G. F. Unger Sonder-Edition 211 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 211 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Während der Abwesenheit des Häuptlings und der meisten Krieger überfielen zweihundert Bürger aus Tucson ein Apachendorf, töteten und skalpierten einhundertacht Frauen und Kinder und brachten neunundzwanzig Apachenkinder als Gefangene nach Tucson. Dort wurden sie als Sklaven an einen mexikanischen Händler verkauft. Der Häuptling fand nach seiner Rückkehr seine Frau und seine fünf Kinder unter all den anderen Leichen im zerstörten Dorf. Er schwor grausame Rache und baute eine Falle.
Der Köder war Gold - Apachengold!


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Seitenzahl: 194

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Apachengold

Vorschau

Impressum

Apachengold

Vorwort

Lieber Leser, für viele Begebenheiten dieser Geschichte gibt es historische Beispiele. In den Städten damals zu beiden Seiten der Grenze wurden tatsächlich Prämien für Apachenskalpe gezahlt – und zwar auch für Frauen- und Kinderskalpe. Zu diesen Städten, deren Bürger sich fälschlich für Christen hielten, gehörte damals auch Tucson. In Tucson zahlte man noch bis gegen 1880 Prämien für Skalpe.

Und noch ein Beispiel sei hier erwähnt, durch welches ebenfalls die Bürger von Tucson zu heute trauriger Berühmtheit gelangten: In den siebziger Jahren überfielen etwa zweihundert Bürger der Stadt Tucson im Ariwaipa-Canyon das Dorf des Ariwaipa-Apachen-Häuptlings Ezkimenzin, der mit seinen Leuten sogar sesshaft geworden war und Ackerbau betrieb. Sein Dorf war fast ein richtiges Farmer- oder Siedlerdorf geworden.

Die zweihundert Bürger hatten überdies auch noch Glück, denn der Häuptling und die meisten seiner Männer waren nicht daheim, sondern zum Pferdehandel in Mexiko.

Die Leute aus Tucson töteten und skalpierten einhundertacht Frauen und Kinder und brachten neunundzwanzig Apachenkinder als Gefangene nach Tucson.

Dort wurden diese »Gefangenen« als Sklaven an einen mexikanischen Händler verkauft, der sie zu den Plantagen in Mexiko transportieren ließ.

Der Häuptling Ezkimenzin fand nach seiner Rückkehr seine Frau und seine fünf Kinder tot und verstümmelt unter all den anderen Leichen im zerstörten Dorf.

Natürlich begann er wieder gegen die Weißen zu kämpfen.

Es gab auch noch andere Häuptlinge, denen es so ähnlich erging wie jenem Ezkimenzin. Auch sie versuchten Rache zu nehmen.

Einer dieser Häuptlinge war Chaco. Er baute eine Falle. Und der Köder war Gold, Apachengold!

Cid Shaynnon reitet vorsichtig durch das Land, denn er kennt sich aus. Wenn eine Überlandkutsche überfällig ist, dann gibt es eigentlich nur drei Möglichkeiten, nämlich Radbruch, Banditen oder Apachen.

Diesmal sind es gewiss Apachen. Daran kann es kaum einen Zweifel geben, nachdem die Bürgermiliz von Mesa über Chacos wanderndes Dorf herfiel, die meisten der Frauen und Kinder tötete und alle anderen in alle Winde jagte.

Chaco und dessen Krieger aber waren nicht bei ihrem wandernden Dorf. Sie waren vorausgeritten, weil ihre Späher ihnen eine große Wildpferdherde meldete, die sie gerne fangen wollten.

Dies alles wurde in den vergangenen Tagen bekannt. Auch Cid Shaynnon hörte es.

Und als dann die Postkutsche von Santa Fé überfällig wurde, begann er sich Sorgen zu machen.

Jetzt also reitet er ihr entgegen. Dies tut er nicht nur aus eigenen Beweggründen, sondern auch im Auftrag der Post- und Frachtlinie.

Er hält sich abseits des staubigen Wagenwegs, bleibt aber dennoch in Sichtnähe. Immer wieder hält er in guter Deckung an, prüft, späht, wittert.

Ein Mann wie Cid Shaynnon verlässt sich in diesem Lande oftmals nur allein auf seinen Instinkt. Denn hier ist es so, dass man manchmal die Apachen zuerst wittern kann, bevor man sie sieht. Und sieht man sie endlich, ist es zumeist schon zu spät. Dann kann man nur noch verzweifelt ums Leben kämpfen.

Das Land ist staubig, hitzeverdorrt. Nur da und dort gibt es etwas Grün bei roten Felsen. Dort an diesen Stellen ist noch etwas Wasser in den Löchern des Creeks. Oder unterirdische Quellen befinden sich dicht unter der Oberfläche, so dicht, dass die Wurzeln bis zu ihnen reichen.

Und dann sieht Cid Shaynnon die Frau.

Ja, es ist eine Frau. Sie quält sich am Rande des Wagenweges entlang nach Süden, kommt ihm also entgegen und aus der Richtung, aus der auch die überfällige Postkutsche kommen müsste, nach deren Staubwolke er bisher immerzu Ausschau hielt mit einer immer schwächer werdenden Hoffnung.

Sie ist eine noch junge Frau, und sie trägt ein recht modernes Reisekostüm, wie man es in diesem Lande hier selbst in Städten wie Tucson nur selten zu sehen bekommt. Es scheint die neueste Mode aus New Orleans oder östlich des Mississippis zu sein, vielleicht jedoch aus Saint Louis.

In solch einer Kleidung reist man hier in diesem Lande nur in Postkutschen. Nein, so geht man nicht zu Fuß, reitet auch nicht so.

Cid Shaynnon atmet langsam aus.

Ja, nun ist er sicher, dass der überfälligen Postkutsche etwas zustieß und diese Frau dort entweder Hilfe holen will oder die einzige Überlebende ist.

Zu anderen Schlüssen kann ein erfahrener Bursche wie Cid Shaynnon in diesem Land und im Bewusstsein der Apachengefahr nicht kommen.

Noch einmal blickt er in die Runde, überzeugt sich, ob sich irgendwo etwas bewegt. Doch er ist nun ziemlich sicher, dass keine Apachen in der Nähe sind. Sonst hätten sie sich längst schon diese junge Frau geholt.

Diese kam nun etwas näher. Sie ist ziemlich zerzaust, voller Staub, auch gewiss voller Dornen. Ihr aus der Ferne so modern und elegant wirkendes grünes Reisekostüm wirkt aus der geringeren Entfernung nun doch arg mitgenommen.

Sie muss durch Dornenbüsche gekrochen sein – oder sich in Dornenbüschen versteckt haben. Es kann nicht anders sein.

Er entschließt sich nun und reitet aus seiner Deckung heraus und zum staubigen Wagenweg hinunter.

Al sie ihn sieht, verharrt sie wie ein witterndes Reh, bereit zur Flucht, doch aber auch erst prüfend, was da auf sie zukommt.

Er winkt ihr beruhigend zu.

Und da entspannt sie sich etwas. Sie streicht sich die wirren Haare zurecht, versucht ihre Kleidung zu ordnen.

Dann sieht sie ihm fest entgegen, und je näher er kommt, umso höher reckt sie ihr Kinn. Als er vor ihr verhält, muss sie zu ihm aufsehen. Denn er ist ein großer, hagerer Bursche auf einem großen hageren Pferd.

Er sitzt mit einer ruhigen, gleitenden und unwahrscheinlich leichten Bewegung ab und nimmt die Wasserflasche vom Sattelhorn. Sein scharfer Blick schweift noch einmal in die Runde.

Sie betrachtet ihn in diesem Moment besonders aufmerksam. Denn sie fragt sich, was für ein Mann er ist. Er ist groß und dunkel. Die Krempe seines flachen Stetsons beschattet sein hageres Gesicht. In diesem Hutschatten sind seine graugrünen Augen. Er trägt einen sichelförmigen Bart. An seiner linken Wange ist eine Narbe, und auch sein Nasenbein scheint mal etwas abbekommen zu haben.

Aber so hart und zäh er auch wirkt, sie spürt nun ein gutes Gefühl. Ihr Instinkt warnt sie nicht vor diesem Manne.

Und so öffnet sie die Flasche und trinkt.

Er lässt ihr Zeit. »Machen Sie sich ruhig auch das Gesicht zur Erfrischung nass«, sagt er. »Wir finden ein Stück zurück wieder Wasser. Hier brauchen wir nicht zu sparen.«

Seine Stimme gefällt ihr ebenfalls. Sie klingt ruhig und sanft, aber sie ist die Stimme eines harten Mannes.

Wieder betrachten sie sich.

»Sind Sie aus der Postkutsche gesprungen?«, fragt er.

»Ich musste auf dem Rastplatz mal in die Büsche«, erwidert sie schlicht. »Und da kamen die Apachen. Ich kroch noch tiefer in die Dornenbüsche und hielt den Atem an, so gut ich konnte. Ich hörte alles, doch ich rührte mich nicht. Sie fanden mich nicht. Als sie weg waren, machte ich mich auf den Weg.«

Er nickt langsam.

Dann stellt er die für sich selbst so bange Frage: »War noch eine Frau in der Kutsche? Eine blonde -«

»Sally Mitchum«, unterbricht sie ihn. »Ja, Sally Mitchum hieß sie. Wir freundeten uns unterwegs an. Sie wollte zu ihrem Verlobten Cid Shaynnon und...«

»Der bin ich«, unterbricht er sie. »Was ist mit ihr?« Nun klirrt seine Stimme.

Er kann sehen, wie sie die Augen schließt und herbe ihre Lippen zusammenpresst.

»Sie ist tot«, murmelt sie dann. »Sie alle sind tot – noch eine zweite Frau, ihr Mann, zwei weitere Männer – und der Fahrer mit seinem Begleitmann. Sie alle sind tot – und nackt – ausgeraubt – verstümmelt. O Mister Shaynnon, warum waren die Apachen so bestialisch...«

»Das haben sie von uns Weißen gelernt«, unterbricht er sie tonlos. Seine Stimme ist nur ein heiseres Flüstern. Er wischt sich mit der Hand über das Gesicht.

Und er stellt keine Fragen mehr. Er weiß zu gut, was rachelüsterne und auf äußerste gereizte Apachen mit Frauen machen. Er kann es ihnen nicht mal verübeln, weil ihnen zuvor das angetan wurde, was sie nun selbst tun.

Denn sie wollen nur zurückzahlen – möglichst mit Zinsen noch –, was man ihnen antat. Er kann sie verstehen, und dennoch muss er sie jetzt hassen.

Denn sie haben seiner Sally gewiss Schlimmes angetan, bevor sie sie dann endlich töteten, erlösten.

Ja, in ihm ist ein böser Hass.

Die junge Frau neben ihm betrachtet ihn.

»Sie also sind Cid Shaynnon«, sagt sie. »Sally freute sich so sehr auf das Wiedersehen mit Ihnen. So sehr...«

Sie bricht ab, reicht ihm die Wasserflasche zurück und murmelt: »Wie weit ist es noch bis Mesa? Ich glaube, ich bin schon tausend Meilen gelaufen. Bringen Sie mich nach Mesa, Cid Shaynnon?«

Sein Blick kommt wieder in die Wirklichkeit zurück und betrachtet sie.

»Sicher, Ma'am«, murmelt er. »Ich bringe Sie nach Mesa. Wollten Sie nach Mesa?«

Sie nickt leicht. »Ja, ich wollte nach Mesa«, sagt sie, »und möchte immer noch hin. Ich bin Georgia Wagoner. Die Leute von Mesa haben mich als Lehrerin verpflichtet, zuerst einmal für ein Jahr auf Probe. Aber ob ich in diesem Lande auch nur noch eine einzige Woche bleiben werde...«

Sie verstummt bitter und voller Verachtung. Dann deutet sie nach Norden.

»Mein ganzes Gepäck ist noch bei der Kutsche. Doch die Apachen haben es auseinandergerissen, zum Teil mitgenommen. Meine Bücher – ein ganzer Koffer voll war es gewesen – zerstreuten sie. Sie machten Feuer in der Kutsche damit, so dass sie auch von innen heraus abbrannte.«

Er nickt nur.

Es gibt nichts mehr zu sagen.

Sein scharfer Blick schweift wieder in die Runde. Und sein Instinkt warnt ihn immer stärker.

Er kniet nieder und nimmt dabei das Messer aus dem Stiefelschaft. Damit schlitzt er Georgia Wagoner den Rock bis über die Knie auf zu beiden Seiten. Sie will heftig abwehren. Doch er sagt etwas barsch: »Lass das, Mädchen! Ich glaube, wir stecken böse in der Klemme. Und wie willst du mit diesem engen Rock sonst reiten?«

Sie hält nun still, lässt ihn gewähren.

Trotz seiner Sorgen, der Bitterkeit und des Schmerzes wegen Sally und seines Wunsches nach Vergeltung, ja, nach Rache, entgeht ihm nicht beim Aufschlitzen ihres Rockes, dass sie bemerkenswert wohlgeformte Beine hat, die in zierlichen, nun arg schon mitgenommenen Stiefeletten stecken mit sehr, sehr kleinen Füßen.

Er sitzt dann auf und macht ihr einen Steigbügel frei, reicht ihr die Hand.

Es ist zugleich eine Prüfung oder Probe. Er will wissen, ob sie eine gute oder schlechte Reiterin sein wird.

Und da kann er wohl beruhigt sein. Denn sie begreift sofort seine Absicht. Sie muss ihren Fuß sehr hoch heben, um ihn in den Steigbügel stellen zu können. Mit ihrer Hand fasst sie kräftig die Seine. Und dann schwingt sie sich hinter ihn.

Er fragt: »He, Schwester, bist du auf einer Rinder-Ranch aufgewachsen?«

»Auf einer Pferde-Ranch«, erwidert sie und umfasst seinen Gürtel, hält sich daran fest.

Er will nun anreiten.

Doch dann sieht er, dass es schon zu spät ist und sie keine Chancen mehr zu einem Entkommen haben.

Die Apachen sind ganz plötzlich da.

Mehr als zwei Dutzend sind es.

Vielleicht wird er drei oder vier Apachen töten können. Denn er ist sehr schnell und fast unfehlbar mit dem Colt. Aber dann werden sie auch ihn mit ihren Kugeln treffen.

Denn Apachen schießen gut. Sie mussten schon sehr früh lernen, mit einem einzigen Schuss ihre Beute oder den Feind zu erlegen. Munition ist zumeist knapp bei ihnen. Und auch das Wild in ihrem Gebiet ist scheu. Oftmals gibt es nur eine Chance für einen einzigen Schuss.

Sie kommen aus allen vier Himmelsrichtungen und können ihm und der Frau hinter ihm leicht den Weg verlegen.

Eine Flucht hat keinen Sinn.

Er sagt bitter: »Schwester, wir stecken in einer bösen Klemme. Ich werde zwar noch einige von ihnen töten – doch das rettet uns nicht. Tut mir leid, Georgia Wagoner. Ich hätte dich gerne nach Mesa gebracht. Tut mir wirklich leid, aber wir müssen uns aufs Sterben vorbereiten. Wir sitzen jetzt ab, nehmen mein Pferd als Rückendeckung. Es bleibt stehen, wenn die Zügelenden am Boden liegen. Es bleibt auch im Gewehr- und Revolverfeuer stehen. Wenn du möchtest, kannst du mein Gewehr aus dem Sattelholster nehmen und schießen. Doch retten wird uns das nicht. Tut mir leid, Georgia Wagoner!«

Dieses »Tut mir leid« muss er mehrmals sagen, denn in ihm ist ein tiefes Bedauern, weil er dieser Georgia Wagoner nicht helfen kann. Nun wird sie letztlich auch den Apachen in die Hände fallen, denen sie schon entkommen zu sein glaubte.

Sie sitzen ab.

Und sie stellt sich neben ihn, nimmt das Gewehr aus dem Sattelholster. Er aber wartet mit schussbereitem Colt.

Die Apachen kommen im Schritt näher aus allen vier Himmelsrichtungen.

Von Norden her führt Chaco selbst seine Gruppe an. Cid Shaynnon kennt ihn. Sie begegneten sich schon einige Male im Lande. Und einmal tränkte der Apache mit ein paar Kriegern die Pferde an Cid Shaynnons Brunnen, interessierte sich auch für Shaynnons Pferde in den Corrals.

Aber sie ritten wieder davon, machten keinen Ärger.

Doch das war noch vor dem großen Massaker in Chacos Dorf. Damals versuchten Weiße und Apachen in diesem Gebiet hier in Frieden zu leben.

Cid Shaynnon hört Georgia Wagoner neben sich sagen: »Daheim in Texas nannten sie mich Gigi – meine Eltern, die Geschwister, die guten Freunde. Alle sagten Gigi zu mir. Bruder, du solltest mich auch so nennen. Nicht wahr? Du hättest ein Recht darauf, Cid.«

»Danke, Gigi«, murmelt er und behält dabei die Apachen im Auge.

Sie müssen nun nicht mehr lange warten, bis die Apachen einen Kreis um sie und das Pferd gebildet haben.

Er richtet seinen Colt auf Chaco, doch mehr als ein halbes Dutzend Krieger zielt mit den Gewehren auf ihn.

So verharrt alles einige Atemzüge lang.

Schließlich sagt Chaco: »Wir kennen uns, nicht wahr?«

Cid Shaynnon nickt nur. Seine Kehle ist wie verkrampft. Ihn dauert diese Gigi neben ihm so sehr. Aber auch ihm wird das Sterben gewiss nicht leichtfallen. Er würde gerne noch eine Weile leben. Daran ändert auch das bittere Bedauern wegen Sally nichts. Sein Schmerz wurde verdrängt durch die Not, in der er sich mit Gigi befindet.

Chaco spricht weiter: »Du gehörst nicht zu den Leuten von Mesa. Du bist keiner von diesen Frauen- und Kindermördern, die sich aufhetzen ließen von ein paar gold- und landgierigen Lügnern, denen wir Apachen im Wege waren. Deshalb möchte ich dich als Boten verwenden. Reite hin zu den Leuten von Mesa und sage ihnen, dass sie ihre Gefangenen herausgeben sollen. Ich will die fünf Frauen und die acht Kinder meines Dorfes wiederhaben. Hier!«

Bei seinem letzten Wort wirft er etwas vom Sattel aus vor Cid Shaynnons Füße. Es ist ein Lederbeutel, und er ist schwer. Das kleine Ding ist gewiss ein Kilo schwer. Solche Beutel benutzen die Goldsucher, um darin ihren Goldstaub aufzubewahren.

»Das ist Gold«, sagt Chaco. »Die Leute von Mesa brauchen also ihre Gefangenen nicht an die Sklavenplantagen in Mexiko zu verkaufen. Hier ist der Kaufpreis. Also, willst du das tun?«

Chaco spricht die englische Sprache mit spanischem Akzent, wie viele Menschen hier in diesem Lande. Wahrscheinlich ging er als Knabe mal auf die Missionsschule der Patres.

Cid Shaynnon betrachtet ihn fest. Er sieht einen gut und intelligent aussehenden Apachen in seinem Alter. Wie alle Apachen ist Chaco untersetzt. Doch seine ganze Gestalt verrät große Körperkraft. Ja, man würde ihn unter hundert und noch mehr Kriegern sofort als den Anführer und Häuptling herausfinden.

Bei den Apachen werden die Häuptlinge gewählt. Diese Würde ist nicht erblich. Auch die Frauen haben bei den Apachen Wahlrecht. Häuptlinge können nur wirklich erstklassige Männer bleiben. Sonst werden sie ganz demokratisch wieder abgewählt.

Ihre Blicke halten einander eine Weile stand.

»Damit du es weißt, Chaco«, spricht Cid Shaynnon nach einigen Atemzügen. »In der Kutsche saß die Frau, die ich kommen ließ, um mit ihr Hochzeit zu halten. Die blonde Frau war meine.«

Chaco nickte.

»So ist das, wenn man Krieg macht mit uns. Viele meiner Krieger verloren ihre Frauen und Kinder – viele. Glaubt ihr, wir würden das hinnehmen? Einst kamen wir Apachen in grauer Vorzeit aus dem Norden als Eroberer in dieses Land. Wir nannten uns Enjus oder Yndyes. Und es wurde unser Land, bis die Weißen kamen. Nun, reden hat keinen Sinn mehr. Du kannst reiten. Die Frau bleibt hier. Als Pfand. Und wenn die Leute von Mesa nicht bald die fünf Frauen und Kinder freilassen, werden wir noch mehr Geiseln nehmen. Reite!«

Cid Shaynnon spürt, wie Georgia Wagoner neben ihm zu zittern beginnt. Er hört ihr gepresstes Stöhnen, und er weiß, dass sie mit allergrößter Mühe einen wilden Aufschrei zurückhält. Sie war nach ihren so schlimmen Erlebnissen ohnehin mit ihrer Nervenkraft fast am Ende – aber sie glaubte sich jetzt schon gerettet. Sie war glücklich und dankbar, dass die Not bald vorbei sein würde.

Nun aber ist es schlimmer als zuvor.

Sie soll mit den Apachen reiten und bei den Apachen leben für eine Weile.

»O Cid«, murmelt sie neben dem großen Manne, »o Cid, was können wir tun?«

»Nichts«, sagt er. »Aber sieh die Sache mal anders. Wir waren schon fast so gut wie tot, glaubten, dass wir keine Chance mehr hätten. Und nun haben wir doch noch einmal eine. Sieh es mal so, Gigi. Du wirst am Leben bleiben.«

»Glaubst du das wirklich?« Sie flüsterte es mit einem Klang von Unglauben und Hoffnung zugleich in der Stimme. Ja, es ist wirklich der Klang von Unglauben und Hoffnung, so unwirklich dies hier auch vielleicht beim Lesen dieser Geschichte wirken mag.

»Ja, das glaube ich wirklich«, sagt er schlicht.

Er sieht Chaco an.

»Dein Wort, dass ihr nichts passiert? Ich bekomme sie so zurück, wie ich sie dir jetzt übergebe?«

Da grinst Chaco.

»So kann nur ein Weißer reden«, sagt er. »Bekommen wir denn die fünf Frauen aus Mesa so zurück, wie sie waren, bevor sie in die Hände der Strolche aus Mesa fielen?«

Seine Stimme höhnt.

Und er scheint sich daran zu weiden. Denn sein Schmerz muss schlimm sein.

Cid Shaynnon versteht ihn gut. Er verachtet die Leute von Mesa. Und dennoch, er ist ein Weißer.

Cid Shaynnon sucht nach Worten. Aber er weiß nicht mehr, was er noch sagen soll. Er müsste betteln, und er würde es gewiss tun, wenn er einen Sinn darin sehen könnte. Aber er weiß, dass die Apachen ihn und Gigi verachten würden, sollten sie sich nun aufs Betteln verlegen.

»Es gibt nur eines, Gigi«, flüstert er zu ihr nieder. »Wir müssen uns durch unser Verhalten wenigstens ihre Achtung verschaffen. Also sei stolz. Zeige ihnen deine Lebenskraft. Ich gäbe jetzt auf der Stelle meinen Arm – meinen rechten –, könnte uns das helfen. Aber wir haben nur diese eine Wahl. Wir können kämpfen und sterben – oder wir können unsere Chance nutzen. Aber du musst entscheiden, nur allein du! Jetzt auf der Stelle und in diesen Sekunden.«

Sie begreift es.

Und sie schließt ihre Augen. Einen Moment steht er so da. Alle Augen sind auf sie gerichtet.

Trotz ihres zerzausten Zustandes ist sie deutlich erkennbar eine mehr als nur hübsche Frau. Sie hat schwarze Haare, leuchtend blaue Augen und ein paar Sommersprossen auf ihrer kleinen Nase. Sie strömt sogar jetzt noch etwas aus, was nur wenige Frauen ausstrahlen. Man spürt es, fühlt es – und kann es dennoch nicht so richtig beschreiben. Wahrscheinlich ist es eine Art Zauber.

Ausstrahlung nennt man es, und es steckt so sehr viel hinter diesem Begriff.

Georgia Wagoner steht also einige Sekunden mit geschlossenen Augen bewegungslos da. Aber dann macht sie die Augen wieder auf und bewegt sich.

Sie tritt vor und hebt den Beutel mit dem Gold auf. Sie reicht ihn Cid und sagt dabei kehlig: »Hole mich, Cid – bitte vergiss mich nicht, und hole mich von diesen Apachen weg, ja? – Hier, nimm das Gold, damit die Leute in Mesa die Gefangenen nicht als Sklaven nach Mexiko verkaufen.«

Er nimmt das Gold, weiß nicht, was er erwidern soll.

Sie wendet sich ab und geht auf Chaco zu.

»Hier bin ich, Häuptling«, sagt sie mit einer Stimme, die fast so klingt wie Glas, welches bald zerspringen wird.

Cid Shaynnon kann nicht länger zusehen.

Es ist nicht Feigheit, die ihn auf sein Pferd sich werfen lässt. Er reitet los, ohne sich noch einmal umzusehen.

Denn sonst würde er vielleicht doch lieber kämpfen und sterben.

Er beginnt einen rauen Ritt nach Mesa. Dorthin sind es noch etwa siebzehn Meilen.

Es sind so viele Gefühle in ihm. Er spürt Bitterkeit, Schmerz und den Wunsch nach Rache, wenn er an seine Sally denkt, die er endlich kommen ließ, weil er ein Heim für sie und sich geschaffen hatte nach all den vielen Zickzackfährten, die er ritt.

Sie kam – und sie reiste nicht ins Glück, sondern in ihr Verderben.

Ja, er spürt Schmerz und bitterstes Bedauern, wenn er an Sally Mitchum denkt.

Aber zugleich auch ist er mit seinen Gedanken bei Georgia Wagoner, die sich in den Händen der Apachen befindet – und dies nicht zuletzt deshalb, weil die Bürger der kleinen Stadt Mesa Chacos Dorf überfielen und ein Massaker veranstalteten. Dabei machten sie einige Frauen und Kinder zu Gefangenen.

Er spürt Wut und Verachtung, wenn er an die Bürger von Mesa denkt.

Und er will Georgia Wagoner retten, ja, ja, ja! Es ist ihm, als könnte er auch an Sally etwas gutmachen, wenn er wenigstens Georgia zu retten versuchte.

Denn Sally ist tot.

Aber Georgia lebt noch. Und auch sie kam vertrauensvoll in dieses Land, um sich hier auf einen neuen Lebensabschnitt vorzubereiten.

Und so reitet er rau durch das wilde Land und schont seinen hageren Wallach nicht.

Etwa zehn Meilen weiter und sieben Meilen vor Mesa, da trifft er auf Leutnant Carl Skinner und dessen Patrouille.

Der Leutnant ist ein schon graubärtiger Bursche, verwittert und falkenäugig, zäh und hart. Er war aus dem Mannschaftsstand aufgestiegen und während des Krieges Captain auf Kriegszeit gewesen. Danach war er in der reorganisierten Armee wie alle Kriegsoffiziere um zwei Ränge zurückgestuft worden.

Und nun reitet er wieder wie schon vor dem Kriege mit Patrouillen durch das Land, damals als Sergeant, heute als Leutnant.

Als Cid Shaynnon das Pferd vor ihm anhält, betrachtet er ihn schmaläugig und nickt ihm zu. »Sie haben es aber eilig«, sagt er. »Sie sind doch der Pferdezüchter aus den Antilopehügeln, ja?«

Cid Shaynnon nickt. Er sagt: »Die Postkutsche kommt nicht mehr. Sie wurde überfallen. Alle sind tot. Nur eine Frau lebt. Es ist Georgia Wagoner, die neue Lehrerin von Mesa. Chaco ließ mich laufen, damit ich den Leuten in Mesa sage, dass sie die Apachenfrauen und -kinder freilassen. Er will einen Tausch machen. Und er hat mir ein Kilo Goldstaub mitgegeben. Verstehen Sie, Leutnant? Gold!«

Der graubärtige Offizier senkt den Kopf und denkt nach.

Dann sieht er den Pferdezüchter wieder an.

»Wie viele Krieger hat er bei sich?«, fragt er.

»Viermal so viel wie Sie Soldaten. Wenn der euch erwischt, macht er euch alle. Ihn könnten die Leute von Mesa nicht so überfallen wie seine Frauen und Kinder.«

Der Leutnant nickt wieder.

»Aber ich muss mit meiner Patrouille den vorgeschriebenen Weg reiten«, sagt er. »Wir werden die Toten der überfallenen Postkutsche bestatten. Die Gefangene kann ich Chaco nicht abnehmen. Ich muss froh sein, wenn er uns nicht angreift.«

Er macht den Ansatz zu einer Bewegung, als wollte er wieder anreiten und seiner wartenden Patrouille das Zeichen geben, ihm zu folgen – da verhält er noch einmal.

»Gold?«, fragt er. »Ein Kilo Gold?«

Cid Shaynnon nickt.

Der Leutnant wiegt nachdenklich seinen grauen Kopf.

»Wenn er es Goldgräbern abgenommen hat«, sagt er, »ist das wohl das kleinere Übel. Aber wenn die Apachen eine Goldmine kennen, irgendwo einen reichen Claim haben...«