G. F. Unger Sonder-Edition 191 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 191 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

US Deputy Virg Cheshire gilt als ein Mann von eiskalter Entschlossenheit. Seit sich seine Jugendliebe July Adams vor langer Zeit für seinen besten Freund Will Burnett entschied, geht er mit Verbitterung, ja mit Todesverachtung auf Banditenjagd.
Virg erwirbt sich als Gun-Cheshire einen legendären Ruf. Für seine Vorgesetzten ist er genau der richtige Mann, um an der mexikanischen Grenze einen mysteriösen Juwelenraub aufzuklären. Als Virg sich auf den Weg macht, ahnt er nicht, welch gefährliche Fährte vor ihm liegt, und er ahnt erst recht nicht, dass sie ausgerechnet bei seinem Freund Will Burnett und der Frau, die er immer noch liebt, enden wird ...

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Seitenzahl: 201

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Gefährliche Fährten

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9628-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Gefährliche Fährten

Das Gehalt eines US-Deputy-Marshals war damals recht kümmerlich. Außer dem kargen Grundgehalt bekam er Wegegeld, wenn er dienstlich unterwegs war. Dieses Wegegeld betrug sechs Cents für die Meile; doch man musste Quittungen vorlegen, was zumeist unmöglich war, weil es in der Wildnis niemanden gab, der solche Quittungen ausstellen konnte.

Außerdem gab es für eine Verhaftung zwei Dollar, ganz gleich, ob der Verhaftete ein kleiner Ladendieb oder ein berüchtigter Mörder war. Für die Zustellung einer Zeugenvorladung erhielt man fünfzig Cents. Wenn ein US-Deputy-Marshal zum Beispiel fünfhundert Meilen weit einen Mörder verfolgte und ihn schließlich verhaftete – was nicht so selten vorkam –, so musste er darauf achten, den Verhafteten lebend abzuliefern. Sonst erhielt er kein Meilengeld, keine Verhaftungsprämie – nichts.

Ein US-Deputy konnte seine Einkünfte auch dadurch aufbessern, dass er Verbrecher einbrachte, auf die Belohnungen ausgesetzt waren.

Im Schnitt kam ein US-Deputy nach Abzug all seiner Unkosten auf etwa fünfhundert Dollar im Jahr. Gewiss, das war mehr als ein Cowboylohn, denn Cowboys verdienten nur zwischen drei- und vierhundert Dollar.

Dennoch waren die meisten der Männer, die sich den Stern eines US-Deputies anstecken ließen, nicht aufs Geldverdienen versessen. Sie hatten andere Gründe.

Auch Virg Cheshire hatte andere Gründe. Er sah nicht auf das Geld, als er US-Deputy wurde...

An einem schönen Spätsommernachmittag kommen sie mit der Wildpferdherde aus dem Mesaland und sehen die kleine Stadt Tonto.

Der Ort rings um den Pueblo hat sich in den sechs Monaten ihrer Abwesenheit kaum verändert.

Virg Cheshire und Will Burnett haben alle Hände voll zu tun, um die kleine Pferdeherde unter Kontrolle zu halten. Pferde, die bis vor wenigen Wochen noch in der Wildnis lebten und jetzt nur unvollkommen eingebrochen sind. Sie wittern die kleine Stadt, werden scheu und nervös, möchten ausbrechen und den beiden Reitern entkommen.

Es sind etwa dreißig erstklassige Pferde, ausgesucht unter mehr als hundert Tieren, die sie im Verlauf vieler Wochen in der Canyonfalle gesammelt hatten.

Diese Tiere sind weit über dem Durchschnitt.

Virg Cheshire und Will Burnett vermeiden es, sich anzusehen. Ihre Bewegungen werden immer schneller und ungeduldiger. Es ist, als könnten sie beide das Ende des Treibens nicht abwarten.

Virg Cheshire wirkt hager; er ist dunkel wie ein Indianer.

Will Burnett ist gelbhaarig, doch kein hellhäutiger Typ. Er ist muskulös, stark und geschmeidig.

Als die Sonne im Westen schon fast hinter den Mesas verschwunden ist, erreichen sie die Corrals der Arizona-Overland-Company. Dort hat man sie längst kommen sehen, öffnet die Corralgatter und hilft ihnen, die Pferde hineinzujagen.

Der Agent der Overland-Company sitzt auf einer der oberen Corralstangen und betrachtet die Tiere aufmerksam.

Virg und Will lenken ihre Pferde neben ihn, beugen sich vor und legen die Hände auf die Sattelhörner. Sie sind müde und ausgebrannt. Dennoch glimmt in ihren Augen ein erwartungsvolles Feuer. Ihre lässige Haltung täuscht, denn innerlich sind sie angespannt, ja sogar ungeduldig.

Der Agent wendet sich nach einer Weile zu ihnen und nickt.

»Gute Pferde! Genau die Sorte, die wir haben wollten. Und keines älter als zwei Jahre, denke ich. Aaah, wir werden Mühe haben, aus ihnen Gespanntiere für unsere Postkutschen zu machen – Führungspferde! Aber dies ist die Sorte, die ohne Pause dreißig Meilen traben kann. Nur diese zähe Sorte kann das. Deshalb brauchen wir sie. Gut gemacht! Ich zahle tausend Dollar. Das ist ein stolzer Preis für halbwilde Biester, mit denen man noch Monate arbeiten muss.«

Virg und Will nicken. Sie hatten im besten Fall mit neunhundert Dollar gerechnet.

»Einer von uns wird das Geld morgen in Ihrem Büro abholen«, sagt Virg Cheshire und zieht sein Pferd herum.

Will Burnett folgt ihm.

Als sie außer Hörweite sind, sagt Will: »Das war die eine Sache. Jetzt kommt die andere. Es bleibt bei der Abmachung, ja?«

Virg sieht ihn forschend an. Sie sind Freunde seit ihrer Jugend. Auch während des Bürgerkrieges waren sie zusammen.

»Ja, es bleibt bei unserer Abmachung«, sagt er. »July Adams hat nun sechs Monate Zeit gehabt, um sich für einen von uns zu entscheiden. Wir haben ihr damals jeder ein Seidentuch geschenkt. Wessen Tuch sie tragen wird, wenn wir vom Wildpferdfang zurück sind, für den hat sie sich entschieden. Und weil wir beide arme Hunde sind, bekommt der Glücklichere von uns beiden auch den gesamten Erlös, damit er mit July einen besseren Start hat. So war es abgemacht. So soll es sein. Der, für den July sich entschieden hat, ist der große Glücksjunge.«

Will nickte zu diesen Worten.

»Wir sind Freunde und werden es immer bleiben«, murmelte er. »Zu dumm, dass wir uns in das gleiche Mädchen verliebten. Aber eigentlich ist das nicht dumm. Besser, einer von uns bekommt sie als ein dritter Mann. Ich würde sie keinem anderen Burschen außer dir gönnen, Virg.«

»Und ich keinem anderen außer dir«, knurrt Virg. »Doch der Verlierer muss verschwinden. Wir haben beide zu sehr um sie geworben und lieben sie zu sehr, als dass der Verlierer...«

Er winkt ab.

»Es gibt immer ein Ende und einen neuen Anfang«, sagte er. »Also gut, finden wir es heraus! July hat versprochen, dass sie einen von uns beiden nehmen und sich während unserer Abwesenheit entscheiden würde. July ist ein Mädel, das Wort hält.«

Sie reiten wortlos weiter. Es sind nur noch hundert Schritte bis zu den ersten Häusern des Ortes.

So eilig sie es bisher hatten und so sehr sie mit Ungeduld angefüllt sind, mit Spannung, Erwartung – vielleicht auch geplagt von Zweifeln und Befürchtungen, jetzt reiten sie langsam. Es ist, als wollten sie das, was kommen wird, hinausschieben.

Für wen July sich auch entscheiden wird, auf jeden Fall ist dieser Tag heute das Ende ihres gemeinsamen Weges. Die Tage der Sattelpartnerschaft sind vorbei, und nie wieder werden sie zusammen an einem Campfeuer sitzen und versuchen, die Sterne zu zählen. Sie werden nie wieder ihre Gedanken austauschen, und die Zeit, da sie sich in Not und Gefahr aufeinander verlassen konnten, sie ist vorbei.

Sie kommen bis vor das Hotel, das July für den Storebesitzer führt. Es ist ein kleines Hotel, und es wirft nicht viel Gewinn ab. July und ein Chinesenjunge bewirtschaften es allein.

Als sie ihre Pferde anhalten, tritt July heraus.

Sie trägt das grüne Seidentuch, das einen Kontrast zu ihrem roten Haar bildet.

Ihr Lächeln ist ernst, etwas traurig. Nur in ihren Augen erkennt man die Hoffnung auf Glück. Das grüne Tuch schenkte ihr Will Burnett. Für ihn entschied sie sich während der sechs Monate, in denen sie Zeit hatte, sich über ihre Gefühle klarzuwerden.

»July!«, ruft Will Burnett mit wilder Freude.

Virg Cheshire aber zieht vor July den alten Hut. Er schwingt ihn mit einer fast feierlich anmutenden Bewegung.

»Viel Glück für euch!«, sagt er.

Ihre Augen bitten ihn um Verzeihung. »Es ist schon in Ordnung, July«, hört er sich reden und wundert sich über seine Worte. »Du hast eine feine Nase, Mädel. Denn Will ist gewiss der bessere Mann von uns beiden. Viel Glück!«

Er setzt seinen Hut wieder auf, zieht sein Pferd herum und reitet davon.

July und Will blicken ihm nach. Will beißt sich auf die trockenen Lippen.

Dann sieht er auf July nieder und sitzt mit einer geschmeidigen Bewegung ab. Sie kommt in seine Arme, und sie küssen sich. Er flüstert in ihr Haar, in das er sein Gesicht drückt: »Du wirst es nie bereuen müssen, July! Ich schwöre es dir! Du bist jetzt mein kostbarster Besitz. Ich werde alles tun, um dich glücklich zu machen.«

Einige Leute von Tonto beobachten diese Szene. Sie sehen auch, wie Virg Cheshire aus der Stadt reitet – ein sehr dunkler, hagerer, stoppelbärtiger, abgerissener Reiter, der auf seinen Anteil an der Pferdeherde verzichtet, weil das so ausgemacht war und weil Will Burnett an seiner Stelle nicht anders gehandelt hätte.

Dennoch gibt es ein oder zwei Leute in Tonto, die der Meinung sind, dass nicht Will der bessere Mann von beiden ist. Es sind Leute, die es wissen müssen – zum Beispiel der Sheriff, der sich mit Männern auskennt, und dann der Storebesitzer, für den July das Hotel führt.

Doch vielleicht irren sie sich, diese beiden scharfäugigen Burschen.

Auf jeden Fall ist auch Will Burnett ein prächtiger Bursche; er sieht besser aus als Virg Cheshire. Und er ist sehr viel lustiger. Virg war nie so lebhaft und fröhlich wie Will. Vielleicht gab das den Ausschlag bei July, vielleicht wollte sie einen lachenden Mann, bei dem immer die Sonne scheint.

Wer kann das einem Mädel verdenken, dessen Jugend traurig war und das vom dreizehnten Lebensjahr an selbst für sich sorgen musste, nachdem ihre Eltern von Apachen totgeschlagen wurden?

Der Storebesitzer kommt auf dem Plankengehsteig heran. »Da kann man wohl gratulieren, und ich muss mir für das Hotel jemanden suchen, der July ersetzen kann?«

»So ist es«, sagt Will. »Ich besitze jetzt etwas Geld und kann eine kleine Ranch übernehmen. Wir werden es schaffen.«

Virg Cheshire reitet nach Süden. Doch das geschieht nicht bewusst. Er muss ganz einfach irgendwohin reiten – und die Richtung ist ihm völlig gleich.

Obwohl er müde und erschöpft ist, hungrig und mit Schweiß und Staub bedeckt, kann er jetzt nicht anhalten. Er muss reiten – irgendwohin.

Eine tiefe Resignation ist in ihm, eine Leere, von der er glaubt, sie niemals wieder füllen zu können.

Sie hat Will genommen!, denkt er immer wieder. Was kann sie dazu gebracht haben, Will zu nehmen? Was ist an ihm besser? July ist kein Mädchen, das nach Äußerlichkeiten entscheidet. Will sieht besser aus als ich. Gegen ihn wirke ich wie ein Büffelwolf gegen einen prächtigen Berglöwen. Aber sie nahm ihn nicht wegen seines Aussehens. Es muss etwas anderes sein. Aber ist Will besser als ich? War es die ganzen Jahre nicht so, dass er ein leichtsinniger Bursche war und ich ihn immer wieder bremsen musste, wenn er etwas Unüberlegtes tun wollte? Wäre es nach ihm gegangen, so hätten wir keine Pferde gejagt, sondern auf schnellere Weise Geld verdient. Aaah, Will ist ungeduldig und möchte...

Nein, er will nicht weiter darüber nachdenken. Es kommt ihm gemein und ungerecht vor, Wills Schwächen aufzuzählen.

Will ist ein Mann von fünfundzwanzig Jahren. Die Verantwortung wird ihn gewiss reifer machen. Er wird keine Dinge mehr wagen, die verwegen und gefährlich sind.

Die Liebe zu July und das Bewusstsein ihres Besitzes werden von nun an sein Handeln bestimmen.

Das glaubt Virg Cheshire, und das wünscht er auch.

Denn sonst...

Virg Cheshire reitet in dieser Nacht nach Süden – bis sein müdes Pferd stehenbleibt und er endlich erkennt, dass er dem Tier eine längere Rast gönnen muss.

Er macht kein Feuer, liegt jedoch bis zum Sonnenaufgang wach in den Decken.

Sein Hunger, der gestern schon groß war, als sie die Pferde in die Corrals brachten, ist noch schlimmer. In seinem Bündel hinter dem Sattel befindet sich kein Proviant mehr.

Doch Virg kennt diese Gegend. Es ist ein noch völlig wildes, einsames Land. Manchmal durchstreifen es Apachen, denn immer wieder kommt es vor, dass Krieger aus den Reservaten ausbrechen, um sich einem der noch kriegführenden Häuptlinge anzuschließen.

Auf diese Weise wollen sie möglichst viel Beute machen und Weiße erschlagen.

Es ist ein gefährliches Land. Nur weit verstreut gibt es Ranches oder Siedlungen.

Virg Cheshire erinnert sich an die Watsons, die hier in der Nähe eine kleine Ranch besitzen. Bei ihnen wird er gewiss Vorräte kaufen können. Ohne sich noch länger aufzuhalten, macht er sich auf den Weg. Nach etwa drei Meilen, die er auf einem manchmal kaum erkennbaren Pfad reitet, kommt er über einen Hügelsattel und sieht das Haus der Watsons vor sich.

Alles dort unten wirkt noch primitiv und kümmerlich. In diesem Land verbrauchen die Menschen viel von ihrer Kraft, um sich am Leben zu erhalten. Sie müssen immer wieder aufbauen, was Feinde zerstören.

Die Watsons dort unten wurden zweimal von Apachen überfallen, die ihnen das Vieh töteten und Scheune und Stall abbrannten.

Als Virg hinunterblickt, wirkt alles sehr still und friedlich – zu still und zu friedlich. Denn um diese Tageszeit müssten Leute wie die Watsons längst auf den Beinen sein und harte Arbeit leisten.

Virg Cheshire ist ein Sohn dieses Landes. Selbst scheinbar bedeutungslose Zeichen übersieht er nicht.

Langsam und wachsam reitet er näher, unterdrückt seinen Hunger und achtet auf die Signale seines Instinktes. Vor dem Anwesen schlägt er einen Halbkreis und betrachtet die Tiere in den Corrals.

Er erkennt drei Pferde, die vor nicht langer Zeit noch hart und rau geritten wurden. Es sind drei abgetriebene, mit einer schmierigen Schicht aus Schweiß und Staub bedeckte Tiere. Sie stehen mit müde gesenkten Köpfen da. Niemand kümmert sich um sie. In diesem Land sind Pferde ein kostbarer Besitz. Die Watsons würden sich um die drei Tiere bestimmt kümmern, wenn sie es könnten.

Virg Cheshire gleitet aus dem Sattel. Er hält mit einer raschen Bewegung seinen Revolver in der Hand und nähert sich langsam der kleinen Ranch. Das Pferd benutzt er als Deckung. Er führt es so geschickt zwischen sich und der Ranch, dass man ihn mit einem Schuss aus einem der schießschartenähnlichen Fenster kaum erwischen könnte.

Als er näher kommt und die offene Haustür sieht, ruft er: »Hoiii, ihr Watsons! Hoiii, seid ihr daheim? Hier ist Cheshire, Virg Cheshire. Johnny! Pat! Hört ihr mich?«

Er braucht nicht lange zu warten.

Patricia Watson kommt heraus und winkt ihm zu.

»Sie haben Johnny niedergeschossen! Sie haben ihn zusammengeschossen, weil er ihnen unsere guten Pferde nicht überlassen wollte. Es waren Jack Trevor und die beiden Ringolds.«

Virg läuft auf die Frau zu. Er bemerkt ihre Verzweiflung, drängt sich an ihr vorbei – und sieht dann Johnny Watson. Patricia hatte ihren Mann ins Haus gezogen, doch sie schaffte es nicht, ihn ins Bett zu heben. Er liegt mitten auf dem Fußboden auf einer Decke und hat ein Kissen unter dem Kopf.

Pat hatte versucht, seine Wunden zu verbinden, aber er war ihr unter den Händen gestorben. Er ist tot.

Sie kniet wieder bei ihm. Virg hört sie immer wieder sagen: »Was soll ich ohne dich auf dieser Welt tun, Johnny? Sag mir, was soll ich tun ohne dich? Warum gabst du diesen Banditen nicht unsere Pferde? Warum nicht? Was sind schon drei gute Pferde, wenn man so einen Preis dafür zahlen muss? Johnny, warum...«

Sie bricht ab, bedeckt ihr Gesicht mit beiden Händen und weint bitterlich.

Virg legt seine Hand auf ihre Schulter und streicht über ihr Haar.

Sie hatte schon immer Pech, denkt er. Einst fingen die Watsons hier mit großen Hoffnungen an. Im vergangenen Jahr starb ihr einziger Sohn, der schon ein tüchtiger Bursche war. Und jetzt...

Sie sieht ihn plötzlich hart an. Sie weint nicht mehr. Ihre Stimme klingt fest. Nun ist sie wieder die Frau, die mit einer Schrotflinte auf wilde Apachen schoss.

»Es waren Jack Trevor und Bill und Shorty Ringold«, sagt sie. »Sie hatten die Überlandpost angehalten und elftausend Dollar erbeutet. Zuerst wollten sie die Pferde kaufen und boten einen guten Preis. Virg, diese Banditen und Mörder dürfen doch nicht...«

»Nein«, unterbricht er sie, macht sich sanft von ihr los und erhebt sich aus der knienden Stellung. Er blickt auf Johnny Watson nieder, einen hageren, abgearbeiteten Mann von knapp vierzig Jahren. Watson war ein furchtloser Mann mit Gottvertrauen gewesen. Er hatte stets daran geglaubt, dass es der Armee gelingen würde, die Apachen zu befrieden.

Dass ihn einmal weiße Banditen töten würden, hätte er gewiss nie für möglich gehalten.

»Nein, diese Mörder dürfen und werden nicht entkommen!«, unterbricht Virg Cheshire die Frau. »Ich kenne Jack Trevor flüchtig und die beiden Ringolds etwas besser. Wenn Sie mir etwas Proviant einpacken würden, Pat, dann könnte ich die Fährte aufnehmen. Dass die Burschen hier frische Pferde holten, deutet auf eine Flucht hin. Sie werden gewiss verfolgt oder rechnen fest damit. Es könnte sein, dass schon in den nächsten Minuten ein Aufgebot kommt. Vielleicht aber dauert es auch länger. Ich will die Fährte aufnehmen und deutliche Zeichen hinterlassen.«

Virg Cheshire versteht sich auf Fährten wie ein Indianer. Schon in seiner frühesten Jugend hing sein Leben oft genug davon ab, dass er eine Fährte richtig deuten konnte. Die Spur der drei Banditen ist am Anfang mühelos zu verfolgen. Es liegt klar auf der Hand, dass sie sich auf den frischen Pferden sicher fühlten und ihren Vorsprung vergrößern wollten.

Virg isst im Sattel Fleisch und Brot und trinkt aus der Flasche von dem kalten Tee. Er fühlt sich danach etwas besser und überlegt, wohin sich die drei Banditen gewandt haben könnten.

Mexiko! Ja, das erscheint ihm selbstverständlich. Die Fährte führt geradewegs nach Süden. Für Banditen und Mörder, die den Aufgeboten entkommen wollen, ist die Grenze die sicherste Sache.

Außerdem ist jeder amerikanische Dollar drüben in Mexiko so groß wie ein Wagenrad. Nicht wenige Banditen gehen über die Grenze, wenn sie nicht nur untertauchen, sondern auch gut leben wollen.

Virg Cheshire schätzt den Weg bis zur Grenze auf etwa zweihundertsechzig Meilen.

Das ist keine große Entfernung in diesem Land. Jack Trevor und die beiden Ringolds sind harte, zähe Burschen, richtige Langreiter, die nach einem geglückten Überfall einige Tage und Nächte im Sattel sitzen können, bis auch das ausdauerndste Aufgebot nicht mehr kann.

Für Virg sieht es so aus, als wollten die Banditen ins San Pedro Valley und in diesem entlang nach Süden. Das ist der kürzeste Weg.

Virg lässt seinen grauen Wallach laufen. Dieser Grulla ist hager und narbig. Er ist ein Apachenpferd und braucht nicht viel Nahrung. Manchmal glaubt Virg, dass dieser rammsnasige Bursche auch von einer Handvoll Kirschkerne existieren könnte.

Die wenigen Ruhestunden zwischen Mitternacht und Morgen taten dem Wallach gut. Er trabt willig vorwärts, unaufhörlich weiter und weiter. Auf lange Distanz überholt der Graue jeden Renner.

Virg Cheshire reitet den ganzen Tag auf der Fährte. Diese führt schnurgerade nach Süden – soweit das Gelände eine gerade Richtung zulässt.

Von Patricia Watson weiß Virg, dass die drei Banditen etwa eine Stunde Vorsprung hatten. Dieser Vorsprung ist gewiss noch größer geworden, weil sie am Anfang sehr schnell ritten.

Als es Mittag wird, glaubt Virg, dass er aufholt.

Die Pferde der Banditen sind inzwischen müde, und sie werden immer noch angetrieben und scharf geritten. Ihre Schnelligkeit verringert sich gewiss mit jeder weiteren Meile. Virgs Grauer trottet noch wie in der ersten Stunde.

Virg denkt über die Banditen nach. An dieser Flucht ist etwas, was ihm nicht gefällt.

Er vermutet, dass die drei Mörder nach Anbruch der Dunkelheit die Richtung wechseln werden.

Das wäre der große Trick! Wenn ein Aufgebot die Überzeugung gewinnt, dass die Flüchtlinge über die Grenze wollen, wird es auch nach Anbruch der Nacht nach Süden reiten – und die Fährte verlieren. Es müsste bei Tag zurück und die Spur neu aufnehmen. Eine ganze Nacht und wahrscheinlich der folgende Tag gingen verloren.

Mit so einem Vorsprung brauchten die Banditen nicht nach Mexiko. Sie könnten überall untertauchen.

Virg Cheshire beschließt, alles auf eine Karte zu setzen. Er klopft seinem Wallach den Hals und ruft knapp: »Los, Texas, los!«

Der Graue schnaubt willig und beginnt zu galoppieren. Er wird dieses Tempo bis zum Anbruch der Nacht beibehalten können, dann jedoch am Ende seiner Kraft sein.

Wenn Virg bis zum Abend die drei Banditen nicht eingeholt hat, wird er sie nie mehr einholen. Sie werden ihm und jedem Aufgebot glatt entkommen.

Am späten Nachmittag wird die Fährte immer frischer. Virg ist kaum mehr als zehn Minuten hinter den Banditen.

Die Sonne sinkt. Langsam kriechen die Schatten der Nacht näher und verdrängen den blutrot sterbenden Tag. Bald schon kann Virg die Fährte nicht mehr erkennen.

Er hält an und lauscht.

Was jetzt? Er kann nur noch wenige Minuten hinter den Banditen sein. Die Burschen müssen sich ganz in der Nähe befinden.

Doch wo?

Als er sich diese Frage stellt, denkt er darüber nach, in welcher Gegend er sich hier befindet. Die Banditen müssen auf ihren erschöpften Tieren angehalten haben. Texas, sein unübertrefflicher Wallach, ist ebenfalls am Ende seiner Kraft. Er musste in den vergangenen Tagen schon viel leisten.

Virg kommt zu der Überzeugung, dass es für die Banditen nur zwei Möglichkeiten gibt. Entweder haben sie frische Pferde in der Nähe, oder sie müssen eine längere Rast einlegen.

Frische Pferde! Virg ist sicher, dass sich die Kerle frische Pferde besorgen werden. Aber wo?

Es ist ein großer Vorteil für Virg Cheshire, dass er dieses Land gut kennt. Hier jagte er Wildpferde, trieb Rinder und folgte als Armee-Scout mit seinem Freund Will Burnett den Spuren der Apachen.

Deshalb weiß er nach einigem Nachdenken schon bald eine Möglichkeit für ein Pferdeversteck. Es ist ein kleiner Talkessel mit einer winzigen Quelle. Es gibt dort eine Hütte, in der ein Halbblut mit einer Squaw lebt und in einer Höhle Schnaps brennt. Sein Feuerwasser findet reißenden Absatz, denn in diesem Land gibt es eine Menge Männer aller Schattierungen, die in verborgenen Camps leben und auf geheimen Pfaden reiten – geächtet, gejagt und gehasst – und die auf Feuerwasser nicht verzichten können, weil ein Rausch allein sie all die Dinge vergessen lässt, nach denen sie sich sehnen und die ihnen für immer verloren sind.

Es ist nicht weit, keine halbe Meile. Der Weg dorthin führt zwischen zwei kleinen Mesas hindurch bis zu einem langen Lava-Rücken. Schluchten führen hinein und durchbrechen ihn.

Virg Cheshire reitet im Schritt. Nun weiß er, dass die Banditen zumindest so lange rasten werden, bis sie ihre Pferde umgesattelt und eine Mahlzeit eingenommen haben.

Und dann?

Virg Cheshire spürt einen Moment das Gefühl einer Furcht. Er begreift in diesen Minuten, dass es allein auf ihn ankommen wird, ob die Banditen entkommen können. Das Aufgebot ist gewiss längst abgehängt und hatte keine Gelegenheit, frische Pferde zu bekommen. Die Banditen aber wechseln wahrscheinlich dort bei dem Halbblutmann zum zweiten Male ihre Pferde.

Also waren ihr Überfall auf die Watson-Ranch und der Pferderaub geplant. Sie wussten, dass sie bei den Watsons gute Pferde bekommen würden, und kalkulierten das für ihre Flucht ein.

Virg Cheshire reitet durch eine der kurzen Schluchten, die den Lava-Rücken durchbrechen, und gelangt in den Talkessel, in dem Flachnase-Pete Kimbel mit seiner Ute-Squaw lebt.

Unter einer überhängenden Felswand steht die Hütte. Ein Feuer brennt davor. Durch die offene Tür leuchtet der Schein einer Lampe.

Im Corral bewegen sich Pferde. Andere Tiere sind außerhalb des Corrals angebunden, schon gesattelt und reitfertig. Der Flammenschein des Feuers beleuchtet einige Männer.

Virg Cheshire weiß nun, dass er noch zur rechten Zeit kam. Die drei Banditen sind noch da.

Was nun?

Sie sind in der Überzahl, denkt er. Und sie sind gefährlich wie Raubtiere. Wenn ich jetzt hinübergehe, dann...

Was dann? Er fragt sich, was er denn eigentlich zu verlieren hat.

Er hat keinen Freund mehr, und er bekam das Mädchen nicht, das er liebt. Gleichzeitig aber musste er erkennen, dass es noch schlimmeres Leid gibt als seines. Denn er sah den toten Watson und dessen unglückliche Frau.

Und dort sind die Schufte, die Mörder!

Virg Cheshire steht vor einer Entscheidung. Die Chancen stehen drei zu eins gegen ihn. Was wird passieren, wenn er den Versuch macht, die Mörder aufzuhalten?

Plötzlich steigt ein wildes Gefühl in ihm auf. Er gleicht mit einem Male einem Spieler, der bis auf einen einzigen Chip alles verlor und diesen letzten Chip noch einmal als Herausforderung in das Spiel wirft.

Ihm wird plötzlich leichter ums Herz. Der Gedanke an July Adams und Will Burnett, die ein glückliches Paar wurden, schmerzt nicht mehr so sehr.

Er steigt aus dem Sattel. Jetzt erinnert er sich an Flachnase-Petes großen Wolfshund. In diesem Moment schnaubt der Graue erschreckt und weicht zur Seite.

Virg wirbelt herum und zieht den Colt. Seine Bewegung kommt so unwahrscheinlich schnell, dass der ihn anspringende Hund nicht seine Kehle findet, sondern ins Leere schnappt. Der Hund streift mit der Schulter Virgs Brust, und Virg lässt den Revolverlauf niedersausen. Er trifft das gefährliche Tier, das lautlos aus der Dunkelheit angriff, zwischen die Ohren. Knurrend fällt der Hund zur Seite, schon halb betäubt. Virg wirft sich vor und trifft nochmals, diesmal noch genauer und härter.

Der Hund stößt seufzend die Luft aus. Es klingt wie bei einem Menschen. Dann streckt er sich und bewegt sich nicht mehr.

Virg Cheshire atmet auf.