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Neben der riesigen J-im-Kreis gibt es im Land um den Silver Lake nur noch die kleine Mallone-Ranch. Duke John Jennison duldet sie, denn sie liegt an der äußeren Grenze seines Rinderreichs, und ihr Besitzer ist ein Säufer. Ja, Job Mallone ist unwichtig für den Großrancher, ein Fliegendreck in seinen Augen. Das ändert sich, als plötzlich eine schöne Frau mit drei Revolvermännern ins Land kommt, die Mallone Ranch erwirbt und damit beginnt, ungebrändete Rinder aufzukaufen.
Anfangs lächelt Jennison, aber als Viehdiebe ihm scharenweise die Rinder stehlen, fragt er sich, was es mit der Unbekannten auf sich hat. Denn immer mehr muss er den Eindruck gewinnen, dass hier jemand Ist, der gnadenlos Krieg gegen ihn führt und seine totale Vernichtung beschlossen hat ...
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Seitenzahl: 185
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Black Cat
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9627-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Black Cat
Es ist später Mittag, als Kate Stringer mit ihren drei Begleitern die kleine Ranch der Mallones erreicht. Job Mallone tritt aus der primitiven Hütte, hakt seine Daumen unter die Hosenträger und verharrt breitbeinig. Er wirkt ungepflegt, ganz und gar wie ein Mann, für den es keine Anreize oder Ziele mehr gibt, der aufgegeben hat, nur noch verharren will bis ans Ende seines Lebens.
Und wahrscheinlich hat er heute auch schon mehr als nur einen Schluck getrunken und sich in einen Zustand versetzt, der ihn sein erfolgloses Leben erträglicher erscheinen lässt. Irgendwie lauernd, wie ein in die Enge getriebener, verwahrloster Hund steht er da, zieht die Hosenträger von der mageren Brust ab und lässt sie wieder zurückschnappen, sodass es hörbar klatscht. Er sagt nichts, starrt nur den Besuchern entgegen und wartet.
Kate Stringer betrachtet ihn mit einer Mischung von Nachsicht und Mitleid in ihrem Blick.
Er starrt in ihre grünen Katzenaugen und wird sich darüber klar, dass er in seinem ganzen Leben noch nie eine so schöne Frau gesehen hat. Und dabei war er als junger Mann recht erfolgreich bei Mädchen und Frauen. Doch das ist schon lange her, länger als dreißig Jahre.
Er bekam dann eine gute Frau. Doch als sie starb, ging es mit ihm bergab.
Manchmal erscheint sie ihm noch in seinen Träumen und klagt dann: »Jobson, du hast mich arbeiten lassen wie einen Ochsen. Deshalb starb ich so früh. Oh, Jobson Mallone, du warst ein Versager, der es selbst mit meiner Hilfe zu nichts bringen konnte, weil du stets, wenn es darauf ankam, gekniffen hast. Dich konnte jeder aus dem Weg stoßen. Und so wirst du nicht in den Himmel kommen wie ich. Du wirst in der Hölle schmoren. Und dort werden sie dir den schlechtesten Platz geben.«
Ja, dies hört er in seinen Träumen seine Elinor immer zu sich sagen.
Deshalb wurde er zum Säufer.
Nun also starrt er die schöne Besucherin an. Sie hat schwarze Haare, die glänzen wie das Gefieder eines Raben. Und sie sitzt geschmeidig auf ihrem Rappen. Ihr Körper scheint mit dem herrlichen Tier verwachsen zu sein.
Und so denkt Job Mallone: Was für eine Queen! Was will sie wohl hier bei mir?
Er betrachtet die drei Reiter. Und auch hier wird ihm klar, dass diese drei Männer Coltritter sind, ja Ritter, welche einer Königin dienen. Er sieht drei harte Männer, von denen all das ausgeht, was ihm sein ganzes Leben lang gefehlt hat, nämlich Stolz, Selbstbewusstsein, unbeugsame Unbeirrbarkeit.
Er verspürt ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend.
Doch dann denkt er: Vielleicht wollen sie nur ihre Pferde tränken und mich deshalb um Wasser aus dem Brunnen bitten. Denn ich habe das beste Wasser in meinem Brunnen auf fünfzig Meilen in der Runde.
Nun verspürt er sogar einen leichten Anflug von Stolz.
Dann hört er die schöne Frau mit kehliger Stimme, deren Timbre ihm unter die Haut geht, freundlich sagen: »Ich kaufe Ihre kleine Ranch. Jetzt sofort. Ich zahle Ihnen für den Besitztitel fünfhundert Dollar. Das wird reichen, damit Sie sich totsaufen können. Sie haben es ja schon fast geschafft. Ja, ich weiß Bescheid über Sie, Mr. Mallone. Ich holte Erkundigungen ein. Ich weiß alles über Sie. Also, kommen wir zum Geschäft.«
Nun schwingt sie sich aus dem Sattel.
Es ist eine geschmeidige, gleitende Bewegung wie bei einer Katze. Und Job Mallone denkt: Black Cat. Sie ist eine schwarze Pantherkatze. Bei Gott, ja, sie ist eine zweibeinige schwarze Raubkatze.
Und in seinem leicht trunkenen Gehirn beginnt es endlich zu arbeiten. Jetzt jagen sich seine Gedanken.
»Und wenn ich nicht verkaufen will?«, fragt er störrisch. »Ich fühle mich sehr wohl hier in meinem schönen Tal. Warum sollte ich für fünfhundert Dollar von hier weg? Ich müsste ja ein Narr sein, Lady. Dies ist ein wunderschönes Tal. Da drüben sind die Gräber meiner Frau und meiner beiden Söhne. Ich denke gar nicht daran, von hier wegzugehen, Lady!«
Er wirkt nun noch störrischer als zuvor.
Der Blick ihrer grünen Katzenaugen wird für einen Moment noch härter. Dann aber verändert sich etwas in ihr, und sie spricht: »He, Mr. Mallone, was würden denn Ihre Frau und die beiden Söhne sagen, wenn sie aus dem Jenseits auf Sie niederblicken könnten und sehen müssten, was für eine traurige Gestalt Sie geworden sind, eine Fuseleule, die alles verkommen lässt. Oder sind Sie nicht das geworden, was man eine Fuseleule nennt?«
Er starrt sie eine Weile hilflos an. Dann aber nickt er.
»Ja, so ist es wohl, Lady«, murmelt er. »Ja, ich vertilge Fusel jeder Sorte. Und ich würde gewiss auch Pumaspucke saufen, wenn Sie mir...«
Er bricht ab und winkt dabei resignierend mit der Rechten. Mit der Linken aber fährt er über sein Gesicht, das unter dem struppigen Bart kaum zu erkennen ist, und versucht so wohl einen klareren Kopf zu bekommen.
Dann aber richtet er sich gerader auf. Offensichtlich kam er nun auf eine Idee, denn er spricht: »Gut, ich verkaufe Ihnen meine armselige Ranch. Aber nur unter einer Bedingung...«
»Und die wäre?«, unterbricht sie ihn mit dieser knappen Frage.
Er aber wirkt plötzlich sehr listig und grinst.
»Wenn ich bleiben darf«, erwidert er. »Ja, ich will bleiben und zusehen dürfen, was Sie aus meiner Ranch machen. Denn eines habe ich in meinem Kopf begriffen: Sie würden meine armselige Ranch mit dem dazugehörigen Besitztitel nicht kaufen, wenn Sie damit nicht etwas vorhätten. Aber was haben Sie damit vor? Ich bin plötzlich sehr neugierig. Denn das Feuerwasser hat meine Gehirnzellen noch nicht völlig zerstört. Ich kann noch denken, Lady. Ich würde mich in der kleinsten Hütte einquartieren und wäre auch bereit, mich hier etwas nützlich zu machen. Ich könnte zum Beispiel auf der Ranch die Pferde versorgen. Also, ich will bleiben und zusehen dürfen, wie jemand diese Ranch wieder richtig in Gang bringt. Ich habe hier nur drei Pferde. Und auf meiner Weide gibt es keine dreihundert Rinder, von denen die meisten nicht mal gebrändet wurden. Es ist eine armselige Ranch, richtig. Aber Sie tauchen hier auf wie eine stolze Queen mit drei edlen Rittern. Was haben Sie vor? Diese schäbige Ranch wäre doch unter Ihrem Niveau, wenn Sie damit nicht etwas vorhätten. Es muss was Großartiges sein, ja, etwas sehr Großartiges.«
Sie nickt ihm zu.
»Gut, Mr. Mallone. Wir kommen auf dieser Basis ins Geschäft. Aber Sie werden sich wohl in den nächsten Wochen totsaufen. Ich verspreche Ihnen, dass Sie neben Ihrer Frau und den Söhnen beerdigt werden. Gut so?«
Er nickt und fragt dann böse: »Sie sind wohl fest davon überzeugt, dass Sie mich bald los sind, weil ich mich jetzt noch schneller totsaufe?«
Sie nickt.
»Gehen wir hinein«, verlangt sie und deutet auf das kleine Ranchhaus. »Ich habe den Vertrag schon ausfertigen lassen. Und das Geld zähle ich Ihnen auf den Tisch, sobald ich den Besitztitel in meinen Händen habe. Gehen wir also hinein. Hoffentlich stinkt es da drinnen nicht so schlimm.«
»Sie halten wohl gar nichts von mir?« Er fragt es böse und aufsässig. Ihre Worte haben irgendwie den letzten Rest seines Stolzes tief in seinem Kern getroffen. Und so verspürt er einen Anflug von Rebellion.
»Gehen wir endlich!« Sie fordert es noch schärfer und setzt sich in Bewegung.
Ihre drei Begleiter sitzen nun ebenfalls ab.
Ihre Namen sind Reb Bryan, Jed McKinney und Lance Gator. Sie sind Revolvermänner, auf deren Treue sie bauen kann, weil es gewiss ein Geheimnis zwischen ihnen und ihr gibt. Es kann gar nicht anders sein.
Reb Bryan sagt: »Der wird noch staunen!«
Die beiden anderen nicken. Dann spricht Lance Gator lässig: »Da werden noch ganz andere Leute staunen.«
Sie sehen sich noch einmal um.
Jed McKinney aber spricht: »Es wird sich herumsprechen in Silver Lake. Und irgendwann wird es auch Duke Jennison erfahren. Dann aber...«
Um diese Zeit werden in Silver Lake – es ist eine kleine Stadt an einem silbern schimmernden See – drei schwere Frachtwagen und deren Anhänger in Bewegung gesetzt.
Jeder dieser Doppelwagen wird von acht Maultieren gezogen. Die Ladung besteht aus Bauholz, Möbeln, Ausrüstung und Proviant. Die Fahrer und deren Gehilfen sind zugleich auch Handwerker. Und das Ziel des kleinen Wagenzuges ist die Mallone-Ranch.
Der Weg von Silver Lake bis zur Mallone-Ranch führt durch unübersichtliches Land, Hügelland mit tausend verborgenen Winkeln. In diesem Gebiet gibt es einige verborgene Camps, in denen Gesetzlose leben, Geächtete, Menschen mit Schatten auf ihren Fährten. Und viele von ihnen leben in einem beständigen Hass gegen die ganze Welt, weil sie ja auch von dieser gehasst werden.
Als die drei schwerbeladenen Doppelwagen aus der kleinen Stadt rollen, mit Peitschenknallen und scharfen Rufen und Pfiffen der Fahrer, da reitet ein Reiter von der Stadt aus nach Süden. Der Reiter muss mehr als dreißig Meilen reiten, bis er die Hauptranch des mächtigen Duke Jennison erreichen wird, dessen Rinderreich so groß ist, dass man es in drei Tagen nicht umreiten kann.
Und so wird der mächtige Duke John Jennison bald erfahren, dass sich in diesem Land, außerhalb seiner Grenzen zwar, aber doch nur einen Tagesritt entfernt, etwas verändern soll.
Er wird auch von der schönen Frau erfahren, die in Silver Lake große Einkäufe machte und die Handwerker mit den schweren Frachtwagen verpflichtete, eine Frau mit sehr viel Bargeld in einem Ledersack, der von ihren drei Begleitern bewacht wird.
Er wird auch von diesen drei Begleitern erfahren.
Und das ist es, was sogar einem Mann wie Duke John Jennison einiges Kopfzerbrechen verursachen wird.
Eine schöne Frau mit einem Haufen Geld und drei Revolvermännern kam ins Land.
Es ist ein Land mit weit mehr als hunderttausend Rindern, verborgenen Camps und einer Riesenranch, die auch weit über ihre Grenzen hinweg nach allen Seiten einen gewaltigen Schatten wirft.
Jobson Mallone wurde von dieser Riesenranch geduldet, weil er ein Säufer und auch weit genug weg war. Jobson Mallone war unwichtig, kaum mehr als ein Haufen Dreck.
Doch jetzt verändert sich alles.
Und Duke John Jennison wird sich fragen, warum eine schöne Frau mit drei Revolvermännern ins Land kam und eine kleine, heruntergekommene Ranch wieder in Gang bringen will.
Alles wird sich verändern!
Aber ist das nicht überall so auf dieser Erde? Verändert sich auf ihr nicht ständig etwas? Warum nicht auch hier im Land rings um Silver Lake? Es ist eine kleine, fast armselig wirkende Stadt, die sich im Schatten von Duke Jennisons Macht nie entwickeln konnte.
☆
In den nächsten Tagen wird auf der Mallone-Ranch emsig gearbeitet. Die sechs Handwerker haben in ihrem ganzen Leben noch nie eine solche Menge Geld verdient. Und deshalb arbeiten sie vierzehn Stunden täglich.
Und so verändert sich die kleine, heruntergekommene Ranch von Stunde zu Stunde mehr.
Job Mallone beobachtet das alles staunend. Er macht sich sogar nützlich und kümmert sich um die Pferde und die vierundzwanzig Maultiere, von denen die schweren Doppelwagen gezogen wurden.
Offenbar trinkt er nicht mehr solche Mengen wie zuvor.
Jedoch am fünften Tag reitet er nach Silver Lake, um seinen Vorrat an Feuerwasser aufzufüllen. Geld hat er ja jetzt eine Menge. Und so kauft er diesmal nicht den billigsten Fusel, sondern erstklassigen Brandy und eine Kiste Zigarren.
Natürlich wird er ausgefragt im Store und auch im Saloon. Doch er sagt immer nur: »Es ist eine schöne Frau mit drei Coltrittern. Ja, sie erweitern die Ranch, welche sie von mir kauften. Die Handwerker arbeiten von Tagesanbruch bis zur Dunkelheit, doch ihre drei Revolvermänner reiten nur umher, sehen sich alles an und bewachen die Schöne. Ich habe sie Black Cat getauft, denn sie lässt mich stets an eine schwarze Pantherkatze denken. Und wenn sie einen mit ihren grünen Augen ansieht, dann ist man wie verzaubert.«
Was Job Mallone in Silver Lake erzählt, verbreitet sich in der kleinen Stadt und wird noch weiter ausgeschmückt.
Und so entsteht so etwas wie eine Saga oder Legende. Denn man weiß ja zu wenig über die schöne Frau und ist deshalb auf Vermutungen angewiesen. Und da kennen die Menschen keine Grenzen, sodass auf diese Weise Legenden entstehen.
Und so wächst und blüht die Legende von der schönen Frau, die mit drei Coltrittern auf der Mallone-Ranch lebt und sie abwechselnd zu Liebhabern hat.
Ja, die Phantasie der Leute macht vor nichts halt.
Oder könnte es sein, dass es wirklich so ist, wie man sich erzählt, und das Gerücht keine Erfindung, sondern nackte Wahrheit ist?
Es ist am sechsten Tag, als am Ranchhaus alles nach dem Wunsch der Rancherin renoviert und eingerichtet ist. Auch das Dach wurde neu gedeckt.
Jobson Mallone hat sich in einer kleinen Hütte eingerichtet. Er sitzt vor ihr auf der Bank, lehnt den Rücken gegen die Hüttenwand, nimmt manchmal einen Schluck aus der Flasche und blickt zu den Sternen hinauf.
Sie sind nun allein auf der Ranch. Die Handwerker fuhren am späten Nachmittag nach Silver Lake zurück. Sie waren zufrieden mit ihrem Verdienst.
Für die drei Revolvermänner wurde eine der größeren Hütten eingerichtet.
Und aus dieser Hütte tritt nun Reb Bryan.
Job Mallone kann ihn im herausfallenden Lichtschein gut erkennen. Dann fällt die Tür hinter ihm zu. Aber auch im Sternenlicht der hellen Nacht gibt es für Mallone keinen Zweifel.
Der Mann, der sich da über den Hof zum Ranchhaus hinüberbewegt, ist Reb Bryan.
Mallone sieht ihn eintreten und fragt sich, was der Mann und die Frau da drinnen jetzt wohl machen.
Er würde gerne zu einem der Fenster hinübergehen und hineinsehen.
Doch er wagt es nicht.
Und so muss er sich leider auf seine Vorstellungskraft verlassen. Deshalb denkt er mit einiger Verbitterung: Wenn der die da drüben jetzt vernascht, dann ist sie zwar wunderschön, aber gewiss nicht das, was man eine ehrenwerte Frau nennt! Dann bezahlt sie ihre drei Ritter nicht mit Geld. O, Mann o Mann, was für eine Frau!
Als Reb Bryan eintritt, verharrt er erst einige Sekunden an der Tür, die hinter ihm zugefallen ist.
Kate Stringer steht am Kamin. Sie trägt nur ein durchsichtiges Nachthemd und hält zwei gefüllte Gläser in den Händen.
Damit tritt sie ihm entgegen. Inmitten des Raums treffen sie sich.
Er nimmt das Glas. Und dann trinken sie beide ihre Gläser leer.
Nein, sie sprechen kein Wort – auch nicht, als sie durch die offene Tür ins Schlafzimmer gehen.
Es wirkt alles so selbstverständlich.
☆
Es ist am siebenten Tag, als drei abgerissene Reiter eine kleine Herde durch die Schlucht ins Tal der Mallone-Ranch treiben. Es sind genau siebenundfünfzig Rinder ohne Brandzeichen.
Einer der Treiber geht dann ins Ranchhaus zu Kate Stringer und sagt: »Siebenundfünfzig ohne Brand, Lady.«
»Gut.« Sie lächelt. »Und ich zahle fünf Dollar für jedes Rind auf dem Huf. Hier ist das Geld. Ihr könnt jede Menge bringen – und nicht nur ihr. Ich kaufe von jedem Treiber, der mir Rinder bringt.«
»Es wird sich herumsprechen im Land, Lady«, erwidert der Mann und hat ein listiges Funkeln in den schrägen Augen.
Indes er das Geld einsteckt, spricht er noch: »Duke Jennison wird nach allen Seiten kämpfen müssen. Er wird bald Krieg zu führen haben gegen die Rustler. Einige von uns wird er hängen. Machen Sie sich keine Sorgen, Lady? Gewiss, ich sah Ihre drei Beschützer, und ich kann einen Revolvermann von einem Revolverschwinger oder Revolverhelden unterscheiden. Sie haben hier drei Große, die Besten wahrscheinlich. Aber...«
»Schon gut«, unterbricht sie ihn. »Ich will nur Rinder von euch allen, nur Rinder, nichts anderes, keine Ratschläge oder gar Hilfe, nur Rinder. Und wenn ihr euch erwischen und hängen lasst, dann ist das euer Problem. Oder?«
»Ja, so ist es wohl, Lady«, murmelt der Mann und geht ohne ein weiteres Wort.
Sie verharrt einige Atemzüge lang und denkt dabei: Das ist jetzt der Anfang. Siebenundfünfzig Rinder...
Sie folgt dem Rustler hinaus und beobachtet aufmerksam, wie der Mann mit seinen Partnern wegreitet. Und alle ziehen vor ihr in den Sätteln die Hüte, so als huldigten sie einer Königin.
Sie denkt: Richtig, ich bin eine Maverick Queen.
Aber sie weiß, dass diese Maverickjäger ihrer Schönheit huldigen. Sie spürte die ganze Zeit, wie der Mann, dem sie das Geld auszahlte, sie bewundernd ansah, so als hätte er in seinem ganzen Leben noch nie solch ein Wunder gesehen.
Ja, sie kennt ihre Wirkung auf die Männer – und auch auf die Frauen. Letztere sind von Anfang an zumeist ihre Feindinnen.
Sie blickt zum Schlafhaus ihrer drei Coltritter hinüber.
Ja, dort stehen sie, Reb Bryan, Jed McKinney und Lance Gator.
Und in der Nacht wird einer von ihnen sie wieder besuchen. Sie richtet sich gerader auf und hebt ihr Kinn, bietet einen stolzen Anblick.
Und dabei denkt sie: Warum nicht? Es macht mir Spaß. Ich bin eine Frau, die nicht verdorren will. Ich will leben. Und haben nicht schon viele Königinnen und Herrscherinnen ihre getreuen Ritter belohnt? Was war denn mit der Zarin von Russland? Zum Teufel, ich verbinde nur das Nützliche mit dem Angenehmen. Und sollte mich jemand als Hure bezeichnen, dann lache ich darüber. Denn mein Ziel ist es, Duke Jennison zu vernichten. Dazu ist mir jedes Mittel recht. Duke Jennison, ich mache dich klein.
Wieder einmal mehr verspürt sie den Hass auf diesen Mann wie ein Feuer, welches sie innerlich verbrennen will.
Als sie über den Hof geht, kommen ihr die drei Männer entgegen.
Sie schenkt ihnen ein Lächeln, welches wie ein Zauber wirkt. Dann spricht sie: »Ihr solltet jetzt in der kleinen Schmiede unser Brandzeichen schmieden. Zumindest drei werden wir benötigen, wenn alles hier in Gang gekommen ist. Und dann sollte einer von euch nach Silver Lake reiten, um eine Brennmannschaft anzuwerben. Was für ein Brandzeichen wollen wir wählen?«
Sie bekommen funkelnde Augen. Der Zauber, der von ihr zu ihnen übergeht, macht sie glücklich. Ja, sie befinden sich in ihrem Bann.
Sie denken nach. Dann spricht Jed McKinney: »BC – das wäre wohl was, denke ich.«
»BC?« So fragt sie. »BC, was soll das bedeuten, meine Freunde?«
»Black Cat«, erwidern sie dreistimmig. Und Gator spricht: »Für uns bist du Black Cat. Und wenn dich von uns nur einer bekommen hätte, dann würden die beiden anderen ihn erschossen haben, jedenfalls hätten sie es versucht. Es war klug von dir, keinen von uns vorzuziehen. Teilen können wir wie Brüder. Und dafür dienen wir dir wie echte Ritter einer Königin. Wir gehören dir, denn du hast uns verzaubert. Und wir nennen dich schon lange in unseren Gesprächen und in unseren Gedanken Black Cat.«
Sie lacht, und es ist ein Lachen, welches ihnen unter die Haut geht. Dieses Lachen gehört zu ihrem Zauber, es macht sie noch begehrenswerter. Sie sind ihr verfallen wie einem süßen Gift, einer Droge.
Und noch können sie teilen wie Brüder. Aber wie lange?
☆
Es ist zwei Tage später, als ein Rudel Reiter in das Tal der BC-Ranch geritten kommt, deren Pferde alle das Brandzeichen von Duke Jennisons Riesenranch tragen, nämlich ein J-im-Kreis.
Der Anführer dieser Reiter gehört zu der Sorte von Revolvermännern, ohne die ein Mächtiger nicht mächtig bleiben kann.
Das Rudel hinter ihm besteht aus Revolverschwingern, die mit dem Colt besser umgehen können als mit Wurfseilen.
Sie kommen vor das Ranchhaus geritten und staunen bei dem Anblick der schönen Frau, deren Ausstrahlung sie sofort trifft.
»Kommen Sie aus einem bestimmten Grund zu mir?«, so fragt sie freundlich.
Ihr Anführer, der bei seinem Anblick an einen hageren Bergwolf denken lässt, greift an den Hut und verbeugt sich leicht im Sattel.
»Ma'am, ich verneige mich vor Ihrer Schönheit. Ihr Anblick ist ein Erlebnis, welches man gewiss nicht vergisst. Aber wir verfolgten eine Herde, die von der Weide der Ranch von Duke Jennison gestohlen wurde – einen Tagesritt weiter im Süden. Ich denke mir, dass wir die Rinder hier in diesem Tal finden werden. Sie haben gewiss nichts dagegen, dass wir diese kleine Herde wieder sammeln und zurück auf die Jennison-Weide treiben. Wären es meine Rinder und hätte ich so viele wie Mr. Duke Jennison, so würde ich Ihnen die kleine Herde schenken. Doch ich muss meinen Job machen. Sie verstehen das sicherlich, Lady, nicht wahr?«
»Nein«, erwidert sie. »Ich sehe das nicht so. Ich habe ungebrändete Rinder gekauft, Mavericks, wie solche Rinder genannt werden. Und Mavericks gehören jedem, der sein Wurfseil über sie wirft. Oder?«
Der Mann staunt. Dann schüttelt er bedauernd den Kopf.
»Mein Name ist Latimer, Lady«, spricht er dann. »Ich bin einer der Männer, die für Duke Jennison die Schwierigkeiten aus der Welt schaffen. Es tut mir leid, Lady, aber wir nehmen die Rinder wieder mit. Und sollten Sie nochmals Rinder von sogenannten Maverickjägern kaufen, die nichts anderes als Viehdiebe sind, dann...«
»Drohen Sie mir nicht, Mr. Latimer«, unterbricht sie ihn. »Wissen Sie, ich bin nicht allein auf meiner Ranch. Verlassen Sie sofort mein Tal.«
»Und wenn nicht?«, fragt er, und es ist Spott in seiner Stimme. Nun ist er ein harter Bursche, der sich von der Schönheit und Ausstrahlung einer Frau nicht mehr beeinflussen lässt. Und schon gar nicht will er sich von ihr – mag diese noch so schön sein – einfach wegschicken lassen.
Seine Frage klingt also spöttisch und herausfordernd zugleich.
Da hebt sie die Hand und schnippt mit den Fingern.
Und da sehen es die Reiter.
Kate Stringers drei Coltritter kommen zum Vorschein. Hinter den Hütten, dem Stall und der Scheune treten sie hervor. Und so ist das Rudel der Reiter von ihnen eingekeilt.
Gewiss, sie sind nur drei. Die Reiter, die mit Latimer kamen, sind sieben Mann.
Und dennoch verändert sich alles. Plötzlich weht der Atem von Gefahr und bevorstehender Gewalttat.
Jener Latimer aber blickt auf Reb Bryan und ruft halblaut: »He, Reb Bryan, bist du das wirklich?«
»Ich bin es. Und das sind Jed McKinney und Lance Gator. Gewiss hast du schon von ihnen gehört. Am besten wäre es, du würdest mit deinen Jungs wieder heimreiten. Oder bist du anderer Meinung?«
Jener Latimer blickt erst auf McKinney und dann auf Gator. Diese winken ihm freundlich zu. McKinney ruft halblaut herüber: »Hallo, Latimer.«
Und Gator fragt: »He, Latimer, wie geht's?«
Latimer schluckt ein wenig mühsam.
Er blickt sich noch einmal um und wird sich darüber klar, dass sein Rudel Revolverschwinger gegen diese drei Revolvermänner keine Chance hätte. Jeder dieser drei Coltritter würde zwei von ihnen abschießen, bevor sie überhaupt ihre Revolver aus den Holstern bekämen. Die Verluste wären zu groß.