G. F. Unger Sonder-Edition 205 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 205 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Ich sah in High Slades Mündungsfeuer und spürte den Rückstoß meines Colts in der Faust. Die Kugel traf mich und ich schwankte, doch ich blieb auf den Beinen.
Immer noch blitzten und krachten die Colts. Es gab keine Gnade in Dead Dog City. Das Silberfieber hatte alle verrückt gemacht.
Erst nach dem vierten Schuss musste ich auf die Knie. Ich wäre fast vornüber gefallen, doch ich konnte mich gerade noch mit der rechten Hand aufstützen. Mit der Linken schoss ich weiter.
High Slade drehte sich plötzlich zur Seite. Er schoss irgendwohin, nur nicht mehr auf mich. Und dann sah ich ihn noch fallen, bevor es schwarz wurde vor meinen Augen ...


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Seitenzahl: 189

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Stadt der toten Hunde

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0662-9

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Stadt der toten Hunde

In der dritten Nacht irgendwann, da glaubte ich, dass ich die roten Jungens abgeschüttelt und von meiner Fährte gebracht hatte. Auch Beißer, der Hund, welcher bei mir war, weil er zu mir gehörte, war offensichtlich meiner Meinung. Aber vielleicht war auch er so erschöpft wie ich und konnte nicht mehr.

Mein Pferd war kurz vor dem Sonnenuntergang zusammengebrochen, und es war ein erstklassiges Tier gewesen, welches mich ohne Sattel zweihundert Dollar gekostet hatte. Dies war der zehnfache Preis eines Durchschnittspferdes.

Wir – also Beißer und ich – waren am Ende unserer Zähigkeit. Denn die Apachen jagten uns nun schon drei Tage und auch die dritte Nacht. Als wir die Wasserstelle erreichten, war dies unsere allerletzte Rettung. Und dann schliefen wir auch bald ein.

Oh, ich war kein Narr! Ich lebte schon lange genug in diesem verdammten Lande, welches so schön war, dass man es liebte, obwohl man es manchmal verfluchte. Ich kannte mich auch gut genug mit den Apachen aus.

Dennoch schlief ich ein.

Denn ich brauchte wenigstens eine Stunde. Und auch Beißer ging es so.

Noch bevor ich gewissermaßen wie ein Stein in bodenloser Tiefe versank, nahm ich mir fest vor, in einer Stunde wieder aufzuwachen. Das hatte bisher in meinem Leben immer geklappt, wenn ich in einer Klemme saß.

Und so würde es sicher auch diesmal klappen.

Das wusste ich sehr sicher.

Doch ich wurde früher wach, kämpfte mich gewissermaßen blitzschnell hoch aus jenen dunklen Tiefen des Schlafes der völligen Erschöpfung und kam empor zum Licht.

Ich sah die strahlenden Sterne des Arizona-Himmels, und im selben Moment begriff ich, warum ich wach geworden war.

Beißer kämpfte schon für mich.

Und er tat es knurrend. Beißer war ein Hund, der selten bellte, eigentlich nur knurrte. Nein, er war kein Großmaul. Aber er konnte es auch mit einem Wolf aufnehmen.

Jetzt kämpfte er mit Apachen. Er hielt sie um genau die winzige Zeitspanne auf, die ich brauchte, um meinen Colt in die Hand zu bekommen.

Dann ging es schnell.

Denn wenn ich meinen Colt erst mal schnappte, hatte ich immer sechs Freunde auf meiner Seite, kleine heiße Bleidinger nur, aber sehr wirkungsvoll.

Es waren drei Apachen.

Einer wollte sich mit dem im Sternenlicht blinkenden Messer gerade auf mich werfen. Ich hatte keine Wahl. Ich musste schießen.

Ich konnte mich noch wegrollen, bevor er sterbend dorthin fiel, wo ich soeben noch gelegen hatte.

Dann schoss ich weiter, traf den zweiten Apachen.

Und dem dritten war Beißer an die Gurgel gegangen.

Es war vorbei.

Ich schnaufte und sagte dann: »Brav, Beißer, brav, mein Bester.«

Aber er seufzte nur, und dieses Seufzen klang fast menschlich.

Oh, ich wusste sofort, dass es ihm nicht gutging. Er hatte ganz böse etwas abbekommen, als er die Apachen aufhielt, um mir eine Chance zu verschaffen.

Ich hatte es nicht weit zu ihm, brauchte mich nicht mal zu erheben, konnte zu ihm kriechen.

Und im Sternenlicht sah ich dann seine Wunden.

Die Apachen hatten ihre Messer mehrmals in ihn gestoßen. Normalerweise hätte er schon tot sein müssen. Doch er war ein Kämpfer. Ich tat im Sternenlicht für ihn, was ich nur konnte. Doch zuletzt konnte ich nur noch seinen Kopf auf meine Oberschenkel legen und ihm ein wenig das Fell kraulen. Er kämpfte immer noch gegen das Sterben, so als wollte er noch einmal die Sonne hochkommen sehen. Ich sprach zu ihm, und es kam dabei nicht auf meine Worte an; er hörte alles, was ich ihm sagen wollte, am Klang meiner Stimme.

»Wir beide«, sagte ich zuletzt, als die Sonne hochkam, »hatten zusammen eine verdammt gute Zeit. Und wenn es einen Vater im Himmel gibt, dann wird der uns eines Tages gewiss wieder zusammentun, damit wir auch dort oben wieder Spaß haben. Ja, das glaube ich. Bestimmt, alter Junge. Adios.«

Er verstand es.

Und er leckte mir noch einmal die Hand.

Dann war er tot.

Und die Sonne war da und schien auch auf die drei toten Apachen.

Nein, ich hasste sie nicht. Ich hatte zwei von ihnen töten müssen, doch hasste ich sie nicht. Denn sie kämpften in ihrem Lande, welches sie – einst in grauer Vorzeit von Alaska kommend – erobert hatten, ums nackte Überleben. Die Weißen zahlten Prämien für Apachenskalpe, auch für die von Frauen und Kindern.

Wer konnte es den Apachen verdenken, dass sie nun auch ihrerseits jeden Weißen zur Hölle zu schicken versuchten? Bei mir war es ihnen nicht geglückt. Ich hatte auf der Flucht schon einige von ihnen erledigt. Diese drei da waren vielleicht die letzten des Rudels, welches mir gefolgt war.

Ich schaffte sie ein Stück von der Wasserstelle fort.

Dann sah ich mich nach einem schönen Platz für Beißer um.

Denn den ließ ich nicht von den Aasfressern in Stücke reißen.

Was sollte ich tun? Ich hatte kein Grabwerkzeug. Die Apachen hatte ich in eine Bodenspalte gelegt und mit Geröll zugedeckt. Für Beißer suchte ich eine ähnliche Möglichkeit.

Es gab eine kleine Senke, die so wirkte, als wäre mal ein großer Stein vom Himmel gefallen. Am Rande wuchs ein Busch, dessen Wurzeln schon halb in der Luft hingen, weil unter ihm das Erdreich weggerutscht war.

Ich legte Beißer in die Höhlung und packte dann den Busch. Denn wenn ich ihn rausriss, würde noch mehr Erdreich wegrutschen wollen und musste dabei Beißer zudecken.

Ich tat es also, und es klappte auch.

Aber dann sah ich, was unter dem Busch gewesen war.

Oh, ich war gewiss kein Experte in dieser Hinsicht, doch ich wusste sofort, was es war. Ich brauchte die Dinger eigentlich gar nicht in die Hand zu nehmen, die da zwischen dem Wurzelwerk des Busches waren.

Nein, es war kein Gold.

So toll war es nicht.

Aber es war Silber. Ich scharrte und räumte noch mehr weg, riss noch einige kleinere Büsche aus, kroch über den Rand der Senke und bekam es dann ziemlich sicher heraus.

Ich war auf eine Silberader gestoßen. Sie lag kaum einen Fuß tief unter der Oberfläche. Die Wurzeln der Büsche waren hineingewachsen in die vielen Verästelungen. Wenn man die Büsche herausriss, blieb auch etwas vom Silbererz daran hängen.

So war das also.

Ich war kein Experte, wie ich zuvor schon mal erwähnte. Doch die Ader war gewiss nicht klein. Weil ich meinen toten Hund beerdigen wollte, fand ich Silber.

Beißer hatte mich gewissermaßen zu diesem Glück gezwungen. Er war mir ein so treuer Gefährte gewesen, dass ich es nicht fertigbringen konnte, ihn den Aasfressern zu überlassen.

Und deshalb fand ich das Silber.

Verdammt noch mal, was machte sich das Schicksal in seiner Laune doch manchmal eine Menge Spaß mit uns Menschen.

Denn nun wurde alles anders für mich.

Wenn ich mich nicht wie ein Hammel anstellte, war ich reich geworden.

Ich dachte wieder an die Apachen.

Eine Weile hatte ich sie vergessen.

Doch die drei Krieger waren wohl die letzten des Rudels. Hätte es noch einen einzigen gegeben, würde der mich längst schon angegriffen haben.

Ich ging zur Wasserstelle, um mich noch einmal zu erfrischen und alles zu überdenken. Denn jetzt durfte ich keinen Fehler mehr machen.

Nach einer Weile ging ich wieder hin und tat die ausgerissenen Büsche sorgsam in den Boden. Ich verwischte all meine Spuren bei der Silberader, ja, ich schleppte mit meinem Hut sogar einige Male Wasser zu den Büschen, damit diese nicht abstarben, sondern wieder richtig wurzelten.

Dann wusch ich mich. Die Sonne brannte schon heiß. Ich schwitzte von der Arbeit und musste einige Stunden ausruhen. Doch zuvor suchte und fand ich noch die Pferde der Apachen.

Eines der Tiere starb soeben.

Das zweite war ebenfalls erledigt und würde es vielleicht auch nicht überstehen. Doch das dritte Tier – ein hagerer Mustang – sah so aus, als könnte er es noch einigermaßen schaffen. Ich band die Tiere los. Sie hatten das Wasser längst gewittert und gingen von selbst.

Der andere Gaul war nun tot. Er war ein Kavallerie-Pferd, welches der Apache gewiss erbeutet hatte, irgendwann und irgendwo.

Ich fand bei den Siebensachen der Apachen auch etwas zu essen.

Und so ging es mir einige Stunden später etwas besser.

Als ich mich auf den Weg machte, war es schon später Nachmittag.

Mein Ziel war Tucson.

Dort konnte man einen Silber-Claim anmelden und registrieren lassen.

In meinem wenigen Gepäck, welches ja den Apachen gehörte, waren auch einige Brocken Silbererz.

Ich fragte mich, wie es nun weitergehen würde mit mir.

Denn aus diesem Claim würde bald schon eine Mine werden, dessen war ich sicher. Es gab ein Gesetz, nach dem ein Claimbesitzer dem Verlauf einer Silberader folgen konnte, wenn er diese Ader zuerst entdeckt hatte.

Doch was sollte ich mit einer Mine?

Ich war ein Reiter, ein Rindermann, Wildpferdjäger, Scout und Wagenzugführer. Manche Leute nannten mich auch einen Revolvermann. Ich hatte schon zweimal in wilden Camp-Städten den Stern getragen und war auch der Beschützer von Geldtransporten gewesen.

Nur mit Minen hatte ich keine Erfahrung. Für mich waren diese Minenleute menschliche Maulwürfe. So konnte ich nicht leben. Ich war ein Reiter, musste Hitze, Kälte, Wind und Regen spüren, all die Düfte dieser Welt wittern. Aaaah, für einen Reiter gab es in diesem Lande tausend Dinge – zum Beispiel bunte Kolibris, die um die Honigblüten von Cholla-Kakteen schwirrten.

Was also sollte ich mit einer Silbermine?

Aber bis Tucson, dessen Bürger für Apachenskalpe Belohnungen zahlten, waren es noch zwei Tagesritte. Ich konnte also noch reichlich lange nachdenken.

Tucson war damals ein böses Nest, sozusagen eine Insel im Apachenland wie eine richtige Insel in einem von Piraten und Haifischen verseuchten Meer.

Nach Tucson kamen auch all die Bösen und Sündigen.

Aber natürlich gab es in dieser Stadt auch einige Gute und Reine.

Als ich beim Wagenhof der Post- und Frachtlinie vor beikam, stand der Agent vor dem Office auf der Veranda und winkte mir zu: »Hey, Joe McAdams, wo kommst du denn her? Ist das ein Apachenpferd? Wie sieht's denn aus dort draußen? Ich könnte dich als Begleitmann für die Kutsche nach Nogales gebrauchen. Jemand hat Pit Henry vom Bock geschossen bei den Black Soldiers. Willst du ...«

»Nein«, sagte ich und grinste ihn an. »Ich werde nie mehr auf einer von euren verdammten Kutschen fahren«, sagte ich im Vorbeireiten über die Schulter zu ihm hinüber.

Er zuckte etwas zusammen, denn meine Abweisung schmerzte ihn. Als er mich kommen sah, hatte er gewiss ganz plötzlich eine Hoffnung geschöpft. Doch sie war nun zusammengefallen wie ein Kartenhaus.

»Was ist denn los mit dir, Joe McAdams?« So fragte er hinter mir her. Doch ich blickte mich nicht mehr um, sagte auch nichts mehr.

Ich wusste jedoch, dass er mir nun nachsehen würde. Aber das war mir gleich. Sie würden ja jetzt gleich alle sehen hier, dass ich zuerst zum Office des Erzprüfers ritt.

Und wenn ich von dort wieder zum Vorschein kam, würden sie sehen, dass ich zum Office des Regierungsbeauftragten ging, zu dessen Aufgaben es auch gehörte, Claimanmeldungen zu registrieren.

Ich kam an einem Saloon vorbei, und es juckte mich nach einem Schluck Feuerwasser und einem Glas kühlen Bier. Doch ich beherrschte mich, ritt weiter und erreichte den Labor-Laden des Erzprüfers.

Als ich dem mickrig aussehenden Männchen die Brocken auf den Tisch legte, begannen seine Augen hinter dem Kneifer zu funkeln.

Er nahm die Dinger.

Und eine Weile später wusste ich es genau.

»Ich habe hier in diesem Lande noch kein Erz mit höherem Silbergehalt vorgelegt bekommen«, sagte er. »Wo haben Sie das ...«

Er wollte gewiss fragen, woher ich die Brocken hatte. Doch mein Grinsen ließ ihn schweigen.

Ich sagte grinsend: »Das liegt bei meinem toten Hund. Ich werde die Mine ganz einfach Deaddog-Mine nennen, jawohl, Toter-Hund-Mine!«

Nach diesen Worten ging ich hinaus. Die genaue Analyse würde ich später schriftlich bekommen. Da brauchte der Erzprüfer noch etwas Zeit.

Ich ließ mein Pferd am Wassertrog stehen und ging zum Registrierbüro.

Jetzt beobachteten mich schon einige Leute. Denn hier in Tucson lagen immer welche auf der Lauer, waren irgendwie mit Geiern zu vergleichen, die geduldig auf Bäumen oder Felsen hockten, denen aber nichts entging, gar nichts.

Der Mann im Registrierbüro war brummig.

Aber er tat seine Pflicht, trug alles ein, was ich ihm auftrug und beschrieb.

Dann fragte er nach einem besonderen Erkennungs- oder Beweiszeichen.

Ich grinste und sagte: »Ein toter Hund liegt dort begraben. Er hat ein Halsband mit einem Schild. Auf dem Schild steht sein Name: Beißer. Ein toter Hund liegt auf der Silberader.«

Er nickte.

»Das ist wichtig«, sagte er. »Denn das hungrige Rudel wird sich um die besten Claims prügeln. Der Sheriff wird zwei Deputies hinausschicken müssen, wenn es losgeht. Eine Silberader macht sie alle verrückt. Aber um Sie brauche ich mir wohl keine Sorgen zu machen, Mr. McAdams. Sie haben ja einen gewissen Ruf.«

»Ja«, nickte ich. »Den habe ich. Wie schön, dass ich diesen Ruf habe. Das erspart mir vielleicht ...«

Ich winkte ab und nahm die Urkunde, die er mir inzwischen ausgestellt hatte. Sie hatte eine Registriernummer. Es war die Nummer siebenhundertsiebenundfünfzig. Ich konnte jetzt mein Bier trinken gehen.

Denn der Entdecker-Claim einer reichen Silberader war mir nun nicht mehr zu nehmen. Es war alles registriert.

Und dennoch ... Oha, in diesem Lande war eine Menge möglich. Und man hatte auch schon mehr als einem Burschen meiner Sorte das Fell über die Ohren gezogen, weil er sich überschätzte.

Ich stand bald schon am Schanktisch eines Saloons und trank das Bier in langen, durstigen Zügen. Hinter mir hatten sich Männer hereingedrängt. Nun keilten sie mich ein, aber sie warteten, bis ich das Glas geleert hatte. Das gerade noch billigten sie mir zu.

Aber als ich das Glas absetzte, wurden sie unruhig. Es war eine Spannung im Raum, eine gierige Ungeduld.

Eine heisere Stimme sagte: »Also, Joe McAdams, jetzt sag es schnell! Wir haben gewartet, bis alles für dich registriert ist und du dein Bier trinken konntest. Aber jetzt beschreibe uns den Weg, damit auch wir dort unsere Claims abstecken können. Na los, Joe McAdams!«

Ich kannte den Sprecher. Er hieß Burt O'Nelly, und er war ein böser Pilger, der auch schon Apachenkinder geraubt und drüben in Mexiko verkauft hatte. Denn drüben auf den Plantagen gab es noch die Sklaverei. Und in gewissen Bordellen mussten sehr junge Mädchen, fast Kinder noch, Männer empfangen.

Dieser Burt O'Nelly machte alles für Geld, einfach alles.

Ich sah mich um, blickte rechts und links neben mich, wandte mich und sah nun die, welche hinter mir gestanden hatten. Sie drängten sich möglichst nahe heran, um auch nur ja kein Wort zu verpassen, wenn ich reden sollte. Ich sah in gierige Gesichter – aber auch in hoffnungsvolle. Es gab auch hier ein paar anständige und reine Burschen.

Aber alle zusammen gehörten sie mehr oder weniger zu den bisher Erfolglosen in diesem Lande, denen noch kein großes Geschäft geglückt war, die noch keinen guten Job hatten oder wieder mal blank waren – so wie Burt O'Nelly, dessen Leidenschaft das Spiel und vor allem die Weiber waren. Es kamen immer noch neue Leute in den Saloon. Eine Stimme fragte schrill: »Hat er es schon gesagt?«

Aber niemand gab Antwort.

Sie alle betrachteten mich, ließen mich fühlen, spüren, dass ihre Geduld nun bald zu Ende war.

Ich sagte: »Reitet nach Nordwesten in die Bradshaws hinein. Folgt dem alten Spanierweg bis zu den Seven Cliffs. Dann müsst ihr durch die Silverthisle Hills bis zur Spanish Bit Springs. Dort ist es. Drei tote Apachen sind dort begraben. Und ein toter Hund. Haut ab, damit ich in Ruhe mein Bier trinken kann.«

Sie starrten mich einige Sekunden lang misstrauisch an, so als befürchteten sie, dass ich sie angelogen haben könnte. Aber einige von ihnen kannten das Land einigermaßen und konnten sich unter meiner Beschreibung etwas vorstellen. Und dann kamen sie in Bewegung.

Das Rennen nach den besten Claims neben dem Entdecker-Claim hatte begonnen. Ich aber würde von jedem Claim, über den meine Silberader lief, die Hälfte des Gewinns abbekommen. Das war Gesetz.

Der Wirt des Saloons starrte mich böse an. Das konnte ich gut verstehen, denn ich hatte ihm ja eine Menge Stammgäste fortgelockt.

Sein Barmann, der neben ihm stand und mich bedient hatte, band sich die Schürze los, die er noch trug, weil er kurz zuvor Gläser spülte. Er warf die Schürze auf den Schanktisch und sah seinen Boss an.

»Ich gehe auch«, sagte er und verschwand.

Der Wirt sagte nichts.

Ich zahlte mein Bier und ging zur Tür.

Erst dann holten mich die Worte des Wirtes ein: »Ein toter Hund liegt dort? Ist das der Hund, mit dem Sie immer unterwegs waren, Joe McAdams?«

Ich nickte über die Schulter blickend.

Er grinste. »Bald werden viele tote Hunde dort begraben sein«, sagte er dabei. »Zweibeinige! Wenn dort so viel Silber zu finden ist, entsteht eine neue Hölle auf Erden, ein schmutziges Silber-Babylon. Und eines Tages kommen alle Verlierer wieder nach Tucson zurückgekrochen. So war es schon einige Male, wenn jemand kam, der irgendwo auf Gold oder Silber gestoßen war.«

»Sicher«, erwiderte ich. »Es gibt überall Verlierer.«

Dann trat ich hinaus. Das Apachenpferd stand immer noch drüben beim Wassertrog. Und aus dem Labor-Office des Erzprüfers traten zwei Männer. Sie sahen zu mir her. Einer, der wie ein Boss aussah, sagte etwas zu seinem Begleiter. Und dieser Mann setzte sich in Bewegung. Er winkte mir leicht zu, so als wollte er sagen: »Warte, ich will zu dir.«

Ich wartete, und indes er sich näherte, konnte ich ihn betrachten und abschätzen.

Ich war mir sofort darüber klar, dass ich da einen zweibeinigen Wolf kommen sah, einen erfahrenen, narbigen Wüstenwolf.

Warum gerade Wüstenwolf? Nun, lieber Leser meiner Geschichte, mit den Wüstenwölfen war es so, dass sie nicht besonders stattlich aussahen. Sie waren kleiner, wirkten farbloser, waren mager. Nein, sie boten keinen imposanten Anblick. Man konnte sie leicht für schüchterne und bescheidene Hunde halten.

Aber sie waren gefährlicher und erfahrener als Wald- oder Büffelwölfe.

Das Leben in der Arizona- oder Apachenwüste hatte sie zu besonderen Lebewesen geformt. Sie mussten sich oft von Klapperschlangen ernähren, weil sie kein anderes jagdbares Wild fanden.

So viel über Wüstenwölfe.

Und da kam ein zweibeiniger heran.

Auch er wirkte farblos, mager, war nicht imposant anzusehen. In seinem dreieckigen Gesicht war eine schmale Nase, ein fester, breiter Mund. Seine Augen waren etwas schräg – und es waren Wolfsaugen. Er bewegte sich wie ein Wüstenwolf, der sich einer Klapperschlange nähert.

Vielleicht hielt er mich für so gefährlich. Ja, ich hatte hier im Südwesten einen gewissen Ruf. Ich hatte ihn noch nie gesehen, und dennoch wusste ich schon, wer er war. Denn auch er besaß jenen Ruf.

Als er vor mir verhielt, musste er zu mir aufblicken. Er war fast einen ganzen Kopf kleiner als ich. Doch ich hatte mich noch niemals von kleinen Burschen täuschen lassen, wenn es sich um harte Burschen handelte. Diese Sorte hatte schon als kleine Jungens härter schlagen und den Verstand stärker gebrauchen müssen, um sich nicht unterbuttern zu lassen.

Er sagte zu mir empor: »McAdams, nicht wahr? – Ich bin High Slade. Der Gentleman dort drüben ist mein Boss Josuah Faversham. Er vertritt die Arizona-Minen-Gesellschaft. Und er möchte Sie zum Essen einladen, um sich mit Ihnen ein wenig über Minen und Geschäfte zu unterhalten. Wollen Sie?«

Ich wollte, denn ich war ja nicht blöd. Warum sollte ich mich nicht mit einem Mann über Minen und Geschäfte unterhalten? Man konnte immer etwas lernen bei solchen Gesprächen. Und überdies ahnte ich schon, was da auf mich zukam. Ich sah hinüber zu ihm. Er stand nun vor dem Restaurant und winkte mir leicht zu. Ich winkte zurück. Indes er im Restaurant verschwand, ging ich mit High Slade schräg über die Straße hinüber.

Slade sagte: »Ich habe schon ein paar Geschichten über Sie gehört, McAdams.«

»Und ich über Sie«, erwiderte ich. »Zahlt Mr. Faversham denn gut? Sind Sie sein Leibwächter – oder?«

»Die Arizona-Minen-Gesellschaft zahlt gut«, erwiderte er. »Sie wissen ja, McAdams, wie das hier in diesem Lande so ist. Das Gesetz ist manchmal schwach oder hundert Meilen weit entfernt. Es wäre auch ein Job für Sie, McAdams. Doch solche Jobs haben Sie ja jetzt nicht mehr nötig.«

Es klang eine feine Spur von Neid in seiner kühlen, leidenschaftslosen Stimme, die metallisch klang. Diese Stimme würde wohl auch bei Freude, Zorn oder Schmerz nicht anders klingen.

Dass ich dennoch eine Spur von Neid zu spüren glaubte, ließ darauf schließen, dass dieser Neid vielleicht in seinem Kern ein Höllenfeuer war.

Josuah Faversham saß schon am besten Tisch. Aber als er mir die Hand schüttelte, erhob er sich. Er behandelte mich wie einen gleichwertigen Mann, versuchte nicht den Boss darzustellen. Er war etwa fünf Jahre älter als ich, und er ließ mich an einen Toro denken, an einen dieser spanischen Kampfstiere, die man nicht reizen darf, weil sie dann alles auf die Hörner zu nehmen versuchen.

Josuah Faversham war um die Hüften und den Leib etwas füllig geworden, weich. Man konnte da gewiss eine harte Faust tief ins Fleisch stoßen. Er lebte nicht mehr so gesund wie ein Reiter, sondern reiste in bequemen Kutschen. Er speiste üppig, schlief lange und würde in wenigen Jahren fett sein.

Doch sein Verstand war gewiss noch nicht degeneriert. Im Gegenteil, solche bequem gewordenen Burschen von seiner Sorte glichen mit ihrem Verstand alles aus.

Die Bedienung brachte uns das Essen. Es gab nur dieses eine Menü, und heute war es Hammelfleisch mit Reis. Dazu gab es Apfelmus. Der Hammelbraten war zuvor in Buttermilch eingelegt worden.

Mir schmeckte es köstlich nach all den vielen Tagen karger Kost.

Wir plauderten lässig dabei, redeten über viele Dinge, nur nicht über Silber, Minen und Geschäfte.

Aber als wir dann zum Nachtisch den Kaffee und den Kuchen bekamen, da kam auch Josuah Faversham zur Sache. Er machte es knapp, fast hart. Und er sagte: »Sie sind kein Minen-Mann, McAdams. Ich bin einer. Und ich vertrete die leistungsfähigste Minen-Verwertungsgesellschaft des ganzen Südwestens. Verkaufen Sie mir den Entdecker-Claim. Ich zahle fünftausend sofort in bar. Und dann bekommen Sie Monat für Monat zehn Prozent vom Gewinn. Sie haben dabei das Recht zur ständigen Kontrolle. – Wollen Sie?«

Es war kein Drohen und kein Druck in seiner Stimme.

Aber ich wusste, dass er nicht mit sich handeln lassen würde. Ich wusste es einfach mit meinem sicheren Instinkt. Ein Mann wie Faversham handelte nicht. Er machte sein Angebot. Wenn man es ablehnte, passte er – aber er gab noch längst nicht auf. Er würde nur andere Wege gehen. Das wusste ich ebenfalls ziemlich sicher.

Ich blickte auf seinen Revolvermann High Slade.

Dessen Wolfsaugen betrachteten mich glitzernd.

Slades Blick ließ mich eine Menge spüren und erkennen, mehr als viele, viele Worte es gekonnt hätten.