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In Santa Fé sah ich ihn das erste Mal und ahnte nicht, dass ich eines Tages seiner Fährte folgen würde, um ihn zu töten. Er war ein hünenhafter Bursche auf einem riesigen Pferd, und er strömte die Witterung eines Raubtiers aus. Bei sich hatte er ein Packpferd, darauf lag eine besondere Last: ein toter Mann. Vor dem Sheriff's Office hielt er an. Der Bursche war also ein Kopfgeldjäger und gekommen, seine Fangprämie zu kassieren.
Später erfuhr ich seinen Namen: John Brougher. Und noch später, dass er meinen Bruder tot eingebracht hatte, obwohl Warren unschuldig war. Das war der Moment, in dem ich mich entschloss, Broughers Fährte aufzunehmen, und mir schwor, es würde seine letzte sein - und sollte ich die ganze Hölle durchreiten müssen ...
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Seitenzahl: 183
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Broughers Fährten
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9935-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Broughers Fährten
Es war in Santa Fé, als ich ihn zum ersten Mal in meinem Leben sah und noch nicht wissen konnte, dass ich eines Tages seiner Fährte folgen würde, um ihn zu töten.
Ich saß mit anderen Gästen auf der Veranda des Old Pueblo Saloons und hatte noch ein halbvolles Glas vor mir stehen, in welchem roter spanischer Wein funkelte. Dazu rauchte ich eine Zigarre. Ich fühlte mich wohl. Es ging mir gut. Ich hatte ein Rudel zugerittener Pferde abgeliefert und dreihundert Dollar in der Tasche. Hier in Santa Fé würde ich bis morgen einige Sünden begehen. Und dann würde ich wieder meiner Wege reiten.
Santa Fé war in New Mexiko sozusagen der Nabel einer besonderen Welt. Siedler, Gold- und Silbersucher, Jäger, Spieler und Revolverschwinger, Satteltramps und Banditen, Frachtfahrer und alle denkbaren Sorten von Menschen trafen sich hier.
Die Pueblostadt wurde im Jahre sechzehnhundertzehn unter dem Namen »La Villa Real de la Santa Fé de San Francisco« von den Spaniern gegründet. Als Hauptstadt der spanischen Kolonie Nuevo Mexico, die mit einer zwölfjährigen Unterbrechung nach einem Indianeraufstand von 1680 bis 1821 Bestand hatte, war Santa Fé das Zentrum einer turbulenten Kolonial- und Christianisierungsepoche.
Von 1821 an bis 1848 gehörte es zu Mexiko und stand nun unter US-Amerikanischer Herrschaft.
Das also wusste ich alles.
Gegenüber auf der anderen Seite befand sich das City House, in welchem sich die Verwaltung und auch das Sheriff's Office und das Gefängnis befanden.
Ein Reiter kam mit einem Packpferd angeritten und verhielt vor diesem City House.
Quer über dem Packpferd lag eine besondere Last. Es war ein toter Mann.
Einer der Gäste, der wie ich auf der Veranda saß, Wein trank, eine Zigarre rauchte und das Leben und Treiben beobachtete, sagte zu seinem Nachbarn: »Siehst du den da, Barney?«
»Den sehe ich«, erwiderte der mit Barney Angeredete. »Diesen verdammten Hurensohn kenne ich. Sein Name ist Brougher, John Brougher. Der jagt Menschen für Geld. Er ist der berüchtigste Kopfgeldjäger des ganzen Südwestens. Und er jagt nur jene Sorte, auf deren Steckbrief tot oder lebendig steht. Man erzählt sich, dass er noch nie einen der Gesuchten lebend abgeliefert hätte. Auch der arme Teufel da quer über dem Gaul ist gewiss tot. Vielleicht stinkt er sogar schon in der Hitze. Wie viele Verfolgte mag dieser Hurensohn schon getötet haben am Ende seiner Fährten? Ich hasse Kopfgeldjäger. Sie sind nicht besser als Skalpjäger, die für Apachenskalpe Prämien kassieren.«
Der Mann verstummt bitter.
Und jener, der ihn Barney nannte, spricht böse: »Vielleicht knallt ihn jemand mal ab. Auch John Broughers Fährten werden irgendwann und irgendwo enden. Jede Fährte endet einmal.«
Der Mann – er war mein Nachbar – verstummte überzeugt.
Dann sahen wir, wie Brougher ins Sheriff's Office trat. Er hatte aus seiner Satteltasche eine Papierrolle herausgenommen. Damit ging er hinein. Ich konnte mir vorstellen, dass er drinnen die zusammengerollten Steckbriefe zeigte.
Wenig später kam er mit dem Sheriff heraus. Der Sheriff hielt einen Steckbrief in der Hand, trat damit zu dem Mann, der ja noch quer über dem Pferd lag, und fasste in das Haar des Toten, zog so den Kopf herum, damit er sich das Gesicht ansehen konnte.
Er nickte dann. Sie gingen wieder hinein. Aber wenig später kam ein Deputy heraus und führte das Tier mit dem Toten weg – wahrscheinlich zum Leichenbestatter.
Wir alle auf der Veranda warteten schweigend. Und vor dem City House hatten sich einige Dutzend Neugierige versammelt.
Wenig später kam John Brougher heraus. Gewiss hatte er drinnen die ausgesetzte Prämie kassiert und bereits weggesteckt.
Die schweigende Versammlung der Neugierigen starrte ihn an.
Aber er kümmerte sich nicht um diese Menschen, für die er ja so etwas wie ein menschliches Raubtier war. Er saß auf und ritt davon.
Ich hatte mir John Brougher genau angesehen, und ich wusste, ich würde ihn auch noch in zehn Jahren überall wiedererkennen.
Er war ein riesiger Bursche. Über seiner dunklen Kleidung trug er einen dieser hellen Reitmäntel, die nicht wärmen, sondern vor dem Staub schützen sollten. Sein schwarzer Hut hatte keinen Kniff. Auch die Krempe war nicht verbogen. Der Hut allein drückte schon unbeugsame Starrsinnigkeit aus. Er war ein Mann, der unbeirrbar seinen Weg ging – mochte es im guten oder bösen Sinne sein. Ja, allein schon sein Hut und die Art, wie er ihn trug, drückten das für mich aus.
Vorn im Hosenbund sah man unter dem offenen Mantel einen Revolvergriff. Er trug die Waffe also nicht in einem Holster, sondern einfach hinter dem Hosenbund.
Quer über die Schulter, vor der Brust von links nach rechts, trug er einen Patronengurt, der mit Patronen für eine Buffalo Sharps bespickt war.
Sein Vollbart ließ nicht viel von seinem Gesicht erkennen, aber es war ein hart wirkendes Gesicht, ziemlich dunkelhäutig, so als wäre er zu einem Viertel ein Comanche. Und sein dunkles Haar hing ihm bis zu den Schultern nieder. Er trug ein rotes Halstuch.
Ja, er war das, was man einen Ironman nannte. Seine Bewegungen und seine ganze Gestalt prägten sich mir ein. Obwohl er mich gar nicht bemerkte und keinen einzigen Blick zu mir oder überhaupt zur Saloonveranda herüberwarf, spürte ich seine Ausstrahlung. Er war wohl tatsächlich so etwas wie ein menschliches Raubtier, bei dessen Anblick man ein Gefühl der Vorsicht und Wachsamkeit verspürte.
Er ritt also davon.
Mein Nachbar sagte zu seinem Partner Barney: »Der besucht jetzt die Badeanstalt, denke ich. Jemand hat ihn mal in Taos abschießen wollen, als er dort in einem Badefass saß. Doch er hatte seinen Colt in Reichweite, tauchte selbst unter und behielt nur die Hand mit dem Colt draußen. Er schoss sozusagen blind. Das dicke Holz des Badefasses und das Wasser schützten ihn. Er traf die beiden Jackson-Brüder mit den ersten zwei Schüssen, schoss aber seinen Revolver leer, bevor er wieder auftauchte. Kannst du dir das vorstellen, Barney? Er taucht unter, behält nur seine Hand mit dem Unterarm über Wasser und schießt, ohne sein Ziel zu sehen. Er muss mit dem Teufel verbündet sein.«
»Ja, das muss er wohl«, pflichtete Barney seinem Partner bei.
Ich hörte das also alles.
Und ich ahnte noch nicht, dass ich mit diesem John Brougher noch mächtig viel zu tun bekommen würde.
Übrigens, lieber Leser meiner Geschichte, mein Name ist Ben Harper.
Es war im Südwesten kein besonderer Name und nur wenigen Menschen bekannt. Denn ich gehörte nicht zu jenen hirnlosen Burschen, die sich und der ganzen Welt immerzu beweisen mussten, dass sie keinem Streit aus dem Weg gingen, weil sie sonst nicht mehr die stolzen Revolverschwinger waren, und die ihr dummer Revolverstolz unablässig zwang, sich bei jeder Kleinigkeit herausgefordert zu fühlen.
Und wenn sie dann einige Male Glück hatten, besaßen sie plötzlich jenen Revolverruhm, der ihnen ständig das Gefühl gab, unbesiegbar und mächtig zu sein.
Ich konnte es gewiss mit jedem dieser Narren aufnehmen. Und dennoch ging ich jedem Streit aus dem Weg.
Deshalb hatte ich keinen besonderen Namen im Südwesten.
Und das war mir recht.
Ich war viele Fährten geritten und hatte viele Dinge versucht. Zumeist jedoch hatte ich mich treiben lassen. Und auch Frauen gab es da und dort, die mich gern zu ihrem Prinzgemahl und Beschützer gemacht hätten.
Doch dann hätte ich bleiben müssen.
Aber ich wollte immer wieder herausfinden, was hinter dem nächsten Hügel war. Und so ritt ich – symbolisch gemeint – immer wieder über viele Hügel.
Zurzeit war ich ein Wildpferdjäger.
Eine Wildpferdherde zu fangen und dann jedes dieser Tiere zuzureiten war eine große Herausforderung für mich, ein Abenteuer.
So war ich nun mal. Einmal hatte mir eine schöne Frau gesagt, ich würde mein Leben verschwenden. Wahrscheinlich war es so.
Ich hatte irgendwo einige Brüder und auch eine Schwester. Wir alle waren damals als sehr junge Menschen, als unsere Eltern starben, ausgeschwärmt in alle Richtungen, also nach Osten, Süden, Westen und Norden. Jeder von uns wollte auf seine Art etwas erobern und erleben. Nichts mehr hatte uns auf der Hügelranch am Concho Creek gehalten. Jeder war seiner eigenen Wege geritten. Und meine Schwester zog damals mit einem berufsmäßigen Spieler in die weite Welt.
Manchmal schrieben wir uns postlagernd, aber das kam nur alle halbe Jahre vor. Und dann war es nicht selten, dass diese Briefe noch Wochen oder gar Monate von uns nicht abgeholt wurden.
Aber dennoch wussten wir immer – oft jedoch mit monatelanger Verspätung – was wir Harper-Brüder und auch unsere Schwester so trieben.
Gewiss fragte sich jeder von uns, von wem wir unser unruhiges Blut geerbt hatten. Von Vater und Mutter konnte es nicht gewesen sein. Es mussten irgendwelche Vorfahren die Schuld haben.
Nun, ich verbrachte den Nachmittag auf der Veranda des Old Pueblo Saloons zu Santa Fé, trank dann und wann einen Schluck und rauchte zwei Zigarren nacheinander mit Behagen.
Dann wurde es Nacht, und nun kam die alte Pueblostadt auf andere Weise in Betrieb.
Ich erhob mich und machte mich auf den Weg, um ein paar Sünden zu begehen. Mein Weg würde mich durch alle Lokale, Amüsierhallen, Spielhallen und Etablissements führen, immer auf der Suche nach etwas, das es, wie ich wusste, gar nicht gab, aber angetrieben von der Hoffnung auf Ausnahmen von der Regel.
Und so kam ich nach Mitternacht auch in die Casa Blanca Rosa.
Es war ein prächtiges Haus, einst von einem spanischen Hidalgo mit Hilfe vieler Sklaven errichtet und dann von allen späteren Besitzern stets in einem guten Zustand erhalten.
Nun war dieses Haus der weißen Rose ein Edelbordell, in dem eine Menge mehr geboten wurde als nur fleischliche Sünden.
Der riesige Türsteher betrachtete mich im Schein der beiden Lampen eingehend und nickte schließlich, so dass ich in den Innenhof durfte.
Hier war rings um den Brunnen ein blühender Garten mit duftenden Blumen. Musik spielte. Unter den Arkaden saßen die Paare und lernten sich erst einmal etwas näher kennen, bevor sie nach oben verschwanden. Denn hier legte man auf Stil und Niveau großen Wert.
Eins der Mädchen kam zu mir und lächelte im Laternenschein zu mir empor.
Ihre grünen Katzenaugen funkelten, und ihr Mund lächelte. Zwischen ihren roten, lebendigen und vollen Lippen blinkten ihre makellosen Zahnreihen.
Ihre Stimme besaß ein kehliges Timbre.
Gewiss war sie älter, als sie aussah. Sie trug ein Kleid wie eine Lady aus New Orleans. Solche Kleider kamen aus Frankreich.
»Señor, Sie sind sehr groß«, sprach sie. »Möchten Sie, dass wir uns näher kennenlernen, oder bin ich Ihnen zu klein?«
Die letzten Worte sprach sie scherzend und mit einem Lachen in der Kehle.
Ja, ich war ziemlich lang geraten. Sie aber war als Frau durchschnittlich groß und dennoch zwei Köpfe kleiner als ich.
Ich grinste auf sie nieder.
»Señorita«, sprach ich – denn sie war mexikanischer Abstammung –, »mein Name ist Ben. Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Gewiss haben Sie einen Namen, der zu Ihrer Schönheit passt.«
»Ach, ich bin nur Angela«. Sie lachte. Dann hängte sie sich bei mir ein und führte mich in eine Nische unter den Arkaden.
Wir setzten uns, tranken Wein und kamen ins Gespräch. Sie war klug und gebildet. Ich musste mir Mühe geben, um ihr gegenüber nicht ungebildet zu wirken. Und als sie dann erfuhr, dass ich zurzeit Wildpferdjäger war, da verriet sie eine Menge Sachverstand, was Pferde betraf.
Doch dann wurde plötzlich alles sehr viel anders.
Die ganze freundliche und menschlich warme Atmosphäre hier im Innenhof wurde gestört. Die Insel hier, die an den Garten Eden denken ließ, also an ein Paradies des entspannten Glücklichseins, wurde plötzlich durch ein Gebrüll verändert.
Eine harte Stimme brüllte: »Brougher, jetzt bezahlst du für den Mord an unserem Bruder Joe Stringer! Komm raus dort, komm raus!«
Die Musik spielte nicht mehr.
Und es herrschte jäh eine totale Stille, so als hielte alles den Atem an und wäre erstarrt.
Ich aber hatte den Namen gehört: Brougher!
Verdammt, war er hier?
Hatte er sich von der Badeanstalt aus nach hier begeben, um sich für einen Teil der verdienten »Jagdprämie« ein paar schöne Stunden zu kaufen?
Denn bei allem Niveau der Gastgeberinnen, die ja ihre Dienste mit einer gewissen Ästhetik verkauften, war dieser »Laden« nun mal ein Hort der käuflichen Sünden.
Hier kamen auch Burschen wie dieser John Brougher herein, wenn sie sauber gewaschen und gekleidet waren und Geld in der Tasche hatten.
So war das nun mal.
Geld war Geld, mochte Blut an den Dollars kleben oder nicht.
Ich sah nun die beiden Stringer-Brüder, von denen einer laut genug gebrüllt hatte.
Und dann sah ich auch John Brougher aus den Arkaden heraus in den Innenhof treten.
Auch er hatte dort offenbar mit einer der Schönen beim Wein gesessen und geplaudert, wie es ja hier zum Ritual gehörte.
Ja, da war er, angeleuchtet vom Licht der vielen Laternen, die den blühenden Innenhof rings um den plätschernden Brunnen beleuchteten.
Jetzt trug er nicht mehr den hellen Reitmantel.
Schwarz war seine Kleidung. Und sein Revolverkolben ragte aus dem Hosenbund.
O ja, er hatte sogar bei der Schönen seinen Colt nicht abgelegt.
Immer noch war es still. Und selbst die Grillen, welche sonst überall im blühenden Innenhofgarten zirpten, waren nicht zu hören.
In die Stille hörten wir Broughers Stimme sagen: »Ihr zwei Narren, legt euch lieber nicht mit mir an! Euer Bruder hat das auch versucht. Ihr Stringers seid doch alle Banditen. Auch für euch werde ich noch die Kopfprämien kassieren. Ihr seid Narren.«
Gewiss wäre es zu einem Revolverkampf gekommen.
Doch da trat die Patrona der Casa Rosa Blanca, Doña de Coronado nannte sie sich, in den Innenhof. Sie kam zum Vorschein wie die große Primadonna auf einer Opernbühne.
Ihre Stimme war stark und geschult wie die einer Opernsängerin.
Sie rief beherrscht, doch mit dem Klang von absoluter Autorität: »Hier wird nicht gekämpft, Caballeros, nicht hier bei mir, denn hier ist die Insel der Liebe, des Glücks und des Friedens. Hier gibt es nur die Seligkeit! Raus hier! Caramba, raus hier, wenn ihr euch töten wollt!«
Zuletzt wurde ihre so volle und geschulte Stimme hart und spröde, ließ etwas von der Härte dieser Frau erkennen.
Sie war massig wie eine Walküre.
Und ihre Worte hatten Wirkung.
Denn die beiden Stringer-Brüder gehorchten nach einigem Zögern. Als sie sich zum Gehen wandten, rief einer Brougher zu: »Wir warten auf dich, du verdammter Kopfprämienjäger!«
Und der andere Stringer rief: »Oder bist du zu feige? Dann knallen wir dich irgendwann aus dem Hinterhalt ab!«
Als er verstummte, hörten wir Broughers kehliges Lachen.
Und dann folgte er den beiden Stringers.
Ihm aber folgten andere Männer. Es waren Neugierige. Sie kamen unter den Arkaden hervor, wo sie in den Nischen bei den Schönen gesessen hatten.
Nun wollten sie sehen, wie die Stringers Brougher umbrachten – oder Brougher die beiden Stringers. Zwei kamen bei Angela und mir vorbei. Ich hörte einen sagen: »He, ich setze zwanzig Dollar auf diesen Brougher. Hältst du dagegen, Hank?«
»Nein«, erwiderte der andere Mann.
Ich blieb bei Angela in der Nische sitzen. Sie fragte: »Und Sie gehen nicht, Señor Ben?«
Ich schüttelte den Kopf. »Er wird sie töten«, murmelte ich. »Und dann wird er wieder in den Innenhof kommen. Was wird das Mädchen tun, zu dem er zurückkehrt, um von ihr...«
Da unterbrach mich Angela, und nun klang auch ihre Stimme spröde. Sie sagte: »Was dort draußen passiert, geht uns nichts an. Hier drinnen ist Frieden. Wir verkaufen Wärme, Zärtlichkeiten, Freuden. Hier ist das Paradies. Dort draußen ist die Hölle. Brougher ist der Gast von Natascha. Sie soll eine russische Gräfin sein, welche über Alaska vor den Häschern des Zaren flüchten musste. Sie wird ihm für seine Dollars den fairen Gegenwert liefern. So ist das.«
Als sie verstummte, verspürte ich ein tiefes Bedauern, eine Art Abscheu.
Wir schwiegen eine Weile und lauschten. Die massige Patrona stand noch beim Brunnen und lauschte ebenfalls.
Plötzlich hörten wir das Krachen der Revolver, und wir wussten, dort draußen kämpften die Stringer-Brüder gegen Brougher.
Sie hätten ihn gewiss auch aus dem Hinterhalt abzuschießen versuchen können. Doch das ließ ihr Revolverstolz nicht zu. Sie wollten ihn von vorn erledigen. Er sollte wissen, warum er starb.
Ich zählte fünf Schüsse.
Dann wurde es wieder still.
Wir warteten.
Und da kam er. Ja, Brougher kam zurück und verschwand unter den Arkaden, wo diese Natascha, welche angeblich eine russische Gräfin war, auf ihn wartete.
Ich hatte keine Lust mehr, die Nacht in den Armen von Angela zu verbringen.
Wahrscheinlich spürte sie das, denn sie rückte näher an mich heran und flüsterte in mein Ohr: »Komm mit mir, Ben. Ich werde dich das Böse auf dieser Welt für einige Stunden vergessen lassen.«
Und da ging ich mit ihr.
Denn ich war kein Heiliger, sondern nur ein Wildpferdjäger, der bald wieder viele Wochen keine Frau mehr sehen würde.
☆
Das Leben ging weiter. Die kleine und süße Angela hatte mir gutgetan. Und so war ich wieder einmal zufrieden mit meinem Leben, als ich mit meinen wenigen Siebensachen zum Mietstall ging, um dort mein Pferd zu holen.
An einem der Wassertröge wuschen sich zwei Männer. Sie taten das aber nicht, um sich zu säubern, sondern mehr, um nach einer gewiss ausschweifenden Nacht wieder klare Köpfe zu bekommen.
Es waren Chico und Paco, meine beiden Helfer bei der Wildpferdjagd. Sie waren mexikanischer Abstammung, aber man hätte sie auch für reinblütige Indianer halten können, die sich wie Mexikaner kleideten.
Als sie mich sahen, bekamen sie hoffnungsvolle Gesichter. Und Paco sagte: »Ay, Señor, Sie sind unsere ganze Hoffnung.«
»Si«, sagte auch Chico und nickte heftig. Doch dann griff er sich mit beiden Händen an den Kopf und stöhnte. »Sie haben uns in der Puta-Casa etwas in den Tequila oder Pulque getan«, behauptete er dann und setzte hinzu: »Der Mietstall gibt unsere Pferde nicht heraus, weil wir nicht für Futter und Unterbringung zahlen können. Vielleicht können Sie uns einen Vorschuss geben, Patron.«
Ich betrachtete sie grimmig, denn sie waren Narren, die sich hatten ausnehmen lassen in einem dieser Häuser, in denen man nur auf Hombres wie sie wartete.
Sie hatten eine Menge Pferdeverstand, wenn es sich um Wildpferdjagd handelte. Doch sonst...
Dabei hatte ich sie gewarnt, weil ich wusste, dass sie nach einigen Gläsern Tequila oder Pulque selbst ihren Pferdeverstand verlieren würden.
Sollten Sie mir leidtun? Oder galt auch für Dummköpfe die Lebensregel, dass jeder Mann sein eigener Hüter ist?
Ich hatte sie gestern nobel ausgezahlt und ihnen noch dazu eine gute Prämie für gute Arbeit dazugelegt. Sie konnten sich nicht beklagen.
Doch nach nur einer Nacht waren sie auch schon wieder blank.
Nun, ich hatte gestern in einer der Spielhallen beim Black Jack mehrmals gewonnen und meine Einsätze verdoppeln können. Und selbst nach der Nacht mit der süßen Angela besaß ich noch mehr als vierhundert Dollar.
Und so entschloss ich mich, griff in meine Tasche und gab jedem zehn Dollar.
»Das ist kein Vorschuss«, sagte ich dabei. »Ich gehe nicht mehr auf Wildpferdjagd. Ihr müsst euch einen anderen Patron suchen. Diese Dollars sind ein Geschenk an euch zwei Dummköpfe.«
Ja, ich war grimmig. Denn ihren Lohn, für den sie fast drei Monate lang harte Arbeit geleistet hatten – besonders beim Zureiten der Biester –, hatten sie in einer einzigen Nacht verloren, auf welche Weise auch immer.
Ich ging an ihnen vorbei. Sie waren Narren und deshalb arme Hunde, denen man immer wieder irgendwie die Haut abziehen würde. Solche Dummköpfe gab es auf der ganzen Erde massenhaft. Ihnen war nicht zu helfen.
Paco rief mir nach: »Patron, wir danken Ihnen. Sie sind ein nobler Hidalgo. Haben Sie wirklich keine Verwendung mehr für uns?«
Ich gab ihnen keine Antwort.
Drinnen sattelte ich mein Pferd, zurrte meine Sattelrolle hinter dem Zwiesel fest und legte auch die beiden Satteltaschen über den Nacken meines zähen, grauen Wallachs.
Der Stallmann sah mir zu und sagte dann: »Ich gehe jede Wette ein, dass die beiden Hombres jetzt wieder losziehen, um sich noch mal zu amüsieren.«
Er hatte also durch das offene Stalltor alles mitbekommen.
Ich sah hinaus. Und tatsächlich, Chico und Paco waren weg. Eigentlich hätten sie mit mir in den Stall kommen müssen, um für ihre Pferde zu bezahlen und die Tiere ausgehändigt zu bekommen.
Aber sie waren weg.
Der Stallmann sagte: »Sie werden bald für die Stadt einige Tage die Abortgruben leeren müssen. Zu was taugen sie eigentlich?«
»Zur Wildpferdjagd und zum Zureiten«, erwiderte ich. »Da taugen sie wirklich was. Und wenn sie die Abortgruben der Stadt leeren müssen, werden sie über die Ungerechtigkeit auf dieser Erde schimpfen.«
»So ist es.« Der Stallmann grinste.
Ich saß auf und ritt aus dem Stall.
Draußen auf der Straße hielt ich nochmals meinen Wallach an und überlegte, in welche Richtung ich reiten sollte – nach Norden in Richtung Taos und von dort über den Raton-Pass nach Colorado hinüber – oder nach Süden in Richtung Tucson.
Ich zog den Kopf meines Wallachs nach Süden.
☆
Ich ließ mich treiben, ritt auf dem Wagenweg durch das Rio Grande Valley, kam nach Albuquerque und geriet im Rio Saloon in eine Pokerrunde. Wir spielten zwei Nächte und auch den ganzen Tag zwischen den beiden Nächten.
Als ich schließlich weiter in Richtung Socorro ritt, besaß ich schon mehr als tausend Dollar. Und diese gut sechshundert Dollar, um die ich nun reicher war, hatte ich leichter und schneller verdient als durch die Wildpferdjagd und das Zureiten.
Dennoch wollte ich kein berufsmäßiger Spieler werden. Das war nichts für mich. Ich suchte andere Herausforderungen.
Und ich wusste, dass mein Schicksal solche Herausforderungen immer wieder für mich in Bereitschaft hielt. Irgendwo und irgendwann würde ich darauf stoßen.
Ich ließ mich also treiben und ritt keinen einzigen Tag weiter als dreißig Meilen. Denn in solchen Abständen gab es am Wagenweg stets eine Station der Post- und Frachtlinie. Hier wechselten die Expresskutschen ihre Sechsergespanne und wurden auch stets Ersatzmaultiere für die Frachtwagenzüge in Bereitschaft gehalten. Zu jeder dieser Relaisstationen gehörte ein Gasthaus mit einem kleinen Store. Und in den Scheunen konnte man übernachten.