G. F. Unger Sonder-Edition 193 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 193 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es ist eine üble Bande von Mördern, Deserteuren, Ausgestoßenen - der Abschaum der Grenze. Und Stap Jarrison ist der Schlimmste von allen. Grinsend betrachtet er Julia Johnjack.
"Eh, Johnjack, du hast ein Klasseweib zur Frau. Viel zu schön zum Sterben, meinst du nicht auch?"
Morgan Johnjack presst die Lippen aufeinander. Er weiß, dass er keine Chance gegen das wilde Rudel hat. Doch da sagt Jarrison: "Die Soldaten sind hinter uns her. Unsere Pferde sind am Ende. Wir müssen durch den Sumpf. Du bist der Einzige, der den Weg kennt. Also wirst du uns führen."
Morgan Johnjack weiß, dass es ein Ritt durch die Hölle werden wird ...

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Seitenzahl: 196

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Jarrisons Horde

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9932-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Jarrisons Horde

Es ist eine böse Bande, der Abschaum der Grenze. Das könnte man auch als Greenhorn erkennen. Die Johnjacks aber sind keine Greenhorns. Sie leben schon sehr lange in diesem Land. Deshalb kennen sie sich aus. Sie haben von Stap Jarrison und dessen Horde schon gehört. Nun sehen sie die Bande, und es wird ihnen übel bei diesem Anblick.

Morgan Johnjack ist ein großer indianerhafter Mann. Er steht drei Schritte vor dem Eingang seiner Handelsagentur und hält seine Revolverhand dicht beim Colt, der ihn tief an der linken Seite hängt. Sein blonder Sohn Jake steht einen Schritt zurück rechts neben ihm, und auch er ist Linkshänder wie sein Vater und hält die Hand griffbereit hinter dem Colt.

Im Eingang aber steht Julia, Morgan Johnjacks Frau, und man sieht ihr die vier Jahrzehnte nicht an. Man könnte sie für Jakes ältere Schwester halten. Niemand käme von selbst auf die Idee, dass sie Jakes Mutter ist.

Sie trägt keine Waffe. Doch sie braucht nur die Hand auszustrecken, um die doppelläufige Schrotflinte hinter der offenen Tür hervorzuholen.

Julia Johnjack ist schön. Ihr kupferfarbenes Haar leuchtet wie poliertes Rotgold in der Sonne. Und ihre grünen Augen sind halb geschlossen. Sie wirken dadurch etwas schräg und katzenhaft.

So warten die drei Johnjacks und betrachten die wilde Horde.

Stap Jarrison trägt einen befransten Anzug aus bestem Hirschleder. Es ist die allerbeste Arbeit einer indianischen Künstlerin. Doch dieser lederne Jagdanzug ist jetzt so schmierig wie das Arbeitszeug eines Büffelabhäuters nach einer langen Jagdsaison.

Aber weil Stap Jarrison dennoch etwas darstellen möchte, was ihn von seiner wilden Horde abhebt, trägt er eine Melone wie ein Bankdirektor. Er hat sie überdies noch mit einer Adlerfeder geschmückt.

Er verzieht unter seinem Sichelbart seine harten Lippen zu einem schiefen Grinsen und sagt: »Hey, ihr Johnjacks, ich habe schon viel von euch gehört. Ich wollte euch schon immer mal besuchen. Aber es wollte nie so recht klappen. Ich hatte immer woanders was zu tun. Aber jetzt kann ich endlich die schöne Julia betrachten. Ja, sie ist wahrhaftig schön. Die Geschichten übertreiben nicht. Johnjack, du hast ein Klasseweib zur Frau. Ist sie gut? Ich meine, ist sie so richtig heißblütig und voll Feuer, wenn du sie...«

»Halt's Maul, Jarrison«, unterbricht ihn Morg Johnjack trocken, und er scheint sich keine Sorgen zu machen wegen Jarrisons Bande, welche grinsend auf ihren abgetriebenen und fast schon zuschanden gerittenen Gäulen hockt.

»Heeeeeee«, dehnt Jarrison. »He, Freundchen, bist du so dumm, mutig sein zu wollen? Ja, ja, ja, ich weiß, dass du und dein Sohn höllisch schnell mit euren Colts sein sollt. Das hat sich herumgesprochen wie Julias Schönheit. Aber sieh dir doch mal all die Jungens an, die ich mitgebracht habe.«

»Ich sehe dich an – nur dich«, erwidert Morg Johnjack kühl.

Stap Jarrison muss schlucken. Er weiß, was Johnjacks knappe Worte zu bedeuten haben. Wenn es zu einem Kampf kommt oder einen Verdruss gibt, wird er zuerst sterben. Sicher, danach werden die Johnjacks auch sterben müssen. Die wilde Horde wird sich auf sie stürzen. Und die schöne Julia wird eine Menge auszuhalten haben, bevor sie vom Tod erlöst wird. Aber das alles wird Stap Jarrison nicht mehr erleben. Er wird zuerst tot sein.

Er weiß es, weil er in Morg Johnjacks Augen blickt.

Und so schluckt er also zweimal hart und grinst dann wieder schief.

Er lüftet seine Melone und schwingt diese vor Julia wie ein spanischer Grande, beugt sich weit aus dem Sattel dabei.

Aber als er sich dann lässig aufrichtet und den halbkugelförmigen Hut wieder auf den kurzgeschorenen Schädel setzt, ist bei ihm die Zeit des Plauderns vorbei.

Er sagt trocken: »Johnjack, du musst uns durch den Sumpf führen, bevor die Soldaten kommen. Und sie werden bald kommen. Sie müssen jeden Moment auf unserer Fährte dort aus den Hügeln reiten. Also, denk mal schnell nach! Überlege, was sein wird, wenn wir uns hier bei dir auf der Handelsagentur bis zum letzten Atemzug verteidigen müssen. – Na?«

Die drei Johnjacks brauchen nicht lange nachzudenken. Sie kapieren es sofort.

Es ist ja so einfach zu begreifen.

Die Hölle wäre hier los. Zu ihrer Handelsagentur gehören auch noch fünf Helfer, zumeist Halbbluts. Zwei von ihnen haben indianische Frauen und auch schon Kinder.

Und sie alle hier würden von der Bande als Geiseln benutzt werden.

Da würde es wenig helfen, wenn Morg Johnjack und sein Sohn Jake erst noch ein paar der Kerle töten könnten. Die Übermacht ist zu groß.

Und die Bande kann nicht weiter. Wahrscheinlich wird sie schon seit Tagen von verschiedenen Armee-Abteilungen gejagt. Sie besteht aus einem Dutzend weißer Renegaten und Deserteure, einem weiteren Dutzend Halbblutmännern und aus etwa zwei Dutzend Indianern, die von verschiedenen Stämmen abstammen, wahrscheinlich sogar von diesen ausgestoßen wurden. Diese Indianer sind fast wie Weiße gekleidet.

Ihre Pferde sind erschöpft und könnten keine Meile mehr galoppieren.

Die einzige Rettung für sie ist ein Weg durch den Sumpf.

Man weiß in diesem Lande, dass es einen solchen Weg gibt und die Johnjacks diesen Weg kennen.

Stap Jarrison hat nun lange genug gewartet. Seiner Meinung nach hat Morg Johnjack nun alles gründlich überdenken können.

Und so fragt er hart: »Nun, Johnjack?«

Dieser nickt. »Ich bin in einer Minute fertig«, sagt er. »Aber du hältst deine lieben Jungen zurück. Sie sollen schon mal hinüber zum Sumpf reiten und dort auf mich warten. Hast du verstanden? Sie sollen hier verschwinden. Ich will nicht, dass sie meine Frau noch länger anstarren wie gierige Wölfe. Haut ab!«

Als sie das hören, lachen sie johlend und grölend.

Aber Stap Jarrison, der nach Süden späht, macht eine wilde Armbewegung.

»Na los, los, ihr Hammel! Tut, was er verlangt! Er ist unser großer und edler Retter. Ihr solltet ihn lieben – obwohl ihr das bei seiner schönen Frau lieber tätet auf andere Art.«

Er lacht schallend und wild.

»Na los, soll ich euch Beine machen?«

Sie gehorchen. Denn er ist ihr absoluter Anführer, ihr Leitwolf. Und sie sind mächtig in Not. Immer wieder blicken sie hinüber zu der Öffnung in der Bergkette, durch die sie in dieses Tal kamen.

Morg Johnjack sieht auf seine Julia.

»Mach dir keine Sorgen«, sagt er. »Ich komme wieder.«

»Sicher«, erwidert sie. »Du kommst wieder. Daran glaube ich.«

Sie tritt zu ihm, legt die Arme um seinen Nacken, stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn. Sie küsst ihn nicht verzweifelt – nein, sie ist eine Frau mit starker Selbstbeherrschung und Lebenskraft.

Einen Moment lang hält er sie fest, als wollte er sie nicht mehr loslassen. Aber dann löst er seine Umarmung, tritt zurück und wendet sich an Jake.

»Pass gut auf deine Mutter auf, mein Sohn.«

»Worauf du dich verlassen kannst, Vater!« Jakes Stimme ist beherrscht. Aber in seinen Augen funkelt es.

Er blickt auf Stap Jarrison.

»Wenn ihr ihn nicht zurücklassen solltet«, sagt er, »erwische ich dich irgendwann, Jarrison. Aber dann bekommst du von mir keine Kugel. Dann werde ich dich drei Tage und drei Nächte schreien lassen. Verstehst du?«

Stap Jarrison erwidert nichts – aber der Blick, mit dem er Jake betrachtet, ist böse und nachdenklich zugleich.

Er zieht sein Pferd herum und reitet langsam seinen Leuten nach.

Die beiden männlichen Johnjacks satteln Morgs Pferd. Morg legt seinem Sohn dann kurz die Hand auf die Schulter.

»In diesem Lande«, sagt er, »muss man sich immer wieder neu behaupten. Leg dich nicht mit der Armee an, Jake. Die wird ziemlich wütend sein.«

Er schwingt sich wie ein geschmeidiger Comanche in den Sattel.

Dann folgt er Stap Jarrison – und alle, die zurückbleiben, wissen genau, dass er ihnen das Leben rettet.

Als er den Rand des Sumpfs erreicht, warten sie schon ungeduldig auf ihn. Er wendet sich noch einmal im Sattel, blickt zurück zur Handelsagentur. Er kann Frau und Sohn und auch seine Leute noch sehen. Sie verharren bewegungslos und blicken herüber. Die Entfernung beträgt wenig mehr als eine halbe Meile.

Und als er in die Ferne blickt, sieht er die Armee kommen.

Er überlegt, ob die Soldaten eher bei der Agentur sein könnten als die wilde Horde. Aber das ist nicht möglich.

Stap Jarrison drängt: »Na los!«

Da entschließt er sich und reitet in den Sumpf.

Denn er kennt den Weg.

Er lebte schon hier, als dieser Sumpf noch ein schönes Tal war, durch welches ein Creek floss. Damals war er noch ein Knabe.

Aber dann waren Biber gekommen und hatten ihre Dämme errichtet. Das Wasser hatte sich gestaut – und nach jedem Winter brachte die Schneeschmelze eine Menge Geröll und Schlamm aus den Bergen. Die Biber bauten immer stärkere Dämme und errichteten ihre Burgen. Das Wasser dehnte sich aus und folgte der Baumgrenze, die von den Bibern immer weiter zurückgedrängt wurde, weil sie ja immer neue Bäume umlegten in immer weiteren Kreisen.

Der Sumpf entstand und wurde im Verlaufe der Jahre größer und tiefer.

Aber er kennt die Wege. Denn er lebte damals schon als Junge hier mit seinen Eltern. Er kennt die Zickzacklinien der festen Bodenrücken und sicheren Wege.

Das ist bekannt im ganzen Lande.

Deshalb folgen ihm die sonst so misstrauischen zweibeinigen Wölfe zuversichtlich.

Sie wissen, dass er zu seiner Familie zurück möchte.

Also wird er sich mit ihnen arrangieren müssen.

Aber ob sie ihn am Leben lassen?

Stap Jarrison kann sehr nachtragend sein, und er hat vorhin gewissermaßen kneifen und schweigen müssen, als Johnjack ihm sagte, dass er sein Maul halten soll.

So kann man mit einem Burschen wie Jarrison nicht umspringen.

Das wissen sie alle, die mit ihm reiten.

Indes blicken sie von der Handelsagentur den heranreitenden Soldaten entgegen.

Aber die Soldaten kommen zu spät. Daran gibt es nichts mehr zu zweifeln. Sie kommen um zehn Minuten etwa zu spät und können die Dinge nicht mehr ändern.

Julia und Jake Johnjack kennen Captain Arch Banner einigermaßen. Manchmal sahen sie sich in Cheyenne und Fort Laramie, und einige Male kam der Captain hier bei der Handelsagentur vorbei.

Als er nun sein stolperndes Pferd anhält, weiß er schon, dass er etwa um zehn Minuten zu spät kam. Er sah die Verfolgten im Sumpf verschwinden. Es wächst eine Menge Buschwerk im Sumpf oder auf den trügerischen Moorwiesen. Wasser ist überall zwischen den Inseln. Bäume stehen da und dort, reichen mit ihren Wurzeln tief hinunter. Da und dort ragen Hügelkämme aus dem Sumpf, auf denen der Wald gewaltig groß und dicht steht.

Wenn man Glück hat, kann man auch als Unkundiger weiter als eine Meile in den Sumpf reiten und findet immer wieder festen Boden.

Doch irgendwann wird es plötzlich nicht mehr weitergehen. Und weil die eigene Fährte nicht mehr zu erkennen ist, wird man vielleicht nicht mehr aus dem Sumpf herausfinden können.

Captain Arch Banner grüßt Julia Johnjack höflich. Er nickt Jake zu.

Dann fragt er: »Sie lassen sich von Morgan Johnjack durch den Sumpf führen?«

Julia Johnjack nickt.

Jake aber fragt: »Was sollte mein Vater Ihrer Meinung nach sonst tun, Captain?«

Dieser gibt ihm keine Antwort. Er wendet sich im Sattel und blickt zurück auf seine Doppelpatrouille, die in Zweierreihe hinter ihm und Sergeant Hogjaw Stedloe angehalten hat.

Die Reiter sind erschöpft. Auch ihre Pferde sind nicht weniger erledigt.

Und sie alle haben ihren Auftrag nicht erfüllen können. Sie sollten die Bande einholen und stellen, festnageln und festhalten, bis die langsameren Verstärkungen herankommen konnten.

Der Captain überlegt kurz, ob er aus seinen Reitern und deren Tieren zehn Minuten schnelleres Vorankommen hätte herausholen können.

Doch er schüttelt bei diesem Gedanken den Kopf, beantwortet sich damit seine bittere Frage. Nein, sie hätten nicht schneller reiten können. Hätte er das versucht, würden die meisten Pferde schon vor einigen Meilen zusammengebrochen sein.

Er wendet sich zurück an die Johnjacks und beantwortet endlich Jakes Frage: »Er konnte nichts anderes tun. Sonst wäre jetzt hier die Hölle los. Ja, wenn er euch retten wollte, musste er so handeln.«

»Na also«, schnappt Jake hart. Er ist so groß und indianerhaft hager wie sein Vater. Doch seine Haare sind so gelb wie reifer Weizen. Seine schwarzen Augen bilden dazu einen starken Kontrast. Diese Augen verraten eine Menge von seiner kühnen Wildheit.

Der Captain ist bullig, ein muskulöser Typ mit roten Wangen, der sich nur jeden zweiten Tag rasieren muss. Aber er ist ein harter Mann, ein Mann mit einem starken Hals und abfallenden Schultern, in denen bis zu den Armen und Händen hinunter eine gewaltige Kraft vorhanden ist.

»Aber er zahlt einen hohen Preis«, spricht er weiter. »Dass diese Bande uns entkommen konnte, müssen bald schon wieder Dutzende von Menschen mit ihrem Tode bezahlen. Morgan Johnjack hilft einer Bande von Mördern beim Entkommen. So wird es wohl ein Kriegsgericht sehen. Er ist ein Fluchthelfer. Die nächsten Toten, all die armen Opfer dieser Hurensöhne, die gehen mit auf sein Konto. Er hat nur an euch gedacht – nicht an die anderen Menschen.«

Er verstummt hart.

Dann gibt er den Befehl zum Absitzen und sitzt selbst ab.

Jake Johnjack steht zitternd da, so sehr fällt es ihm schwer, dem Captain nicht an die Kehle zu springen.

Julia tritt neben den Sohn, fasst ihn unter den Arm.

Der Captain sieht zu, wie seine Reiter nun die Pferde an die Tränke bringen. Es gibt hier einen kleinen See, welcher unterirdisch Zufluss aus dem Sumpf bekommt.

Eine Ordonnanz holt das Pferd des Captains. Und dieser wendet sich wieder an die Johnjacks.

»Jake, Sie würden uns natürlich nicht hinter der Bande durch den Sumpf führen? Sie würden jetzt gleich auf meine Frage hin behaupten, dass Sie den Weg nicht so gut kennen wie Ihr Vater. Oder würden Sie mit uns...«

»Nein«, sagt Jake. »Ich weigere mich. Und wenn Sie es hören wollen, Captain, dann sage ich, dass ich den Weg nicht kenne. Den kennt nur mein Vater. Zufrieden?«

Der bullige Captain nickt. Er war schon mal Colonel auf Kriegszeit und wurde dann wie alle Offiziere, die nach der Reorganisation der Armee dabei blieben, um zwei Ränge zurückgestuft, also vom Oberstleutnant zum Hauptmann.

»Ich verstehe dich ja, mein Junge«, murmelt er und verbeugt sich grüßend vor Julia Johnjack. »Aber mir tun die armen Teufel leid, die von dieser Bande, die der Abschaum und der letzte Dreck der Grenze ist, bald wieder massakriert werden.«

Nach diesen Worten wendet er sich ab.

Julia und Jake Johnjack beachten ihn gar nicht mehr.

Sie blicken nach Norden zu über den Sumpf, der das ganze Tal füllt.

Irgendwo dort ist Morgan Johnjack mit vier Dutzend der bösesten Mörder unterwegs.

Der Weg durch den Sumpf dauert etwas mehr als drei Stunden. Dann geht es einen Canyon hinauf und über einen Bergsattel.

Auf der Wasserscheide dieses Bergsattels hält Morgan Johnjack an und richtet seinen Blick auf Stap Jarrison. Man könnte Morgan Johnjack für einen zu groß geratenen Indianer halten – wenn, ja wenn seine hellgrauen Augen nicht wären. Solche Augen hat kein Indianer. Diese hellgrauen Augen haben einen festen und völlig furchtlosen Blick.

Niemand sieht Morgan Johnjack jetzt an, dass er tief in seinem Kern Furcht verspürt, ja, eine heiße Furcht, dass er nicht mehr zu seiner Julia und zu seinem Sohn Jake zurück kann.

Stap Jarrison erwidert Johnjacks Blick, beginnt schief unter seinem Sichelbart zu grinsen und fragt schließlich: »He, hast du nun keine Angst?«

Morg Johnjack zeigt ihm die beiden blinkenden, kerngesunden Zahnreihen. Mit seinen viereinhalb Jahrzehnten ist dieser Morg Johnjack noch gut beieinander und kann es mit jedem jüngeren Mann aufnehmen – mit jedem, jawohl.

Und so sagt er: »Gewiss mache ich mir Sorgen, Jarrison. Nur Dummköpfe und Narren spüren keine Furcht. Furcht ist normal bei Gefahr. Auf was es ankommt, ist der Mut. Denn mit Mut kann man die Furcht besiegen. Mit Mut wird man furchtlos. Nur der Mutlose ist feige.«

Jarrison lacht leise.

»Du bist ja ein Philosoph, Johnjack. Aaaah, wenn ich nur die Hand gehoben und mit einem Fingerschnacken das Zeichen gegeben hätte, würde dich einer von meinen Jungs von hinten vom Pferd geschossen haben. Als wir aus dem Sumpf ritten, hätte ich dieses Zeichen geben können. Aber ich tat es nicht. Warum nicht, lieber, guter Freund und Retter? Warum wohl nicht, heh?«

Morg Johnjack beantwortet die Frage gar nicht, aber seine Gegenfrage beweist, dass er alles schon begriff. Denn er fragt: »Und ihr glaubt, dass ich euch immer wieder durch den Sumpf führe, wenn ihr mal wieder in der Klemme seid, gejagt werdet und genügend Vorsprung habt?«

Jarrison nickt.

»Ha, das glaube ich wirklich«, sagt er. »Und wenn du uns einige Male durch den Sumpf geführt haben wirst, kennen wir den Weg ohnehin bald selbst und brauchen dich gar nicht mehr. Das wird dann der Moment sein, wo ich dir die Haut abziehen lasse und mir deine Frau nehme. Du hast mir vor ein paar Stunden gesagt, dass ich mein Maul halten soll. Und du warst bereit, mich vom Pferd zu schießen, auch wenn es euch das Leben gekostet hätte. Du bist auch jetzt dazu bereit. Solche Burschen von deiner Sorte mochte ich noch nie. Die habe ich stets kleinmachen müssen. Du hast noch eine Gnadenfrist. Wir sehen uns wieder.«

Nach diesen Worten reitet er an.

Seine böse Horde folgt ihm, und die meisten seiner Reiter haben ihre Gewehre quer vor sich liegen und die Mündungen auf Johnjack gerichtet. Wenn sie wollten, könnten sie ihn in Stücke schießen. Und wenn er eine verdächtige Bewegung machen würde, bekäme er es auch von ihnen.

Er verharrt still im Sattel und denkt über seine Situation nach, indes sie davonreiten auf stolpernden Pferden.

Sie haben ihn am Leben gelassen, weil sie ihn gewiss noch einige Male brauchen. Nur allein dieser Tatsache verdankt er sein Leben. Sie hassen ihn.

Aber nachdem sie sich mit seiner Hilfe durch den Sumpf vor den Soldaten retten konnten, werden sie diesen Fluchtweg sicherlich irgendwann abermals benutzen wollen.

Um das zu verhindern, müsste die Armee bei seiner Handelsagentur einen starken Posten unterhalten, zu dem überdies auch noch ständig Patrouillen Verbindung hielten. Das kann die Armee nicht. Sie hat in diesem Land nicht genug Soldaten und ist überdies auch noch dabei, längs des Bozeman-Wegs eine Kette von Forts zu errichten. Die Armee braucht jeden Mann, um die großen Stämme der Indianer in Schach zu halten.

Die Zeiten werden immer schlechter für einen Händler, der mit den Indianern in Frieden leben möchte und deshalb eine gewisse Neutralität einhalten muss.

Morg Johnjack fragt sich, wohin diese böse Horde jetzt wohl reiten wird.

Und diese Frage ist eigentlich recht einfach zu beantworten.

Morg Johnjack kennt dieses Land auf fünfhundert Meilen in der Runde wie die Linien seiner Hand. Er kennt auch die meisten Menschen in diesem Lande, sofern sie sesshaft wurden.

Und er weiß, was Stap Jarrison und dessen Bande jetzt dringend brauchen, nachdem sie tage- oder gar wochenlang von verschiedenen Armeeabteilungen gejagt wurde.

Bei ihm hatten sie keine Zeit. Sonst hätten sie bei ihm ein Fest veranstaltet, sich die Bäuche vollgestopft, sich betrunken, neu ausgerüstet mit allen Dingen und zuerst Jake und ihn erschossen. Denn sie wären ja nicht offen vor das Haus geritten, sondern hätten von allen Seiten zugleich angegriffen.

Das alles konnten sie nicht wagen, weil die Armee ihnen zu dicht auf den Fersen saß.

Doch jetzt ist für die Bande wieder alles anders. Ihre Verfolger müssten einen ganzen Gebirgszug umreiten und kämen erst vier Tage später zu dieser Stelle hier, auf der Morg Johnjack zu Pferde hält und der bösen Horde nachblickt.

Er ist sicher, dass die Armee aufgegeben hat und in ihr Patrouillenbuch einträgt, dass ihr die Verfolgten mit Hilfe des Händlers Morgan Johnjack entkommen konnten.

Er denkt: Sie reiten jetzt zum Kanaska Creek. Und dort...

Er treibt sein Pferd an, denn er muss auf einem Umweg vor der Bande zur Handelsagentur am Kanaska Creek gelangen. Zu dieser Agentur gehört eine kleine Siedlung. Die Hacketters leben dort mit ihrem Clan, und auch schon die Eltern der Hacketters trieben Handel mit den Indianern und weißen Trappern.

Er muss sie warnen.

Denn nur so kann er verhindern, dass er sich schuldig fühlen muss, weil er, um seine eigene Familie zu retten, die Jarrison-Bande durch den Sumpf führte.

Er muss fünf Stunden reiten. Da sein Pferd im Vergleich zu den erschöpften Tieren der Bande auch nach dem Durchqueren des Sumpfes noch recht frisch war, ist er sicher, dass sein Vorsprung ziemlich groß sein muss.

Es ist aber schon Abend, als er die Lichter der Handelsniederlassung am Kanaska Creek erblickt.

Dicht bei der Siedlung am Creek brennen auch einige Feuer. Offenbar sind auch einige Indianersippen und auch weiße Trapper zu Tauschgeschäften da.

Morg Johnjack treibt sein Tier wieder an.

Als er vor dem Haupthaus im Lichtschein einer Laterne verhält, tritt Jim Hacketter heraus.

»He, wer ist denn da gekommen?« Dies fragt er ruhig – aber noch bevor Morgan Johnjack antworten kann, erkennt er ihn schon.

»Was denn – du, Morg? He, du kommst gerade noch richtig zum Abendbrot! Steig ab, Morg! He, Charly, komm her und nimm Morg Johnjack das Pferd ab! Was für ein seltener Besuch!«

Morg bleibt noch eine Weile im Sattel.

»Ich musste einen Umweg reiten«, sagt er. »Deshalb weiß ich nicht genau, wie groß mein Vorsprung sein wird. Ich musste Stap Jarrison und dessen Bande durch den Sumpf führen. Sonst hätten sie meine Familie getötet. Die Armee war Jarrison dicht auf den Fersen. Seine Bande ist ausgehungert. Sie wurden schon viele Tage oder gar Wochen gejagt. Verstehst du, Jim? Muss ich dir noch mehr sagen?«

Jim Hacketter ist ein weißbärtiger Mann. Inzwischen tauchten auch nacheinander seine drei Söhne auf, stellten sich neben ihn und hörten zu.

Jim Hacketter streicht sich über den Bart.

»Die brauchen also alles«, sagt er, »Essen, Schnaps, Pferde, Waffen und Munition natürlich auch. Und wenn sie lange und hart genug gejagt wurden, wollen sie gewiss auch mal wieder ein Erfolgserlebnis haben. – Na los, Jungens! Warum steht ihr hier noch? Wir werden sie empfangen. Ich danke dir, Morg.«

Mehr sagt er nicht. Aber er hat Morg Johnjacks Probleme sofort begriffen und sich eingestanden, an Morg Johnjacks Stelle nicht anders gehandelt zu haben.

Als er sieht, dass Johnjack absteigen will, fragt er: »Und du willst uns auch beim Kämpfen helfen? Das wäre nicht nötig, Morg. Du hast schon getan, was du konntest.«

»Ich bleibe«, sagt Morg Johnjack. »Die Bande ist fast fünfzig Mann stark. Sie kommt auf zuschanden gerittenen Pferden.«

»Wir werden sie empfangen«, grinst der alte Hacketter. »Wir sind mit dir elf Männer, also elf Gewehre und elf Revolver. Und dann sind hier noch fünf Frauen und Mädchen, die ebenfalls mit Waffen umgehen können.«

Es ist schon eine knappe Stunde später, als Stap Jarrison seine zweibeinigen Wölfe um sich in der Nacht versammelt.

Er deutet auf die Lichter am Kanaska Creek.

»Wir reiten leise und langsam im Schritt so weit heran, bis man uns hören könnte. Und weil man uns dann sowieso hören könnte, machen wir die letzten fünfzig Yards mit Gebrüll und im Galopp – wenn unsere verdammten Ziegenböcke überhaupt noch galoppieren können. Wir nehmen uns dort alles im Handstreich. Und eines sage ich euch schon jetzt: Streitet euch nicht um die Weiber und Mädchen. Ich erschieße jeden von euch Hengsten, der sich wegen einem Weib mit einem anderen von uns streitet. Verstanden? – Also los! Ich habe Hunger und will ein frisches Pferd.«

Sie lachen durcheinander, sind angefüllt mit grimmiger und böser Vorfreude. Nachdem man sie schon so lange erbarmungslos jagte, sie um ihr Leben fürchten mussten, gieren sie jetzt danach, auch mal wieder Jäger und Beutemacher sein zu können.