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Gunfight in Laredo
Wir waren Freunde gewesen, George Bancroft und ich. Dann zog ich in den Krieg, und er blieb zu Hause. Während ich also für die Sache des Südens Tag für Tag mein Leben riskierte, machte er aus seiner Drei-Kühe-Ranch ein Rinder-Imperium. Eine Ranch nach der anderen riss er sich unter den Nagel. Mit einer Ausnahme: Whitney Houston hatte noch nicht an ihn verkauft. Er hasste Bancroft, wusste aber gleichzeitig, dass er sich nicht mehr lange gegen ihn halten konnte. Und so bot er mir seine Ranch zum Kauf an. Ich griff zu. Aber als ich den Kaufvertrag unterschrieb, fragte ich mich, ob es das eigene Todesurteil war, unter das ich meinen Namen setzte ...
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Gunfight in Laredo
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8415-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Gunfight in Laredo
Wir waren Freunde gewesen, George Bancroft und ich. Dann zog ich in den Krieg, und er blieb zu Haus. Während ich also für die Sache des Südens Tag für Tag mein Leben riskierte, machte er aus seiner Drei-Kühe-Ranch ein Rinderimperium. Eine Ranch nach der anderen riss er sich unter den Nagel. Mit einer Ausnahme. Whitney Houston hatte noch nicht an ihn verkauft. Er hasste Bancroft, wusste aber gleichzeitig, dass er sich nicht mehr lange gegen ihn halten konnte. Und so bot er mir seine Ranch zum Kauf an. Ich griff zu. Aber als ich den Kaufvertrag unterschrieb, fragte ich mich, ob es das eigene Todesurteil war, unter das ich meinen Namen setzte …
Damals war die »Klage des Cowboys« – The Cowboy’s Lament – eines der bekanntesten Lieder im Südwesten. Es ist die Geschichte vom Geist eines getöteten Cowboys, der nachts in den Straßen von Laredo umherwandert und allen Menschen, denen er um die Geisterstunde begegnet, die tragischen Umstände seines Sterbens erzählt und Wünsche bezüglich seiner Beerdigung äußert.
Eine der vielen Strophen lautet so:
O, beat the drum slowly and play the fife lowly,
Play the dead march as they carry me along.
Put bunches of roses all over my coffin,
Roses to deaden the clods as they fall.
Oh, dämpft den Trommelschlag, spielt die Flöte leise,
Spielt den Totenmarsch, wenn sie mich zu Grabe tragen.
Werft Sträuße mit Rosen auf meinen Sarg,
Damit die Erdschollen nicht so schwer auf mich fallen.
Es wurde damals mehr als nur ein Cowboy in Laredo getötet, denn es gab immer wieder jene Revolverkämpfe aus den verschiedensten Gründen.
Wie es zu einem dieser Kämpfe kam, erzählt diese Geschichte.
☆
Die Lichter waren längst schon angezündet in Laredo, als ich in die Stadt ritt. Immer wieder musste ich durch eine der vielen Lichtbahnen, und ich wusste, dass man auf mein Kommen gewartet hatte.
Viele Augen beobachteten mich. Da und dort standen Gestalten außerhalb der Lichtbahnen in der Dunkelheit. Ich ritt mitten auf der Fahrbahn durch den Staub. Langsam ritt ich.
Vor den Saloons und Geschäften standen Sattelpferde an den Haltebalken, waren auch Wagen abgestellt. Doch die Stadt war still, so als hielte sie den Atem an.
O ja, ich spürte den Atem von Drohung und lauernder Gefahr.
Aber ich wusste, es würde nichts passieren – noch nicht.
Und so ritt ich vor das Rio Hotel, saß ab, band mein Pferd an und ging hinein.
Beim Portier am Anmeldepult stand Marshal Buck Custer. Er wandte sich mir zu und betrachtete mich ernst.
»Du willst es wagen, Clay Benson?«, fragte er ruhig.
Ich starrte in seine flintsteinharten Augen.
»Manchmal muss ein Mann etwas wagen«, erwiderte ich.
Er nickte langsam. Dann sprach er: »In meiner Stadt werden sich Bancrofts harte Jungens noch zurückhalten. Doch …«
»Schon gut, Buck Custer, schon gut«, unterbrach ich ihn. »Ich bin mir über alles klar. Dies ist deine Stadt, und sie ist neutral und fair. So wie du. Schon gut.«
Ich ging weiter in den Speiseraum.
Es war Zeit zum Abendessen. Und ich wusste, dass Whitney Houston auf mich wartete. Er wollte mit der Postkutsche weg, die in gut einer Stunde vor dem Hotel die Fahrgäste nach Galveston aufnehmen würde. Gewiss hatte er schon eine Fahrkarte in der Tasche, so sehr vertraute er mir. Dennoch ging es ihm wie einem Spieler, der all seine Chips gesetzt hat und gewinnen muss, weil er sonst verloren ist.
Als ich in den Speiseraum trat, sah ich ihn sofort in der Ecke an einem kleinen Tisch sitzen. Er trug den rechten Arm immer noch in einer Schlinge, und wahrscheinlich würde er ihn nie wieder richtig bewegen können.
Whitney Houston war ein bulliger und etwas schwerfällig wirkender Mann. Altersmäßig hätte er mein Vater sein können. Er wirkte jetzt ausgebrannt. Ich wusste, er hatte nur noch eine Hoffnung, nämlich die, dass er von hier weg nach Galveston zu seiner Tochter kam, die dort mit einem Kapitän verheiratet war.
Er sah mich fragend an. Und so nickte ich ihm zu, indes ich mich setzte.
»Es bleibt dabei«, sagte ich. »Zweitausend Dollar für deine Ranch. Ich habe das Geld bei mir. Gut so?«
Er nickte und holte den Besitztitel aus seiner inneren Rocktasche.
»Es ist alles schon unterschrieben«, sprach er heiser. »Wenn ich für das Geld quittiert habe, gehört dir meine Ranch. Du bekommst sie billig, sehr billig, denn sie ist mit den Rindern, Pferden, der Weide und den Wasserrechten dreimal so viel wert.«
»Ich weiß«, erwiderte ich. »Aber ich habe nicht mehr Geld. Für zweitausend Dollar muss ein Cowboy zehn Jahre arbeiten. Jeder Dollar ist jetzt hier nach dem Krieg bei uns in Texas so groß wie ein Wagenrad. Und wenn man bedenkt, was für eine Menge Verdruss ich mit deiner Ranch kaufe, zahle ich einen fairen Preis – oder?«
Er schluckte und nickte.
Dann nahm er mein Geld, welches ich ihm zuschob und quittierte auf der Urkunde den Empfang. Als er mir die Urkunde zuschob, murmelte er: »Du wirst ihn töten müssen, Clay Benson. Ich war nicht groß genug dazu. Aber du …«
»Schon gut, Whitney«, unterbrach ich ihn.
Nun kam die Bedienung. Sie brachte ihm einen doppelten Whisky und fragte mich, was ich essen wolle. Es gab Hammelbraten oder Steak.
Ich wählte den Hammelbraten und sah dann zu, wie Whitney den Drink kippte.
Dann sprach er: »Mit zweitausend Dollar nimmt meine Tochter mich auf. Sie ist oft lange allein, weil ihr Mann ja Kapitän ist und zur See fährt. Clay Benson, ich danke dir. Es ist eine prächtige Ranch. Meine Frau liegt dort begraben. Aber wenn du die Ranch behalten willst, dann musst du George Bancroft töten. Einer seiner Revolvermänner hat mir den Arm zerschossen.«
Er erhob sich mit einem Ruck und ging. Es war selbstverständlich für ihn, dass ich seine Zeche zahlen würde.
Ich bekam meinen Hammelbraten und begann zu essen.
O ja, er schmeckte mir noch, obwohl ich genau wusste, welchen Verdruss ich mir nun gekauft hatte.
Sally Lee kam in den Raum. Jemand hatte ihr wohl gesagt, dass ich hier wäre.
Ihr gehörte das Hotel.
Sie setzte sich zu mir an den Tisch und sah mich schweigend an.
Sally Lee war eine Augenweide. Es machte Freude, sie anzusehen. Ihre grünen Augen funkelten im Lampenschein.
»Du hast es also getan«, stellte sie fest, denn ihre Worte waren keine Frage.
Ich schob mir mit der Gabel den nächsten Bissen in den Mund.
»Dein Hammelbraten ist köstlich«, sagte ich dann nach einer Weile.
»O Clay, o Clay Benson«, murmelte sie, »warum haben Männer deiner Sorte nur diesen verdammten Stolz?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Das ist nun mal so«, sagte ich dann und schob mir den nächsten Bissen hinter die Zähne. Ich wusste, es waren starke und stets blinkende Zähne. Wenn ich so blinkend grinste, dann warnte das die meisten Männer. Doch andere fühlten sich dadurch herausgefordert. Und so war ich schon durch einige Kämpfe gegangen.
Ich fragte: »Gehst du diese Nacht mit mir ins Bett, Sally? Bist du nun bereit dazu? Nimmst du mich mit hinauf?«
Ihre grünen Katzenaugen wurden schmal. Und ihr sonst so voller und lebendiger Mund bekam harte Lippen.
»Warum sollte ich das tun?«, fragte sie fast grob.
Ich grinste wieder und legte Messer und Gabel tun.
»Weil du nun länger als ein Jahr Witwe bist – und weil es ja sein könnte, dass ich bald tot bin. Also könntest du mir doch einmal das Paradies bereiten. Sally, ich habe immer gespürt, dass ich dich irgendwann mal bekommen würde. Und jetzt wäre der rechte Zeitpunkt. Ich weiß, auch George Bancroft will dich. Aber weil er ohnehin auf mich losgehen wird, spielt es keine Rolle mehr, wie viele Gründe er dafür hat. Bekomme ich dich also diese Nacht?«
Ja, es war eine klare Frage von mir, und vielleicht war sie in ihrer Direktheit sogar ziemlich brutal.
Sie saß mir gegenüber am Tisch. Der Lampenschein gab ihrem Gesicht einen besonderen Zauber. Ich sah nun, dass sie die Augen schloss.
Ihre langen Wimpern waren dunkler als ihr rotgoldenes Haar.
Als ich sie betrachtete, wurde ich mir abermals darüber klar, wie sehr ich sie haben wollte.
Plötzlich sah sie mich wieder an. Und erneut funkelte ihr Blick.
»Gut«, nickte sie, »gehen wir also hinauf in meine Wohnung für eine lange Nacht. Ja, du kannst mich haben, so wie ich dich haben will. Steht dein Pferd noch vor dem Hotel? Dann wird es Marmaduke im Hotelstall versorgen. Wenn du gegessen hast, gehen wir hinauf zu mir.«
Ich sah in ihren Augen, dass sie es wahrhaftig ernst meinte.
Doch ich wusste zugleich auch, warum sie jetzt zu allem mit mir bereit war.
Dort oben bei ihr war ich sicher für eine Nacht. Sie hatte Angst um mich. Gewiss, ich war davon überzeugt, dass auch sie mich wollte. Doch jetzt war noch etwas anderes hinzugekommen.
Und so schüttelte ich den Kopf.
»Nein, so nicht«, hörte ich mich murmeln. »Nicht so, schöne Sally. Ich weiß, es wird wunderschön sein mit uns. Aber ich kann mich nicht gleich bei dir verkriechen – nicht in den nächsten zwei Stunden, nicht wie ein Mäuserich, der ein Stück Käse erbeuten konnte und damit in sein Loch flüchtet. So nicht, Sally. Ich werde mein Pferd in den Mietstall bringen und dann im Saloon ein oder zwei Drinks nehmen. Erst dann werde ich kommen.«
Wieder schloss sie die Augen. Nun zuckte ihr Mund, verriet mir eine Menge von ihren Gedanken und Gefühlen. Ja, sie hatte Angst um mich. Das war wunderbar, denn es sagte mir, dass ich in ihrem Herzen war.
Doch als sie ihre Augen wieder aufmachte, erkannte ich darin ihren Zorn.
»Du wirst auf deinem Stolz in die Hölle reiten«, sprach sie herb und erhob sich. Und stehend sprach sie zu mir nieder: »Komm lieber nicht, Clayton Benson, komm lieber nicht, selbst wenn du es noch könntest.«
Dann ging sie.
Ich sah ihr nach, und es war ein tiefes Bedauern in mir.
Oha, sie war eine wunderschöne, begehrenswerte Frau. Und ich hätte die ganze Nacht in ihren Armen liegen können.
Aber sie hatte mich retten wollen. Ich sollte mich oben bei ihr verkriechen. Gewiss, sie liebte mich. Ich hatte das in den vergangenen Monaten immer deutlicher gespürt. Selbst als ihr Mann noch lebte, da knisterte etwas zwischen uns, sobald wir uns sahen oder miteinander sprachen.
Es war von Anfang an etwas zwischen uns.
Doch sie hielt ihrem Mann die Treue bis zu seinem Tode – und auch noch ein Jahr danach.
Sie hatte mich also retten wollen.
Doch ich konnte nicht kneifen. Wenn ich mich in diesem Land auf meiner Ranch behaupten wollte, musste ich jede Herausforderung annehmen.
Und so beendete ich meine Abendmahlzeit, zahlte und trat hinaus auf die nächtliche Hauptstraße von Laredo.
Mein Pferd stand noch am Haltebalken neben anderen Tieren. Da und dort bewegten sich Fußgänger durch die Lichtbahnen. Viele Häuser besaßen Arkaden, hatten also vorgebaute Obergeschosse.
Unter diesen Arkaden war es dunkler. Die meisten Häuser waren aus Adobeziegeln errichtet worden – damals, als hier noch die Mexikaner herrschten. Laredo war eine alte Stadt.
Ich saß auf, und ich wusste, dass ich nun eine prächtige Zielscheibe abgab. Man konnte mich aus allen dunklen Gassenmündungen oder auch von den Dächern herunter abschießen.
Zugleich wusste ich aber auch, dass viele Augen mich jetzt beobachteten.
Und so zeigte ich allen meine verwegene Furchtlosigkeit. Vielleicht war es dumm, so dumm, wie mein Stolz es womöglich war.
Aber ich konnte nicht anders.
Sie alle – mochten es meine Feinde, meine Freunde oder auch nur die Neutralen sein – mussten mir Respekt zollen. Diesen Respekt brauchte ich, um mich behaupten zu können.
Ich erreichte unbehelligt den Mietstall. Beide Torflügel standen weit offen. Im Lichtschein des Vorraumes saßen zwei Männer auf der Futterkiste und spielten Halma. Es waren der Mietstallmann Latigo und der Pferdepfleger der Post- und Frachtlinie Pedro Diaz.
Ich ritt hinein und saß ab.
Sie erhoben sich von der Futterkiste.
Latigo war ein alter Cowboy, der nicht mehr reiten konnte. Er bevorzugte als Leinen und Riemen jeder Art, auch als Lasso1), stets ölgetränktes Rohleder. Deshalb sein Name Latigo.
Latigo verzog sein runzliges Gesicht und sagte dann: »Sir, der wird bestens versorgt wie immer. Und viel Glück. Einige harte Jungens sind in der Stadt, auch Hogjaw Dallanger.«
Ich nickte nur und gab ihm die Zügelenden in die schwielige Hand, deren Rücken viele Lazo-Narben hatte.
Dann drehte ich mich um und verließ den Hof des Mietstalles.
Rechts lag die Schmiede. Einige Wagen waren davor abgestellt. Und es war ziemlich dunkel. Diese Nacht besaß weder Mond noch Sterne. Überall konnte Unheil lauern.
Ich konnte mich auf meinen Instinkt verlassen, aber nachdem ich den Lichtschein des Stalles verlassen hatte, fühlte ich mich etwas wohler. Dennoch war ich angespannt wie ein Wolf, welcher genau weiß, dass Jäger auf ihn lauern.
Aber ich konnte mich nicht verkriechen, durfte keine Furcht oder Schwäche zeigen.
Und irgendwo – das wusste ich – war Marshal Buck Custer.
Würden sie es wagen in seiner Stadt?
Das war die Frage. Es ging auch um sein Prestige.
Und das musste ihn zwangsläufig hier in der Stadt zu meinem Verbündeten machen – es sei denn, er stellte sich auf George Bancrofts Seite.
Verdammt, dachte ich, warum habe ich mich auf dieses Spiel eingelassen?
Als ich die Arkaden erreichte und durch einige Lichtbahnen schritt, musste ich auch an mehreren Gestalten vorbei, die da und dort an den Hauswänden lehnten.
Einer dieser Männer schnippte mir eine Zigarettenkippe vor die Füße. Funken sprühten. Ich hielt inne und fragte: »Hast du irgendeinen Wunsch, mein Guter?«
»Wir werden dich plattmachen«, erwiderte der Mann. In seiner Stimme war ein Klang von böser Herausforderung.
Da schlug ich zu. Meine Rechte rammte in seinen Magen. Und als er sich verbeugte, weil es ihn wie ein Huftritt traf, da riss ich das Knie hoch und traf ihn damit unter das Kinn. Er prallte rücklings gegen die Wand und schlug hart mit dem Hinterkopf dagegen. Er glitt an der Wand entlang zu Boden und konnte nichts mehr sagen.
Ich ging weiter.
Der Verdruss hatte jetzt begonnen, und ich musste da hindurch. Sonst brauchte ich gar nicht erst zu meiner gerade erst erworbenen Ranch hinauszureiten. Dann konnte ich gleich aufgeben.
Sie wollten mich klein machen, »plattmachen«, sagte der Mann. Gewiss war er einer der Revolverreiter der B-im-Kreis-Ranch, und er hatte sich stolz gefühlt.
Ich ging weiter.
Vom Stadteingang kam die Postkutsche zurück. Es konnte nur die Kutsche sein, die vorhin mit Whitney Houston weggefahren war. Sonst kamen keine Postkutschen um diese Zeit nach Laredo.
Ein Schrei tönte durch die Straße: »Die Postkutsche kommt zurück!«
Sie hielt wenig später mit kreischenden Bremsen vor dem Marshal’s Office.
Leute liefen herbei, umringten das Sechsergespann und die Kutsche.
Durch das Schnauben der Pferde hörte ich eine heisere Stimme rufen: »Überfall! Sie haben Whitney Houston aus der Kutsche geholt, erschossen und ausgeraubt! Houston ist tot! Es waren ein halbes Dutzend Maskierte! Sie haben Whitney Houston erschossen, als dieser mit dem Colt in der Hand aus der Kutsche sprang.«
Ich hörte es.
Und ich verharrte still, hob die Hand und wischte über mein Gesicht, spürte die kratzenden Bartstoppeln.
Sie hatten Whitney mit dem Erlös für die Ranch nicht entkommen lassen. Er hatte zuletzt noch einmal kämpfen wollen, obwohl er ein Krüppel war.
Nun konnte er nicht mehr zu seiner Tochter nach Galveston.
George Bancroft hatte ihn gnadenlos für Ungehorsam bestrafen lassen.
Und nun besaß ich die Ranch.
Was stand mir bevor?
War ich ein verdammter Narr, der geglaubt hatte, billig an eine gute Ranch zu kommen, für die Whitney Houston fast zwanzig Jahre gearbeitet hatte und auf der er seine Frau beerdigen musste?
Ich setzte mich wieder in Bewegung und betrat wenig später den Lonestar-Saloon.
Als sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, da sah ich, dass alle Figuren in diesem Spiel schon ihre Plätze eingenommen hatten, so als hätte ein Regisseur es so angeordnet, also die Schauspieler eines Stückes der Handlung entsprechend aufgestellt.
☆
Hogjaw Dallanger stand allein an der langen Bar.
Earl Gates, dem der Saloon gehörte, hatte sich ans Ende der Bar zurückgezogen und putzte Gläser, tat so, als wäre dies sein einziges Bestreben.
Ein halbes Dutzend von B-im-Kreis-Reitern war im Raume verteilt. Zwei spielten Billard, andere hockten an einem Pokertisch zusammen.
Auch einige Bürger der Stadt waren da – zum Beispiel der Schmied, der Storehalter und der Sattler. Sie waren die drei Stadträte. Vielleicht warteten sie jetzt auf Buck Custer, den Marshal. Doch der war durch die Rückkehr der Postkutsche mit dem Toten verhindert.
Ich sah auch einige Fremde da und dort, die es immer wieder hier in Laredo gab.
Aber dann erkannte ich im Hintergrund rechts und links in den Ecken Vance Ringloke und Izee Randy.
In mir stieg ein dankbares Gefühl hoch.
Vance und Izee waren hier.
Und sie waren meine Freunde. Sie waren rechtzeitig gekommen und saßen dort im Hintergrund.
Das war gut.
Und so trat ich an den Schanktisch. Hogjaw Dallanger starrte mich unter der gesenkten Stirn hinweg drohend an. Bei seinem Anblick dachte man unwillkürlich an einen schwarzen Toro, einen angriffslustigen Kampfstier.
Er war George Bancrofts Vormann, stets bereit, seinem Boss zu dienen. Und er hatte hier auf mich gewartet, weil er wusste, dass sich nun alles nur noch nach einem einzigen Schema abwickeln musste von dem Moment an, da ich Whitney Houstons Ranch kaufte.
Er wusste, ich musste mich ihm stellen. Denn er vertrat den rücksichtslosen Machtanspruch der B-im-Kreis-Ranch auf Wasser, Weide, Rinder und über alle Menschen.
Er starrte zu mir her.
Dann sprach er kehlig mit einem Klang von grimmiger Freude in seiner Stimme: »Also gut, dann bringen wir es hinter uns.«
Ich grinste ihn blinkend an.
»Du hast dir einige harte Jungs mitgebracht, Hogjaw. Ich musste draußen schon einen zurechtstutzen, der mich anpöbelte. Warum bist du denn nicht allein gekommen?«