G. F. Unger Sonder-Edition 171 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 171 E-Book

G. F. Unger

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Million-Cliffs-Land
Von G.F. Unger

Weil der Preisboxer Barton Kelly es ablehnt, einen Wettschwindel mitzumachen, wird er von zwei skrupellosen Gaunern übel hereingelegt. Es gelingt ihnen, Barton einen Raubmord anzuhängen, den sie selber begangen haben. Doch Barton kann mit seinem alten Freund und Manager Tob White fliehen. Im Land der Geächteten finden sie Zuflucht. Vielleicht wären sie dort schon bald Banditen geworden, wenn das Schicksal ihnen nicht noch einmal eine Chance gegeben hätte. Und so stehen sie plötzlich den beiden Kerlen gegenüber, die schuld daran sind, dass man Barton Kelly als Mörder jagt ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 235

Veröffentlichungsjahr: 2019

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Das Million-Cliffs-Land

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8499-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das Million-Cliffs-Land

Barton Kellys Weg war rau und hart. Und er kam oft in Not und musste kämpfen. Er kam sogar so sehr in Not, dass er ins Million-Cliffs-Land, ins Land der Banditen, flüchten musste. Doch er verlor nie den Glauben an sich selbst. Er wusste auch stets ganz genau, wo die Grenze liegt, die ein Mann nicht überschreiten darf, wenn er nicht die Selbstachtung verlieren will.

Und weil das so war, musste Barton Kelly eines Tages wieder den Weg nach oben und zu einer besseren Zeit finden. Das konnte nicht ausbleiben.

Dies ist eine Geschichte aus einer Zeit, die längst vorbei ist. Und dennoch gilt auch heute in unserer Zeit noch eines: Ein Mann darf sich nicht aufgeben! Barton Kelly, dessen Weg damals so sehr viel schwerer war, als es heute in unserer zivilisierten Zeit sein könnte, soll ein Beispiel dafür sein.

G.F. Unger

Tob White betrachtet seinen Schützling wohlgefällig, denn er kann an Barton Kelly all das erkennen, was ihm damals fehlte – damals, als er so jung wie Barton Kelly war und sich einen Namen als Preisboxer gemacht hatte.

Doch dann stieß er auf Ben Conelly, den man den »Stier von Kentucky« nannte. Oh, Conelly war nicht der Mann, vor dem Tob White sich hätte fürchten müssen. Das wussten fast alle Leute. Und deshalb standen die Wetten damals hoch für ihn, Tob White.

Aber dann verlor er doch gegen Ben Conelly. Er verlor, weil ihn einige Burschen dazu »überredet« hatten, überredet mit massiven Drohungen. Und er hatte damals Furcht verspürt und sich erpressen lassen. Hunderte von Männern, die auf ihn gewettet hatten, wurden so enttäuscht und betrogen. Und jene wenigen Wetter, die auf Ben Conelly wetteten, bekamen jeden Dollar zehnfach zurück.

Tob White denkt wieder daran, als er Barton Kelly betrachtet. Und er fragt sich, was Bart wohl tun würde, wenn man auch ihn auf diese Art zu einem Betrug erpressen wollte? Ja, was würde Bart tun?

Tob White gibt sich sofort die Antwort; denn er kennt Bart wie einen eigenen Sohn. Er weiß, wie sehr Barton Kelly ein Kämpfer ist. Und weil ihm dies so sehr klar ist, hat er keinen Zweifel daran, dass Barton sich nicht erpressen ließe.

Doch da würden sie ihm umbringen! Dies denkt er erschrocken, und etwas von diesem Schrecken muss sich wohl in seinem Gesicht ausdrücken, denn Barton Kelly, der seine Hände in einer Schüssel badet, die mit einer grünlichen Flüssigkeit gefüllt ist, betrachtet ihn und sagt: »Tob, welcher Kummer quält dich jetzt? Dein Gesicht ist jetzt so faltig wie ein alter Apfel, den man im Keller vergessen hat. Und deine Augen blicken so erschrocken wie die von Tante Mayflower, als sie beim Ball am Unabhängigkeitstag den falschen Zopf verlor. Was ist mit dir, Tobias?«

Tob White grinst sofort. Er hebt die Hand und wischt sich über das faltige Gesicht, welches wie aus Baumrinde gemacht wirkt. Seine zerschlagenen Boxerohren bewegen sich seltsam, denn er grinst nun breit. Und dann murmelt er: »Ach, was! Ich dachte nur an alte Zeiten, als ich noch so jung war wie du. Ich wurde damals von Ben Conelly geschlagen – das heißt, ich ließ mich schlagen. Alle Leute wussten es. Und ich war nachher erledigt. Ich überlegte mir gerade, was du wohl an meiner Stelle …«

Er kommt nicht weiter, denn die Tür wird geöffnet.

Zwei Männer schieben sich in den Raum. Der eine Besucher ist nicht sehr groß, und er verfügt auch sicherlich über keine besondere körperliche Stärke. Doch er wirkt zäh und drahtig. Es ist nichts besonders Auffälliges an ihm, so meint man, bis man in seine Augen blickt. Und dann erschrickt man irgendwie oder wird zumindest vorsichtig und wachsam. Und dieser kleine Mann erscheint einem gar nicht mehr so unscheinbar. Er wirkt plötzlich sehr viel beachtlicher als der breite und riesenstarke Kerl, der hinter ihm in den Raum kommt und sich von innen gegen die Tür lehnt, ein langes, dolchartiges Messer zum Vorschein bringt und damit seine Fingernägel zu säubern beginnt.

Barton Kelly nimmt seine Hände aus der Badeflüssigkeit. Es ist ein besonderer Saft, den Tob White nach einem Geheimrezept herstellt. Er macht die Haut hart und fest und verhindert das Aufschlagen der Handknöchel.

Denn man schreibt ja das Jahr 1870, und die Preisboxer kämpfen noch ohne Handschuhe. Boxhandschuhe werden erst im Jahre 1892 eingeführt, als James J. Corbett, genannt »Gentleman-Jim«, den Weltmeister Sullivan nach den erstmals geltenden Queensberry-Regeln in der 21. Runde entscheidend besiegt.

Man kämpft also ohne Handschuhe und mit der blanken Faust, und deshalb muss ein Boxer wie Barton Kelly etwas dafür tun, dass seine Hände sich nicht so schnell aufschlagen und zu bluten beginnen.

Er nimmt also seine Hände aus der Flüssigkeit und betrachtet die beiden Besucher ruhig.

Barton Kelly ist ein junger Mann von etwa vierundzwanzig Jahren. Er gehört nicht zu den boxenden Riesen, und er ist auch kein superschwergewichtiger Muskelberg. Barton Kelly ist ein junger Athlet von etwa einsachtzig, und er wiegt nicht viel mehr als hundertsiebzig Pfund.

Das ist für einen Preisboxer nicht besonders beachtlich. Denn es gibt ja noch keine Gewichtsklassen. Barton Kelly hat schon mit Männern gekämpft, die sechzig Pfund mehr wogen, und das waren sechzig Pfund mehr Masse, mehr Muskeln, mehr Knochen.

Doch er schlug sie. Und das ist das Besondere an ihm.

Er scheint aus einer besonderen Substanz gefertigt zu sein, die mehr aushalten und mehr leisten kann.

Er ist prächtig gebaut, und sein Gesicht ist fast hübsch. Er ist einer der vielen Kellys, die aus Irland in die neue Welt kamen, und so ist auch sein Haar gekräuselt und rot. Er hat eine Menge Sommersprossen und zwei scharfe, grünblaue Augen, die tief geschützt in ihren Höhlen liegen und weit auseinander stehen. Dass er Preisboxer ist, sieht man ihm angekleidet bestimmt nicht an. Er konnte bisher sein Gesicht vor all den schlimmen Zeichen bewahren. Und selbst seine Ohren sind noch weit davon entfernt, »Blumenkohlohren« zu sein – ein Ausdruck, den die Boxer gebrauchen.

Er lächelt leicht und sagt: »Wenn dies ein Besuch sein soll, dann ist es sicherlich kein freundlicher, nicht wahr?«

»Nein, nicht sehr, nur rein geschäftlich«, sagt der kleine Mann. Er macht eine schnelle Bewegung und hat plötzlich einen Revolver in der Hand. Es wirkt wie eine Zauberei und ganz so, als hätte er diesen Revolver aus der Luft gegriffen.

»Mein Name ist Mallone«, sagt er fast sanft. »Duff Mallone bin ich. Und dieser Gent an der Tür ist mein lieber Bruder Bill. Wir arbeiten schon eine ganze Weile in Geschäften der Überredung. Und wir sind noch keinem Menschen begegnet, der sich von uns nicht zu seinem Vorteil überreden ließ.«

Er lächelt auf eine Art, die an einen Terrier erinnert, der gerne Ratten jagt und voller Vorfreude seine Zähne zeigt.

Aber Barton Kelly ist keine Ratte. Er bleibt ruhig und fragt sanft: »Und nun möchten Sie mich zu einer Handlungsweise überreden, die überdies auch noch zu meinem Vorteil sein soll? Ja?«

»Für einen Preiskämpfer, der doch gewiss immer wieder harte Fäuste gegen den Kopf bekommt und deshalb nach einer gewissen Anzahl von Kämpfen nicht mehr ganz richtig im Kopf sein kann, begreifen Sie ziemlich gut und schnell, mein Freund von Irlands grüner Insel«, erwidert Duff Mallone. Er macht dann wieder eine leichte Handbewegung, die selbst für Barton Kellys gutes Boxerauge nicht ganz in ihrem Ablauf zu erkennen ist. Sein Revolver ist verschwunden, und an seinem kleinsten Finger funkelt nun ein Brillantring, der zuvor, als die Hand die Waffe hielt, nicht zur Geltung kam.

Überhaupt sind die beiden so ungleichen Brüder sehr teuer gekleidet, und das will hier in Saint Louis etwas heißen, denn hier gibt es eine ganze Anzahl guter Schneider, und mit den Saloon-Schiffen kommen genügend Gentlemen oder Dandys den Mississippi herauf, die nach der neuesten Mode gekleidet sind oder sich hier entsprechend einkleiden.

Aber wenn hier geschrieben wird, dass die beiden Mallone-Brüder teuer gekleidet sind, so ist damit nicht gemeint, dass sie elegant wirken. Duff Mallone wirkt zu sehr nur äußerlich nobel.

Und sein Bruder Bill wirkt wie ein Tanzbär, den man verkleidet hat. Ein Bär aber ist gefährlich. Er ist sogar gefährlicher und vor allen Dingen unberechenbarer als jedes andere Raubtier. Und daran ändern auch irgendwelche lustigen oder gar noblen Verkleidungen nichts.

Barton Kelly hört seinen guten, alten Tob leise, doch unverkennbar bitter seufzen. Und in die Stille hört er ihn gepresst flüstern: »Das ist es wohl. Ich musste soeben so sehr daran denken, wie es mir damals erging. Und es wiederholen sich wohl manche Dinge im Leben.«

Er kommt zu Barton Kelly, legt seine Hand auf dessen Arm und murmelt bitter: »Diese Mallones sind schlimm. Jeder weiß das. Vielleicht weißt du über sie nicht so richtig Bescheid, Bart, mein Junge. Doch …«

»Ich wüsste Bescheid, auch wenn ich zuvor noch nichts über sie gehört hätte«, erwidert Barton Kelly.

Und dann sieht er Duff Mallone an. »Was soll es sein?«, fragt er.

»Das ist vernünftig«, lächelt der kleine Bandit – ja, er ist ein Bandit, dieser Duff Mallone. Das ist es, was man spürt, wenn man in seine harten und hellen Augen blickt und darin die unversöhnliche Mitleidlosigkeit erkennt, jene Kälte und Härte, die so gefühllos ist, dass man meint, seine Augen wären Eis, nichts anderes.

»Sie werden sich von Ihrem Gegner verprügeln lassen, Barton Kelly«, spricht er dann präzise und leidenschaftslos. »Sie werden einen Schaukampf veranstalten und sich in der fünften oder sechsten Runde auf die Bretter legen. Es muss echt aussehen, wenn Ed Adamson gegen Sie gewinnt. Und wenn er nicht gewinnen sollte …«

Er verstummt ganz lässig und gedehnt. Doch sein Revolver liegt wieder in seiner Hand. Und sein Bruder wirft plötzlich das dolchartige Wurfmesser, mit dem er an den Fingernägeln kratzte. Das Messer fährt in den Wandkalender. Die Blätter dieses Kalenders sind nicht größer als eine Hand. Denn es ist ein Abreißkalender. Die Klinge bohrt sich tief in alle Blätter und heftet sie mitsamt dem Papprücken fest gegen das Holz der Wand.

Das oberste Blatt zeigt den genauen Tag an.

Es ist der 23. Juni 1870 in Saint Louis, und in den Zeitungen kann man lesen, dass am Nachmittag die beiden Preiskämpfer Barton Kelly und Ed Adamson kämpfen.

Man kann auch sehen, dass die Wetten sieben zu eins für Barton Kelly stehen. Und das ist es ja wohl auch, was die Besucher hier zu Barton Kelly führt. Denn stünden die Wetten zu Ed Adamsons Gunsten, so würden sich die beiden Mallones wohl bei diesem eingefunden haben, um ihn zu etwas zu überreden, was nichts anderes als ein Wettbetrug sein kann. Der bullige Mallone bewegt sich nun durch das Zimmer und holt sich sein Messer. Er bewegt sich sehr leicht, lässt das Messer in seiner Kleidung verschwinden und starrt Barton Kelly an.

»Wir sind sehr zuverlässig«, sagt er kehlig. »Was wir versprechen, halten wir. Dies sind wir unserem Ruf schuldig. Wir haben versprochen, dafür zu sorgen, dass Ed Adamson den Kampf gewinnen wird. Wir gaben gewissermaßen unser Wort darauf. Und wenn ihr uns wortbrüchig machen solltet, dann bekommt ihr was von uns, was euch nicht schmecken wird. Ihr werdet es nicht verdauen können. Bestimmt nicht!«

Nach diesen Worten geht er zur Tür. Und sein Bruder Duff, der ihn reden ließ und lächelnd zuhörte, so als freute er sich darüber, dass der bullige Bruder einige zusammenhängende Worte sprechen kann, nickt nun und fügt nur noch hinzu: »Das wär’s also, Gentlemen!«

Als er es gesagt hat, folgt er Bill, der ihm die Tür aufhält und dann hinter ihnen schließt.

Es ist dann still im Zimmer. In diese Stille tönt Tob Whites Seufzen und kommen gepresst seine Worte: »Das ist es! Jawohl! Bart, mein Junge, sie machen es mit dir genauso wie damals mit mir. Damals kamen drei Burschen zu mir, ein Revolvermann und zwei Schläger. Und als sie gingen, da wusste ich, dass sie mich irgendwie aus dem Hinterhalt erwischen und töten würden, wenn ich nicht das tun würde, was sie von mir verlangten.«

Er verstummt heiser, räuspert sich und wischt sich übers Gesicht.

Dann kommt er zu Barton, legt diesem die Hand auf die Schulter und sagt: »Bart, du weißt, ich bin dein alter, guter Tob. Du weißt, dass ich glücklich sein würde, wenn du all das erreichen könntest, was ich damals nicht schaffen konnte. Doch ich muss dich warnen. Diese beiden Mallones bluffen nicht. Sie werden versuchen, dich zu töten, wenn du den Kampf gewinnen solltest.«

Bart betrachtet ihn seltsam ernst. »Ich weiß«, murmelt er. »Ich habe schon dann und wann mal etwas von den beiden Mallones gehört. Vor zwei Monaten brachten sie einen Kapitän dazu, dass er seinen großen Flussdampfer an eine Schifffahrtsgesellschaft verkaufte, die frisch gegründet worden war. Und dann …«

Er bricht ab und winkt mit der Hand ab. »Ich kenne sie den Gerüchten nach«, wiederholt er. Dann stellt er Tob die Frage: »Willst du, Tob, dass ich mich ihnen unterwerfe und tue, was sie von mir verlangen?«

Tob White bekommt wieder seinen besonders faltigen Gesichtsausdruck, wie immer, wenn er Kummer spürt. Er geht von Barton Kelly fort und tritt ans Fenster ihres Hotelzimmers. Er kann zum Flusshafen blicken, auf all die vielen Landebrücken und die daran festgemachten Schiffe. Er sieht das bewegte Treiben, und all die tausend Geräusche vermischen sich zu einem Summen.

Ein großes Bienenhaus ist dieser Hafen mit seiner Stadt, denkt Tob White. Er kann auch den Platz sehen, wo der Kampf stattfinden wird. Es ist eine große Plattform auf dem Fluss. Sie schwimmt gut gesichert zwischen zwei Landebrücken, an denen einige Flussdampfer im »Päckchen« festgemacht haben, also je mehrere Schiffe nebeneinander. Zur Strommitte hin sind einige große Flachboote verankert. Und auch das Flussufer zwischen den Landebrücken wird einige hundert Zuschauer aufnehmen können.

Ja, dort auf der Plattform wird Barton Kelly kämpfen, und am Ufer, auf den vielen ankernden Schiffen und auf den Flachbooten werden die Zuschauer eine vieltausendköpfige und brüllende Meute sein. Fast alle diese Männer und noch sehr viele Leute im Lande und in dieser Stadt werden gewettet haben. Für einige hunderttausend Dollar Wettgelder stehen auf dem Spiel. Und die Wetten stehen sieben zu eins für Barton Kelly. Wenn Ed Adamson gewinnen sollte, werden Wetter, die auf ihn zum Beispiel tausend Dollar gesetzt haben, siebentausend Dollar gewinnen. Und wer zehntausend Dollar setzte, wird siebzigtausend bekommen.

Tob White weiß das alles. Und so wie jetzt, so war es damals vor mehr als einem Dutzend Jahren, als er noch ein berühmter Preiskämpfer war. Er verlor damals, und er wäre von den enttäuschten Wettern fast gelyncht worden. Er war nachher als Boxer ein erledigter Mann. Er bekam keine Kämpfe mehr, die etwas Geld brachten. Er arbeitete auf Jahrmärkten, ging später nach dem Westen und wurde Rauswerfer in Saloons und Amüsierhallen.

Und jetzt sieht er alles noch einmal neu vor Augen.

Jetzt droht es Barton Kelly, den er wie einen kleinen Bruder liebt.

Er wendet sich ihm zu und sagt: »Die Entscheidung kann nur bei dir liegen, Bart. Wenn du gewinnst, werden sie versuchen, dich zu töten. Dies sind die Mallones ihrem Ruf schuldig. Sie würden schon bei ihrer nächsten Erpressung und Nötigung Schwierigkeiten haben, wenn sie dich davonkommen ließen. Niemand würde sie mehr so fürchten. Also, sie werden es wahrhaftig versuchen, dich zu töten. Und sie werden es sehr klug und raffiniert anstellen, darauf kannst du dich verlassen. Sie werden ein gutes Alibi haben und es so tun, dass es keine Zeugen gibt. Sie haben Erfahrung.«

Wieder schweigt er. Aber dann sprudelt er hervor, so als könnte er die Worte nicht länger zurückhalten: »Aber es war ein Hundeleben nachher, lass dir das von mir sagen, Bart. Ich verachtete mich selbst, und ich hatte jeden Glauben an mich verloren. Ich brauchte Jahre, um mich wieder etwas besser zu fühlen. Und mein Glück begann erst wieder, als ich dich traf und dir dabei helfen konnte, ein berühmter Boxer zu werden. Überleg dir das alles …«

»Vielleicht ist dieser Ed Adamson tatsächlich besser als ich, und ich werde von Adamson ehrlich geschlagen. Wir werden sehen. Ich kann noch nicht sagen, was ich tun werde. Vielleicht wäre es klug, wenn ich mich schlagen lasse. Vielleicht rettete das unser Leben. Aber es wäre nachher ein Hundeleben, wie du selbst weißt, Tob. Und deshalb sollte ich vielleicht doch ehrlich kämpfen, mit dem Bemühen, zu siegen. Vielleicht wäre es besser, wenn wir der Gefahr dann ins Auge sähen. Was wäre dir lieber, Tob? Was würdest du tun, wenn du die Zeit noch einmal zurückdrehen könntest?«

Tob White leckt sich über seine trockenen Lippen. »Zum Teufel, ich würde kämpfen«, sagt er. »Ich würde kämpfen, um zu siegen. Denn ich habe viele Menschen betrogen, und ich musste später für ein Mittagessen und einen Drink in einer Schaubude kämpfen. Und es kamen Burschen auf die Bühne, die sich hundert Dollar verdienen wollten, indem sie mich schlugen. Ich musste mich mit jedem Rowdy herumprügeln. Es waren schlechte Zeiten. Es gab keine Arbeit für einen Mann, der keinen festen Wohnsitz hatte. Denn ich besaß kein Geld. Mein Manager war mit unserem Geld durchgebrannt. Und ich konnte es ihm nicht einmal verübeln, hatte er doch große Hoffnungen in mich gesetzt, die ich dann zerstörte. Nun, Bart, da bist du besser dran. Wenn du aufhören wolltest, so wärest du nicht mittellos. Du hast eine hübsche Summe auf der Bank. Und du hast einen richtigen Beruf erlernt. Du bist ein guter Cowboy. Du könntest zu jeder Zeit in den Westen gehen und eine Ranch aufbauen. Du hast Geld und besitzt Kenntnisse. Ich aber hatte nichts anderes gelernt als zu kämpfen. Mein Manager hatte mich aus einer Horde von Bengeln geholt, mit denen ich mich prügelte. Und dann tat ich all die Jahre nichts, als mich darauf vorzubereiten, ein Preisboxer zu werden. Ich zog mit meinem Manager und den anderen Boxern, die er unter Vertrag hatte, durch die Welt. Und eines Tages war ich dann groß genug. Aber dann war es schnell vorbei. Bart, wenn du aufhören willst, dann hör auf. Aber kämpfe ehrlich! Und lass dich nicht erpressen und zu einem Wettbetrug nötigen, mag da kommen, was da wolle. So denke ich. Und wenn ich meine Zeit noch einmal zurückdrehen könnte, nun, diesmal hätte ich keine Furcht. Denn was nachher kommt, wenn ein Mann sich gefürchtet hat, wenn er sich vor sich selbst schämt und wenn er den Glauben an sich verloren hat, das ist schlimmer. Und ich kenne dich, Bart! Ich kenne dich gut! Dein Stolz ist groß. Du könntest es nie vergessen, dass du vor zwei Schuften gekniffen hast.«

Er verstummt, und nun wirkt er fast erschrocken. »Hab Dank für deine Worte, Tob«, murmelt Barton Kelly und blickt auf die Uhr.

»Wir müssen uns fertigmachen, nicht wahr?«

Tob blickt aus dem Fenster. »Sicher, die Zuschauer strömen jetzt mehr und mehr herbei. Und die Musik beginnt nun gleich zu spielen. Sie haben eine zwölf Mann starke Kapelle auf das Sturmdeck der ›Rose of Mississippi‹ gesetzt.«

Als er verstummt, beginnt die Kapelle zu spielen. Barton Kelly aber beginnt sich zu entkleiden. Er schlüpft in eine enge Wolltrikothose. Um seine Hüften wickelt er eine seidene Schärpe von leuchtend blauer Farbe.

Und sein Oberkörper bleibt bloß.

So wird er kämpfen. Und er denkt unwillkürlich daran, dass der Faustkampf schon im Jahre sechshundertachtundachtzig vor Christi erstmalig im olympischen Programm stand. Das las er einmal in einem Buch. Und Abbildungen von alten Vasen zeigten in diesem Buch, dass die Faustkämpfer damals nicht viel anders aussahen als er, Barton Kelly, ein Texaner, dessen Vater noch ein echter Ire war. Und er selbst wurde noch in Irland geboren, kam aber schon im Alter von drei Jahren in die Neue Welt.

Eine halbe Stunde später tritt er gegen Ed Adamson an, und ringsumher brüllt die Zuschauermenge. Er hört sie wie aus weiter Ferne, denn er hat sich ganz auf den Gegner konzentriert, und das Wort, welches später einmal geprägt wurde und welches sagt: »Im Ring ist der Boxer der einsamste Mensch auf der Welt«, hat schon eine gewisse Wahrheit und Richtigkeit in sich.

Ed Adamson ist groß, breit, massig und gelbhaarig. Er sieht sehr gewaltig aus, und man glaubt, dass dort, wo er hinschlägt, kein Gras mehr wachsen kann, wie man so bezeichnend im Volksmund sagt.

Er ist auch sicherlich ein durchschnittlich guter Preiskämpfer. Doch er ist zu langsam. Er ist einer von den Burschen, die eine Menge Schläge hinnehmen und einstecken, um selbst schlagen und treffen zu können, und die dann das größere Stehvermögen haben. Er ist einer der Boxer, die gerne Fuß bei Fuß kämpfen, keilen, einstecken und austeilen.

Er kommt mit Barton Kelly nicht zurecht, denn dieser geht ständig um ihn herum und erkennt mit seinem guten Auge alle Schläge schon im Ansatz, weicht aus, nimmt den Kopf weg, blockiert und kontert dann so fürchterlich hart und trocken, schnell und präzise.

Schon in der dritten Runde glaubt Ed Adamson nicht mehr daran, dass er gegen diesen um fast vierzig Pfund leichteren Mann gewinnen kann. Er spürt schon jetzt die Wirkungen einiger Treffer, und als er zum Ende der dritten Runde dann auch noch einen knallenden Leberhaken nehmen muss, werden ihm die Knie weich.

Die Menge brüllt enttäuscht auf, als die Runde beendet ist, und Barton Kelly, der in seiner Ecke von Tob das Handtuch nimmt und sich den Schweiß aus dem Gesicht wischt, hört Tob sagen: »Du kannst ihn schlagen, wie du willst, mein Junge. Das sieht schon jeder halbwegs normale Mann. Er ist mächtig groß und sehr viel schwerer, doch er ist gegen dich ein aufgeblasener Frosch. Man kann sehen, dass deine Schläge sehr viel schneller und härter sind. Jeder erwartet nun, dass du ihn bald von den Beinen schlägst. Aber wirst du es tun, Bart, mein Junge?«

»Hast du Angst vor den Mallones, Tob?«

»Ich? Nein! Ich habe einen Revolver in der Tasche. Und wenn ich diesem Duff Mallone nahe genug bin, dann reicht mein Schlag noch aus, um ihn drei Yards weit von den Beinen zu stoßen, dass er sich am Boden überschlägt. Ich fürchte mich nicht, Bart! Überdies habe ich tausend Dollar auf dich gewettet, die ich verlieren würde – und das Siebentel für den Sieg dazu.«

»Also gut«, murmelt Barton, und dann beginnt die vierte Runde. Die Kämpfer begegnen sich in der Mitte der schwimmenden Plattform. Es gibt kein Seilgeviert, wie man es heute kennt, und auch die ganze Boxtechnik ist sehr viel einfacher und primitiver.

Deshalb ist eine genaue Schilderung des Kampfes für den Leser nicht sehr von Interesse.

Gleich am Anfang trifft Barton Kelly den Mann auf Kinnwinkel und Ohr. Ed Adamson hockt dann eine Weile auf den Knien am Boden und seufzt hörbar. Er steht dann wieder auf und stellt sich. Doch er ist angeschlagen und benommen. Er geht dann wieder zu Boden und verdaut einen Magenhaken. Als er sich erhoben hat und vorgeneigt gegen Barton taumelt, gibt ihm dieser einen Aufwärtshaken, der den Mann fast ins Wasser wirft, so weit taumelt er aus dem Kreidekreis und bis zum Rand der Plattform. Dann fällt er auf die Knie, legt sich auf die Seite, rollt auf den Rücken und streckt Arme und Beine von sich.

Und dort liegt er nun wie tot – ein geschlagener Preiskämpfer. Barton Kelly blickt auf ihn nieder, und indes der Ringrichter zählt, spürt Barton Kelly wieder einmal mehr, dass dies eigentlich keine Sache ist, auf die er stolz sein könnte.

Er hat für Geld gekämpft. Er hat seine Fäuste immer wieder gegen den Kopf und auf die empfindlichen Körperstellen des Gegners geschlagen, bis dieser kampfunfähig wurde.

Und jetzt gilt er als Sieger. Man hat auf ihn gewettet wie bei einem Pferderennen auf ein besonders schnelles Tier oder wie beim Hahnenkampf auf einen besonders streitbaren Gockel.

Es sind nur wenige Sekunden, die Barton Kelly so steht und wartet und während derer er deutlich spürt, wie wenig ihn dieses Leben als Preiskämpfer befriedigt und wie noch weniger etwas an dieser Tätigkeit ist, auf was er stolz sein könnte.

Er blickt sich um, als die Masse der Menschen ringsum aufbrüllt, ihm zujubelt und die Musik auf dem Achterschiff der Rose of Mississippi einen Tusch spielt.

Ja, Ed Adamson liegt nun schon weit über die Zeit auf den Brettern der schwimmenden Plattform, auf der morgen ein wanderndes Theater aus Boston ein Schauspiel zum Besten geben wird.

Tob White ist nun bei Barton und hängt einen Mantel über seine Schultern. Dann gehen sie über den Laufsteg an Land, finden einen Weg durch die Gasse der Menschen und haben es nicht sehr weit bis zum Hafenhotel, in dem der Veranstalter dieses Kampfes ihnen zwei Zimmer reservieren ließ.

Es ist sehr später Nachmittag, fast schon Abend. Die Sonne steht tief im Westen, und der Strom und alle Schiffe liegen schon längst im Schatten. Der Himmel glüht, und die Gassen der Stadt werden dunkel und geheimnisvoll.

Barton Kelly bekam tausend Dollar für diesen Kampf, und er hat den Scheck für die Summe in Empfang genommen, bevor er die Plattform betrat.

Vor dem Hotel trennen sie sich. Denn Tob White will den Scheck jetzt sofort bei der Bank einlösen. Er sagt: »Besser ist besser, obwohl John Trevor als Veranstalter einen guten Namen hat. Aber wenn wir schnell aus dem Land wollen, ist es gut, viel Bargeld zu haben.«

Damit geht er davon. Barton Kelly aber beeilt sich in seinem Zimmer. Er wäscht sich rasch und kleidet sich noch rascher an. Weil Tob immer noch nicht zurück ist und es inzwischen Abend und damit dunkel geworden ist, verlässt er das Zimmer, um Tob entgegen zu gehen. Zur Hafenbank ist es nicht weit, nur wenig mehr als hundert Schritte. Diese kleine Bankfiliale ist vor allen Dingen für die Flussschiffer und den Frachtverkehr gedacht.

Überall in den Häusern brennen nun die Lampen, und gelbe Lichtbahnen fallen über die Hafenstraße. Da und dort tönt Musik aus den Saloons, und auch auf den großen Amüsierdampfern, die hier festgemacht haben und auf denen man sich mit viel Geld fast alle Sünden und fragwürdigen Freuden kaufen kann, beginnt der Nachtbetrieb.

Auf der Uferstraße ist viel Leben. Eine Menge schiebt sich stromauf und stromab. Es wird eine warme, sternklare und betriebsame Nacht. Barton Kelly erreicht den Eingang der Bankfiliale, als Tob White daraus zum Vorschein kommt.

»Es ist gut«, murmelt Tob. »Ich habe auch schon mein Wettgeld einkassiert. Wir sollten unsere Sachen packen und verschwinden. Unseren nächsten Kampf haben wir in Kansas City. Dort wartet Buffalo Jack auf dich. Die Abendpost nach Kansas ist noch nicht abgefahren. Wir könnten sicherlich zwei Fahrkarten bekommen und hätten noch Zeit, unsere Siebensachen aus dem Hotel zu holen. Und vielleicht kommen wir davon, ohne die Mallones zu Gesicht zu bekommen.«

Die letzten Worte spricht er zweifelnd. Seine Hand hält er unter dem Rock verborgen, denn in seinem Hosenbund steckt ein Revolver, den er am Griff gefasst hält. Sein Kopf bewegt sich ständig, und seine Augen prüfen die vorbeiziehenden Menschengruppen.

Natürlich werden sie immer wieder erkannt. Man ruft Barton Kelly immer wieder anerkennende Worte zu.

»Nun gut«, sagt Barton. »Gehen wir zur Kansas-Post und fragen wir, ob noch zwei Plätze nach Westen frei sind.«

Sie setzen sich in Bewegung, und sie müssen die Uferstraße weiter hinunter bis an die Ecke der Allen Street. Hier hat die Kansas Overland Line ihr Büro, und gleich nebenan, vor dem Kansas-Hotel, da fahren die Kutschen ab.

Sie bekommen noch zwei Fahrkarten, kehren eilig in ihr Hotel zurück und regeln unten die Rechnungen – das heißt, sie brauchen keine Rechnung zu bezahlen, sondern nur ihre Unterschrift zu geben. Denn der Veranstalter des Kampfes gewährte ihnen freien Aufenthalt für drei Tage.

Der Hotelmann, der sie hinter dem Anmeldepult bedient, ist sehr wortkarg und zurückhaltend. Sein Blick ist irgendwie vorsichtig und unpersönlich.

»Sie verlassen uns sehr plötzlich und unvorhergesehen«, murmelt er schließlich, als Barton und Tob sich zur Treppe wenden. Doch die beiden Männer geben ihm keine Antwort. Sie eilen hinauf und betreten bald darauf ihre Zimmer.

Barton Kellys Koffer ist schon gepackt. Er nimmt nun seine große Reisetasche aus dem Schrank, um auch sie mit dem Rest seiner mitgeführten Habe zu füllen.

Doch die Tasche ist ziemlich schwer.

Und sie ist auch nicht leer.