G. F. Unger Sonder-Edition 203 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 203 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es ist ein schrecklicher Kampf, und Adam McGill kämpft wie ein Tiger gegen die Übermacht. Er ist allein. Seine Gedanken sind bei Cindy, während er in die blitzenden Mündungsfeuer der Bugbee-Meute blickt. In jeder Hand hält er einen Colt.
Gerade wird er zum dritten Mal getroffen. Schmerz breitet sich aus, lähmt ihn. Panik erfasst Adam McGill. Er weiß, dass es ihm nicht gelingen wird, Cindy zu befreien. Vielleicht wird er sogar in wenigen Minuten tot sein ...


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Seitenzahl: 201

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Im Schatten der Mächtigen

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0556-1

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Im Schatten der Mächtigen

Pancho Lopez schüttelt sich vor Lachen. Aber es ist ein lautloses Lachen. Er sieht aus wie ein Mann, der sich in seinen Gedanken an eine lustige Begebenheit erinnert oder einen Witz erzählte und das Lachen tief in sich verborgen halten möchte.

Adam McGill sieht es dennoch. Er hat soeben ein frisch gemaltes Schild an den Querbalken über dem Eingang genagelt. Auf diesem Pappschild kann man lesen: Willkommen!

»Und morgen hängst du einen frischen Blütenkranz an den Nagel, sodass er das Wort ›Willkommen‹ einrahmt«, sagt Adam McGill zu seinem Cowboy Pancho Lopez. »Warum grinst du denn wie ein Honigkuchenpferd?«

Pancho Lopez schüttelt sich wieder. Er ist ein Mann mexikanischer Abstammung. Spanisch ist seine Muttersprache. Aber er spricht auch die Sprache der Texaner angloamerikanischer Abstammung. Er schiebt seinen alten Hut in den Nacken und wischt sich über das bärtige Gesicht.

»Boss, ich stellte mir soeben vor, wie du deine junge Frau über die Türschwelle trägst«, sagt er.

»Und das findest du lächerlich? Darüber lachst du, dass dir fast die Knöpfe abspringen?«

Adam McGill fragt es halb grollend und halb vorwurfsvoll.

Aber Pancho Lopez schüttelt den Kopf. »Nein, darüber lache ich nicht, Boss«, erwidert er. »Ich dachte an Estrella, die ich vor Jahren heiraten sollte. Sie war sehr schön. An ihr war alles richtig, und sie hatte fünf Brüder, die auf sie aufpassten wie auf eine Kostbarkeit. Als ich fortritt, um Wildpferde zu fangen, da versprachen sie mir, dass sie noch Jungfrau sein würde bei meiner Rückkehr. Und das war sie wohl auch. Ich kam nach sieben Monaten zurück. Denn meine Amigos und ich, wir hatten nach vielen Wochen eine sehr große Wildpferdherde gefangen in einem Canyon. Wir mussten sie Tier für Tier zureiten und dann zum Agenten der Postlinie bringen, dem wir dann wiederum helfen mussten, diese Tiere an die Arbeit im Gespann zu gewöhnen. Nun, ich kam also nach sieben Monaten heim. Oh, ich hatte eine Menge Geld. Es reichte für eine Hochzeit, von der man sich noch in zehn Jahren erzählt hätte. Das ganze Dorf wäre betrunken gewesen für eine Woche. Sie alle hätten essen und trinken können Tag und Nacht. Und die Musik konnte sich ablösen, so viele Musikanten hätte ich bezahlen können. Verstehst du, Boss?«

Adam McGill nickt ernsthaft. »Sicher, das verstehe ich gut. Aber was gibt es dann zu lachen und zu grinsen, wenn ich ein Schild über der Tür anbringe?«

»Nein, nicht das Schild macht mich so lustig«, beruhigt ihn Pancho Lopez. »Es ist der Gedanke, dass der Bräutigam die Braut über die Türschwelle ins Haus tragen muss – sozusagen als Zeichen und Versprechen, dass er sie stets in Liebe auf Händen tragen und beschützen wird.«

Er beginnt nun laut zu lachen. Aber es ist ein bitterer und grimmiger Beiklang darin enthalten.

Adam McGill wartet schweigend, aber man sieht ihm an, dass er eine weitere Erklärung haben will.

Pancho macht es jetzt sehr kurz. Er sagt seufzend: »Sie war in den vergangenen sieben Monaten so dick geworden wie eine Tonne und so fett wie ein Schwein kurz vor dem Schlachten. Sie sagte, sie hätte vor Sehnsucht nach mir so sehr viel essen müssen. Und sie müsste doch auch stark sein für die vielen Kinderchen. Ich war erschrocken, als ich sie sah. Am liebsten wäre ich abgehauen. Doch ihre fünf Brüder würden mich zurückgeholt haben. Und so heiratete ich sie wahrhaftig. Aber dann kam das große Unglück. Ich sollte sie über die Türschwelle tragen. Oh, ich versuchte es wahrhaftig mit aller Kraft. Doch es ging nicht. Ich schaffte es nicht. Sie wog zu viel. Ich konnte sie nur umwerfen und fiel mit ihr hin. Die Zuschauer lachten. Viele waren schon betrunken. Sie rissen Witze. Verstehst du, Boss, sie riefen Estrella zu, dass mit meiner Männlichkeit gewiss auch nicht viel wäre. Aaaah, einige riefen noch schlimmere Dinge. Es waren ja alles sehr einfache und urwüchsige Leute. Wir bekamen schnell eine große Schlägerei. Estrellas fünf Brüder waren auf meiner Seite. Wir kämpften gegen alle Männer des Dorfes. Oha, wir versuchten uns die Schädel einzuschlagen. Irgendwann war es dann vorbei. Die Hochzeit war sozusagen gestorben. Und als ich noch schnaufte und mich so fühlte als wäre ich unter eine Stampede geraten, da rief Estrella immer wieder: ›Los, komm endlich! Trage mich über die Schwelle! Ich will über die Schwelle getragen werden! Ich will, dass du mich auf Händen trägst! Wenn du mich nicht über die Schwelle trägst, du verdammter Schwächling, dann...‹ Oh, sie rief noch mehr dergleichen. Und ich wurde mir darüber klar, was mich bei ihr erwartete. Und so lief ich zum schnellsten Pferd, sprang in den Sattel und sauste los. Es war wirklich das schnellste Pferd. Denn ich entkam ihren Brüdern. Sie suchen mich vielleicht heute noch. Doch es ist schon sieben Jahre her. Und es war weit, weit weg von hier.«

Er lacht wieder auf seine Art.

Und nun lacht Adam McGill mit ihm. Erst nach einer Weile sagt er keuchend: »Pancho, ich reite nicht sieben Monate weg von meiner Cindy – ich nicht. Mir kann das nicht passieren.«

Sie werden nun ernst, sehen sich an.

Noch bevor sie etwas sagen können, vernehmen sie den Hufschlag einiger Pferde. Sie blicken in die Richtung und sehen vier Reiter kommen.

Adam McGill stößt einen heiseren Knurrlaut aus. Er tritt schnell ins Haus und nimmt den Revolvergurt vom Haken dicht neben der Tür. Als er ihn umlegt, den Colt zurechtrückt und das Holster am Oberschenkel festbindet, da sieht man seinen Bewegungen eine ernste Entschlossenheit an.

Adam McGill ist ein großer, hagerer, indianerhafter Bursche, dunkelhaarig und grauäugig. Es gibt in seinem Gesicht ein paar Narben, die ein Zeichen sind für ein Leben, welches wahrscheinlich rau und verwegen war.

Sein Cowboy verschwindet krummbeinig über den Hof hinweg in der neuen Adobehütte, in der noch Platz ist für weitere Reiter. Aber Pancho taucht bald wieder auf. Er erscheint mit einem Gewehr unter dem Arm in der offenen Tür.

Die vier Reiter kommen nun im Schritt auf den Hof der kleinen Ranch geritten. Sie betrachten Adam McGill, schielen zu Pancho hinüber und starren dann auf das Schild über der Tür.

»Reiß es ab, McGill«, sagt Nad Bugbee trocken. »Du wirst sie nicht heiraten. Ich will sie haben. Und ich bin ein Bugbee. Ich will sie haben. Und das weiß jeder Mensch in diesem Lande. Einem Bugbee kann man nichts wegnehmen. Nicht mal einen Hosenknopf. Das sollte dir doch klar sein – oder? Wenn du sie heiraten solltest, wird sie schnell eine junge Witwe. Hast du verstanden!«

Adam McGill erwidert nichts; er sieht Nad Bugbee nur an. Rechts und links von Nad halten dessen beide Brüder Henry und Burk. Ihr Vetter Hank Mifflin hält sich etwas seitlicher.

Adam McGill starrt sie alle an, und er spürt wieder die alte Feindschaft, die von ihnen ausgeht. Diese Feindschaft ist sehr alt; sie reicht bis in ihre Jugend zurück. Denn Adam McGill war damals schon der einzige Junge im ganzen Lande, der die Bugbee-Brüder – Jo Bugbees Söhne – verprügeln konnte.

Es war nun mal so, dass die Bugbee-Brüder jeden Jungen verprügeln mussten, um zu beweisen, dass sie stärker waren. Nur bei McGill konnten sie das nicht schaffen.

Und deshalb war schon Feindschaft zwischen ihnen, als sie noch Jungens waren, die in Amelie zur Schule gingen.

Und nur weil ihre Väter bei Alamo gemeinsam gegen die Mexikaner kämpften und sich im Krieg gegenseitig das Leben retteten, nahm es der alte Bugbee hin, dass es jemanden im Lande gab, der seine Söhne schlagen konnte.

Das alles fällt Adam McGill wieder ein.

Und er weiß auch, dass Nad Bugbee nicht blufft.

Sie werden ihn wahrhaftig zu töten versuchen, sollte er Cindy Duane morgen zur Frau nehmen. Die Feindschaft wird dann zu groß sein.

Er atmet langsam aus, und er begreift in diesem Moment, da er den Strom spürt, der von ihnen ausgeht und gegen ihn prallt, dass er erst die Bugbees schlagen und kleinmachen müsste, wollte er wirklich Cindy heiraten und hier mit ihr friedlich leben.

Seine Stimme knirscht: »Haut ab hier«, sagte er. »Haut ab!«

Sie erwidern nichts.

Aber ihre Feindschaft strömt unaufhörlich gegen ihn.

»Du hättest keine Chance«, sagt da Hank Mifflin, der Vetter der Bugbee-Brüder. »Schon ich allein würde das gerne erledigen. Nur Onkel Jo hielt mich bisher zurück. Verstehst du?«

Er gibt ihm keine Antwort. Schweigend und regungslos sieht er ihnen nach. Sie reiten so langsam davon, dass ihr Abritt herausfordernd wirkt.

Man muss bei ihrem Anblick unwillkürlich an verwegene Unduldsamkeit denken, an rücksichtslose Kühnheit, die stets alles oder nichts beansprucht.

Sie sind auf eine wilde Art hübsch. Lässig sitzen sie auf den Dreihundert-Dollar-Pferden und in Zweihundert-Dollar-Sätteln, Königssöhnen gleich, deren liebste Beschäftigung die Jagd und der Kampf ist.

Pancho kommt langsam auf seinen krummen, stämmigen Beinen über den Hof geschlurft. Seine Sporen klingeln lustig. Doch sein bärtiges Gesicht ist ernst, finster, besorgt.

»Wir hätten es hier austragen sollen«, sagt er. »Wir hätten sie im Kreuzfeuer gehabt, Boss. Du musst es ohnehin mit ihnen austragen, wenn du Cindy Duane nicht nur heiraten, sondern auch mal einen ganzen Tag hier auf dieser Ranch allein lassen willst. Verstehst du?«

O ja, Adam McGill versteht es gut. Er weiß, was Pancho da andeutet.

Es gibt keine Zweifel, dass die Bugbee-Brüder nicht bluffen.

Das ganze Land weiß, wie sehr Nad Bugbee hinter Cindy Duane her war. Kein anderer junger Mann wagte es je, sich ihr zu nähern. Nur Adam McGill wagte es, nachdem er aus dem Krieg zurückgekommen war.

Die Bugbee-Brüder haben hier schon eine Menge auf dem Kerbholz. Nur die Macht ihres Vaters und die Angst jedes Menschen, gegen sie als Zeuge aufzutreten oder gar Anzeige zu erstatten, bewahrten sie bis jetzt vor Strafen.

»Was wirst du tun, Boss?« So fragt Pancho.

Adam McGill sieht ihn seltsam an.

»Nimm das Schild wieder herunter, Pancho«, sagt er. »Ich reite nach Amelie.«

Pancho sagt nichts, schluckt nur, sieht ihn an.

Und man kann an Pancho erkennen, dass dies für ihn auch eine Niederlage ist.

»Wir hätten es hier mit ihnen auskämpfen sollen«, sagt er abermals, und er wirkt jetzt so störrisch wie ein Esel. »Denn wir müssen es ohnehin mit ihnen auskämpfen. Oder willst du dir von diesen Banditen und Viehdieben vorschreiben lassen, ob du ein bestimmtes Mädchen heiraten darfst oder nicht?«

Adam McGill sagt nichts.

Er geht zum Corral hinüber, um seinen Red zu satteln.

Pancho nimmt vorsichtig das Schild ab, so als wäre er sicher, dass sie es wieder benötigen werden.

Er sieht dann regungslos zu, wie Adam McGill seinen Red besteigt und auf ihm davonreitet in Richtung der kleinen Stadt Amelie, die etwa zwölf Meilen westlich am Spanish Woman Creek liegt.

Er macht sich Sorgen, dieser Pancho Lopez, denn Adam McGill ist ihm mehr als nur ein Boss. Aber er weiß auch, dass dieser Adam McGill gut für sich sorgen kann.

Indes die drei Bugbees und ihr Vetter Hank Mifflin durch die Hügel reiten, verspüren sie eine Unzufriedenheit, so als hätten sie eine Niederlage erlitten.

Henry Bugbee spricht es dann aus. Er sagt: »Dieser McGill zeigte nicht eine einzige Spur von Angst. Verdammt, wir werden im ganzen Land gefürchtet. Vor uns machen sich alle in die Hosen. Warum hat nicht auch er Angst vor uns? Oder fehlt ihm was? Fehlt ihm der Selbsterhaltungstrieb? Kennt er deshalb keine Furcht? Wir hätten ihn kleinmachen sollen. Und wir sollten jetzt anhalten, umkehren und ihn zur Hölle schicken. Er ist uns ohnehin im Wege, seit er zurück ist und die alte Hash-Knife-Ranch seines Vaters wiederaufbaut. Wir brauchen sein Wasser, seine Weide. Wir müssen ihn ohnehin bald zum Teufel jagen. Warum also nicht gleich jetzt?«

Sie halten an. Nad nickt heftig. »Richtig, Henry! Ja, es war dumm, wieder wegzureiten. Ich komme mir wie ein Bluffer vor, wie ein kleiner Kläffer, der nur laut bellte und sich dann davonmachte. Ja, kehren wir um.«

Er starrt auf seinen Vetter Hank Mifflin. Aber dieser lässt nichts erkennen, gar nichts. Hank Mifflin blickt auf Burk Bugbee.

Denn dieser ist der Anführer. Das war er schon immer. Burk Bugbee ist der Kopf dieses Rudels. Und Hank Mifflin war schon immer auf Burk Bugbees Seite.

Auch jetzt wartet er auf Burks Entscheidung. Er wird sich dieser Entscheidung voll und ganz anschließen.

Burk Bugbee sieht sie der Reihe nach an. Dann hackt er mit dem gekrümmten Zeigefinger gegen seine Schläfe.

»Oha, was seid ihr blöd«, sagt er dann mitleidig. »Habt ihr denn ganz und gar diesen Mexikaner vergessen? Pancho Lopez heißt er. Der stand die ganze Zeit hinter uns mit einem Gewehr unter dem Arm. Es war ein Remington Revolving Carbine, Kaliber vierundvierzig. Das Ding hatte sechs Schuss in der Trommel – und man kann damit schießen wie mit einem Colt, nur weiter, weil der Lauf länger ist. Der hätte es uns mit dem Ding fein besorgt. – Also, reiten wir weiter! Ich will in Amelie etwas Spaß haben.«

Er reitet an.

Sie folgen ihm murrend, aber sie sehen ein, dass er die Sache wieder einmal besser beurteilte als sie. Denn sie wägen niemals das Risiko ab. Ihnen ist das Risiko stets gleichgültig. Sie wollen sich stets nur allein durch Kühnheit behaupten.

Er aber wägt ab.

Eigentlich ist es gut für sie, dass sie ihn haben.

Denn ohne ihn wären sie wahrscheinlich alle schon längst in der Hölle.

Sie folgen ihm also.

Und drei Meilen weiter finden sie dann etwas, um daran alle angestaute Unzufriedenheit und das Gefühl einer Niederlage abreagieren zu können.

Der Reit- und Fahrweg nach Amelie führt hier durch eine weite, geschützte Senke.

Es gibt auch etwas Wasser hier. Selbst nach einer langen Trockenperiode ist der kleine See immer noch knietief. Cottonwoods und Weiden wachsen da und dort.

Unter einigen sehr alten Cottonwoods steht ein Wagen. Es ist ein typischer Siedler- oder Heimstätterwagen. Ein Mann, eine Frau und zwei Jungens sind dabei, eine Hütte zu errichten. Die Jungens stellen Lehmziegel her, denn dort bei dem See gibt es eine Stelle, wo man den Lehm herausstechen kann.

Der Mann und die Frau errichten die Wände der Hütte. Es gibt auch schon zwei Corrals. In einem stehen die beiden Pferde des Siedlerwagens. Im anderen Corral sind zwei Milchkühe und ein etwa halbjähriges Kalb zu erkennen.

Die Bugbees staunen. Ja, sie halten sogar die Luft an vor Verblüffung.

Dann stößt Nad hervor: »Hey, was ist das? Seht ihr auch, was ich sehe? Schollenbrecher, Schweinezüchter, verdammte Heimstätter, seht ihr die auch?«

Die anderen nicken. Sie verharren noch einige Atemzüge lang.

Dann sagt Burk heiser: »Denen machen wir Beine. Denn sonst vermehren sie sich wie die Mäuse. Dann haben wir bald überall auf unserer freien Weide solche Burschen. Denen machen wir Beine!«

Sie reiten an. Und nun kommen sie nicht wie bei Adam McGill im Schritt, nein, jetzt lassen sie die Pferde galoppieren.

Sie reiten wild und verwegen auf das Camp zu, wirken angreifend, drohend, gefährlich.

Der Mann tritt neben die Frau. Sie fassen sich beide an den Händen.

Und die beiden Jungens verharren ein Stück entfernt bei ihren Adobeziegeln, die sie in der Sonne trocknen lassen, indes sie mit ihren Holzformen immer wieder neue herstellen.

Die vier Reiter reiten das Siedlerpaar fast nieder. Sie lassen dann ihre Pferde steigen. Der Mann und auch die Frau werden mehrmals gerammt, gestoßen.

Dann verharren sie alle. Auch die Tiere tanzen nicht mehr. Es wird still. Man hört nur das Schnaufen der Pferde. Sättel knarren misstönig. Metallteile des Sattel- und Zaumzeugs klimpern ein wenig- und auch die Sporenrädchen klingeln, wenn die Reiter ihre Füße in den Steigbügeln bewegen.

Und dennoch ist es eine unheilvolle Stille.

Der Mann und die Frau verharren bewegungslos.

Doch sie zeigen keine Furcht. Sie warten ab.

Aber dann sagt die Frau: »Es ist noch Kaffee in der Kanne beim Feuer. Wenn die Gentlemen einen Schluck Kaffee haben wollen...«

Sie verstummt ein wenig hilflos – denn sie sieht vier harte Gesichter ohne jede Freundlichkeit. Sie begreift jetzt schon, dass es für sie und ihre Familie keine Schonung und Duldung geben wird.

Plötzlich schnürt die Angst ihr die Kehle zu. Sie drängt sich noch dichter an den Mann. Dieser ist groß, sehnig, blond und gewiss auch hart. Er trägt noch eine Hose der Rebellen-Kavallerie. Da er seine Jacke auszog, sieht man sein rotes Armee-Unterhemd. Er ist ganz gewiss ein Veteran des letzten Krieges, der endlich zu seiner Familie heimkehren konnte und dann mit ihr aufbrach, um ein Stück Land zu finden. Er hat feste, ruhige, blaue Augen.

Und dieser Mann da kann bestimmt auch kämpfen.

Er sagt nun: »Nun, das war wohl ein etwas wilder Spaß, nicht wahr? Aber uns kann man nicht so leicht erschrecken. Seid ihr Cowboys von einer Ranch? Ich sehe das Brandzeichen auf den Hinterbacken eurer Pferde. Wie heißt das? Ein Viertelkreis und ein großes B. Aaaah, jetzt weiß ich es wieder. Ich habe von dieser Ranch gehört. Sie nennt sich Quarter Circle B, nicht wahr? Aber sie ist ziemlich weit weg von hier. Zehn Meilen bestimmt – oder?«

Er verstummt endlich, und man merkte ihm an, dass er nur sprach, um die Spannung zu lösen, um alles hier zu entkrampfen.

Es ist irgendwie ein verzweifelter Versuch, ähnlich dem der Frau, als sie Kaffee anbot.

Die Bugbees schwiegen bis jetzt, strömten nur gefährliche Unduldsamkeit aus.

Nun aber sagt Nad: »Ihr seid ja verrückt, hier siedeln zu wollen. Ihr seid wahrhaftig total beknackt. Wer hat euch denn zu dieser Dummheit geraten?«

»Hier ist freie Weide«, erwidert der Siedler langsam. »Freie Weide zwischen dem Pecos und Rio Grande. Wir erkundigten uns in El Paso und sahen uns beim Regierungsagenten die Karte an. Wir können hier siedeln.«

»Könnt ihr das wirklich?« Henry Bugbee fragt es mit einem heiseren Gurren in der Kehle, so als lachte er tief unten in der Brust und könnte dieses Lachen nicht ganz unten verborgen halten.

Bevor das Siedlerpaar etwas erwidern kann, mischt Burk Bugbee sich ein.

»Ich glaube, wir müssen es euch ganz genau erklären«, sagt er. »Manchmal ist es wichtig, dass man jemandem etwas genau erklärt. Also, Leute, hört gut zu. Dies hier ist Rinderweide. Schon seit die Mexikaner die ersten Rinder herbrachten, die von den spanischen Kampfstieren – den Toros – abstammten, ist dies Rinderweide. Und dabei bleibt es. Wir haben hier schon einige kleine Rancher zum Teufel gejagt, weil unsere Rinder sich wie Kaninchen vermehren und die ganze Weide bald auf fünfzig Meilen in der Runde von Quarter-Circle-B-Rindern bedeckt sein wird. Da können wir hier keine Siedler dulden. Denn wo im ersten Jahr ein Siedler Fuß fasst, sind es ein Jahr später ein Dutzend Siedler, die sich breitmachen – und dann vermehren sie sich sozusagen im Quadrat. Verstehst du, Siedler, was ich meine, wenn ich vom Vermehren im Quadrat rede?«

Der Siedler nickt stumm.

Doch dann sagt er: »Wir gehen hier nicht mehr weg. Ich bin in den letzten Monaten schon dreimal von einem guten Platz weggegangen, um keinen Streit zu haben. Aber man kann nicht immer wieder weglaufen. Dann wird man bis ans Lebensende von einem Platz zum anderen gejagt. Wir bleiben. Das Heimstättengesetz schützt uns. Wir wollen gute Nachbarschaft halten. Aber...«

Er verstummt, denn er sieht Nad Bugbee den Colt ziehen.

Doch Nad Bugbee zielt nicht auf ihn, sondern zu den beiden Milchkühen hinüber, die da drüben wiederkäuend im Corral stehen.

»Dass man euch Lehmbrechern erst immer eine Lektion erteilen muss...«, sagt Nad Bugbee lässig.

Und dann kracht sein Colt.

Eine der Milchkühe kippt um wie vom Blitz gefällt. Die andere Kuh und das Kalb weichen zurück. Aber Nad Bugbee schießt nochmals – und nochmals.

Er braucht wahrhaftig nur drei Kugeln für die drei Tiere.

Und darauf ist er stolz. Ja, er ist eitel genug, sich seiner Schießkunst zu freuen, so als wäre er ein Zirkusartist, der eine besondere Leistung vollbrachte und nun den Beifall des Publikums genießt.

Der Siedler und dessen recht hübsche Frau stehen steif und starr.

Auch die beiden Jungens verharren drüben bei den Adobeziegeln.

Burk Bugbee aber sagt hart: »Jetzt habt ihr wohl richtig begriffen, dass hier kein Platz für Siedler ist? Die Pferde und den Wagen lassen wir euch. Doch wenn ihr morgen noch hier seid, wenn wir aus der Stadt zurückgeritten kommen, dann werdet ihr zu Fuß von hier weglaufen müssen. – Reiten wir!«

Seine beiden letzten Worte gelten den Brüdern.

Und so reiten sie davon – das heißt, sie wollen es tun.

Doch plötzlich bewegt sich der Siedler. Er läuft zum Wagen. Dort steht sein Gewehr neben dem Fahrersitz in einem Gewehrhalter.

Er reißt es herunter, repetiert es durch und wirbelt herum.

Aber Nad Bugbee gibt ihm keine Chance. Er hält seinen Colt immer noch in der Hand, steckte ihn also noch nicht weg. Und er wartet gar nicht, bis der Siedler sich ihm zuwandte. Er schießt ihm in die Seite – zweimal. Er trifft ihn nicht weniger gut wie die beiden Milchkühe.

Der Mann stößt nur noch einen leisen Laut aus. Dann fällt er.

Die Frau schreit auf – hell und kreischend. Sie läuft zum Mann hinüber. Und auch die beiden Jungens kommen herangelaufen, brüllend vor Schreck und Angst um den Vater.

»Der wollte mich wahrhaftig erschießen«, sagt Nad Bugbee. »Ein Glück, dass ich schneller war als er.«

Die beiden Brüder und der Vetter nicken.

Sie ziehen ihre Pferde herum und reiten davon.

»Jetzt werden die bestimmt nicht mehr hier siedeln!«, ruft Hank Mifflin seinen drei Vettern zu.

Als sie sich noch einmal umsehen und auch dorthin zurückblicken, von wo sie hergeritten kamen, sehen sie einen Reiter.

Sie erkennen ihn sofort.

Es ist Adam McGill auf seinem roten Wallach.

Sie halten an.

»Jetzt machen wir auch ihn klein!« Dies fordert Nad Bugbee, denn er befindet sich jetzt in einem Zustand, der fast wie ein Rausch ist.

»Nein!« Burk Bugbee entscheidet es sofort. »Nein!« Dies spricht er nochmals nachdrücklich. Und weil sie ihn dumm anstarren, erklärt er es ihnen.

»Der wird als Rindermann nur allein für uns Partei ergreifen können«, sagt er. »Der kann nicht zu den Siedlern halten. Und wenn die Frau gegen uns Anzeige erstatten sollte, dann wird es gut sein, wenn wir einen Zeugen haben, der aussagen kann, dass der Mann zum Gewehr griff.«

»Und wenn er gegen mich aussagt?« Dies fragt Nad Bugbee wild.

»Dann schützt ihn unser Vater nicht länger mehr, nur weil er der Sohn seines alten Kriegskameraden ist. Dann können wir ihn erledigen, ohne unseren Alten wütend zu machen. Und seine Aussage gegen dich, Nad, würde nichts nützen. Gar nichts! Er weiß das alles so genau wie wir. Es wird ihn demütigen, weil es beweist, wie groß wir in diesem Lande sind. Kommt! Wir reiten nach Amelie.«

Sie folgen ihm. Aber sie blicken sich noch mehrmals um und sehen, dass Adam McGill zu den Siedlern ins Camp reitet. Die Frau und die beiden Buben knien immer noch bei dem niedergeschossenen Manne.

Als Adam McGill die Gruppe erreicht und das Pferd anhält, wenden sie sich erschreckt. Die Frau sagt wild und heiß: »Aaaah, gehören Sie auch zu diesen Mördern? Wollen Sie jetzt mich und die Buben umbringen? Oh, ihr verdammten Mörder! Was gibt euch das Recht...« Sie verstummt endlich. Sie bekommt sich unter Kontrolle. Sie ist wie von Sinnen vor Schmerz und der bitteren Erkenntnis, hilflos zu sein.

»Ist er tot?« Dies fragt McGill vom Sattel nieder. Er schwingt sich vom Pferd.

»Nein, ich gehöre nicht zu diesen Banditen«, sagt er und kniet dann neben dem Manne. Dieser ist tot. Es gibt keinen Zweifel daran.

Nad Bugbee hat den Siedler getötet.

Er hört die Stimme eines der beiden Jungens hinter sich sagen: »Mam, soll ich ihn erschießen?«

Er wendet den Kopf, blickt kniend über die Schulter und sieht, dass einer der beiden Buben das Gewehr des Vaters aufnahm und damit auf ihn zielt. Über die Wangen des Jungen laufen Tränen. Er hält seine Unterlippe mit den Zähnen fest. Der Junge ist gewiss nicht älter als zwölf.

Doch er wird abdrücken. Er ist vor Schmerz nicht mehr bei Sinnen. Er möchte etwas tun, was ihm, seinem Bruder und der Mutter irgendwie Erleichterung bringt. Ja, er will Rache, und er hofft, dass sie das Schreckliche dann besser ertragen können.