G. F. Unger Sonder-Edition 197 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 197 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es war eigentlich ein Zufall, dass ich den Marshal-Killer erschoss. Er lief mir in Antilope Creek über den Weg, und zum Glück war ich etwas schneller mit dem Eisen als er. Es war auch ein Zufall, dass der Killer mir ähnlich sah, oder ich ihm, ganz wie Sie wollen.
Kein Zufall war es, dass mir dann plötzlich zwei Männer aus Longhorn City einen Job anboten. Einen Job für zehntausend Dollar. Dafür musste ein Cowboy Jahrzehnte lang arbeiten. Und ich hungriger Wolf hatte ohnehin nichts mehr zu verlieren - so glaubte ich. Also nahm ich den Job an. Ich hätte wissen müssen, auf welch teuflisches Spiel ich mich einließ ...


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Seitenzahl: 194

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Zehntausend-Dollar-Job

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9936-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Zehntausend-Dollar-Job

Eigentlich taugte ich damals nicht viel, denn ich war in dieser Welt gewiss nicht besonders nützlich, sondern nur auf meinen Vorteil bedacht. Ich war hungrig nach allen guten Dingen des Lebens – und ich hatte während des Krieges und auch danach verdammt wenig davon bekommen können.

Wenn man es genau nahm, so war ich sozusagen eine Art hungriger Wolf. Jawohl, das konnte man wohl sagen und traf damit so ziemlich den Nagel auf den Kopf.

Ich saß damals in Antilope Creek im Gastraum der kleinen Poststation und wartete auf die Express-Post nach Norden.

Ja, ich wollte nach Norden, dorthin also, wo man jetzt all die texanischen Longhorns trieb, wo es an der Kansas-Bahn rasch entstandene Eisenbahnstädte gab, bei denen die brüllenden Herden in endlose Viehzüge verladen wurden, um nach Osten in die riesigen Fleischfabriken transportiert zu werden.

Denn inzwischen sollte es Überseeschiffe mit Kühlanlagen geben. Und auch in Konservenbüchsen sollte das Fleisch der texanischen Longhorns jetzt sehr viel länger genießbar bleiben als bisher. Die Industrie im Osten hatte große Fortschritte gemacht.

Nun, ich will meine Geschichte von Anfang an erzählen und nicht unnötig abschweifen. Ich saß also in der kleinen Poststation Antilope Creek und hatte eine Patience ausgelegt – aber dieses Gedulds-Kartenspiel wollte nicht aufgehen, und dies wieder schien mir symbolisch zu sein für mich und meinen bisherigen Lebensweg, in denen ja auch nichts aufging bisher.

Außer mir warteten noch zwei andere Reisende. Sie wirkten wie Städter auf mich, und sie waren in ihrer Stadt gewiss keine einfachen Bürger, sondern maßgebende Männer – nein, nicht Bosse, aber Anführer einer Gemeinschaft.

Dies konnte ich wittern. Auf meinen Instinkt war da Verlass.

Sie sahen zu mir her. Einer fragte: »Ein Spielchen?«

Ich schüttelte den Kopf.

»In meiner Tasche sind außer der Fahrkarte nur noch drei Dollar«, sagte ich höflich. »Und da Sie mich nicht kennen, habe ich bei Ihnen gewiss keinen Kredit, nicht wahr?«

Ich sprach auch die letzten Worte versöhnlich und scherzend.

Sie grinsten teilnehmend. Der andere Mann sagte: »Ja, die Zeiten sind schlecht hier im Süden. Wenn man kein Cowboy ist, der Rinder nach Norden treiben kann, sieht es hier wirklich noch schlecht aus. Es wird eine Weile dauern, bis sich genug Texas-Rinder in blanke Dollars verwandelt haben und wieder in dieser Form nach Texas zurückgekommen sind. Aber dann geht es im ganzen Süden steil aufwärts. Nächstes Jahr wird es anders sein, wenn...«

Er verstummte nach diesem »wenn«, und ich hatte auch wenig Lust, ihn zu fragen, was es bedeutete.

Was ging mich jetzt noch der Süden an?

Ich wollte nach Norden, und ich hatte nur noch drei Dollar in der Tasche, besaß kein Pferd und keinen Sattel. Nur meinen alten Colt aus dem Krieg hatte ich noch, dazu eine Reisetasche mit etwas Wäsche und ein paar Kleinigkeiten.

Wir schwiegen wieder eine lange Zeit.

Der Stationsmann sah manchmal nach uns.

Und dann kam ein Reiter.

Ich blickte durch das Fenster und verspürte sofort einen verächtlichen Zorn.

Denn dieser Hundesohn hatte sein Pferd zuschanden geritten. Es stolperte nur noch, und er musste es immer wieder rücksichtslos hochreißen. Dieses arme Tier. Es gab sein Bestes. Es diente diesem Hundesohn mit aller Bereitwilligkeit und Treue. Und er nutzte dies so gemein und schamlos aus. Er ritt das Tier zuschanden, und er war nicht besser als ein Dieb, der einem Blinden das Almosen mitleidiger Leute aus dem Hute stiehlt.

Aber was ging es mich an? Ich hatte mir auf meinen Wegen schon genug Verdruss eingehandelt, weil ich mich manchmal in fremder Leute Angelegenheiten mischen zu müssen glaubte. Doch inzwischen hatte ich aufgegeben, diese Welt besser machen zu wollen. Denn sie konnte nicht besser werden. Warum das so war? Nun, darüber hatte ich schon oft nachgedacht – und wahrscheinlich konnten gelehrte Leute darüber jahrelang diskutieren. Mir selbst war letztlich nur ein einziger Grund eingefallen. Denn ich war ja nur ein einfacher Bursche, der eine gute Mam hatte, die leider zu früh starb. Aber für mich war klar, dass diese Welt nicht besser werden konnte, weil sie immer weniger nach den Zehn Geboten lebte.

Doch um nach den Zehn Geboten leben zu können, musste man wohl selbst schon fast ein Heiliger sein.

So war das wohl, und deshalb drehte sich alles mit dieser Welt im Kreise.

Vielleicht würde sie eines Tages platzen wie ein Geschwür.

Na, der Reiter draußen ließ sein schwankendes Pferd einfach stehen und kam herein.

Ich kannte mich sofort aus und sah, dass er wenigstens hundert Meilen rau geritten war. Und eines fiel mir sofort an ihm auf, obwohl er staubig, mit Pferdeschweiß bedeckt, stoppelbärtig und überhaupt äußerlich in einem sehr unsauberen Zustand war – wie es nach einem solchen Gewaltritt ja nur natürlich war. Ja, eines fiel mir auf, und ich wurde wütend darüber.

Er war mir ähnlich wie ein Bruder.

Das war es. Wir hätten gewiss Maßanzüge einander tauschen können. Er bewegte sich wie ich, hatte die gleiche Augen- und Haarfarbe und – verdammt noch mal! – er hatte beim linken Kinnwinkel eine Narbe wie ich und auch ein schlecht verheiltes Nasenbein, welches vor Jahren einmal gebrochen wurde.

Verdammt noch mal, der war fast mein Doppelgänger. Nur engste Verwandte und besonders gute Freunde würden uns voneinander unterscheiden können, stünden wir in gleicher Kleidung gewaschen und rasiert nebeneinander. So dachte ich.

Er starrte zu mir her, bekam schmale Augen, sah dann zu den beiden anderen Männern am Nebentisch und wandte sich an den Stationsmann, welcher hinter ihm eintrat und grimmig sagte: »Verdammt, das Pferd stirbt dort draußen! He, Mann, was sind Sie für ein Bursche? Sie haben ja das Pferd...«

»Halt's Maul«, unterbrach ihn der Fremde – und er stand nun so, dass er uns alle beobachten und gewiss bei jedem von uns die geringste Bewegung registrieren konnte.

»Ich bin nicht hergekommen, um zu plaudern. Ich habe es eilig! Zum Teufel mit dem Gaul! Wann kommt die Express-Post hier durch? He, wann?«

Der Stationsmann sah ihn nun voll an. Dieser Stationsmann war ein harter Bursche, sonst wäre er hier gewiss am falschen Platze gewesen. Und dennoch schluckte er nun trocken und sagte: »Sie muss bald kommen. Man kann es nicht auf die Minute sagen. Manchmal ist sie um diese Zeit schon wieder hier weg, manchmal hat sie bis zu einer Stunde Verspätung. Es liegt am Fluss, an dem Wasserstand in der Furt fünfzig Meilen von hier. – Sonst noch was, Mister?«

»Ja, ein Glas voll Whisky«, sagte der Fremde und trat an den kleinen Schanktisch in der Ecke.

Dabei behielt er uns ständig unter Kontrolle.

Ich war mir ziemlich sicher, dass er auf der Flucht war. Da er aber ein Mann war, der sich gewiss nicht vor einem Gegner oder auch mehreren fürchtete, hatte er wahrscheinlich ein ganzes Aufgebot auf seiner Fährte.

Und er fühlte sich wie ein Bursche, der auf einer Ofenplatte saß und die Hitze immer stärker durch die Hose spürte.

Er konnte nur noch in einer Express-Postkutsche entkommen.

Denn Express-Kutschen wechselten oft genug die Gespanne. Reiter, die schon hundert Meilen rau geritten waren, konnten einer solchen Kutsche selbst auf frischen Pferden nicht mehr weit folgen. Einen Vorsprung der Kutsche würden sie nicht mehr aufholen, wenn dieser Vorsprung mehr als drei Meilen betragen sollte.

So war das alles.

Und wir alle wussten es – auch der Stationsmann und die beiden anderen Gäste.

Die Frau des Stationsmannes hatte den Reiter ebenfalls gehört. Sie erschien in der Küchentür und fragte: »Will er noch etwas zu essen haben?«

»Nein, Ella«, sagte der Stationsmann. »Geh in deine Küche und mach die Tür zu.«

Sie sah zu uns her, und sie war eine ruhige und erfahrene Frau.

Plötzlich nickte sie. »Gewiss – und die Kutsche muss ja auch bald kommen.«

Dann gehorchte sie, schloss die Tür.

Wir betrachteten den Fremden.

Ja, er war zumindest ein Revolverheld, wahrscheinlich jedoch ein Bandit.

»Lasst mich nur in Ruhe«, sagte er. »Wenn ihr mit mir keinen Streit bekommen wollt, dann lasst mich nur in Frieden. Ich will nichts anderes als ihr, nämlich die Postkutsche. Verdammt, wann endlich kommt sie?«

Er kippte sich den Rest des Whiskys in den Hals, und fast hörte es sich so an, als gurgelte er damit, um den Staub aus der Kehle zu bekommen.

Dann ging er wieder durch die offene Tür hinaus. Die Ungeduld zwang ihn dazu. Er fühlte sich zu sehr verfolgt, um hier im Haus zu bleiben. Er musste ins Freie, um weite Sicht zu haben.

Gewiss sah er nach der Postkutsche, die bald kommen musste – und hielt zugleich auch Ausschau nach seinen Verfolgern.

Wenn ich mich etwas vorbeugte, konnte ich durch das Fenster blicken.

Und da sah ich etwas kommen.

Nein, es war nicht die erwartete Express-Post.

Es war ein Reiter – und er kam nicht im Sattel. Er führte das Pferd. Aber er kam auf der deutlichen Fährte über den Hügelsattel, erreichte die Poststraße und verhielt einen Moment.

Er sah zur Station her.

Wahrscheinlich sah er auch den Mann, den er verfolgte, vor dem Stationshaus stehen. Bei den Corrals machte der Gehilfe des Stationsmannes schon das frische Sechsergespann für die Kutsche fertig.

Aber nun hielt auch dieser Gehilfe inne und beobachtete nur noch.

Ich sah, dass der Verfolger ein schon ziemlich bejahrter Bursche war. Und dennoch wirkte er auf besondere Art auf mich.

Denn ich wusste, ich sah einen Jäger, einen menschlichen Jagdfalken – oder gar einen Adler. Es ging etwas von diesem Verfolger aus, was nicht so sehr zu erkennen, sondern mehr zu spüren war: Unerbittlichkeit! Beharrliche Entschlossenheit! Und der absolute Glaube an eine Aufgabe, die zu erfüllen Bestimmung war.

Ich kannte diese Typen.

Und nun wunderte ich mich nicht mehr, dass kein Aufgebot kam, sondern nur ein einzelner Verfolger – und dass der Verfolgte es dennoch eilig hatte.

Doch nun gab es keine Flucht mehr für ihn.

Nun musste er aufgeben oder kämpfen.

Natürlich würde er kämpfen. Er war lange genug und weit genug weggelaufen.

Ich sah ihn plötzlich wieder. Er kam in mein Blickfeld, als er dem Verfolger entgegenging. Dieser Verfolger war inzwischen wieder aufgesessen. Da er sein Pferd geführt hatte, erholte sich das Tier etwas und trabte leicht. Es witterte Futter, Wasser und endlich das Ende der Fährte, also ein langes Ausruhen. Deshalb nahm das Tier noch einmal alle Kräfte zusammen und trabte mühsam.

Je näher der Reiter kam, umso mehr erkannte ich, dass er kein Falke, sondern eher ein grauer Adler war. Verdammt, ja, da kam ein Mann geritten, der schon das Ende vieler Fährten erreichte – um dann bald schon wieder neue Fährten zu verfolgen, weil das seine Pflicht war, sein Job – nein, mehr als nur ein Job, eher eine Aufgabe, ein Auftrag seines Schicksals.

Jawohl, das spürte ich, und ich sah den Stern auf seiner staubigen Weste.

Er war kein Sheriff, nein – er war ein US-Marshal. Denn der Stern glänzte matt in einem Schild.

Da kam ein eisgrauer US-Marshal geritten.

Und ein gefährlicher zweibeiniger Wolf oder Tiger, der nicht mehr weiterkonnte, trat ihm nun entgegen.

So war es. Und es musste einen Kampf geben.

Sollte ich mich einmischen?

Verdammt, ich hatte mich da und dort schon eingemischt und stets dabei einige Haare gelassen. Und dann: Dieser alte Marshal kannte den Verfolgten gewiss gut genug und wusste, was ihn erwartete. Er kam dennoch. Also fühlte er sich dem Verfolgten gewachsen. Sonst wäre er ein Narr gewesen. Und US-Marshals waren gewiss keine Narren.

Ich blieb also auf meinem Platz.

Die beiden anderen Männer kamen vom Nebentisch und setzten sich zu mir. Denn nur in sitzender Haltung konnten wir durch das Fenster auf die beiden Männer blicken.

Die Karten auf meinem Tisch waren vergessen.

Der US-Marshal hielt sein Pferd an, saß ab – und als er die ersten Schritte machte und dabei seinen Colt probeweise im Holster lüftete, da sahen wir, dass er sattelmüde und auch müde vom Laufen war. Er hatte beides abwechselnd getan, um sein Pferd zu schonen. Und er war letztlich doch nicht sehr viel später hier als der Verfolgte, dessen Tier die letzten Meilen auch nur im Schritt zu stolpern vermochte.

Wir konnten nicht hören, was der US-Marshal und der Verfolgte miteinander sprachen, nachdem sie etwa sieben oder acht Schritte voreinander verhielten. Der alte Adler hatte sein Pferd zur Seite gedrängt und war dann weitergegangen.

Wir verstanden also kein Wort, obwohl das Fenster offen war und wir angestrengt lauschten. Es war aber nur ein kurzer Wortwechsel zwischen Jäger und Verfolgten.

Dann zogen sie ihre Revolver – nein, sie zogen nicht, sie zauberten wie Zauberkünstler. Ich kannte mich aus. Auch ich konnte mein Schießding so herauszaubern, dass es ganz plötzlich in meiner Hand lag, und der Schuss krachte aus dieser nach vorn stoßenden Bewegung heraus. Es war dann so, als würde ich mit dem steifen Zeigefinger blitzschnell auf ein Ziel deuten und käme eine Kugel aus dem Finger geflogen.

Ja, so war es.

Die Schüsse krachten wie ein einziger Schuss.

Aber sie trafen beide. Sie schossen sich gegenseitig das heiße Blei entgegen und fielen auf die Knie.

Dabei schossen sie weiter.

Aber es war vom ersten Schuss an zu erkennen, dass der Marshal böse getroffen wurde und eigentlich gar nicht mehr kämpfen konnte. Kniend schoss er vor sich in den Staub des Wagenweges – immer wieder, angetrieben von einem gegen sich selbst grausam gerichteten Willen zum Durchhalten, zum Nichtaufgeben.

Vielleicht hatte er schon viele Kämpfe auf diese Art gewonnen – und auch viele Narben am Körper.

Heute machte er seinen letzten Kampf.

Er starb kniend.

Und jener andere Mann, den er verfolgt und gestellt hatte, erhob sich leicht. Wenn er verwundet worden war, dann gewiss nur von einem Kugelkratzer. Denn er wandte sich mit einem Ruck um. Sein Colt zeigte nun in Richtung der Station. Erst als er sah, dass niemand ihn von dort bedrohte, entspannte er sich.

Er wandte sich wieder dem Marshal zu, beugte sich bald darauf nach einigen Schritten über ihn nieder und durchsuchte seine Taschen.

Einer der beiden Männer an meinem Tisch sagte: »Der sucht vielleicht nur den Haftbefehl oder den Steckbrief, den der Marshal gewiss in der Tasche haben wird. Wir sollen nicht herausfinden, wer er ist. Wahrscheinlich ist eine hohe Belohnung auf seine Ergreifung...«

Ich hörte nicht länger mehr zu, denn in meinem Kopfe »klingelte« es plötzlich irgendwie.

Das war kein Wunder, denn ich hatte kein Pferd mehr, keinen Sattel und nur noch drei Dollar in der Tasche.

Ich konnte jede Menge Geld gebrauchen. Und auf diesen Banditen und Revolverhelden, der vor unseren Augen einen US-Marshal umgelegt hatte, gab es vielleicht fünfhundert oder gar tausend Dollar Ergreifungsprämie.

Hey, das war etwas für mich!

Denn für fünfhundert Dollar schon musste ein Cowboy zwei Jahre arbeiten.

Ich witterte die Chance wie ein Wolf eine fette Beute.

Überdies würde ich auch noch eine gute Tat für die menschliche Gesellschaft tun. Ich würde den Killer eines US-Marshals unschädlich machen.

Wenn das keine gute Tat war, die auch noch belohnt werden würde?

An die Gefahr dachte ich natürlich auch.

Dieser Bursche dort draußen war schnell mit dem Colt. Er hatte auch noch drei Kugeln in der Waffe.

Aber ich traute mir zu, ihn zu schlagen. Ich sah, dass er einige Papiere aus der Kleidung des Marshals holte und wegsteckte. Der Marshal hatte diese Papiere in der Innentasche der Lederweste getragen.

Nun, ich erhob mich also und ging zur Tür.

Die beiden Männer schnauften hinter mir hörbar. Ich hielt an und blickte über die Schulter. Sie staunten ungläubig.

Ich sagte leicht: »Ach, macht euch nur keine Sorgen. Aber wenn es vielleicht eine ausgesetzte Belohnung gibt, dann brauche ich beim nächsten Male keine Einladung zum Pokerspiel abzulehnen. Das seht ihr doch ein, Gentlemen, ja?«

Sie schluckten und nickten.

Ich ging hinaus, und ich vergaß sie hinter mir. Jetzt musste ich mich ganz und gar auf den Burschen vor mir konzentrieren.

Er sah mich herauskommen und blickte mir entgegen. Seinen Colt hatte er im Holster, und weil ich auch die Waffe noch im Holster trug, fühlte er sich nicht von mir bedroht.

Vielleicht glaubte er auch nur, dass ich neugierige Fragen stellen wollte.

Und so grinste er mir kalt entgegen. Sein Grinsen war ein Zähneblecken, eine Warnung. »He«, sagte er dann, »du kannst mir helfen, ihn wegzutragen. Wenn die Postkutsche kommt, sollen die ihn nicht sehen. Und ihr hier werdet das Maul halten. Sonst lege ich euch alle um. Ihr habt ja jetzt wohl sehen können, wie schnell und genau ich schießen kann.«

Ich nickte.

»Ja, du bist schnell«, sagte ich. »Du bist ein richtiger Killer. Und deshalb kann ich dich auch nicht länger frei herumlaufen lassen. Denn ich bin schneller und schieße noch besser. Willst du es ausprobieren?«

Er wollte.

Und er zog ohne ein weiteres Wort.

Aber ich wusste ja, wie schnell er war, und beeilte mich deshalb besonders. Nein, ich wollte nicht sterben wie der US-Marshal. Ich wollte die höchstwahrscheinlich steckbrieflich auf seine Ergreifung ausgesetzte Prämie, den Kopfpreis. Verdammt, ja, ich war kein Edler, kein Wohltäter, der für ein warmes Dankeschön diese miese Welt verbessern wollte. Ich war gewissermaßen ein Kopfjäger geworden. Jawohl, so war es!

Und so zog ich, weil ich ein hungriger Wolf war.

Doch das war ja wohl auch ganz im Sinne des Gesetzes.

Denn wozu sonst setzte man Kopfpreise aus, versprach Prämien für die Ergreifung so manchen Verbrechers, setzte sogar oftmals den Zusatz auf den Steckbrief »Tot oder lebendig«.

Ich zog und schoss. Und ich zog schneller und schoss besser.

Er schoss zurück, doch seine Kugeln trafen mich nicht, weil er immer wieder von meinem heißen Blei gestoßen wurde wie von Huftritten.

Er starb stehend, fiel dann um und fluchte noch einmal.

Ich wusste nicht, ob er über mich oder über sein verpfuschtes Leben fluchte – aber wahrscheinlich traf Letzteres zu. Denn in den letzten Sekunden eines Lebens wird fast jeder Mensch ehrlich gegen sich selbst. Vielleicht würde auch ich einmal wie er fluchen – eines Tages.

Als ich die Papiere in der Hand hielt, die der Bandit dem toten Marshal wegnahm, sah ich bald schon, wer der Bursche war.

Denn da war ein Steckbrief.

Und da war ein Haftbefehl.

Auf dem Steckbrief stand der Name: Mort Tucker. Die ausgesetzte Belohnung betrug tausend Dollar. Und sie wurde auch für den toten Mort Tucker bezahlt.

Das war es also.

Ich hatte im Kampf mein Leben gewagt und tausend Dollar verdient, für die ein Cowboy fast vier Jahre arbeiten musste. Ich aber würde sie auf einmal in die Hand bekommen.

Und ich würde mir ein Pferd und einen Sattel kaufen können, dazu noch ein paar andere Dinge.

Ich blickte zur Station hinüber.

Dort standen die beiden anderen wartenden Fahrgäste, der Stationsmann, dessen Gehilfe und die Frau des Stationsmannes.

Sie starrten zu mir her.

Ich ging auf sie zu.

»Wir sollten die Schubkarre nehmen«, sagte ich laut genug. »Oder wollt ihr die Toten auf der Straße liegenlassen?«

Sie bewegten sich nun.

Der Stationsmann kam heran und nahm mir die Papiere aus der Hand, warf einen Blick darauf und nickte.

»Ja«, sagte er, »Morton Tucker ist ein gesuchter Mörder und Bandit. Der hat auch Fahrer und Begleitmänner der Postlinie auf dem Gewissen. Aber wenn Sie die Belohnung kassieren wollen, müssen Sie ihn zum nächsten Sheriff oder Richter schaffen. Auch der US-Marshal sollte wohl nicht hier bei uns beerdigt werden – oder?«

Sein Gehilfe kam indes mit einer Schubkarre herbei.

Ich wollte den beiden Männern helfen. Doch jetzt näherten sich die beiden anderen Männer, die ich von Anfang an für besonders maßgebende Bürger einer Stadt gehalten hatte. Sie sahen mich scharf und kritisch an, so als würden sie mich einer allerletzten Prüfung unterziehen. Hinter ihren Stirnen arbeitete es mächtig und hatte es schon seit einigen Minuten scharf gearbeitet. Sie waren kluge Männer, die scharf und schnell denken konnten.

Dies alles sah ich ihnen an, spürte ich deutlich.

»Wir möchten mit Ihnen sprechen«, sagte einer. »Und wir haben nicht viel Zeit. Denn wenn die Postkutsche kommt, müssen wir uns einig geworden sein. Also, Mister, aaaah, wie ist denn Ihr Name? Ich bin John Haggerty. Das ist Wayne Taggert. Und wer sind Sie, Mister? Ich frage Sie das, weil wir ein Geschäft machen könnten, ein gutes Geschäft für beide Seiten. Kommen Sie! Treten wir ein Stück zur Seite, ja?«

Ich ging mit ihnen von der staubigen Wagenstraße. Und indes wir in den Schatten der großen Scheune traten, sagte ich: »Mein Name ist Hickman, Ben Hickman. Und Sie hörten wohl schon an meiner Aussprache, dass ich ein Mann aus dem Süden bin – ein verdammter texanischer Rebell, nicht wahr? Sie aber sind Männer aus dem Norden.«

Sie sahen mich immer noch an, studierten mich genau – und dann sagte John Haggerty ruhig: »Ihre Aussprache macht uns tatsächlich Sorgen. Sie könnte das einzige Hindernis sein, welches unserem beiderseitigen Geschäft entgegenstünde.«

»He«, grinste ich da und sprach dann im Tonfall eines Nordstaatlers weiter. »Wenn's weiter nichts ist – dann kann ich auch wie ein Sohn irischer Einwanderer reden – oder wie einer, der noch in Schottland geboren wurde. Auch wie ein Abkömmling polnischer oder deutscher Einwanderer. Ich kann fast jeden Slang und mit fast jedem Akzent reden. Was soll's denn sein? Kentucky? Tennessee? Ha, sucht ihr einen Stimmen-Imitator?«

In meiner Stimme war kein Humor, nur grimmige Bitterkeit. Mir war nicht nach Scherzen zumute, nein. Ich hatte gekämpft und getötet. Gewiss, dies hatte ich während des Krieges oft getan und war dafür belobigt, befördert und ausgezeichnet worden. Doch jetzt war es etwas anderes. Ich würde dies in den kommenden Stunden noch verarbeiten müssen – und das spürte ich jetzt schon mit Bitterkeit.

Sie waren kluge Männer, die wahrscheinlich genau wussten, was in mir war. Denn sie behandelten mich behutsam, vorsichtig. Wayne Taggert sagte: »Wenn Sie so reden würden wie dieser Mort Tucker, dann wäre dies richtig.«

Nun wurde ich plötzlich noch wachsamer als ohnehin.

Verdammt, was wollten die von mir? Ich sah diesem Mort Tucker sehr ähnlich, fast so ähnlich wie ein Zwillingsbruder. Auch hatte ich fast die gleichen Zeichen wie er im Gesicht, nämlich eine Narbe unter dem Mundwinkel und eine etwas schiefe und ein wenig eingeschlagen wirkende Nase.

Und jetzt sollte ich auch noch wie dieser Mort Tucker sprechen?

Ich konnte das gewiss. Er hatte einige Sätze zu mir geredet, genug, um zu wissen, woher er kam, wo er aufgewachsen war. Ich hatte eine Begabung und konnte fast jede Sprechweise nachmachen.

Dieser Mort Tucker war gewiss aus Ohio, vielleicht auch aus Indiana, aber auf jeden Fall nördlich vom Ohio. Seine Vorfahren kamen aus Old England.

Ich fragte hart und knapp: »He, was wollt ihr von mir? Was ist das für ein Geschäft, welches ihr mit mir machen wollt?«

»Ein Zehntausend-Dollar-Geschäft«, sagte Haggerty sofort.

»Wir bieten Ihnen einen Zehntausend-Dollar-Job. Na?«

Es traf mich wie ein Hammer.

In meinem Kopfe war plötzlich ein Durcheinander. Mein Instinkt gab mir Warnsignale. Verdammt, sie boten mir einen Zehntausend-Dollar-Job an. Heiliger Rauch, zehntausend Dollar!

Da musste ein Mann, der wie ich schon längst nicht mehr an Wohltäter glaubte, gewaltig starke Warnsignale spüren. Es musste klingeln in ihm – oder trommeln.

Zehntausend Dollar waren ein Berg Geld in dieser Zeit.

Und wieder verglich ich die Summe mit dem Jahresverdienst eines Cowboys.