G. F. Unger Sonder-Edition 189 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 189 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Weil die schöne Dora Whitaker mich stets in ihrem Bett verwöhnte, wenn ich von meiner einsamen Pferderanch nach Elkhorn kam, fühlte ich mich in ihrer Schuld. Und so konnte ich nicht nein sagen, als sie mich um Hilfe für ihre jüngere Schwester bat. Debra war mit Big Bill Fowleys jüngstem Sohn verheiratet und diesem davongelaufen, weil er sie zwang, einem anderen Mann zu Willen zu sein, gegen den er beim Poker verloren hatte. Nun schickte der Clan seine Häscher aus, und Dora erklärte mir, sie wisse keinen besseren Mann, dessen Schutz sie ihre kleine Schwester anvertrauen könne, als mich. Sie sagte es, ohne zu ahnen, dass sie damit beinahe das Todesurteil für Debra und für mich ausgesprochen hätte ...

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Seitenzahl: 241

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Unbeugsamen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9626-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Unbeugsamen

Hester Cumberland freut sich nicht auf das Wiedersehen mit dem Vater, denn nach ihrer Heimkehr aus dem Osten wird Big Brack Cumberland sie zwingen, einen Mann zu heiraten, den sie zutiefst verabscheut. Mit flehenden Augen blickt sie zu Dave Rannaghan auf. »Kommen Sie mit auf die Ranch, Dave!«, sagt sie eindringlich. »Ich stelle Sie meinem Vater als meinen Ehemann vor. Dann wird er mich in Frieden lassen, und eine lebenslange Hölle an der Seite eines ungeliebten Mannes bleibt mir erspart!«

Dave Rannaghan schweigt. Er weiß, dass er sich mit dem Teufel persönlich anlegt, wenn er den Vorschlag der schönen Frau annimmt…

Als Hester Cumberland aus der Postkutsche klettert, sieht man ihr nicht an, dass sie nun schon den zehnten Tag unterwegs ist. Es war eine endlos lange, staubige und zermürbende Fahrt, die nur dann und wann durch mehr oder weniger kurze Aufenthalte in kleinen Ortschaften, Stationen oder gar Camps unterbrochen wurde.

Dieser harte Weg scheint Hester Cumberland jedoch äußerlich nichts ausgemacht zu haben, denn was da aus der Kutsche klettert, ist ein geschmeidiges und erfreulich aussehendes Mädchen, von dem ein Hauch von Frische ausgeht.

Erst nach dem zweiten Blick weiß man, wie hart auch für sie diese Reise war, und in ihren blaugrauen Augen erkennt man schließlich einen sehr ernsten und irgendwie bitteren Ausdruck.

Sie tritt etwas zur Seite, um den anderen Fahrgästen nicht im Wege zu stehen, und blickt sich um. Indes hört sie den Fahrer der Concord-Kutsche heiser rufen: »Wir sind eine Stunde zu früh, Leute! Aber das sollte besonders die Lady erfreuen. Die Post nach Big Bull saust erst in einer Stunde von hier ab! Eine Stunde!«

Hester Cumberland hört es. Sie verspürt einen Moment den bitteren Wunsch, dass die Post nach Big Bull überhaupt nicht abfahren könnte. Die Frau des Stationsagenten kommt aus dem Haus und tritt zu ihr.

»Kann ich etwas für Sie tun, Miss? Wollen Sie ein Bad? Oder haben Sie besondere Wünsche? Für eine Frau ist solch eine Fahrt doch eine mächtig harte Sache.«

»Danke«, sagt Hester sanft. »Ich will mir erst etwas die Steifheit vertreiben. Wenn ich in einer halben Stunde einen Imbiss bekommen und mich vorher etwas waschen könnte…«

Sie nickt der fülligen Frau zu und geht langsam davon, indes der Stationsagent und sein Gehilfe das müde Gespann ausspannen und Fahrer und Fahrgäste sich in den Aufenthaltsraum der Pferdewechselstation der Wells-Fargo-Postlinie begeben.

Es ist fast auf den Tag genau fünf Jahre her, da Hester Cumberland auf dem Wege nach Osten hier auf dieser Station weilte. Doch fünf Jahre sind eine lange Zeit. Auch hier hat sich viel verändert. Rings um diese einst so einsame Station ist eine Siedlung entstanden. Vielleicht wird dies hier in einigen Jahren eine kleine Stadt sein.

Hester erkennt einen Store, ein Hotel, eine Schmiede und einige Holzhäuser. Auf der anderen Seite der staubigen Poststraße ist eine Pferderanch entstanden. Hester hat einen Blick dafür. Die ganze Anlage der Corrals und die Tiere darin sagen ihr, dass dort Pferde gezüchtet werden.

Es ist auch eine Menge Bewegung und Betrieb dort drüben. Eine große Anzahl Sattelpferde sind angebunden. Um einen der Corrals haben sich mehr als zwei Dutzend Männer versammelt. Es sind Cowboys, und als Hester nahe genug herangekommen ist, erkennt sie an den Sattelpferden die verschiedensten Brandzeichen. Es handelt sich also nicht um eine große Ranchmannschaft, sondern wohl um eine Zusammenkunft von Reitern verschiedener Ranches.

Das Mädchen will sich schon abwenden, um zur Station zurückzukehren. Ihre eigene Bitterkeit und ihre Sorge sind zu groß, als dass sie Interesse für irgendwelche anderen Dinge haben könnte. Doch da sieht sie etwas, was ihren bitteren Gedanken für einen Moment eine andere Richtung gibt.

Im Corral dort drüben wird nämlich ein riesenhafter Rappe von zwei Reitern in die Klemme genommen, und einer dieser Reiter wechselt von seinem Tier auf den Rappen über.

Dann dauert es keine zehn Sekunden, und dieser Reiter fliegt wie ein Sack durch die Luft, landet schwer und rollt sich dann mit letzter Kraft über den Boden und unter der Corralstange hindurch aus dem Corral. Hester kann deutlich erkennen, wie die Vorderhufe des Rappen diesen Mann nur knapp verfehlen.

Dann steht der Rappe still wie ein Denkmal.

Auch die Männer sind still und betrachten regungslos das Tier.

Hester bewegt sich nun langsam und wie unter Zwang weiter. Als sie nahe genug herangekommen ist, ohne von den Männern bemerkt zu werden, sagt eine bittere Stimme: »Das ist gar kein richtiges Pferd! Dieser schwarze Teufel sieht nur so aus! Das ist’ne Mischung zwischen einem Tiger und einem Wolf, und er frisst gewiss nur rohes Fleisch und trinkt Schlangengift. Corbin, was mich betrifft, so werde ich es erst gar nicht mit diesem Mörder versuchen. Hören Sie, Corbin, hier sind die härtesten Jungs aus hundert Meilen in der Runde versammelt. Bisher haben wir alles geritten, was vier Beine hat. Aber dies dort ist kein richtiges Pferd. Verstehen Sie, Corbin?«

Gemeint ist ein großer Mann mit einem dicken Bauch und einer dicken Uhrkette. Der Mann trägt einen großen Hut und einen mächtigen Schnurrbart. Und er hat einen sehr dunklen und geschmeidigen Mexikaner und einen fahlblonden und hageren Burschen bei sich, der zwei Revolver im Kreuzgurt trägt.

Diese drei Männer grinsen nun seltsam. Und der Mann mit dem dicken Bauch, der mit Corbin angeredet wurde, sagt dann ruhig: »Natürlich ist Black Tigre ein richtiges Pferd, und ich behaupte ja auch, dass er von keinem Mann auf dieser Welt geritten werden kann. Da steht es sogar zu lesen! Wer von den Gentlemen versucht es noch? Wer hat noch Mut und wagt es?«

Bei seinen Worten deutet der Mann auf ein Plakat, das an einen der Corralpfosten genagelt ist.

Hester Cumberland aber hat jetzt wirklich ihre ganze Not und Bitterkeit vergessen. Sie denkt jetzt nicht mehr daran, was sie daheim auf der Ranch erwartet.

Sie liest die Worte auf dem Plakat. Dort steht geschrieben:

Wer besiegt Black Tigre? Ich, James Corbin, behaupte, dass es auf dieser Welt keinen Reiter gibt, der Black Tigre besiegen könnte, und nehme jede Wette an. Ich erkläre jeden Reiter zum Sieger und zahle an ihn aus, der länger als zwei Minuten auf Black Tigres Rücken bleibt.

Als Hester Cumberland dies gelesen hat, weiß sie auch schon Bescheid. Denn dieser James Corbin ist nicht der einzige Mann, der mit einem unbezwingbaren Pferd durch das Land zieht, alle ehrgeizigen Reiter herausfordert und mit ihnen Wetten abschließt.

Und es gibt auf jeder Weide genügend verwegene und ehrgeizige Burschen, die ihr Glück nicht nur wegen des möglichen Geldgewinnes versuchen und dabei nicht nur ihre Knochen und ihr Leben, sondern auch die Ersparnisse eines Jahres oder mehr riskieren.

Für jeden ehrgeizigen Cowboy ist ein wildes Pferd, an dem andere Männer versagten, eine Herausforderung.

Hester Cumberland weiß also nun Bescheid, und sie will sich jetzt endgültig abwenden. Sie liebt solche Dinge nicht, dazu liebt sie die Tiere zu sehr. Und mit diesem schwarzen Hengst dort im Corral hat sie mehr als nur Mitleid.

Sicher, gewiss ist dieser Rappe sehr bösartig und wild.

Vielleicht ist er sogar ein richtiger Mankiller, denn es sah wirklich so aus, als wollte er den abgeworfenen Reiter in den Boden stampfen. Der Cowboy entkam nur um Haaresbreite.

Und dennoch hat Hester Mitleid mit dem Tier. Gewiss wurde es von den Menschen verdorben und schlecht gemacht.

Dies aber ist Mr. James Corbins Geschäft.

Keiner der Männer hat das Mädchen bis jetzt bemerkt. Sie alle betrachten immer noch den Hengst. Hätte Hester Cumberland sich nur wenige Sekunden früher umgewandt und wäre davongegangen, so wäre ihr weiteres Leben wahrscheinlich in anderen Bahnen verlaufen. Aber schon in den nächsten Sekunden geschieht etwas, von dem sie noch nicht weiß, dass es ihrem ganzen Leben bald eine völlig neue Richtung geben wird.

Nein, sie kann es noch nicht wissen.

Und doch bleibt sie stehen und wartet noch, denn einer der Männer ruft jetzt mit grimmigem Frohlocken: »Jetzt wird es gleich anders, Corbin! Dort drüben kommt Dave Rannaghan, Mister! Dort kommt Rannaghan! Und der wird es Ihrem verdammten Knochenbrecher jetzt zeigen!«

Es liegt wirklich ein besonderer und frohlockender Klang in der Stimme des Sprechers. Nicht nur die Männer, sondern auch das Mädchen und James Corbin und seine beiden Gehilfen blicken interessiert hinüber.

Ja, dort drüben taucht ein Reiter zwischen den Stallgebäuden auf und kommt nun langsam um diesen Corral herumgeritten. Er trägt keinen Hut, und sein ziemlich langes Haar leuchtet so rot wie eine Flamme. Als er nahe genug ist, kann Hester erkennen, wie abgetragen seine Weidetracht ist. Nur die Stiefel, die Sporen und der am Sattelhorn hängende Hut sind neu und waren bestimmt sehr teuer.

Dave Rannaghan sitzt auf einem struppigen Schecken und wirft einen langen Blick in den Corral. Dann hat er ihn umritten und erreicht die Männergruppe. Er blickt vom Sattel aus über die Männer hinweg auf Hester und schenkt ihr plötzlich ein schnelles und blitzendes Lächeln, wobei er wie selbstverständlich grüßend die Hand hebt.

Sie beißt sich ärgerlich auf die Unterlippe, zumal sich nun auch einige andere Männer nach ihr umsehen. Sie möchte sich umwenden und fortgehen, aber sie bringt es nicht fertig.

Dave Rannaghan hat jetzt seinen Kopf gewendet und liest nun die Worte auf dem Plakat. Hester betrachtet ihn abschätzend und fragt sich, ob es auch dieser Mann mit dem Hengst versuchen wird. Die Art, wie sein Name gerufen wurde, lässt darauf schließen, dass man ihn hier für einen besonderen Mann hält.

Und das ist er wahrscheinlich auch. Hester Cumberland ist auf einer großen Ranch mitten unter harten Männern aufgewachsen. Sie versteht sich darauf, Männer zu beurteilen.

Als sie Dave Rannaghan so sorgfältig betrachtet, da spürt sie auch schon, dass sie selten einen so verwegen und kühn wirkenden Cowboy gesehen hat.

Und dann hört sie ihn fragen: »Ist das der Hengst?«

»Sicher«, erwidert James Corbin grinsend. »Und er ist nicht zu reiten, Mister!«

Diese Worte sind eine Herausforderung. Hester, die Dave Rannaghan immer noch beobachtet, erwartet jetzt, dass auf seinem Gesicht wieder jenes blitzende und verwegene Lächeln erscheint, mit dem er sie grüßte. Aber sie wird enttäuscht. Rannaghans Gesicht bleibt ausdruckslos und unbeweglich. Es ist ein regelmäßiges, klares und etwas hageres Gesicht, mit einigen Linien darinnen, die Härte verraten, und festen Kanten und Winkeln. Seine Augen sind von einem dunklen Blau. Hester kann das deutlich erkennen. Seine geschmeidigen Hände liegen ruhig über dem Sattelhorn. Er hat sehr breite Handgelenke und trägt an der linken Seite einen alten Colt. Hinter dem Sattel ist ein kleines Bündel festgeschnallt, aus dem der Griff einer Bratpfanne ragt.

Und er sagt nach einer Weile fast sanft: »Es trifft sich gut, Mister, dass ich dreitausend Dollar bei mir habe. Wie ist Ihr Angebot, Corbin?«

»Ich halte jeden Einsatz«, grinst dieser. »Und ich freue mich, dass endlich einmal ein Gentleman kommt, der mehr riskiert als zwei oder drei Cowboymonatslöhne.«

»Ich werde die dreitausend Dollar riskieren«, sagt Dave Rannaghans Stimme noch sanfter. »Und Sie müssen wissen, Corbin, dass ich für diese Summe drei volle Jahre als Vormann für Jorge Chishum geritten bin. Ich will…«

»Sie haben die Chance, Ihr Vermögen zu verdoppeln«, unterbricht ihn James Corbin schnell, und in seiner Stimme ist ein besonderer Klang. In seinen Augen leuchtet es einen Moment gierig.

Der Mexikaner neben ihm betrachtet Dave Rannaghan aufmerksam und öffnet den Mund, als wollte er etwas sagen. Doch dann schluckt er nur hart, als würge er etwas hinunter.

Der fahlblonde Bursche, der wie ein Revolvermann wirkt und sicherlich James Corbins Leibwächter ist, starrt Dave Rannaghan ausdruckslos an und richtet dann seinen Blick auf dessen alten Colt. Doch so ruhig, wie dieser Revolvermann äußerlich wirkt, ist er gewiss innerlich nicht, denn seine Nasenflügel vibrieren, als hätte er eine besondere Witterung bekommen.

Dave Rannaghan blickt wieder zu dem Hengst hinüber, der sich im Corral jetzt umgewendet hat und herüberwittert, als hätte auch er eine besondere Witterung bekommen, genauso wie der feinnervige Revolvermann.

»Dreitausend Dollar sind viel Geld«, sagt Rannaghan schließlich. »Ich habe sie mir mühsam zusammengespart, gestern meinen Dienst gekündigt und bin jetzt unterwegs, um mir ein Stück Land zu suchen. Auch ein Cowboy hat manchmal Ehrgeiz und möchte eines Tages Rancher sein.«

»Sicher, sicher«, knurrt James Corbin ungeduldig. »Sie können nur verlieren oder gewinnen. Wenn Sie also Ihren Einsatz machen wollen, so halte ich die volle Summe dagegen. Aber ich sage Ihnen gleich, dass Sie verloren haben, wenn Sie nicht volle zwei Minuten im Sattel bleiben.«

Wieder betrachtet Dave Rannaghan den Hengst. Die Männer haben inzwischen rings um ihn einen Halbkreis gebildet und blicken zu ihm auf. Jemand sagt: »Dave, wenn es einer schaffen kann, dann nur du. Und du brauchst ja auch nicht gleich deine ganzen Ersparnisse einzusetzen.«

»Ich muss sie einsetzen«, grinst Dave Rannaghan plötzlich, und nun ist auf seinem Gesicht das von Hester erwartete Grinsen vorhanden. Es ist das verwegene und kühne Lächeln eines Marines, der an jedem Kampf Freude hat und für den eine solche Sache ein herrliches Spiel ist, ein richtiges Männerspiel.

»Ich muss sie einsetzen«, wiederholt er und blickt dabei James Corbin scharf an, »denn sonst würde Mr. Corbin gewiss nicht Black Tigre dagegensetzen, nicht wahr?«

Corbin scheint erst gar nicht zu begreifen. Aber dann zuckt er leicht zusammen und schnaubt: »Was ist das? Ich soll den Hengst gegen Ihre dreitausend Dollar setzen?«

»Richtig«, nickt Rannaghan ruhig. »Ihren Hengst gegen mein Geld. Sonst macht es mir keinen Spaß.«

James Corbin zögert und beginnt nachzudenken. Er wägt seine Chancen ab und rechnet auch nach. Der Hengst hat ihm während der letzten fünf Monate etwa elftausend Dollar an Wettgewinnen eingebracht und ist wilder und gemeiner als zuvor. Corbin könnte also noch durch hundert Städte ziehen und überall Geld verdienen.

Aber jetzt reizen ihn die dreitausend Dollar. Er könnte sie innerhalb zwei Minuten verdienen.

Aus diesen Gedanken heraus blickt er seinen mexikanischen Pferdepfleger an.

Der erwidert seinen Blick aus schmalen Augen und schüttelt dann den Kopf.

Doch James Corbin ist immer noch nicht schlüssig. Er wendet sich nach seinem Revolvermann um, der lässig am Eckpfosten des Corrals lehnt. Und als sich die Blicke der beiden Männer begegnen, nickt der Revolvermann.

Das gibt für Corbin den Ausschlag.

Er wendet sich Dave Rannaghan zu und sagt: »All right!«

Nun aber handelt Hester Cumberland instinktiv und ganz aus ihrem Gefühl heraus. Sie tritt schnell vorwärts, tritt zwischen die Männer und ruft fest und klar: »Seien Sie doch kein Narr, Mr. Rannaghan! Setzen Sie doch nicht wie ein Spieler Ihre Ersparnisse für eine kümmerliche Chance aufs Spiel! Das dürfen Sie doch nicht tun! Sie haben doch für den Anfang zu einer eigenen Ranch gespart! Wenn Sie…«

Nun bricht sie fast erschrocken ab, denn jetzt erst wird ihr bewusst, wie impulsiv sie handelte.

Alle Männer betrachten sie und grinsen. Sie fühlt, wie ihr die Röte ins Gesicht schießt, und will sich abwenden, um davonzulaufen.

Doch abermals kann sie es nicht. Dave Rannaghan gleitet nämlich mit einer unwahrscheinlich leichten und geschmeidigen Bewegung aus dem Sattel und tritt neben sie.

»Lady, ich fühle mich sehr geehrt, dass Sie um mich besorgt sind. Aber Ihre Sorgen sind unnötig.«

Hester spürt den ernsten Klang seiner Stimme, und weil sie zu ihm aufblickt, kann sie auch den ernsten Ausdruck in seinen Augen erkennen. Sie hält ihn nun plötzlich nicht mehr für einen verwegenen und leichtsinnigen Draufgänger, sondern erkennt plötzlich, dass dieser Mann ganz genau weiß, was er tut.

Auch wird ihr jetzt erst, wo er vor ihr steht, bewusst, wie groß er ist. Sie ist für ein Mädchen selbst sehr groß, aber er überragt sie um einen ganzen Kopf.

»Also los!«, sagt James Corbin hinter ihnen drängend.

Rannaghan blickt zur Seite.

»Geben Sie der Lady Ihre Uhr, Corbin«, sagt er. »Sie wird die Zeit stoppen. Und sie wird auch meine dreitausend Dollar in Verwahrung nehmen. Nicht wahr, Madam, das werden Sie doch tun?«

Er blickt sie wieder an, und Hester bringt kein Wort hervor.

Sie weiß kaum, dass sie nickt.

Erst als sie Brieftasche und Uhr in den Händen hält, erwacht sie wie aus einem Traum und sieht, wie Dave Rannaghan sich wieder in den Sattel schwingt.

Sie möchte jetzt gegen die ihr fast aufgezwungene Rolle protestieren, aber dann fällt ihr ein, dass sie Dave Rannaghan wenigstens zu einer fairen Chance verhelfen kann. Denn sie ist sich nicht sicher, ob James Corbin, wenn Dave Rannaghan genau zwei Minuten im Sattel bleiben kann, diese Zeit genau stoppen würde. Es geht ja um seinen Hengst und um dreitausend Dollar.

Sie beißt also die Zähne zusammen und wird ganz kühl und ruhig.

Obwohl sie die letzten fünf Jahre im Osten verbrachte, wo man ihr alles beibrachte, was eine wohlerzogene und reiche Lady ihres Vaters Auffassung nach wissen muss, ist sie ein echtes Kind des Westens und des Rinderlandes geblieben. Sie ist unter rauen Cowboys aufgewachsen und konnte reiten, bevor sie richtig laufen oder gar lesen und schreiben lernte.

Sie tritt ruhig an die Corralstangen, und die Männer bilden hinter ihr einen Halbkreis. Obwohl sie ein Reisekostüm der neuesten Mode trägt, wie man sie hier im Westen erst in einigen Jahren kennen wird, haben die Männer wohl alle gleich erkannt, dass sie ein echtes Westlermädchen ist. Sie konnten das an so vielen Zeichen erkennen, an ihrem geraden und festen Blick, an ihrer Art zu gehen und an ihrer Sicherheit im Kreise von Cowboys.

Corbin steht neben ihr und fragt ziemlich barsch: »Sind Sie Ihrer Aufgabe auch wirklich gewachsen, Miss?«

»Machen Sie sich keine Sorgen, Mister«, sagt sie herb.

»Mein Vater ist Big Brack Cumberland. Ich bin in diesem Lande und inmitten einer Cowboymannschaft aufgewachsen. Als ich zur Welt kam, umkreisten wilde Indianer unsere Wagenburg.«

»All right«, knurrt Corbin nur.

Dann wird überhaupt kein Wort mehr gesprochen, denn alle Augen beobachten jetzt Dave Rannaghan.

Jemand hat das Corralgitter geöffnet. Rannaghan und ein Reiter sind in den Corral geritten. Sie nehmen den wilden Hengst in die Mitte und zwängen ihn zwischen ihre Pferde. Das Tier steht auch still und vollkommen regungslos. Es hat schon mehr als hundert Male gekämpft und weiß längst, dass es seine Chance erhält, wenn der Reiter auf seinem Rücken hockt.

Und so wartet Black Tigre.

Es ist ein herrliches Tier, sechs Fuß hoch und makellos gewachsen. Nur ist sein Fell struppig und überall sind Narben. Er ist ein Wildhengst.

Natürlich ist er gemein und tückisch, aber er kämpft ja immer wieder um seine Freiheit. Wer kann es ihm verdenken, wenn er in seiner Not immer schlimmer und wilder wird und jedes verzweifelte Mittel anwendet? Früher war er sicherlich nur stolz und wollte ungebändigt und unbezwungen bleiben. Er war ein König, der sich nicht unterwerfen wollte. Dann aber fiel er dem Geschäftemacher James Corbin in die Hände, und damit begann gewissermaßen ein Leidensweg. Vielleicht wird er eines Tages zerbrochen und erledigt sein und nicht einmal mehr zu einem Karrengaul taugen.

Er wartet, und unter seinem struppigen Fell erschaudert er ständig. Er hat nie die Freundschaft von Menschen gekannt. Er ist von Anfang an verdorben worden, und jetzt hasst er jeden Zweibeiner und hat sogar schon einige getötet.

Dave Rannaghan gleitet von seinem Pferd hinüber auf den Hengst. Er bekommt die Füße in die Steigbügel, setzt sich zurecht und ruft dann kurz: »Fertig!«

Auch der andere Reiter ist bereit. Er blockiert den Hengst immer noch und drängt ihn gegen Rannaghans nun reiterloses Tier.

Hester Cumberland starrt auf die Uhr und wartet, bis eine volle Minute angezeigt wird. Dann ruft sie scharf: »Los!«

Der Reiter stößt einen Schrei aus und reißt sein Pferd zur Seite. Black Tigre springt sofort von Rannaghans Tier weg, wirbelt herum und feuert kräftig aus. Aber Rannaghans Schecke war zu schnell und brachte sich mit einem gewandten Sprung in Sicherheit.

Der Kampf geht los.

Die Sekunden eilen.

Was Hester Cumberland sieht, ist wie eine Explosion. Sie kennt wilde Pferde und hat schon mehr als hundert Male zugesehen, wie verwegene und harte Zureiter wilde Mustangs zuritten und einbrachen. Sie hat auch Pferde gekannt, an denen selbst die besten Zureiter versagten.

Was sie jedoch hier sieht, ist tatsächlich wie der Ausbruch einer Explosion. Black Tigre scheint in den Himmel springen zu wollen. Und mitten im Sprung wirbelt er herum und landet steifbeinig auf allen vier Hufen.

Dave Rannaghan hält es aus. Und dann geht der Kampf erst richtig los. Black Tigres ganze Wildheit, sein Hass und seine Mordlust kommen zum Ausbruch. Er kämpft wie eine böse Bestie, aber dies ist wohl doch im Grunde genommen sein gutes Recht. Jedes Geschöpf auf dieser Erde hat das Recht, um seine Freiheit zu kämpfen. Dieser Hengst will nun einmal keinem jener Zweibeiner, die immer wieder auf seinen Rücken klettern und die er doch so sehr hasst, willig sein und sich unterwerfen.

Er kämpft. Er ist zwar ein Gefangener, aber er kämpft um seine letzte Freiheit.

Nach etwas über einer Minute sieht es fast so aus, als könnte sich Rannaghan nicht mehr länger im Sattel halten. Er hat einen Steigbügel verloren und hängt ganz auf der linken Seite. Doch dann macht der Hengst einen Fehler. Er wirbelt in die verkehrte Richtung herum, und Rannaghan nutzt diesen Schwung aus, um wieder richtig in den Sattel zu kommen. Er findet auch mit viel Glück den Steigbügel.

Hester schaut schon längst nicht mehr hin. Sie starrt auf die Uhr in ihrer Hand. Der Sekundenzeiger scheint langsamer als eine Schnecke zu kriechen. Die zweite Minute kommt ihr wie eine Ewigkeit vor. Neben ihr schnauft James Corbin, und dann greift er nach der Uhr. Aber sie hält sie fest und ruft wild und zornig: »Lassen Sie das, Mister! Zum Teufel, lassen Sie das!«

Und dann sind die zwei Minuten um.

»Über die Zeit! Über die Zeit!«

So ruft das Mädchen. Die Männer beginnen zu brüllen und tanzen herum, schwingen die Hüte und johlen wie ein wilder Indianerstamm.

Hester starrt auf den Staub im Corral. Dort kämpft der Hengst immer noch unter dem Reiter, und man kann sehen, dass Rannaghan gleich erledigt ist. Er muss schon halb ohne Besinnung sein. Plötzlich fliegt er im hohen Bogen aus dem Sattel, landet jedoch verhältnismäßig leicht und macht am Boden einen Purzelbaum. Dann rollt er sich unter den Corralstangen hindurch und bringt sich in Sicherheit.

Der Hengst wirft sich krachend gegen die Stangen. Aber diese halten.

Und dann ist es still.

Die Männer eilen zu Rannaghan, der unbeweglich am Boden liegt.

James Corbin bleibt neben Hester stehen. Er nimmt ihr die Uhr ab und sagt: »Sie haben sich getäuscht, Miss! Die Zeit war noch nicht um! Sie haben sich um eine volle Minute getäuscht. Statt zwei Minuten haben Sie nur eine Minute abgelesen.«

Sie blickt zu dem Mann auf und erkennt das harte und kalte Licht in seinen Augen. Einen Moment verspürt sie Furcht. Aber dann stampft sie mit dem Fuß auf und sagt laut und klar: »Sie sind ein Lügner, Mr. Corbin! Die Zeit wurde um mehr als eine Viertelminute überschritten.«

»Nein«, grinst Corbin.

Mit der anderen Hand greift er nach der gefüllten Brieftasche, die Rannaghan dem Mädchen übergeben hatte. Es gelingt ihm, Hester die Brieftasche zu entreißen.

Einen Moment sieht es so aus, als würde das Mädchen ihn angreifen und zu kämpfen beginnen. Aber dann tritt sie zurück. Nur ihr Gesicht ist bleich vor Zorn.

»Sie Schuft!«, sagt sie kalt. »Damit werden Sie nicht durchkommen.«

»Wir werden sehen«, brummt Corbin gedehnt und wirft einen Blick auf die Männer, die alle zu Rannaghan gelaufen sind und dort bei ihm eine dichte Gruppe bilden. Er liegt noch am Boden. Einige der Männer bemühen sich um ihn. Jemand schleppt einen Holzeimer voll Wasser aus dem Trinktrog herbei.

Corbin wendet sich seinen beiden Helfern zu.

»Pancho«, sagt er, »fange den Hengst heraus. Wir fahren los!«

Und indes der Mexikaner sofort zu seinem Pferd geht, blickt Corbin auf seinen Revolvermann. Der nickt wieder auf seine kalte und ausdruckslose Art und wartet.

Corbin wendet sich dem Mädchen zu.

»Das ist Sid Slater«, sagt er sanft. »Wenn Sie, Mädel, wirklich behaupten wollen, Rannaghan wäre über die Zeit gekommen, so wird es vielleicht einige Tote geben. Das ist Sid Slater.«

Hester verspürt den starken Schock eines heftigen Schreckens. Natürlich hat sie schon von Sid Slater gehört. Als echtes Westlermädchen kennt sie auch die Namen der besonders berüchtigten und gefährlichsten Revolverhelden.

Sid Slater gehört dazu. Es gibt immer wieder Geschichten, die von seinen Kämpfen und seiner rauchigen Fährte erzählen. Sid Slaters trauriger Ruhm breitete sich von Texas über New Mexico bis nach Arizona aus. Dort wurde er dann bald überall von Aufgeboten gesucht. Und jetzt ist er also nach Nordwesten, hier nach Wyoming, gekommen.

Sie blickt zu ihm hinüber, und ihre Blicke begegnen sich.

»Banditen seid ihr«, sagt sie.

Inzwischen ist der Mexikaner in den Corral geritten, hat sein Lasso ausgeschüttelt und geworfen. Er fängt Black Tigre mit dem ersten Wurf. Das ist kein Wunder, denn der Hengst ist sehr erschöpft und steht still. Überdies weiß das kluge Tier, dass es zwecklos ist, einem Lasso entkommen zu wollen. Es hat längst gelernt und begriffen, dass es früher oder später doch die Schlinge über den Kopf geworfen bekommt.

James Corbin stößt einen zufriedenen Laut aus und geht zu seinem Wagen.

Hester Cumberland aber blickt sich nach Rannaghan um. Fast wünscht sie sich, dass dieser noch nicht wieder auf die Beine kommen könnte. Doch sie sieht, wie die Männergruppe dort auf der anderen Seite des Corrals sich öffnet.

Dave Rannaghan wird sichtbar.

Er steht auf den Beinen, hat also alles gut überstanden und blickt herüber. Und sein Haarschopf ist so rot wie eine Flamme.

James Corbin klettert auf den Fahrersitz seines Wagens. Pancho, sein Mexikaner, bringt den Hengst Black Tigre hinter das Fahrzeug und bindet ihn dort an. Dann reitet der Mexikaner etwas zur Seite und wartet. Seine dunklen Augen funkeln, und man erkennt darin in stetem Wechsel den Ausdruck von Sorge, Unruhe, aber auch Wildheit und Bösartigkeit.

Doch auf James Corbin und den Mexikaner kommt es jetzt gar nicht so sehr an. Sid Slater ist jetzt der Mann, auf den man achten muss.

Sid Slater muss sich jetzt seinen Anteil von James Corbins Einkünften verdienen, oder James Corbin muss nicht nur die dreitausend Dollar, sondern auch den Hengst aufgeben. Von diesem Hengst aber leben Corbin, Pancho und Sid Slater sehr gut und ertragreich. Das Tier war bisher nichts anderes für sie als eine ergiebige Goldgrube.

Hester Cumberland begreift das alles. Sie sieht, wie Dave Rannaghan langsam an der Spitze der Männer um den Corral kommt.

Dann blickt sie auf Sid Slater, der immer noch ruhig am Eckpfosten lehnt und an einem Zahnstocher kaut. Der Blick des Revolvermannes trifft sie nun wie ein plötzlicher Schock, wie ein körperlicher Anprall von Unbarmherzigkeit und Kälte.

Das Mädchen erschaudert und hält diesem harten Blick dennoch stand.

Inzwischen sind Dave Rannaghan und die Männer um den Corral gekommen und halten plötzlich an, weil die Situation auch für sie mit einem Male unmissverständlich ist.

Das Mädchen hört Dave Rannaghan fragen: »Corbin, was ist das?«

Dessen Antwort kommt langsam und schwer. Aber sie ist so klärend wie ein frischer Wind. Es gibt plötzlich keine Zweifel oder Missverständnisse mehr über Corbins und seiner Leute Absichten. Denn er sagt: »Sie haben verloren, Rannaghan. Die zwei Minuten waren noch nicht um, als der Hengst Sie abwarf.«

Die Männergruppe hinter Rannaghan beginnt sofort zu johlen. Jemand ruft wild: »Er will Dave Rannaghan betrügen! Oha, wir werden diesen drei Gaunern die Hosen ausziehen und sie in die Wüste schicken!«

Aber Rannaghan hebt die Hand, wendet sich zurück und sagt dann in die entstehende Stille: »Vorsicht, Jungs! Mischt euch nur nicht ein! Ihr seid alles prächtige Burschen, und wir erlebten miteinander so manchen Spaß. Aber das hier ist kein Spaß! Der Gentleman dort an der Ecke des Corrals ist Sid Slater. Also hört auf, hier Lärm zu machen und für mich Partei zu ergreifen. Angelegenheiten dieser Art erledige ich lieber selbst.«

Als er ausgesprochen hat, ist es einige Sekunden still, genauso lange still, wie zwei Dutzend Cowboys nachdenken müssen, um sich darüber klar zu werden, wer Sid Slater ist.

Nach etwa drei Sekunden wissen sie es richtig. Alles, was sie über diesen Sid Slater hörten, ist wieder frisch in ihren Köpfen. Und weil das so ist, wissen sie auch, dass man Sid Slaters Namen auch anders buchstabieren könnte. Statt Sid könnte man auch Tod Slater sagen.

So ist das! Es ist genauso, als hätte ein Rudel braver Hunde plötzlich entdeckt, dass ein wilder Berglöwe mitten unter ihnen ist.

Die Cowboys weichen langsam zurück und auseinander. Dave Rannaghan steht bald darauf sehr einsam und allein da. Oh, man sollte all die Cowboys und die anderen Männer, die hier versammelt waren, nicht Feiglinge nennen. Gewiss, viele der Jungs tragen einen Colt, und sie wirken auch sehr verwegen und stolz. Doch sie sind alle nur Cowboys, die auf den Ranches harte Weidearbeit leisten oder wilde Pferde zureiten. Es ist kein Revolvermann unter ihnen.

Sid Slater könnte drei von ihnen totschießen, bevor sie auch nur ihre Waffen richtig aus den Halftern bekommen und auf ihn richten könnten.