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Bei ihrem Anblick war es um mich geschehen. Schon in der ersten Sekunde, da wir einander begegneten, hatte ich mich unsterblich in sie verliebt. Und jetzt war sie meine Frau: Morgenstern, die Schönste unter allen Sioux-Prinzessinnen.
Ich aber war ihretwegen ein Minniconjou geworden und wusste, dass ich es nie bereuen würde. Obwohl unsere Zukunft düster aussah. Krieg stand bevor zwischen Weißen und Roten, und das Ende der indianischen Rasse war besiegelt.
Dennoch ahnte ich nicht, wie bald schon und wie grauenvoll das Schicksal zuschlagen sollte, kannte ich doch das tödliche Geheimnis nicht, das Morgenstern und ihren Bruder Black Eagle wie eine Todeswolke umgab ...
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Seitenzahl: 178
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Der Squaw-Mann
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9934-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Der Squaw-Mann
Der Händler Bill Weaver wurde von vielen Weißen – und besonders von der Armee – für einen schlitzohrigen Hurensohn gehalten. Wahrscheinlich war diese Beurteilung richtig. Aber es gab auch Menschen im Land, für die war Bill Weaver lebensnotwendig. Sie betrachteten ihn als guten Freund, zumindest aber als nützlich für ihre Bedürfnisse.
Zu dieser letzten Sorte gehörte ich.
Und so war ich dorthin geritten, wo er – wie ich wusste – zu dieser Zeit sein Camp aufgeschlagen hatte.
Als ich über den Hügel ritt, da sah ich seine drei Frachtwagen, die ja eigentlich ein fahrender Store waren. Sie standen in U-Form und hatten die inneren Seitenwände heruntergeklappt.
Bill Weaver und seine drei Helfer – es waren Halbblutmänner – waren nun als Verkäufer tätig. Es waren etwa zwei Dutzend Käufer zugegen. Sie kamen gewiss aus verborgenen Camps, vor allem aus dem Yellowstone-Gebiet. Es waren Geächtete, Deserteure der Armee, Pelzjäger, Squawmänner, Menschen also, welche abseits der menschlichen Gesellschaft, der Ordnung und des Gesetzes lebten. Viele waren Verlorene.
Ich gehörte zu der Sorte, die man als Pelzjäger, Gebirgsjäger und Angehörige der sogenannten Hirschlederbrigade bezeichnete. Ich war auch Scout und Wagenzugführer.
Es war später Frühling, fast schon Frühsommer, und ich hatte eine gute Jagd gehabt. Auf meinen drei Packpferden transportierte ich die Ausbeute eines langen Jagdwinters. Ich war schon dreihundert Meilen geritten und hätte nochmals dreihundert Meilen bis Fort Laramie gehabt.
Aber da war das Camp des Händlers, der auch Pelze aufkaufte. Gewiss, er würde mir weniger für meine Pelze zahlen als die Händler und Aufkäufer in Fort Laramie. Aber ich konnte mir dreihundert Meilen Weg sparen – und das waren mehr als acht Tage.
Ich ritt also hinunter.
Eine ganze Indianersippe lagerte in der Nähe der Wagen, und die drei Krieger dieser Sippe hatten sich schon ziemlich mit Handelswhiskey beschlaucht. Vielleicht wollten sie ausprobieren, ob ihnen das Feuerwasser aus den Ohren herauslaufen würde, wenn sie sich nur genug damit volllaufen ließen.
Es waren noch einige Halbblutmänner und auch Weiße da. Einige kannte ich, denn auch sie lebten schon lange in diesem Land. Man traf sich manchmal in Fort Laramie, in Cheyenne oder in Jackson Hole, wo wir Trapper jedes Jahr unser großes Fest feierten.
Bill Weaver freute sich, mich zu sehen. Denn er wusste, jetzt würde er ein gutes Geschäft machen.
Aber er musste sich Zeit nehmen, um meine Pelze Stück für Stück zu prüfen und zu taxieren. Wir würden handeln. Das alles würde Stunden dauern.
Nun, ich lud ab, brachte meine vier Pferde zu seinen Tieren in den Seilcorral und hockte mich ans Feuer. Dort konnte man sich aus dem großen Suppenkessel einen Blechteller füllen und aus dem Kaffeetopf einen Blechbecher vollgießen.
Ich hatte Zeit.
Und so kam es, dass ich nach fast zwei Stunden endlich mit meinen Pelzen an der Reihe war. Die betrunkene Indianersippe hatte sich ein Stück weit entfernt und ein Camp aufgeschlagen. Die drei betrunkenen Krieger konnten nicht mehr tanzen und singen. Sie waren geschafft. Ihre Squaws und die Kinder waren dies alles offensichtlich gewöhnt und warteten geduldig. Wahrscheinlich machten sie das jedes Jahr mit ihren Herren und Gebietern mit.
Die Sippe gehörte nicht zu den stolzen Sioux, Cheyenne oder Arapaho.
Es waren heruntergekommene Crows.
Ich sagte zu Bill Weaver im Verlaufe unseres Handels: »Warum verkaufst du ihnen dieses Mistzeug von Handelswhiskey?«
Er verzog sein hageres Gesicht zu einer verächtlich wirkenden Grimasse und erwiderte: »Wenn ich es nicht tue, dann verkaufen es andere an sie. Ich bin Geschäftsmann und befriedige alle Wünsche meiner Kunden. Das ist Geschäft, Handel. So war das immer auf dieser Erde.«
Ich erwiderte nichts. Es hätte nichts bewirkt. Und ich war nicht der Hüter einer heruntergekommenen Crowsippe.
Bill Weaver zahlte mir dann dreitausendfünfhundertsiebzig Dollar auf die Hand.
Damit war ich zufrieden.
Als ich das Geld bis auf hundert Dollar in meinem Geldgürtel untergebracht hatte, kam ein Indianer herangeritten. Er kam auf einem wunderschönen schwarzen Hengst und ritt wie ein stolzer Krieger. Ja, er gehörte zu der anderen Sorte, war kein heruntergekommener Crow oder einer von den Fischessern des Yellowstone. Da kam ein roter Ritter, wahrscheinlich ein Häuptling.
Ich kannte ihn nicht, obwohl ich viele dieser Ritter der Sioux, Cheyenne und Arapaho kannte. Doch ich konnte einfach nicht alle kennen. Das war unmöglich.
Er kam also stolz hereingeritten in das Händlercamp von Bill Weaver und sah sich mit scharfen Falkenblicken um. Ihm entging nichts.
Einen Moment lang trafen sich unsere Blicke.
Und es war gewiss so, dass wir unseren gegenseitigen Respekt spürten. Er wandte sich an Bill Weaver, nachdem er abgesessen war, und fragte in einwandfreiem Englisch, wenn auch mit etwas kehliger Stimme: »Hast du ein gutes Gewehr zu verkaufen, ein wirklich gutes Gewehr? Am besten wäre ein Remington-Rollblockgewehr. Hast du eins, Händler?«
Ich hörte seine Worte und wusste, dass er etwas von Waffen verstand.
Denn auch ich besaß solch ein Gewehr. Es war zu dieser Zeit das beste Gewehr der Welt. Jedenfalls war es im Jahre 1867 in Paris – also in Europa – als beste Büchse der Welt prämiert worden. Es war besser als die Winchester- und Spencer-Karabiner, obwohl nur einschüssig. Doch der Mechanismus dieses Hinterladers war einfach genial. Der Daumen spannte den Hahn und rollte den Verschlussblock zurück – die Patrone sprang heraus. Und war die neue eingelegt, genügte ein Daumendruck auf den Rollbock, und man war feuerbereit.
Es war ein narrensicheres, starkes, solides und schnell schießendes Gewehr, zurzeit wahrhaftig das beste Gewehr der Welt.
Und der Rote da wusste es.
Bill Weaver überlegte. Man sah es ihm an. Dann fragte er: »Wie willst du das bezahlen, Häuptling?«
Da brachte der Rote etwas zum Vorschein, das auf den ersten Blick wie ein Stein aussah. Er hielt es wortlos zwischen Zeigefinger und Daumen in die Höhe.
Weaver und ich – ebenso seine drei Helfer –, wir wussten sofort, was es war.
Das war ein losgebrochenes Stück Gold.
Heiliger Rauch! Gold! Kein Nugget aus einem Creek, nein, dies musste Adergold sein, und damit konnte er solch ein Gewehr zehnmal bezahlen, ganz allein mit diesem einen Brocken.
Ich kannte den gierigen Bill Weaver gut genug, um zu wissen, wie es jetzt in ihm arbeitete – und nicht nur in ihm, sondern auch in seinen drei Gehilfen, diesen Halbblutmännern, die gewiss nicht zu den Guten gehörten. Denn weil sie als Halbbluts aufwuchsen, wurden sie ziemlich böse Pilger. Sie gehörten nun einmal nicht richtig zu den Roten und ebenso wenig zu den Weißen in diesem Land. Dies hatte sie von ihrer Kindheit an belastet.
Sie waren also keine Guten, aber dennoch Bill Weaver treu ergeben. Denn er war für sie der feste Anker.
Ich konnte also spüren, was jetzt in ihnen vorging. Ihre Gedanken kreisten um diesen Goldbrocken. Denn der war von einer Ader losgebrochen worden.
Und so wurde mein Respekt vor dem Roten noch größer. Denn er wagte viel. Es war einfach ein großes Risiko für einen Roten, wenn er mit einem Stück Adergold zu gierigen Weißen kam.
Der stolze Krieger oder Häuptling musste einen starken Glauben an sich selbst besitzen und frei von jeder Furcht sein.
Er wollte ein gutes Gewehr, nämlich das beste Modell zurzeit auf dieser Erde.
Dafür wagte er alles.
Er hielt immer noch den Goldbrocken mit zwei Fingern in die Höhe und sah Bill Weaver fordernd an. Und Weaver nickte plötzlich heftig.
»Ja, ich habe ein solches Gewehr und auch eine Menge Patronen dazu.«
Nach diesen Worten wandte er sich ab und kletterte von hinten in einen der drei Wagen hinauf. Offenbar musste er drinnen eine Menge Fracht wegräumen, um an die Kiste zu gelangen, in der sich die neuen Rollblockgewehre befanden.
Denn es dauerte eine Weile. Man hörte ihn allerlei Zeug wegräumen.
Der Rote aber ließ den Goldbrocken wieder verschwinden. Sein Blick fiel dann und wann auf mich. Ich erwiderte diesen Blick stets ruhig und fest und ließ ihn erkennen und spüren, dass ich neutral war und er meinen ganzen Respekt besaß.
Ja, ich mochte ihn. Wahrscheinlich mochte er auch mich. Es gab von Anfang an irgendetwas Verbindendes zwischen uns, was man einfach nicht so erklären konnte.
Denn es ist nun mal so, dass Männer vom ersten Moment an, da sie sich begegneten, spüren könnten, ob die Freunde oder Feinde werden würden.
Und so war es jetzt zwischen ihm und mir.
Dabei kannten wir noch nicht mal gegenseitig unsere Namen und waren uns bis jetzt noch nie begegnet. Aber er war ein Sioux, dies konnte ich erkennen. Er trug nur eine einzige Adlerfeder schräg im Haar. Aber ein Krieger wie er, der brauchte keine imposante Federhaube, um wie ein Häuptling zu wirken.
Indes wir warteten, bis der Händler mit der Büchse und der Munition aus dem Wagen kam, näherten sich drei Reiter. Das war nicht ungewöhnlich, denn die Menschen in diesem Land wussten stets einigermaßen, wann und wo Bill Weaver mit seinem fahrenden Store sein Handelscamp aufschlug. Er hielt ja stets die gleiche Route ein und benutzte die gleichen Lagerplätze.
Ich sah den drei Reitern entgegen und wurde mir schnell darüber klar, zu welcher Sorte sie gehörten, nämlich zur bösen. Ja, da kamen drei zweibeinige Wölfe geritten, denen jede Beute recht war.
Als sie im Camp ihre Pferde anhielten, kam Bill Weaver mit dem Gewehr und einem Beutel mit Munition aus dem Wagen.
Der Rote saß nun ab. Es war ein geschmeidiges Vom-Pferd-Gleiten.
Er nahm das Gewehr aus der Hand des Händlers und untersuchte es gründlich, wog es in den Händen und probierte den Rollblockverschluss auf seine einwandfreie Funktion. Dann nahm er eine Patrone aus dem Beutel und legte sie ein.
In etwa hundert Yards Entfernung lag ein großer Felsbrocken im Büffelgras, etwa so groß wie ein Coyote.
Der Rote legte an, zielte kurz und schoss. Man konnte sehen, wie die Kugel in den Stein schlug und die Splitter vom Stein – er war gewiss sehr verwittert und morsch – wie eine kleine Wolke spritzten.
Dann wandte er sich dem Händler zu, griff den Goldbrocken von irgendwoher wie mit einem Zaubertrick aus der Luft und warf ihn dem Händler zu, der ihn geschickt auffing.
Aus dem Stand warf er sich mit einem geschmeidigen Sprung auf seinen schwarzen Hengst, hielt dabei in einer Hand das Gewehr und in der anderen den Beutel mit den Patronen und ritt im Trab davon.
Eine Weile sahen wir ihm alle schweigend nach.
Dann fragte einer der drei Ankömmlinge rau: »Mit was hatte der bezahlt?«
Bill Weaver zögerte, doch dann erwiderte er: »Gold, Adergold! Verdammt ja, Adergold!«
Er rief das letzte Wort scharf. In seiner Stimme war ein Klang von Wut und Neid. Dann sah er auf mich und fragte: »Nicht wahr, Joshua Quade, du hast es auch als Adergold erkannt?«
Joshua Quade, das war mein Name. Ich nickte nur stumm. Was sollte ich da noch Worte verlieren?
Die drei Hartgesottenen sahen dem Roten nach, bis dieser hinter einer Bodenwelle verschwand.
Dann sprach ihr Sprecher voller Gift: »Verdammt, warum ist diese Welt so ungerecht geschaffen worden? Warum kennt ein roter Hurensohn eine Goldader und wir nicht? He, wir sollten ihn fragen.«
Als er es gesagt hatte, da ritten sie wieder an und folgten der frischen Fährte des Roten durch das Büffelgras.
Wir alle wussten sofort Bescheid.
Ich sah Bill Weaver an. Der erwiderte meinen Blick und zuckte mit den Achseln, so als würde er sagen wollen: »Was geht mich das an?«
Er sagte es zwar nicht, aber es war ihm anzusehen. Er hätte auch sagen können: »In diesem Land ist jeder sein eigener Hüter. Und wenn er so dumm ist und mit einem Brocken Adergold herkommt...«
Ich fragte mich in dieser Minute, ob auch mich das nichts anginge.
Gewiss, er war ein Roter. Doch ich kannte Rote, die waren besser als Weiße. Ich lebte schon lange in diesem Land, eigentlich von meiner Kindheit an. Und so achtete ich die Roten. Für mich waren sie keine Wilden. Und dieser Krieger auf dem schwarzen Hengst hatte mir imponiert. Immer wenn wir uns ansahen, da war mir, als wären unsere Seelen verwandt. Es war da stets ein merkwürdiges Gefühl in mir.
Ich sagte zu Bill Weaver nichts mehr, sondern ging zum Corral hinüber, um meine Pferde zu holen.
Weaver kam zu mir und fragte neidvoll: »Willst du hinter ihnen her, Joshua Quade?«
»Das waren drei Mistkerle«, erwiderte ich. »Und dieser Krieger hat mir imponiert. Er wird die drei Narren mit dem neuen Gewehr abschießen wie Bluthunde. Ich sehe mir das an.«
Er nickte nur. Doch dann sprach er: »Hast du es gesehen, Joshua Quade? Der eine Kerl hatte eine Buffalo Sharps mit Sattelschuh. Die schießt weiter als das Rollblockgewehr, sehr viel weiter.«
Ich sagte nichts, aber auch ich hatte das Büffelgewehr gesehen. Es schoss gewiss doppelt so weit wie die Rollblockbüchse, verdammt ja! Und wenn der Kerl auch noch ein Zielfernrohr aufsetzen konnte...
Ich hatte meine Pferde fertig zum Losreiten.
Und das tat ich auch.
Der Händler und dessen drei Gehilfen sahen mir gewiss neidvoll nach.
☆
Ich war noch keine drei Meilen geritten, da hörte ich das Krachen. Es war ein Donnern wie von einem kleinen Geschütz, und ich wusste, so donnerte nur eine schwere Buffalo Sharps, und so wusste ich, dass sie ihn erwischt hatten.
Doch wahrscheinlich erschossen sie nur seinen herrlichen schwarzen Hengst, denn sie mussten ihn ja lebend bekommen. Nur dann konnten sie ihn dazu bringen, ihnen die Lage der Goldader zu verraten.
Es konnte natürlich auch so sein, dass er gar nichts von der Goldader verraten konnte, weil er den Goldbrocken einem Goldgräber abgenommen hatte, der damit auf der Heimreise war, also auf dem Bozeman-Trail von Montana herunterkam.
Alles war möglich. Aber die drei Kerle glaubten gewiss vorerst daran, dass er die Lage einer Goldader kannte, aus der er sich bei Bedarf immer wieder ein Stück herausbrechen konnte.
Sie folgten ihrer Gier und glaubten an das Geheimnis des Roten.
Nun, ich hörte also das Krachen. Danach blieb es still. Ich ritt weiter, hielt jedoch immer wieder an, um zu lauschen. Und zuletzt ritt ich im Schritt, sodass kein Hufschlag mir vorauseilen konnte. Das frische Büffelgras des Frühsommers dämpfte die Schritte meiner Pferde.
Dann aber krachten viele Schüsse auf der anderen Seite der sanften Hügelkette. Es waren flache und zum Teil bewaldete Hügel, kaum höher als Bodenwellen.
Als ich oben unter Bäumen verhielt, da sah ich alles.
Es war leicht zu begreifen.
Nachdem sie den Hengst unter ihm aus großer Entfernung mit der Sharps zusammengeschossen hatten, hatte er sich hinter das Tier in Deckung geworfen.
Doch sie hatten ihn eingekreist, indem sie ein Dreieck um ihn bildeten. Nun nahmen sie ihn unter ihr Feuer. Und da er ja nur durch das tote Pferd nach einer Seite gedeckt war, hatte er keine Chance.
Einer von ihnen rief nun gellend: »He, Rothaut, ergib dich! Wir wollen dich lieber lebend als tot! Das kannst du dir ja denken. Also nutz deine Chance! Steh auf mit erhobenen Händen!«
Er kam tatsächlich hoch, aber nicht mit erhobenen Händen, sondern mit der schussbereiten Rollblockbüchse. Und er schoss sofort.
Dann waren die Hartgesottenen nicht mehr zu dritt.
Aber die beiden anderen erwischten ihn nun. Er kam nicht mehr zum Schuss, sondern fiel um, weil sie ihn beide im Kreuzfeuer voll trafen.
Sie mussten ihn abschießen, weil er sonst sie abgeschossen hätte.
Und da war ihnen das Geheimnis der Goldader nicht mehr so wichtig. Es ging ja nun um ihr Überleben. Sie hatten ihn unterschätzt. Er wollte lieber sterben, als sich ihnen mit seinem Geheimnis auszuliefern. Denn gewiss hätten sie ihn auch mit den Füßen in ein Feuer gelegt. Ja, das war ihnen gewiss zuzutrauen in ihrer Goldgier.
Was sollte ich nun tun? Dies fragte ich mich, indes ich noch auf dem flachen Hügel unter den Bäumen verhielt.
Meiner Meinung nach konnte ich dem Roten nicht mehr helfen. Und warum sollte ich mich da mit den beiden noch lebenden Mistkerlen anlegen?
Ich hatte längst gelernt, dass man einem Streit besser aus dem Weg geht. Das hat nichts mit Feigheit zu tun. Es ist nur klüger.
Aber ich konnte nicht einfach abhauen. In mir war irgendwie ein Zwang, ein Gefühl, dass ich diesem roten Krieger oder Häuptling etwas schuldig war, so als wäre er mein Bruder gewesen, den sie umgebracht hatten. Wir hatten kein Wort miteinander geredet, uns nur mehrmals angesehen. Und dennoch war zwischen uns etwas entstanden.
Ja, ich war ihm etwas schuldig. Und so musste ich wohl meine Prinzipien brechen.
Ich ließ die drei Packpferde zurück und ritt unter den Bäumen hervor und den sanften Hügelhang abwärts.
Sie sahen mich kommen und erkannten mich auch als den Mann wieder, den sie bei Bill Weaver in dessen Handelscamp gesehen hatten.
Sie sahen mir mit einem bösen Grinsen entgegen. Als ich bei ihnen war, sagte einer hart: »Du hast dir umsonst Hoffnungen gemacht, Lederstrumpf. Wir mussten ihn erschießen, nachdem er einen von uns erledigte. Der war ja zum Sterben bereit und deshalb noch gefährlicher als ohnehin. Du bist uns nutzlos gefolgt, Lederstrumpf.«
Er nannte mich nun schon zweimal spöttisch Lederstrumpf, weil ich in Hirschleder gekleidet und deshalb als Trapper und Pelzjäger zu erkennen war.
Ich gab ihm noch keine Antwort. Aber ich blickte auf den roten Krieger nieder. Der lag dort keine sechs Schritte entfernt im Gras.
War er tot? Es war wichtig, dies zu wissen. Denn wenn er es nicht war, sondern nur bewusstlos, dann würden sie ihm noch die Hölle bereiten, um etwas über die Goldader erfahren zu können.
Sie waren so gierig nach Gold wie Wölfe nach einem langen Blizzard auf Fleisch.
Und dann sah ich, dass der Rote sich kaum erkennbar bewegte. Er war also noch nicht tot. Aber wenn sein Herz noch schlug, dann verlor er weiter Blut. Er hatte schwere Wunden. Das konnte ich an den Einschüssen erkennen.
Ich musste etwas tun. Und so sagte ich: »Ihr seid doch zwei besondere Mistkerle. Ihr gehört in die Hölle!«
Als ich es gesagt hatte, da fassten sie es als Herausforderung auf und griffen nach ihren Revolvern.
Das hätten sie nicht tun dürfen. Denn ich war ziemlich schnell mit einem Colt.
Ich war schneller als sie, und das hätten sie einem Lederstrumpf nicht zugetraut. Mit ihrem letzten Atemzug verfluchten sie mich.
Ich saß ab und ging zu dem Roten, kniete bei ihm nieder. Er öffnete in diesem Moment die Augen und starrte zu mir empor.
Ich hörte mich ruhig zu ihm sagen: »Sie sind tot, Häuptling.«
Ja, ich nannte ihn Häuptling, weil ich sicher war, dass er nur ein Häuptling sein konnte, niemals nur ein einfacher Krieger.
»Gut«, murmelte er, »gut, Tahunsa.«
Dann fiel er wieder in Bewusstlosigkeit. Er hatte mich Tahunsa genannt, Vetter. Für ihn war ich also so etwas wie ein Sippenangehöriger.
Aber ich war gewiss kein Indianer, nicht mal zu einem Viertel. Ich trug einen Bart und hatte braune Haare. Auf meinem Kopf saß ein Hut aus Biberfell. Das war die Kopfbedeckung der Trapper und Biberjäger. Er wusste also ganz genau, dass ich ein Weißer war. Aber er nannte mich Tahunsa.
Das war als Ehre gedacht. Und er wollte mir wohl zu verstehen geben, dass er uns für artverwandt hielt.
Nun, er war also wieder ohne Bewusstsein. Vielleicht würde er mir unter den Händen wegsterben.
Und so begann ich mich um seine Wunde zu kümmern. Es war eine böse Wunde, ein glatter Durchschuss dicht neben dem Herzen. Vielleicht hatte er ihm sogar die Lunge zerrissen. Aber Letzteres konnte nicht sein, denn er spuckte kein Blut beim Atmen.
Ich drehte ihn vorsichtig auf den Bauch, denn das Ausschussloch war so groß, dass ich meine Fäuste hätte hineinstecken können.
Ich holte Verbandszeug aus meinem Gepäck. Derartiges Verbandszeug hatte jeder Trapper bei sich. Denn ohne war er verloren in der Einsamkeit seines Reviers, wenn ihm etwas zustieß.
Nun, ich versorgte den Häuptling so gut ich konnte. Ich hatte auch eine grüne Salbe in einem kleinen Topf, die von einer alten Medizinfrau der Nez Percé hergestellt wurde. Es war ein Zaubermittel gegen alle Wunden und Entzündungen. Damit schmierte ich die beiden Schusslöcher ein, bevor ich Pflaster darüber pappte.
Und dann konnte ich nichts anderes mehr tun, als ein Camp aufzuschlagen, also auch über meinen halbtoten Schützling oder Patienten ein Zweigdach zu errichten. Meine Pferde kamen in einen Corral aus Gestrüpp.
Ich hatte ja eine Menge Zeit, dies alles in Ruhe zu verrichten. Denn wenn der Häuptling wieder wurde, also am Leben blieb, dann würde es länger als eine Woche dauern, bis er auf einem Schleppschlitten nach Indianerart transportierfähig war.
Ja, ich hatte Zeit. Doch ich hätte gerne gewusst, wer mein Patient war. Wann würde er mir seinen Namen sagen können?
☆
Drei Tage später war er endlich wieder bei Bewusstsein. Seine beiden Kugellöcher hatten sich nicht entzündet. Die grüne Salbe der Nez-Percé-Medizinfrau war ein Wundermittel. Man hätte überall auf der Welt damit eine Menge Geld verdienen können.
Er sah mich eine Weile mit seinen grünen Augen an, und ich konnte ihm ansehen, dass ihm die Erinnerungen kamen. Nach einer Weile war er wieder über das, was geschehen war, informiert.
»Hokaheh, du wirst wieder, Häuptling«, sagte ich. »Wie ist dein Name? Mich nennt man bei den Roten Iron Hawk. Ich wurde in diesem Land geboren wie du. Aber ich bin dennoch ein Weißer, ein Wasicun. Wer bist du?«