G. F. Unger Sonder-Edition 194 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 194 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Der Brief unseres Vaters erreichte uns, als wir vier Quaid-Brüder nach einem langen erfolgreichen Herdentrail genüsslich in der Badewanne saßen und uns auf die Schönen von Abilene freuten. Aus mit dem Vergnügen! Unser Vater wollte neuartige Fleischrinder züchten, und wir sollten den Hereford-Bullen ersteigern, der gerade in Abilene angekommen war.
Natürlich gehorchten wir. Aber sauer waren wir schon, weil der Auftrag uns um unseren wohlverdienten Spaß brachte. Dabei ahnten wir nicht, vor welchen Problemen wir standen, wollten wir den Bullen wohlbehalten nach Texas bringen. Denn auf ihn waren noch andere Leute scharf. Solche, denen zur Erreichung ihrer Ziele Jedes Mittel recht war und die auch vor hinterhältigen Mordanschlägen nicht zurückschreckten ...

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Seitenzahl: 180

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Ehre der Quaids

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9933-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Ehreder Quaids

Heiliger Rauch, wie schön war es doch in solch einer Badewanne, mit einem Stück Fliederseife, einer Wurzelbürste und einer Flasche besten Bourbon in greifbarer Nähe. Besonders den Bourbon hatten wir uns redlich verdient, denn hier in Abilene hatten wir unsere Longhornherde ans Ziel gebracht, verladen und unsere Treiber ausgezahlt. Nun hatten wir ein Recht auf alle Sünden und sonstige, wenn auch harmlosere, Freuden. Dazu gehörten das heiße Wasser und der duftende Schaum der Fliederseife.

Fünfzehnhundert Meilen lagen hinter uns. Wir überstanden alle Stampeden, ertranken nicht in den Flüssen – zum Beispiel im Red River –, ließen uns die Herde auch nicht von sogenannten »Stampeders« auseinanderjagen und entgingen einem Präriefeuer, weil der Wind im allerletzten Moment gedreht hatte.

Wir verloren kaum mehr als zwei Dutzend Tiere und keinen unserer Treiber.

Und indianische Pferdediebe hatten unsere Remuda nicht dezimieren können.

Alles war also prächtig, gut und bestens.

Und bald würden wir nach Fliederseife und nicht mehr nach Pferdeschweiß, Rindern, Campfeuern, Leder und all den anderen Dingen stinken, die einem bei einem langen Treibweg eine ganz besondere Duftnote gaben.

Mein Bruder Clay sagte immer, dass uns nun eine Aura umgab, also ein Dunstkreis.

Nun, Clay war also einer meiner Brüder. Und außer ihm hatte ich noch zwei weitere von der gleichen Sorte, nämlich Brod und Ambrose.

Mein Name ist Tim – das kommt von Timothy, aber sie riefen mich nur Tim, und das war mir recht.

Wir lagen nebeneinander in vier Holzwannen in Lola Polomskys Etablissement. Es war das nobelste Freudenhaus von Abilene, und so war auch die Badestube nobel ausgestattet.

Bevor man in diesem Sündenhaus die Herdentreiber an die Mädchen heranließ, mussten sie erst durch diese totale Reinigungsanlage. Und dann war es Pflicht, neue Kleidung zu kaufen. Angekleidet wurde man von den Schönen zum Kennenlernen in den Saloon gebeten. Und oben auf ihren Zimmern, da kleideten sie einen wieder aus. Das zelebrierten sie gewissermaßen.

Wir hatten das alles schon daheim in Texas gehört von grinsenden Burschen, die das im vergangenen Jahr erlebten und mit verklärten Blicken davon erzählten.

Und so waren wir hier gelandet. Es würde etwas kosten. Doch wir waren die Söhne des großen Cattlekings Jack Quaid, den man daheim Oldman Jack Quaid nannte – oder sogar Duke Quaid. Und Duke, nun, das bedeutete so viel wie Herzog.

Er war also ein von allen – sogar von seinen Feinden – respektierter großer Bursche.

Und uns hatte er mit der Herde nach Kansas geschickt, damit wir uns bewähren sollten.

Nun, das hatten wir getan. Er konnte mit uns zufrieden sein.

Der Hausneger, den sein einstiger Besitzer George Washington getauft hatte, brachte uns in einer Kiste Zigarren zur Auswahl.

Wir wählten mit Bedacht, so als verstünden wir etwas davon. Doch eigentlich hatten wir von Luxus- oder Nobelzigarren keine Ahnung. Daheim drehten wir uns immer nur Zigaretten von Durnham-Tabak.

»Heiliger Rauch«, sprach Ambrose so richtig glücklich und dankbar, »was geht es uns doch gut.«

Und dann sagte er zu dem Schwarzen: »Mr. George, gießen Sie mir bitte noch mehr heißes Wasser in die Wanne. Ich will den letzten Dreck aus meinen Poren schwitzen.«

Der riesige Schwarze grinste blinkend und holte zwei Eimer heißes Wasser aus dem großen Kessel in der Ecke, unter dem noch das Feuer brannte.

Nachdem er Ambroses Wunsch erfüllt hatte, sagte Ambrose wieder höflich: »Danke, Mr. George, recht vielen Dank.«

»Sie sollten mich nicht verarschen, Mr. Texas«, murrte der Schwarze. »Ich weiß genau, dass wir Schwarzen für euch Südstaatler nur Bimbos sind. Hören Sie also auf damit, Mr. Texas.«

Nun, vielleicht hätte es Ärger gegeben in der Badestube, aber da kam ein Junge herein, der in der Hand einen Brief schwenkte.

Dieser Junge fragte laut: »Finde ich hier Mr. Ambrose Quaid?«

»Der bin ich, Junge«, knurrte Ambrose, so als hätte er plötzlich eine ungute Ahnung. »Was willst du?«

»Ich soll Ihnen diesen Brief geben. Es ist ein Expressbrief, und er kam vor wenigen Minuten erst ins Postoffice. Ein Brief aus Texas ist das.«

Ambrose war der älteste von uns Brüdern und sozusagen unser Vormann. Deshalb war der Brief an ihn gerichtet.

»Gib ihn her, Junge«, verlangte Ambrose.

»Ich bin sehr schnell gerannt«, erwiderte der Junge. »Und ich musste die halbe Stadt nach Ihnen absuchen. Ich war unter anderem bestimmt in einem halben Dutzend Bordellen. Es war eine Menge Arbeit, Sie zu finden.«

»Gut, Junge.« Ambrose grinste. »Einigen wir uns auf einen Dollar. Lass ihn dir von der Chefin dieses Tempels geben. Sie soll ihn uns auf die Rechnung setzen.«

»Sir, Sie sind ein richtig nobler Texaner«, erwiderte der Junge und brachte ihm endlich den Brief an die Wanne. Dann zog er sich bis zur Tür zurück und wartete dort neugierig.

Aber wir achteten nicht darauf, denn wir sahen auf Ambrose, der den Brief aufriss und ihn mit nassen Fingern entfaltete.

Wir waren auf alles gefasst, auch auf schlechte Nachrichten. Immerhin waren wir mit der Herde fast vier Monate unterwegs gewesen. Und da konnte daheim eine Menge geschehen sein, zum Beispiel mit unserem Vater. Aber eigentlich konnten wir uns das – was seine Gesundheit betraf – nicht denken.

Ambrose las den Brief mit großen Augen. Ja, er staunte, und das tat er nur selten so offensichtlich.

»Verdammt, Ambrose, lies endlich vor! Was ist?« Brod fauchte es.

Aber Ambrose sagte nichts, sondern reichte ihm den Brief einfach hinüber. Und so las ihn Broderick ebenfalls wortlos. Dann ging der Brief an Clay und dann endlich an mich.

Ich war der jüngste Quaid, und so war also die Reihenfolge gewahrt.

Endlich konnte ich lesen, was uns der Vater schrieb:

Hallo, Jungs, holt euch in Abilene nicht die Lustseuche. Einige der Mädchen sind dort total versaut. Jerry Benson und Chuck Barney von der Bar-S-Ranch brachten diese verdammte Lustseuche heim nach Texas. Passt also auf dort in Abilene.

Doch dies ist nicht der einzige Grund meines Briefes an meine vier Söhne. Ihr müsst einen Hereford-Bullen mit nach Texas bringen. Ich will den besten Bullen für eine neue Rinderzucht, den allerbesten. Und der Preis spielt keine Rolle. Also schafft mir solch einen Bullen auf unsere Weide, damit unsere Longhorns kürzere Hörner bekommen und mehr Fleisch auf den Rippen haben.

Euer Vater

Ich las den Brief zweimal. Dann hatte ich es begriffen. Unser Alter wollte wieder einmal schneller handeln als alle anderen texanischen Cattlekings.

Er wollte aus mageren und langhörnigen Rindern, die man auch spöttisch gehörnte Karnickel nannte, richtige Fleischrinder züchten, die man wegen ihrer kurzen Hörner auch besser zu den Fleischfabriken im Osten verladen konnte.

Das alles leuchtete mir sofort ein.

Und Ambrose sagte: »Unser Alter will wieder einmal der Allererste sein. Und von irgendwoher hat er in Texas erfahren, dass man hier in Abilene Hereford-Bullen kaufen kann.«

Als er dies gesagt hatte, sprach der Junge von der Tür her: »Nicht kaufen, Sir. Man muss solch einen Bullen ersteigern. Und die Versteigerung findet in einer halben Stunde statt. Drei solcher Bullen kamen gestern mit der Bahn aus dem Osten nach Abilene. Und man sagt, dass sie aus England stammen und eine besondere Züchtung sind. Ich kann Sie hinführen, Gentlemen. Denn ich mache mich gerne nützlich für ein entsprechendes Honorar.«

Er sagte tatsächlich Honorar, so als wäre er ein Doc oder Anwalt.

Was für ein Junge!

Wir verharrten noch einige Atemzüge lang in unseren Badewannen.

Dann begriffen wir, dass wir unsere Sünden mit den Schönen hier ein wenig verschieben mussten. Unser Alter erwartete etwas von uns. Und wir konnten ihn nicht enttäuschen.

Und so waren wir bald auf dem Weg, folgten dem Jungen.

Er führte uns ans Ende der Corrals beim Verladebahnhof. Und dann sahen wir zum ersten Male richtige Hereford-Bullen.

Es waren rotweiß gefleckte Burschen, schwer und kurzbeinig. Und ihre Hörner waren nicht mal halb so lang wie die unserer texanischen Longhorns. Die drei Bullen standen in drei getrennten Corrals und schnaubten immerzu böse, scharrten mit den Hufen wie Toros.

Sie mochten sich nicht.

Heiliger Rauch, was waren die massig, schwer und stark! Wenn die unsere Longhornkühe beglückten, dann würden diese vielleicht unter ihnen mit den Hinterbeinen einknicken.

Es waren schon einige Bieter versammelt, aber auch Neugierige.

Wir gesellten uns zu der Versammlung.

Ein hagerer Mann trat zu uns und fragte: »Wollen Sie auch bieten?«

Wir betrachten den Burschen. Er war schwarz gekleidet wie ein Leichenbestatter und trug eine Melone. Aber seine schrägen Augen waren die eines Wolfes.

»Das werden Sie ja sehen«, erwiderte Ambrose auf seine Frage.

»Nun gut«, erwiderte der Mann. »Ich wollte Sie nur warnen. Da sind einige Leute hier, die werden böse, wenn jemand sie überbieten will. Und einige andere Leute wollen nicht, dass solche Fleischbullen nach Texas kommen.«

Er ging wieder. Doch seine Warnung blieb bei uns zurück.

Wir begriffen sofort das ganze Spiel.

Es gab also eine Interessengruppe hier in Kansas, die den Rindersegen aus Texas fürchtete, wenn dieser Rindersegen in einigen Jahren nicht mehr aus dürren Longhorns, sondern aus schweren Fleischrindern bestehen würde.

Wir Quaid-Brüder sahen uns an und grinsten.

Denn da hatte uns Oldman Jack Quaid wieder eine Aufgabe gestellt, die so leicht und glatt gar nicht zu erledigen sein würde.

Einen dieser Bullen zu ersteigern, dies würde eine Sache sein. Doch dann würde die andere Sache kommen, nämlich die Aufgabe, solch einen Hereford-Klotz nach Texas zu schaffen.

Den konnte man nicht in eine Postkutsche setzen.

Die Versteigerung begann wenig später. Wir hatten uns einen der drei Bullen ausgesucht, von dem wir besonders viel hielten.

Er war ein Koloss. Wahrscheinlich wog er fast zwanzig Zentner, also eine ganze Tonne. Und er war bepackt mit Muskeln, besaß starke Knochen.

Wir hatten noch niemals zuvor solch einen gewaltigen Bullen gesehen. Gegen den waren unsere Longhornbullen wahrhaftig fast nur gehörnte Karnickel.

Da stand er also mitten im Corral, hielt seinen Kopf etwas gesenkt, so als müsste er im nächsten Moment den Ansturm eines anderen Bullen abwehren und starrte zu uns herüber, als hätte er uns schon instinktiv als jene Wesen erkannt, mit denen er es zu tun bekommen würde.

Er war also kein hirnloser Muskel- und Fleischklotz, sondern ein schlauer Bulle.

Wir spürten das mit unserem ganzen Rinderverstand.

Clay murmelte: »Und den sollen wir zu unserem Alten nach Texas bringen?«

In seiner Stimme klang leiser Zweifel.

Doch Brod knurrte. »Erst müssen wir ihn mal haben – oder?«

Ich aber fragte mich, was dieses Ungetüm wohl kosten würde.

Dann aber hörten wir Ambrose mit einem harten Klang in der Stimme sagen: »Den bringen wir nach Texas, verlasst euch drauf. Die Probe, die uns unser Alter abverlangt, bestehen wir. Es geht um die Ehre der Quaids. Ganz Texas lacht uns aus, wenn wir den nicht nach Texas auf unsere Weide schaffen können!«

Damit hatte Ambrose alles gesagt.

In mir war für einen Moment eine Enttäuschung. Vorhin hockten wir noch in den Badewannen eines Nobelbordells und freuten uns auf die Sünden der fleischlichen Lust mit den Schönen dieses Etablissements.

Und jetzt sah es ganz so aus, als würde nichts daraus werden. Dabei hatten wir uns doch meiner Meinung nach den Spaß redlich verdient.

Verdammt, warum war unser Alter auf diese Idee gekommen und hatte uns diesen Brief per Express nachgeschickt? Er musste sich auch ziemlich genau ausgerechnet haben, wann ungefähr wir in Abilene ankommen würden. Wahrscheinlich war er stets von heimkehrenden Treibmannschaften informiert worden, wo sie auf der Heimreise auf dem Treibweg an unserer Herde vorbei nach Süden fuhren in den Postkutschen. Denn nur wenige ritten heim. Es passierten uns im Gegenverkehr in Abständen weniger Tage immer wieder heimkehrende Treiber.

Manche riefen johlend aus den Fenstern zu uns herüber, was sie in Abilene alles erlebt hatten. Und einige trugen uns Grüße an irgendwelche Schönen auf.

So war das nun mal auf dem Treibweg nach Abilene.

Ich aber würde auf all das verzichten müssen!

Verdammt!

Indes mir dies durch den Kopf ging und ich mit meiner Enttäuschung zurechtkommen musste, fanden die Versteigerungen der beiden Bullen statt, an denen wir nicht so sehr interessiert waren.

Und endlich bekam ich mit, was da für Preise geboten wurden.

Heiliger Rauch, für einen Longhornbullen – und von denen gab es genug – bekam man kaum mehr als zwölf oder dreizehn Dollar.

Aber diese Hereford-Bullen gingen erst bei mehr als dreitausend Dollar weg.

Das war in meinen Augen einfach Wahnsinn.

Doch dann hörte ich einen Mann neben mir zu einem anderen sagen: »Ja, die kosten mehr als zehn schöne Weiber. Aber wenn man bedenkt, dass man sie aus Old England heranschaffen musste über den Atlantik und dann bis hierher nach Abilene...«

Und ein anderer sagte: »Wenn durch sie in einigen Jahren eine neue Rinderrasse entsteht, dann hat sich solch eine Investition gelohnt. Fleischrinder sind drei- oder viermal so viel wert wie Longhorns.«

Wir gingen nun alle zum dritten Corral, in dem der größte und schwerste Bulle stand.

Er schnaubte böse, scharrte mit den Hufen und senkte die Hörner. Ja, er betrachtete uns als seine Feinde. Und das war ja auch kein Wunder, denn er hatte auf seiner langen Reise gewiss eine Menge durchmachen müssen.

Man hatte ihn dann wohl wochenlang auf einer guten Weide gehalten und wieder zu Kräften kommen lassen. Nun war er wieder voll im Saft und sehnte sich nach einem Harem von Kühen. Denn dazu war er von der Schöpfung nun einmal bestimmt.

Als der Auktionator auf Gebote wartete, welche höher waren als fünftausend Dollar, da meldete sich niemand. Aber das lag gewiss nicht am verlangten Preis.

Ich erinnerte mich wieder an den hageren Kerl mit der Melone und den schrägen Wolfsaugen, der uns gewarnt hatte. Gewiss hatte er auch andere Interessenten auf gleiche Weise eingeschüchtert.

Mir fiel nun ein großer bulliger Mann auf, der gewissermaßen das menschliche Gegenstück zu dem Bullen war.

Rechts und links von ihm standen zwei Burschen, die ich als Revolvermänner einschätzte, und da kannte ich mich einigermaßen aus. Ja, die da waren seine Leibwächter. Mit ihrer Hilfe konnte der Bulle von einem Mann gewiss stets rücksichtslos seine Interessen verfolgen und auch durchsetzen – so wie jetzt bei der Versteigerung.

Meinen Brüdern war dies ebenso klar wie mir.

Dennoch bot Ambrose nun fünftausendeinhundert Dollar, also hundert Dollar mehr als der Einstandspreis.

Der bullenhafte Mann und dessen zwei Revolvermänner starrten böse auf Ambrose.

Dann trat der hagere Bursche mit der Melone zu dem zweibeinigen Bullen und sagte leise etwas zu ihm.

Da wandten sie sich alle vier ab und gingen.

Wir hatten den Bullen also ersteigert. Es ging kurz und schnell.

Ich hörte jemanden aus der Gruppe der Zuschauer und Neugierigen sagen: »Die vier Texaner haben sich jetzt eine Menge Verdruss gekauft. Die sind John Johnjack in die Quere gekommen. Und dabei wurden sie von Lonegale gewarnt, o weia.«

Sie gingen dann alle.

Der Auktionator kassierte von Ambrose das Geld und stellte eine Quittung aus.

Bevor er ging, sah er uns der Reihe nach noch einmal abschätzend an und sagte mit einem Klang von Mitgefühl: »Viel Glück, Gentlemen. Wenn Sie den Bullen nach Texas bringen wollen, dann wird man Wetten abschließen, ob Sie das schaffen oder nicht. Ja, es wird sich herumsprechen zwischen hier und Texas. Alle Postkutschen werden die Kunde nach Süden bringen.«

Wir begannen zu grinsen. Und Ambrose fragte: »Wetten Sie auf oder gegen uns, Mister? Ja, worauf setzen Sie?«

Der Mann wiegte den Kopf und betrachtete uns nochmals.

Dann zuckte er mit den Achseln und sagte: »Die Wetten werden zehn zu eins gegen euch stehen. Und von Leuten, die John Johnjack kennen, wird man euch eine Chance von eins zu hundert geben.«

Er ging davon.

Und wir lehnten uns gegen die Corralstangen und betrachteten den Bullen.

»Der mag uns nicht«, sprach Clay trocken.

»Gar nicht«, knurrte Brod. »Und warum sollte er das auch?«

Ich aber sprach: »Wir sollten ihm einen Namen geben, denn wir werden ja eine Weile mit ihm beisammen sein. Wie wäre es mit Hannibal?«

Sie starrten mich an. »Wie kommst du auf Hannibal?«, fragte Clay.

»Nun, wegen dieser Geschichte«, erwiderte ich. »Kennt ihr die Geschichte von Hannibal nicht?«

Sie staunten mich an. »Was für eine Geschichte?« Wieder fragte es Clay.

Und da erzählte ich es ihnen: »Also, da standen in einem Corral einige wunderschöne Kühe. Und im Nachbarcorral stand Hannibal, ein prächtiger Bulle. Und so riefen ihm die wunderschönen Kühe zu, dass er doch herüber zu ihnen springen sollte, um sie zu beglücken. Aber der Corral war auch noch mit einer Krone von Stacheldraht gesichert. Hannibal wollte eigentlich nicht springen. Doch die Kühle lockten ihn, wie damals die Sirenen diesen Odysseus. Und da wagte es Hannibal endlich. Als er drüben war bei den Kühen, da jubelten die und riefen: ›Oh, wie schön, dass du nun bei uns bist, Hannibal.‹ Aber er erwiderte traurig: ›Nein, leider ist nur Hanni bei euch. Der Bal hängt oben am Stacheldraht.‹«

Ich verstummte grinsend. Sie aber lachten, denn sie kannten die Geschichte noch nicht.

Dann aber sagte eine Stimme hinter uns: »Euch Texanern wird das Lachen schon noch vergehen.«

Wir wandten uns um und sahen den hageren Burschen mit der Melone und den schrägen Wolfsaugen.

»Wollen Sie Ärger mit uns?« Brod fragte es fast freundlich.

Der Mann zeigte uns braune Zähne zwischen seinen schmalen Lippen.

»Ihr habt noch eine Chance«, sprach er. »Ich bin beauftragt, euch den Bullen abzukaufen. Hinter mir und John Johnjack steht eine mächtige Interessengruppe. Ihr könnt nicht gewinnen. Also, nehmt das Geld und gebt den Bullen dafür her.«

Aber wir sahen ihn nur an und schüttelten die Köpfe.

Vielleicht spürte er nun endlich unsere Entschlossenheit, denn er gab auf und ging davon. Nein, er drohte nicht, dennoch spürten wir eine Drohung.

Wir wandten uns wieder dem Bullen im Corral zu und sahen, dass er einen Nasenring hatte. Aber wenn man ihn mit Hilfe dieses Nasenringes unter Kontrolle halten wollte, dann musste man durch diesen Ring erst einen starken Strick ziehen, besser noch ein daumenstarkes Seil.

Ambrose hatte sich nun entschlossen und sagte uns, was zu tun war.

Und so blieben Clay und ich beim Bullen. Ambrose und Brod gingen in die Stadt, um unsere Pferde und all die Siebensachen zu holen, die wir nötig haben würden auf unserem Rückweg nach Texas.

Wir blieben die ganze Nacht beim Corral und bei unserem Bullen. Ambrose und Broderick hatten alles hergebracht, also die Reitpferde, die beiden Packtiere und genügend Proviant und Ausrüstung.

Auch eine Menge Geld hatten wir bei uns.

Denn unsere Longhornherde und die Pferderemuda hatten etwas mehr als fünfundzwanzigtausend Dollar eingebracht. Wir hatten unsere angeworbenen Treiber ausbezahlt und den Bullen gekauft.

Und so führten wir immer noch an die fünfzehntausend Dollar bei uns mit. Unser Alter stellte uns wirklich auf die Probe. Ja, wir sollten uns bewähren: Dann würden wir für ihn nicht nur seine Söhne, sondern auch seine gleichberechtigten Partner auf unserer Riesenranch sein. Und irgendwann musste er sich ja wohl auf sein Altenteil zurückziehen.

Wir verbrachten also die Nacht an einem Feuer neben dem Corral.

Manchmal hörten wir den Bullen böse schnauben. Doch sonst passierte nichts. Man ließ uns in Ruhe. Die beiden anderen Bullen wurden abgeholt. Sie wehrten sich zwar, doch viele Lassoschlingen warfen sie um. Und weil auch sie Nasenringe hatten, bekam man sie bald unter Kontrolle.

Aber wir wussten, unser Hannibal würde nicht so leicht nachgeben.

Wir sprachen immer wieder zu ihm, nannten ihn auch mit seinem Namen.

Doch er schnaubte nur immer böse und scharrte mit den Vorderhufen, senke dabei angriffslustig die Hörner.

Es war dann am frühen Morgen – alles war noch grau –, als wir uns fertigmachten für den langen Weg heim nach Texas.

Der Bulle Hannibal spürte wohl was, denn er brüllte nun in den grauen Morgen.

Doch es war ohnehin überall laut. In den Verladecorrals brüllten unsere Longhorns, denn die wurden nun verladen. Die Viehwagen der Kansasbahn schepperten manchmal. Und eine Lok pfiff immer wieder schrill mit ihrer Dampfpfeife.

Ich glitt dann in den Corral und hielt das Seilende in der Hand, welches ich durch Hannibals Nasenring ziehen wollte.

Dabei sagte ich beschwörend: »Hannibal, wenn du einen Funken Verstand in deinem dicken Bullenschädel hast, dann bleib friedlich. Denn sonst zeigen wir dir, was Texaner alles mit dem Wurfseil können. Denn wir sind echte ›Hechieros de cueros‹, Zauberer mit dem Lederseil. Also lass mich gewähren.«

Ich sagte es wirklich sehr freundlich. Er musste am Klang meiner Stimme hören und erkennen, dass ich es gut mit ihm meinte.

Doch kaum hatte ich im Corral drei Schritte auf ihn zugemacht, da kam er auch schon schnaubend wie ein echter Toro, also ein mexikanischer Kampfstier, auf mich los.

Aber ich war schneller als er. Ich wich ihm aus wie ein Torero. Und da rammte er gegen die Corralstangen und zerbrach diese.

So kam er also frei.

Doch er ergriff nicht etwa die Flucht, sondern griff meine Brüder an, die auf ihren Pferden saßen. Und das waren echte Rinderpferde, die unterwegs auch gelernt hatten, Büffeln auszuweichen.

Jetzt wichen sie ihm aus auf ihren katzenhaft schnellen Pferden.

Dann flogen ihre Lassos dorthin mit ihren Schlingen, wo der gute Hannibal hintreten würde. Und so lag er bald auf der Nase.

Ich musste nur noch hingehen, um das Seil am Nasenring festzubinden.

Dabei sagte ich: »O Hannibal, ich weiß, das ist nicht fair. Doch wir wollen dich nun mal nach Texas zu mehr als zehntausend Kühen bringen. Was wirst du für einen Spaß haben in Texas. Du wirst mir noch mächtig dankbar sein.«

Aber er schnaubte nur böse.

Es war bei ihm wie bei manchen Menschen, die man zu ihrem Glück zwingen muss.

Aber was verstand ein sturer Bulle schon vom Glück? Das verstehen ja so manche Menschen nicht, sondern hielten es für selbstverständlich in ihrem Anspruchsdenken.