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Zeit zum Kämpfen
Ich hatte meinen Colt abgelegt und würde ihn nie mehr in die Hand nehmen. Ich würde Lola heiraten und mit ihr ein neues Leben beginnen. Als wir nach Zozo kamen und die dortige Bank mir zu einem Spottpreis die kleine Wagenrad-Ranch anbot, griff ich zu. Eigentlich hätte mich der niedrige Kaufpreis stutzig machen müssen. Ich hätte ahnen müssen, dass es ein Haar in der Suppe gab. Doch auf die Idee kam ich erst, als Brannigan auftauchte und mir einfach meine Herde wegnahm. Und dann standen plötzlich seine zwei Revolverschwinger auf unserem Hof, um uns von unserem Land zu verjagen. Was jetzt? Ich musste mich entscheiden: Wollte ich aufgeben oder wieder zum Colt greifen und kämpfen?
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Seitenzahl: 177
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Zeit zum Kämpfen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8725-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Zeit zum Kämpfen
Ich hatte meinen Colt abgelegt und würde ihn nie mehr in die Hand nehmen. Ich würde Lola heiraten und mit ihr ein neues Leben beginnen. Als wir nach Zozo kamen und die dortige Bank mir zu einem Spottpreis die kleine Wagenrad-Ranch anbot, griff ich zu. Eigentlich hätte mich der niedrige Kaufpreis stutzig machen müssen. Ich hätte ahnen müssen, dass es ein Haar in der Suppe gab. Doch auf die Idee kam ich erst, als Brannigan auftauchte und mir einfach meine Herde wegnahm. Und dann standen plötzlich zwei seiner Revolverschwinger auf unserem Hof, um uns von unserem Land zu verjagen.
Was jetzt? Ich musste mich entscheiden: Wollte ich aufgeben oder wieder zum Colt greifen und kämpfen?
Wahrscheinlich verschwendete ich jahrelang mein Leben, dies dachte ich immer wieder in diesen wilden, rauchigen Jahren.
Aber es gefiel mir so.
Es gab immer wieder eine Zeit zum Lieben, zum Kämpfen – und zum Reiten.
Das alles wiederholte sich ständig.
Denn ich war ein Revolvermann. Nein, kein Revolverheld oder einer dieser dummen Revolverschwinger. Ich war einer aus der Gilde der Revolvermänner, welche nach Meinung der menschlichen Gemeinschaft zwar Gutes taten, doch auf böse Weise.
Und so war es damals auch in Mesa Verde.
Wir waren zu dritt von den Bürgern der kleinen Stadt angeworben worden. Sie hatten uns zu Hilfe geholt, weil sie selbst nicht kämpfen und sterben wollten. Denn ihre Chancen wären sehr viel schlechter gewesen, als unsere es sein würden.
So war das nun einmal. Denn wir waren Coltritter, deren Schutz man sich kaufen konnte, wenn man gut genug zahlte. Und weil es vor der Zeit zum Kämpfen für mich fast immer eine Zeit zum Lieben gab – denn mein Leben konnte ja verdammt kurz sein –, lag ich mit Lola im Bett.
Lolas Liebe konnte man sich kaufen, doch sie ließ nicht jeden Mann zu sich in das kleine Adobehaus am Rand der Stadt. Der Mann musste ihr gefallen.
Bei mir war das der Fall, und so ließ sie mich spüren, dass es auch ihr Spaß machte und sie es nicht nur für Geld tat.
Sie lag an diesem Vormittag neben mir und schlief. Ich aber war wach und fragte mich, wie lange wir hier in Mesa Verde noch warten mussten, bis die Bande kam. Es konnte noch lange sein. Wir hatten hier alles frei, was Unterkunft und Essen betraf. Auch unsere Pferde wurden gut versorgt. Dennoch zerrte dieses Warten an den Nerven.
Und immerzu gab es in einem die Frage, ob man es überstehen und am Leben bleiben würde. Es konnte auch sein, dass man zum Krüppel geschossen wurde.
Und das alles für ein paar Dollars. Wahrscheinlich waren wir doch verdammte Narren, die irgendwann zum Untergang bestimmt waren.
Ich sah zur Seite auf Lola.
Sie war eine junge Witwe. Ihr Mann war Postkutschenbegleiter gewesen. Banditen hatten ihm vom hohen Bock der Kutsche geschossen, in der sich eine Geldkiste befand.
Lola war mehr als hübsch, und vielleicht hatte sie sogar Spaß an ihrem jetzigen Leben, so wie ich an meinem.
Aber hatte ich eigentlich noch Spaß an meinem Leben?
Spaß ist ohnehin nicht das richtige Wort, nein, es war sogar völlig falsch. Es war wohl stets das Gefühl, dass man fair gekämpft und gesiegt hatte, wieder einmal mehr davongekommen war in einem höllischen Spiel, bei dem der Einsatz das Leben war.
Waren wir Coltritter im Grunde nichts anderes als Spieler, die mit ihren Colts um Leben und Tod spielten?
Ich lag da und hielt die schlafende Lola in meinem Arm, war ihr dankbar für die schöne Nacht. Es konnte meine letzte gewesen sein. Und auch sie schien dies gedacht zu haben.
Immer dann, wenn ich auf solche Gedankengänge kam, erreichte ich bald jenen Punkt, an dem die Frage wie aus einem dichten Nebel stieg: Wie lange noch?
Und dann kam bald schon die nächste Frage: Was könnte ich noch aus meinem Leben machen?
Ich sah wieder auf Lolas hübsches Gesicht.
Da öffnete sie ihre blauen Augen und sah mich eine Weile wortlos an.
»Jones«, murmelte sie dann kehlig, »es war eine wunderschöne Nacht. Doch jetzt wirst du bald kämpfen müssen. Ich spüre immer stärker, dass Alvarez Kilham mit seiner bösen Horde nicht mehr weit ist. Ja, ich kann das spüren. Als er zuletzt hier in Mesa Verde war, da sagte er mir, dass er mich mitnehmen würde über die Grenze nach Sonora in sein verborgenes Camp. Du kannst ihn also gleich hier erwarten und zur Hölle schicken, wohin er gewiss gehört. Ich weiß ziemlich sicher, dass er der Mann ist, der meinen Bill vom Bock der Kutsche schoss. Töte ihn, Jones, töte ihn! Und ich will dabei zusehen. Töte ihn! Denn sonst wird er bald, wie du jetzt, hier bei mir im Bett liegen, und ich kann nichts dagegen tun. Seine Männer werden diese kleine Stadt wieder demütigen, und die Männer dieser Stadt werden zusehen, wie die Banditen Jagd auf ihre Frauen, Töchter oder Schwestern machen. Du musst ihn hier töten, Jones, hier vor meiner Tür!«
Ihre Stimme wurde zuletzt schrill.
Und dann rollte sie sich wie eine Katze aus dem Bett und verharrte einen Moment nackt, wie sie war.
Oha, sie war wunderschön.
So musste damals die Schaumgeborene aus der alten griechischen Sage ausgesehen haben. Ich hatte einmal darüber gelesen. Venus hat sie geheißen, wenn ich mich nicht irre.
Sie begann sich anzukleiden. »Ich mache uns ein Frühstück«, sprach sie dabei. »Weißt du, wenn ich keine Hure wäre, würde ich alles tun, dich dazu zu bringen, dass du mich heiratest. Dann würden wir irgendwohin gehen, wo wir neu anfangen könnten. Das wäre auch für dich gut, besonders für dich.«
»Du bist keine Hure«, widersprach ich. »Nicht die ist eine Hure, die es mit allen treibt, sondern die, welche das Herz einer Hure hat. Dein Herz ist gut, Lola Bakerbee.«
Sie erwiderte nichts, sondern verschwand im Morgenrock in der Küche.
Ich lag noch da und dachte wieder nach.
Ja, es wäre nicht schlecht, eine Frau zu haben und ein neues Leben zu beginnen.
Aber wo und wie?
Ich war damals vor dem Krieg ein junger Cowboy gewesen, der irgendwann herausfand, dass er mit dem Colt gut umgehen konnte. Es war eine instinktive Begabung. Dann brach der Krieg aus. Und natürlich meldete ich mich freiwillig zur Texasbrigade und lernte das Töten. Ja, ich wurde sogar belobigt und befördert, weil ich so gut töten konnte. Dann führte ich eine ganze Schwadron von Männern an, die mächtig viele Feinde töteten.
Und nach dem Krieg wurde ich ein Revolvermann.
Ich dachte nun auch an meine beiden Partner Lewis Scott und Johnny Laredo. Wir waren aus drei verschiedenen Richtungen gekommen. Und jeder von uns sollte fünfhundert Dollar bekommen, wenn es uns gelingen sollte, Alvarez Kilham und dessen Mörderbande zu vernichten.
Fünfhundert Dollar waren damals eine Menge Geld hier im Arizona-Territorium. Für eine solche Summe musste ein Cowboy fast drei Jahre arbeiten.
Ich wusste, Lewis Scott und Johnny Laredo waren in dem kleinen Ort verteilt. In Mesa Verde lebten weniger als hundert Menschen, Alte und Kinder mit eingeschlossen.
Am Anfang hatten die Männer von Mesa Verde noch gegen die Bande gekämpft. Aber es waren zu viele getötet worden. Da gab sich der Ort auf und unterwarf sich. Doch die Bande trieb es immer schlimmer, wenn sie nach ihren Beutezügen hier durchkam, auf dem Weg zurück nach Sonora, also über die Grenze nach Mexiko.
Ich erhob mich ebenfalls.
Und noch bevor ich richtig angekleidet war nach der kurzen Wäsche am Waschtisch in der Ecke des Schlafzimmers, kam draußen ein Reiter vor das Haus geritten. Eine noch jugendliche Stimme rief draußen, nachdem der Hufschlag des Pferdes verklungen war: »Mr. Savage, sie kommen! Verdammt sie kommen! Es sind nicht mehr viele, kaum mehr als ein halbes Dutzend. Und einige sind verwundet. Die haben irgendwo schon heißes Blei bekommen! Sie kommen von Norden her!«
Der junge Bursche auf dem Pferd verstummte wild und heiser. Dann jagte er weiter in den Ort hinein.
Ich verharrte, und ich wusste, nun war wieder die Zeit zum Kämpfen gekommen.
Wir hatten einige junge Burschen außerhalb des Ortes als Wachposten auf die Hügel geschickt. Einige Tage und Nächte waren verstrichen.
Doch nun hatte die Warterei ein Ende. Und es würde Tote geben, das war ziemlich sicher.
Ich warf mir den Waffengurt um die Hüften und schloss die Schnalle, rückte das Holster zurecht und band es unten mit dem Riemen am Oberschenkel fest. Dann zog ich einige Male probeweise den Colt und prüfte noch einmal die Ladung, ließ die Trommel lautlos drehen.
Ja, es war alles in Ordnung.
Lola war gekommen.
»Dann kannst du wohl nicht mehr frühstücken«, sprach sie, aber es war kein kühles Reden, sondern mehr Worte einer unabänderlichen Hilflosigkeit. Ich sah es in ihren blauen Augen. Und ihr vorhin noch so voller Mund wirkte jetzt herb. Nein, nun waren es keine lockenden Lippen mehr.
Ich nickte ihr zu.
Dann sprach ich ruhig: »Es gibt immer eine Zeit zum Lieben, zum Kämpfen und zum Reiten. Jetzt ist das Kämpfen an der Reihe.«
Als ich verstummte, da hörten wir draußen den Hufschlag einer Mannschaft, die auf müden Pferden angeritten kam.
Wenn die Bande Verwundete bei sich hatte, dann war ihr Raubzug wahrscheinlich nicht erfolgreich gewesen. Wahrscheinlich kamen sie deshalb jetzt wie böse und gereizte Hornissen auf ihrer Flucht durch die Stadt. Der Weg zur Grenze war nicht mehr weit, kaum weiter als ein Dutzend Meilen. Und so fühlten sie sich gewiss schon einigermaßen sicher.
Was würden sie tun? Einfach durchreiten? Oder reagierten sie hier in diesem kleinen Ort erst einmal die Wut über ihre Niederlage ab.
Ich musste an Lola vorbei, denn sie stand im Türrechteck, so als wollte sie mir den Weg versperren. Aber als ich auf sie zutrat, gab sie mir den Weg frei.
»Ja, töte ihn«, sprach sie kehlig. »Doch wenn er dich töten sollte, dann werde ich um dich weinen, so wie damals um meinen Bill.«
Ich hielt bei ihr an und strich mit meiner Fingerspitze an der Rundung ihrer Wange abwärts bis zu ihrem Kinn.
»Du hast nicht das Herz einer Hure«, wiederholte ich meine Worte von vorhin. »Du willst nur überleben. Jeder Mensch hat ein Recht darauf.«
Dann trat ich an ihr vorbei zur Haustür, welche geschlossen war.
Draußen hielt ein Reiter an. Er saß ab. Ich hörte es am Sporenklingeln. Er stapfte mehrmals mit den Füßen auf, um die Steifheit des langen Reitens aus den Beinen zu bekommen.
Dann hörte ich ihn rufen: »Hoiii, Lola-Schöne! Ich bin gekommen, um dich mitzunehmen. Ich bin da, hörst du mich?! Mach die Tür auf! Oder muss ich sie eintreten, Lola-Schöne?«
Ich ließ ihn nicht länger warten und rufen. Ich öffnete die Tür und trat zu ihm ins Freie hinaus.
Er war ein großer, hagerer Bursche, dessen Mutter gewiss mexikanischer Abstammung war. Von ihr hatte er die etwas dunklere Hauttönung. Aber seine Augen waren hell. Er war stoppelbärtig und staubig. Seine Chaps waren mit flockigem Pferdeschweiß bedeckt. Als er mich sah, senkte sich seine Hand zum Revolverkolben.
Dann verhielt er und starrte mich an.
»Caramba, hast du bei ihr im Bett gelegen?« So fragte er. Und dann setzte er hinzu: »Dafür töte ich dich!«
Er zauberte einen Revolver heraus. O ja, er war schnell.
Doch dann sah ich das Loch in seiner Herzgegend und wurde mir bewusst, dass ich gezogen und geschossen hatte.
Meine Reflexe waren wieder einmal schneller gewesen als jeder Gedanke.
Er fiel um. Und es war vorbei. Seine Kugel war vor meinen Füßen in den Staub geflogen.
Ich lebte, er aber war tot.
Das war es also wieder einmal. Ich wurde mir darüber in den Sekunden danach bewusst, doch diesmal war das Gefühl in mir bitterer als sonst.
Im Ort klangen Schüsse. Ich wusste, dort kämpften Lewis Scott und Johnny Laredo mit Kilhams Bande.
Und so schwang ich mich auf Kilhams müdes Pferd und ritt nach Mesa Verde hinein.
Es waren keine hundert Yard.
Doch als ich den Saloon erreichte, da war schon alles vorbei.
Sie lagen da und dort am Boden zwischen den Pferden – auch Lewis Scott und Johnny Laredo. Sie hatten gegen sechs Mann gekämpft und sie geschlagen.
Doch auch sie hatte es erwischt.
Von den Banditen lebten noch zwei oder drei. Sie lagen im Staub und bluteten.
Und da kamen die Leute – die Bürger von Mesa Verde – mit Knüppeln aus ihren Häusern, mit Mistgabeln, Gewehren – und der Schmied mit dem Hammer – und schlugen die Banditen ohne Gnade tot.
Was mussten die Menschen hier die ganze Zeit alles ertragen haben. Wie groß musste ihre Hilflosigkeit gewesen sein. Wie sehr waren sie immer wieder gedemütigt worden. Und wie sehr hatten sie sich geschämt.
Jetzt brach der Hass aus ihnen hervor. Sie konnten nicht anders, und ich wusste, sie würden sich noch lange Zeit voreinander schämen. Denn Christenmenschen waren sie jetzt nicht. Diese vorhin noch so furchtsamen Menschen, die uns Revolvermänner kommen ließen, sie waren jetzt ein blindwütig brüllender Mob.
Ich hockte im Sattel von Alvarez Kilhams müdem Pferd und sah mir das alles an.
Und ich wusste nicht, sollte ich Mitleid oder Verachtung für die Leute von Mesa Verde haben. Ich wusste es wirklich nicht.
☆
Lewis Scott und Johnny Laredo hatte es ziemlich schwer erwischt. Als ich sie besuchte, lagen sie in einem der drei Zimmer des Gasthauses, welches zur Post- und Frachtstation gehörte. Die Postkutsche kam nur einmal in der Woche nach Mesa Verde. Und es gab hier auch keinen Doc.
Die Frau des Stationsmannes hatte die beiden Revolvermänner recht gut versorgt. Sie sahen mich über ihre Füße und das Fußende des Doppelbettes schweigend an, indes ich nach Eintreten ins Zimmer an der Tür verhielt.
Dann endlich knirschte Lewis Scott: »Da hast du aber großes Schwein gehabt, Savage, großes Glück. Wenn jemand so viel Glück hat, dann sagt man wohl, dass er sich im Schlaf bekackte – oder?«
Ich konnte seine Bitterkeit gut verstehen. Als es darauf ankam, war ich nicht bei ihnen, und wahrscheinlich hatten sie gar nicht mitbekommen, dass ich mit Alvarez Kilham gekämpft hatte, der gewiss der gefährlichste Mann der ganzen Bande gewesen war.
Johnny Laredo fragte: »War’s schön bei dieser Lola Bakerbee?«
Ich erwiderte noch nichts, aber ich legte jedem fünfhundert Dollar auf die Bettdecke.
Erst dann sprach ich: »Ich habe für euch kassiert. Die Stadt bezahlt auch noch eure Pflege hier, bis ihr wieder reiten könnt. Das habe ich so ausgehandelt. Zuerst wollten sie nicht, waren der Meinung, dies wäre ja wohl für fünfhundert Dollar je Mann unser Berufsrisiko. Also lasst euch nicht drücken, wenn ich weg bin. Es ist ausgehandelt worden.«
Nach diesen Worten wandte ich mich zur Tür.
Dort hielt ich noch einmal an und blickte zu ihnen zurück. Nun erst sagte ich: »Wahrscheinlich ist es euch entgangen, dass ich vor Lola Bakerbees Haus einen Revolverkampf mit Alvarez Kilham hatte. Als ich mit ihm fertig war und auf seinem Pferd zu euch wollte, war alles schon vorbei. Viel Glück. Werdet schnell wieder gesund.«
Ich ging hinaus. Nein, wir waren keine Freunde, nur drei angeworbene Revolvermänner, die einen Job zu erledigen hatten.
Ich war besser dabei weggekommen, doch das war reiner Zufall gewesen.
Sie ließen mich schweigend gehen. Ich war ziemlich wütend, weil sie mir Drückebergerei unterstellten. Aber sie hatten während ihres Revolverkampfes gar nicht mitbekommen, dass auch ich kämpfte.
Ich machte mich auf den Weg zu Lola Bakerbee. Sie hatte einen ziemlich verrückten Namen von ihrem Mann übernommen. Wahrscheinlich hatte er selbst als Junge schon vielen Spöttern was auf die Mäuler hauen müssen, weil sie ihn wegen seines Namens aufzogen. Und bei Lola reizte er irgendwie zum Grinsen. Lola Bakerbee, Lola Bäckerbiene.
Sie erwartete mich im kleinen Wohnzimmer.
Ihre Augen leuchteten herrlich blau. Sie waren weit offen und sahen mich fragend an, ja erwartungsvoll.
Sie tat mir irgendwie leid, denn ich wusste, wenn ich es ihr vorschlagen sollte, würde sie auf der Stelle mit mir gehen. Ich musste sie nur fragen.
Ich nickte ihr zu und sagte: »Nun ist Zeit zum Reiten, Blauauge. Es war schön bei dir. Ich hole nur meine Siebensachen. Dann reite ich.«
Sie stand bewegungslos da und sah mich immer noch unverwandt an.
Aber dann hob sie ihr Kinn. Nein, sie bettelte nicht, dass ich sie mitnehmen sollte aus diesem kleinen, verlorenen Ort, der nicht mal imstande war, sich gegen eine immer wieder hier durchkommende Banditenbande zu wehren.
Sie nickte plötzlich.
»Sicher«, sagte sie, »du hast es mir schon gesagt. Es gibt immer eine Zeit zum Lieben, zum Kämpfen – und zum Reiten. Ich habe dein Hemd und dein Unterzeug gewaschen und in eine der Satteltaschen getan. Du wirst wohl nicht mal wieder nach Mesa Verde kommen?«
»Wahrscheinlich nicht, Lola«, erwiderte ich.
Wieder nickte sie.
Zum Teufel, sie war eine mehr als hübsche Frau, die einem Mann eine Menge geben konnte. Hier in Mesa Verde würde ihr Leben verdammt freudlos sein. Hier würde sie nie nach Chancen Ausschau halten können. Denn dazu musste man auf vielen Wegen wandern. Hier würde sie nur verharren und dann und wann einen zahlenden Gast beherbergen. Doch wer kam schon nach Mesa Verde aus der weiten Welt da draußen?
Verdammt, sie stand da, versuchte stolz zu sein, nicht zu betteln – und dennoch spürte ich, wie gerne sie mit mir von Mesa Verde fortgegangen wäre.
Ich bewegte mich endlich und begann meine Sattelrolle zu packen.
»Du hast immer noch nicht gefrühstückt, und nun ist es schon fast Mittag«, sprach sie. »Soll ich …«
»Nein«, unterbrach ich sie. »Als ich im Gasthaus der Station bei meinen beiden Partnern war, da habe ich Frühstück und Mittagessen zugleich eingenommen.«
Ich war nun fertig.
Da lagen meine Sattelrolle und meine Satteltaschen. Das Gewehr lehnte daneben an der Zimmerwand. Ich musste nur alles nehmen und konnte gehen.
Vorher musste ich Lola Bakerbee allerdings noch bezahlen für Unterkunft, Essen – und Liebe. Verdammt, es fiel mir schwer, ihr jetzt Geld auf den Tisch zu legen. Denn es machte wohl klar, dass ich auch ihre Zärtlichkeiten gekauft hatte.
Verdammt, ich hatte schon einige solcher Frauen für Geld eine Weile gekauft auf meinen Wegen. Vielleicht war es mehr als ein Dutzend gewesen, und sie ließen mich zumeist lachend gehen, wünschten mir Glück, warteten auf den nächsten Gast. Es gab überall in den Städten solche Frauen. Und vielen waren damals die Männer im Krieg gefallen.
Ich hatte solche Frauen stets ohne besondere Hemmungen verlassen, fast so wie ein Geschäft nach irgendwelchen Einkäufen zu beiderseitiger Zufriedenheit.
Aber jetzt diese Lola Bakerbee …
Verdammt, was war jetzt anders?
Ich hörte mich fragen, so als wäre es ein Fremder: »Hast du ein Pferd? Kannst du überhaupt reiten?«
»Kann ich«, sagte sie. »Ich habe aber nicht nur ein Pferd, sondern auch einen leichten, zweirädrigen Wagen. Warum fragst du, Jones Savage?«
Ich hob die Hand und wischte mir übers Gesicht.
Dabei fragte ich mich, ob ich denn plötzlich ein blöder Hirsch geworden war, ein Depp, den der Teufel ritt.
Denn wie konnte ich mich nur mit einer Frau belasten, selbst wenn sie so reizvoll war wie Lola. Ich war ein Revolvermann auf rauchigen Wegen. Eine Frau war gut zwischen Kämpfen und Reiten.
Doch …
Ich hörte mich sagen: »Wenn du nach Santa Fé möchtest, dann nehme ich dich mit. Doch ich verspreche dir nichts – gar nichts. Ist dir das klar?«
Sie sah mich mit ihren leuchtend blauen Augen an und schluckte. Ihr Haar war rabenschwarz, und auf ihrer Nase waren einige Sommersprossen.
Als sie sprach, da lächelte sie dabei. Ihre starken, weißen Zähne blinkten zwischen ihren vollen, kraftvollen Lippen. Ihr Mund war sehr ausdrucksvoll.
»Ja, nimm mich mit«, sprach sie. »Und du brauchst mir nichts zu versprechen. Ich bin in einer halben Stunde reisefertig. Dies alles hier lasse ich leichten Herzens zurück.«
☆
Wir verließen Mesa Verde am späten Mittag und schlugen den Weg nach Silver City ein, um von dort zum Rio Grande Valley zu gelangen. Dort kam der große Wagenweg von El Paso herauf und führte nach Santa Fé und Taos. Über den Raton-Pass gelangte man nach Colorado, wo jetzt überall rings um das anwachsende Goldgräbercamp Denver Gold gefunden wurde.
Santa Fé – der Name bedeutete etwa »Heiliger Glaube« – war eine alte Pueblostadt. Die Spanier hatten damals eine Garnison dort errichtet. Ich wusste nicht, was ich in Santa Fé wollte oder sollte. Es war halt irgendein Ziel, welches ich mir setzte. Und nun war ich mit einer Frau dorthin unterwegs.
Wir fuhren in ihrem leichten Buggy und hatten mein Pferd hinten angebunden. Auch für das Gepäck war hinter den Sitzen etwas Platz. Viel Gepäck hatten wir ja auch gar nicht.
Irgendwie tat es mir gut, Gesellschaft zu haben.
Denn ich hatte wieder einmal gekämpft und getötet. Das alles musste ich sonst stets sehr mühevoll verarbeiten. Es gab sonst stets Gedanken der Bitterkeit und des Unbehagens, der Reue und auch Schuld.
Gegen diese Gedanken und Gefühle konnte ich stets nur eines setzen, nämlich, dass ich stets fair kämpfte und meinem jeweiligen Gegner eine Chance einräumte, niemals zuerst zur Waffe griff.