes er einschenkt, spricht er ruhig: »Das freut mich aber für dich, Sam Hickman – wirklich. Du warst all die Jahre ein armer Hund, der wie ein Maulwurf überall herumwühlte und niemals Glück hatte. Aber jetzt … Ist es weit von hier? Ich meine, wird diese Stadt von deinem großen Fund profitieren können?«
»Keine zehn Meilen von hier liegt meine große Silberader in der guten Mutter Erde«, grinst Sam Hickman breit und zeigt dabei noch fünf braune Zähne. Denn mehr besitzt er nicht. Sie heben die Gläser und leeren sie mit einem Ruck.
Dann holt Lin Perrit das große Buch hervor, um den ersten Silberclaim des Landes einzutragen.
Dabei spricht er: »Weißt du eigentlich, Sam, dass der Finder einer Silberader dieser folgen kann, selbst wenn andere Claims an seinen angrenzen? Diese Ader gehört ganz und gar dir, sobald ich die genaue Lage eingetragen habe. Also, wie sind die Landmarken, deren Linien sich auf dem Claim kreuzen müssen?«
Er leckt an dem Tintenstift und wartet neugierig. Durch die offene Tür treten nun zwei Männer in den Store. Man hörte zuvor ihre Pferde kommen und anhalten.
Nun treten sie ein wie zwei Kunden.
Doch das sind sie nicht.
Denn einer spricht hart: »Da kommen wir ja wohl noch rechtzeitig! Alter, es wird nicht klappen mit dem Claimraub. Wir sind zwei. Du bist allein. Und wir können beschwören, dass wir die Silberader zuerst fanden und für uns absteckten. Eigentlich sollten wir dich erschießen, du verdammte Wüstenratte. Hau ab, schleich dich. Denn sonst …«
Weiter kommt er nicht. Denn Sam Hickman, der sich so fühlt, als würde er aus dem Himmel in die Hölle niederfallen, stößt einen seltsamen Laut aus.
Er wendet den beiden Eingetretenen seinen Rücken zu, denn er steht ja noch Lin Perrit zugewandt am Ladentisch.
Nun holt er seinen Revolver aus dem Hosenbund und wirbelt damit herum, so schnell er nur kann mit seinen morschen Knochen, Muskeln und Sehnen.
Als er es geschafft hat und den Revolver heben will, da bekommt er zwei Kugeln in die Brust. Und weil der Storehalter, Lin Perrit, die Schrotflinte unter dem Ladentisch hervorgeholt hat und auf die beiden Fremden richten will, bekommt auch er es von ihnen.
Denn eines wird klar: Es kamen zwei Revolverschwinger nach Hope.
Der Raum füllt sich mit Pulverdampf. Sam Hickman und Lin Perrit fallen zu Boden.
Einer der beiden Fremden sagt hart und trocken: »Nun besitzen wir nicht nur eine Silberader, sondern auch noch diese Stadt. Oho, sie wird mächtig wachsen, blühen und gedeihen! Ja, es wird wohl so sein, dass wir auch diese armselige Stadt übernehmen müssen, um aus ihr ein Juwel zu machen. Nicht wahr, Ringo?«
»Sicher, Johnny, sicher.« Ringo grinst. »Wir haben zwei Silberadern in unserer Hand. Zwei!«
☆
Es geschahen also drei Ereignisse, die aus dem kleinen, unwichtigen und abseits gelegenen Hope eine böse Stadt machen werden.
Ein gewisser Joel Webster fand in etwa vierzig Meilen Entfernung eine unterirdische Quelle und öffnete ihr den Weg zu Luft und Licht. Er schuf so eine ergiebige Wasserstelle, die den Wagenweg durch die Gila Range um fünfzig Meilen verkürzte, so dass er nun über Hope verlief.