G. F. Unger Sonder-Edition 215 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 215 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Jack Oates steht in der schmalen Gasse, und die beiden Revolverschwinger kommen von zwei Seiten. Bisher waren sie seine Deputies und haben ihn beschützt. Aber jetzt wollen sie ihn töten. So schnell geht das bei Revolverschwingern, die keine Ehre besitzen.
Bitterkeit steigt in Jack Oates auf. Als Marshal dieser Stadt ist er der einzige Mann, der weiterhin bereit ist, dem Gesetz zu dienen. Deshalb gibt es auch keine Hoffnung mehr für ihn. Das denkt er, als die Revolver aufdonnern und die erste Kugel in seinen Körper einschlägt ...


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Seitenzahl: 195

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Marshal der verlorenen Stadt

Vorschau

Impressum

Marshal der verlorenen Stadt

Als Jack Oates sich der Postkutsche nähert, kann er schon aus einiger Entfernung erkennen, dass ihr rechtes Hinterrad gebrochen sein muss. Auf den Steinen des fast ausgetrockneten Bachbettes aber sitzen sieben weibliche Wesen. Einige haben sich sogar die Schuhe ausgezogen und halten ihre nackten Füße in das knöcheltiefe Wasser.

Das Stimmengewirr schallt weit in die Runde. Er lauscht eine Weile. Besonders das Lachen gefällt ihm, wenn es so mehrstimmig tönt. Er hat lange nicht das melodische Lachen von Frauen gehört.

Aber dann entdeckt er einen roten Haarschopf unter den Frauen. Und da weiß er auch schon, wen er da wieder einmal getroffen hat.

Rosy – Rosy Mullen, denkt er, und er spürt tief in seinem Kern ein Gefühl der Freude. Ja, an Rosy Mullen hat er in all den Jahren oftmals gedacht. Manchmal waren sie zusammen in wilden Städten und Camps. Das brachten Rosys und sein Beruf so mit sich. Das war sozusagen unvermeidbar.

Er reitet nun in die Creeksenke hinunter.

Als Rosy und die Mädels ihn kommen sehen, werden sie still.

Rosy hebt dann die Hand und bewegt leicht ihre Finger.

Er zieht vor ihr seinen staubigen Hut, bleibt im Sattel und betrachtet sie drei Sekunden lang ernst. Sie erwidert seinen Blick.

»Hallo, Rosy«, sagt er. »Es ist sicherlich kein Zufall, dass wir uns hier auf dem Wege nach Red Mesa City treffen, nicht wahr?«

»Nein, Jack«, erwidert sie ernst. »Wir haben uns wohl nie zufällig getroffen.«

Sie betrachtet ihn nun noch eine Spur schärfer.

»Du bist grauer geworden seit der letzten Town, Marshal. Ist Red Mesa City dein neuer Job?«

»Und deiner, nicht wahr, Rosy?«, fragt er zurück.

Dann betrachtet er die Mädchen. Zwei oder drei kennt er noch aus der letzten Stadt. Die anderen sind neu. Sie alle betrachten ihn neugierig.

Er ist ein großer und hagerer Mann mit einem dunklen Indianergesicht und schon etwas grauem Haar, welches jedoch noch sehr dicht ist. Er hat ziemlich hellgraue Augen. Er ist ein äußerlich sehr kühl wirkender Mann, der stets ruhig und lässig wirkt – und der dennoch so unheimlich schnell und gefährlich werden kann.

Rosy Mullen weiß es.

Sie sah ihn schon einige Male in Tätigkeit, und bei diesem Gedanken erschauert sie innerlich.

»Schön, dich zu sehen, Jack«, sagt sie. »Wenn du auf dem Wagenwege gekommen bist, von Tucson her, dann musst du unseren Fahrer getroffen haben. Der wollte von der letzten Station ein Rad herschaffen.«

Jack Oates nickt.

»Ja, ich habe ihn gesehen«, murmelt er und sieht dann von einem Mädchen zum anderen, so, als wollte er sie in bestimmter Hinsicht prüfen.

Sie alle spürten in seiner Stimme einen Klang, der sie plötzlich zu beunruhigen beginnt. In seiner Stimme lag eine grimmige Bitterkeit.

Und Rosy Mullen, die ihn ja am besten kennt, fragt nach einer kleinen Pause des Zögerns: »Was war mit ihm? Es war doch etwas mit ihm? Ich kenne dich schon gut genug, Jack, um...«

»Er ist tot«, sagt er.

Nun erschrecken sie alle, obwohl sie alle Frauen und Mädchen sind, die ihren Lebensunterhalt in einem rauen und erbarmungslosen Lande und in wilden Camps unter primitiven Burschen verdienen.

Eine von ihnen, die bisher ihre nackten Füße badete, beginnt sich in fieberhafter Eile die Strümpfe und Schuhe anzuziehen, so, als wüsste sie genau, dass sie bald schon in wilder Flucht zu rennen hätte. Aber es fällt ihr schwer, die Strümpfe über die nassen Füße zu ziehen.

Alle blicken sich jetzt fortwährend um, als befürchteten sie, dass sie hier in der Creeksenke eingeschlossen wären.

»Warum ist unser Fahrer tot, Jack?« Rosy Mullen fragt es ganz ruhig. Aber das war schon immer ihre Stärke. Diese immer noch mehr als hübsche Frau konnte bisher stets in brenzligen Situationen ruhig bleiben und ihre Tanzmädchen mit heiler Haut aus jeder Klemme bringen.

Und in Klemmen steckten sie schon oft irgendwie.

Das ergab sich stets ganz zwangsläufig in all den wilden Camps und Städten.

»Apachen«, sagt Jack Oates. »Zwei oder drei Apachen. Sie killten ihn, weil sie sein Pferd und seine Waffen wollten. Er war nur noch zwei Meilen von der Station und einem Ersatzrad entfernt.«

Sie schweigen zu seinen Worten.

Apachen – dies war schon oft genug in diesem Lande der große Schrecken für sie. Die Apachengefahr war auf allen Wegen.

Städte wie Tucson setzten auf Apachenskalpe Belohnungen aus.

Das ist auch jetzt noch so.

Und die Apachen erwidern den Hass der Weißen und schlagen jeden tot, den sie so leicht bekommen können wie den Fahrer dieser Kutsche.

Es ist keine reguläre Postkutsche, sondern eine Sonderfahrt.

Eines der beiden Führungspferde fehlt.

Damit war der Fahrer zurückgeritten zur letzten Pferdewechsel-Station.

Rosy Mullen sieht Jack Oates immer noch an. Es ist, als könnte sie ihm ansehen, wie die Dinge stehen und wie groß ihre Chancen sind.

Aber ihr Blick ist auch eine stumme Frage.

Jack Oates versteht sie. Denn er hebt die Schultern.

»Vielleicht waren es nur zwei oder drei Apachen«, sagt er. »Dann haben wir Glück. Aber es könnten auch die Späher einer größeren Bande gewesen sein. Wenn ihr Waffen habt, dann haltet sie bereit. Rosy, deine Mädels konnten doch immer ganz gut schießen, nicht wahr?«

»Sicher«, sagt Rosy. »Und wir haben mehr bei uns als nur Messer oder Derringer in den Strumpfhaltern. Darauf kannst du dich verlassen, Marshal.«

»Noch bin ich das nicht in Red Mesa City«, murmelt er, indes er seinen Blick in die Runde schweifen lässt, vom Sattel aus. »Die Bürgerschaftsvertreter von Mesa City wollen mich erst sehen, bevor sie mir vielleicht den Job geben.«

Er glaubt nun, dass in ihrer Umgebung noch keine Gefahr ist, und rutscht aus dem Sattel. Die Mädchen sehen nun, wie leicht er sich bewegt. Er ist kein junger Bursche mehr – aber er kann es gewiss mit den geschmeidigsten aufnehmen.

Nachdem er das zerbrochene Rad eine Weile betrachtet hat, schüttelt er den Kopf.

Er nimmt seinem Pferd den Sattel ab, wirft ihn in die Kutsche und spannt das Tier an die Stelle des fehlenden Führungspferdes. Er ordnet die Zügel des nun wieder kompletten Vierergespanns und nickt den Frauen zu.

»Drei kommen zu mir nach oben«, sagte er. »Die anderen hocken sich drinnen auf die Vorderbank. Wir müssen die Hinterachse entlasten, versteht ihr? Es hilft nichts, wir müssen mit einer Kutsche auf drei Rädern weiter. Oder wollt ihr lieber reiten und euer Gepäck aufgeben?«

Sie sehen ihn nur an, beißen die Zähne zusammen, pressen die Lippen aufeinander und schütteln mehr oder weniger heftig die Köpfe.

Denn in ihrem Gepäck, da befindet sich ihre ganze Habe, und zumeist sind es nur Tanzkleider.

Aber es ist ihr Arbeitszeug. Damit treten sie auf. Es wäre so, als gäbe ein Zauberkünstler seine ganzen Utensilien auf.

Sie gehorchen, ohne zu klagen. Diese Mädels sind nicht von der sich stets so hilflos gebenden Sorte, welche immer wieder Dumme findet, die ihnen das Leben angenehmer machen.

Sie gehorchen wortlos.

Rosy setzt sich neben Jack Oates auf den Fahrersitz.

Und dann geht es los.

Die Kutsche fährt auf drei Rädern. Sie schwankt und ist zumeist nach hinten rechts zu geneigt. Die Wagennabe zieht dann stets eine Furche in den Boden oder kratzt durch Geröll.

Das Tempo ist nur im Schritt. Doch sie kommen vorwärts. Nach zwei Meilen erreichen sie einen krummen Cottonwood. Hier hält Jack Oates an, springt hinunter und holt das Beil aus dem Gepäck- und Werkzeugfach der Kutsche.

Die Mädels sehen zu, wie er den Baum mit geschickten Schlägen fällt, und erkennen nun die explosive Kraft dieses Mannes.

Sie müssen dann die hintere Ecke der Kutsche anheben, damit er den krummen Baum als Schleifstelze an die Stelle des Rades anbinden kann. Der Stamm von doppelter Dicke eines Männerarmes ist etwa dreieinhalb Yard lang und wird außen schräg an die Seite der Kutsche gebunden.

Nun schleift nicht mehr die Radnabe, sondern das Ende der Stelze über den Boden. Doch die Kutsche hängt nicht mehr nach der Seite und hat nun das Gewicht noch besser auf die Räder verteilt.

Es geht endlich weiter.

Bis zur nächsten Station sind es etwa zehn Meilen, und so lange könnte der Baum wahrlich halten.

Als sie sich der Station nähern, ist es fast schon Abend.

Sie fahren bis auf etwa Steinwurfweite heran.

Dann halten sie.

Der Stationsmann liegt drüben bei den Corrals auf dem Gesicht und regt sich nicht mehr.

In den Corrals sind noch die Pferde der Postlinie.

Sonst ist nichts zu erkennen, aber es ist sicher, dass hier eine ganze Familie lebte.

»Sie sind noch da«, sagt Jack Oates. »Ihr müsst aufpassen, Ladys, dass sie euch nicht bekommen. Denen wäret ihr gerade recht.«

»Das glauben wir gerne«, sagt eines der Mädels. »Wir wären fast jeder Sorte von Männern recht – oder?«

Jack Oates grinst.

Rosy, die neben ihm sitzt, beobachtet ihn aufmerksam, und sie denkt immer wieder dabei: Welch ein Mann, o welch ein Mann! Jetzt steckt er schon wieder mitten in einem Verdruss. Er wird gewiss gleich seinen Colt ziehen und kämpfen müssen. Er wird wieder töten und durch das Töten Leben retten. Das ist sein Leben. Er vergießt Blut und tötet für jene, die sich für rein halten, die sich eine menschliche Gemeinschaft nennen. Er geht immer wieder ins Feuer und...

Sie kann nicht weiter in dieser Richtung denken, denn er gibt ihr nun die Zügel.

»Es hilft alles nichts«, sagt er, »wir brauchen ein Rad. Ohne Rad schaffen wir die vierzig Meilen bis Red Mesa City wohl nicht. Na, dann werde ich mal...«

Er spricht es fast seufzend.

Dann springt er hinunter auf den Boden und geht langsam und fast bedächtig wirkend auf die Station zu.

Rosy Mullen und deren Mädchen starren ihm nach – fast atemlos.

Denn sie haben längst schon begriffen, dass sie ohne diesen Mann verloren sind.

Er geht bis zum Stationsmann und dreht diesen mit der Fußspitze auf den Rücken.

Aber dann geht es los.

Es sind drei Apachen.

Einer kommt aus dem Stationshaus.

Der zweite war hinter dem gemauerten Brunnen verborgen.

Und der dritte kommt drüben auf der anderen Seite hinter der Scheunenecke zum Vorschein.

Sie brüllen nicht. Nein, diese Apachen stoßen keine gellenden Angriffsschreie aus. Sie kommen lautlos – aber unheimlich schnell, wie es nur Apachen können, weil sie ja seit vielen Generationen lernten, auch in der Wüste anzugreifen, wo es keine Deckung gibt.

Vielleicht wollen sie den Frauen zeigen, wie leicht sie deren einzigen Beschützer kleinmachen können. Vielleicht wollen sie Jack Oates sogar lebendig.

Sie kommen von drei Seiten auf ihn zu.

Aber natürlich halten sie Waffen in den Händen. Zwei von ihnen halten Messer so gefasst, um sie blitzschnell werfen zu können.

Der dritte Apache hat einen schussbereiten Kavallerie-Colt.

Dieser Apache stirbt zuerst.

Denn Jack Oates zieht plötzlich. Man kann gar nicht sehen, wie er den Colt aus dem Holster holt. Die Waffe ist plötzlich in seiner Hand.

Und dann schießt er. Es sind blitzschnelle, saubere Schüsse. Er trifft die Angreifer genau – und dennoch schleudert einer noch fallend sein Messer. Aber es streift Jack Oates nur.

Er geht zu jedem der drei Apachen hin und sieht nach, ob er auch wirklich tot ist. Denn solch eine Unterlassung könnte ein Fehler mit Todesfolge sein.

Dann nähert er sich wieder der Kutsche mit den sieben wartenden Frauen.

Rosy Mullen und ihre sechs Mädels wirken wie erstarrt. Was sie da vor Augen hatten, scheint ihnen ein böser Traum gewesen zu sein.

Aber es muss wirklich alles geschehen sein – denn die Apachen liegen dort auf dem Hof –, und auch der Stationsmann ist ja noch da.

Also war alles Wirklichkeit.

Eines der Mädchen stößt einen schrillen Schrei aus.

Und ein anderes beginnt zu beten.

Jack Oates aber schwingt sich wieder auf den Fahrersitz und nimmt die Zügel aus Rosys Händen.

Sie sieht ihn fest an.

»Jack«, sagt sie – einfach nur Jack.

Er nickt ihr zu.

»Ja, manchmal ist dieser verdammte Colt zu etwas gut«, sagt er ein wenig rau. »Und hoffentlich sind mir auch all die Jungens in Red Mesa City dankbar, dass ich euch zu ihnen bringe. Sie werden mir auf die Schulter klopfen und mich zum Drink einladen.«

In seiner Stimme ist Bitterkeit.

»Sprich nicht so, Jack«, sagt Rosy, indes er den Wagen auf den Hof fährt. »Wir verdanken dir unser Leben. Lohnte sich der Kampf nicht wegen uns?«

Er hält an und betrachtet sie von der Seite.

Dann nickt er. »Doch, Rosy«, sagt er. »Für dich lohnt sich eine Menge. Und sicherlich auch für deine Mädels.«

Es ist schon Mitternacht, als sie Red Mesa City vor sich erkennen.

Überall in weiter Runde brennen die Campfeuer in der Nacht. Und überall sind die Claims, die Minen und all die Camps.

Mesa City liegt inmitten der vier Tafelberge, die das Red-Mesa-Land bedeuten. Es gibt einige Canyons, Schluchten, und überall sucht man nach Silber und Gold.

In Red Mesa City aber – dem Mittelpunkt dieses Goldlandes –, da ist jetzt voller Betrieb! Dort geht es jetzt rund und werden all die vielen Sünden der Welt begangen. Red Mesa City hat schon einen bösen Ruf. Man nennt es auch das Red-Mesa-Babylon.

Sie alle betrachten von der Kutsche aus die beleuchtete Stadt.

»Wartet man schon auf euch?«, fragt Jack Oates ernst. »Mit wem hast du den Vertrag gemacht, Rosy?«

»Mit keinem«, sagt sie schlicht. »Diesmal sind wir nicht in irgendeinem Tingeltangel engagiert – nein, diesmal ist es anders. Wir haben unseren eigenen Laden. Verstehst du? Wir sind unsere eigenen Unternehmerinnen. Ich habe Pete McLaurel vorausgeschickt. Er hat den Mesa Palace mit Vorkaufsrecht gepachtet. Du kannst uns dort abliefern.«

Seit sie wieder alle vier Räder an der Kutsche haben, fahren die Mädchen drinnen in der Kutsche. Nur Rosy blieb neben ihm oben auf dem hohen Bock sitzen.

Nun sehen sie sich im Mond- und Sternenlicht an.

»Und du?«, fragt sie. »Ist das wieder eine wilde Stadt, die deinen Colt kaufen will? Willst du auch hier mit dem Colt die Guten vor den Bösen schützen, ein zweibeiniger Tiger sein, der das andere Raubwild fortscheucht? Ist das wieder ein Revolverjob für dich?«

Er hält die Zügel lässig in der Hand. Und er starrt auf die Lichter der Stadt. Sie betrachtet ihn genau, und sie kann nichts an ihm erkennen, was ihr Aufschluss geben könnte über seine Gefühle.

Und dennoch spürt sie instinktiv, dass er zögert.

»Du könntest mir helfen«, sagt sie. »Pete McLaurel ist alt geworden. Der ist nicht mehr allen wilden Jungens gewachsen. Du könntest mir helfen. Und in ein paar Jahren hätten wir genug, um an der Westküste Pfirsiche zu züchten. Verstehst du! Ruhe, Frieden, Sicherheit – schöne Dinge – verstehst du?«

Er nickt leicht.

»Rosy«, sagt er, »wir haben wohl beide unseren verdammten Stolz, nicht wahr? Du...«

»Wir haben schon oft genug darüber geredet«, sagt sie herbe. »Ich habe schon einige Männer gekannt, Jack. Und einige glaubte ich zu lieben. Aber das war ein Irrtum. Bei dir wäre es keiner. Das weiß ich. Doch ich habe dich zu oft schon kämpfen gesehen. Ich sah dich schon blutend am Boden liegen und glaubte, dass du nicht wieder aufstehen würdest. Ich weiß auch, wie viele Feinde du dir gemacht hast. Nein, das wäre kein Leben für mich an deiner Seite. Nur wenn ich reich wäre und mit dir weit, weit fortgehen könnte, dann...«

Sie verstummt. Er schüttelt auch den Kopf.

»Ja, so ist es wohl«, murmelt er. »Du willst mich nicht arm – und ich will dich nicht reich. Wir sind Dickschädel, Rosy.«

Sie erwidert nichts, seufzt nur leise.

Er fährt nun weiter auf die Stadt zu.

Und als sie ihr nahe sind, hören sie auch schon ihren Lärm, der wie das Brausen eines überdimensionalen Bienenhauses klingt, in dem das Bienenvolk erregt ist.

Die Kutsche fährt auch nicht mehr allein auf der Wagenstraße. Von rechts und links kamen Reiter und Fahrzeuge auf Seitenwegen zur Straße – oder es kommen schon die ersten Heimkehrer aus Richtung der Stadt. Der Haupt-Wagenweg ist nun belebt, und man könnte jetzt kaum glauben, dass nur ein Dutzend Meilen weiter da draußen in der Wildnis Apachen umherstreifen, die jeden Weißen töten.

Aber dieses Territorium war schon immer ein Land der Gegensätze, angefangen von den heißen Tagen und den kalten Nächten.

Ein großer Erzwagen, diesmal jedoch nicht mit Erz, sondern mit Minenleuten vollgeladen, kommt ihnen entgegen. Die Männer sind schlimm betrunken, und ihr Gesang ist ein Grölen. Sie grölen ein zotiges Lied und schwingen die Flaschen. Einer wirft seine leere Flasche gegen die Postkutsche. Die Scherben klirren.

Dann haben die beiden Fahrzeuge sich im Gegenverkehr passiert.

Rosy Mullen sagt mit etwas klirrender und deutlich spröder Stimme: »Das ist die Stadt, die du bändigen und in den Zügeln halten sollst, so wie jetzt dieses Vierergespann an diesem Wagen. Diese wilden Jungens soeben, die sind noch die harmlosesten. Die sind nur betrunken und rauflustig. Aber die anderen – all diese Townwölfe und Haie, die zweibeinigen Tiger – und dann all die...«

»Schon gut, Rosy«, erwidert er. »Sie werden auch alle bei dir zu Gast sein, nicht wahr? Und du wirst ihnen ihr Geld und ihr Gold abnehmen, so gut du kannst. Ja, wir haben beide wieder mit den Sündigen und den Unreinen zu tun – und jene, die sich für gut und rein halten, die werden uns wieder meiden oder gar verachten. Zum Teufel, Rosy, was soll's! Das haben wir doch schon in all den wilden Camps und Städten erlebt. Sollen wir klagen?«

»Nein«, sagt Rosy Mullen da hart. »Ich klage nie. Aber dies sollen meine letzte Stadt und das letzte Tingeltangel sein. Ich schwöre es dir, Jack. Dann will ich zum schönen Pacific, zu tausend Pfirsichbäumen. Hast du schon gehört, Jack? Man kocht die Pfirsiche jetzt in großen Dosen ein und schickt sie als haltbare Konserven in die ganze Welt. Hast du schon davon gehört?«

»Ja«, sagt er. »Ich habe sogar schon solch eine Dose mit dem Messer geöffnet und den Inhalt gegessen. Es schmeckt köstlich. Und...«

Sie reden noch weiteres mehr oder weniger belangloses Zeug. Aber sie wissen, dass sie es nur tun, um sich nicht zu streiten.

Denn für beide ist diese Stadt irgendwie mit einem Untier zu vergleichen, mit dem sie werden leben müssen.

Jack Oates wird dieses Untier bändigen müssen, will er hier den Stern tragen.

Und Rosy Mullen wird sich diesem Untier anpassen müssen, will sie hier Geschäfte machen mit ihren sechs Mädchen, die ihre Teilhaberinnen sind.

Sie hat sie sich aussuchen können. Und sie nahm solche, die ihre Ersparnisse in die Partnerschaft einbrachten.

Die Frau Rosy Mullen und der Mann Jack Oates wissen genau, was ihnen hier bevorsteht.

Vielleicht reden sie deshalb nicht länger mehr darüber, sondern nur noch über belanglose Dinge – wie zum Beispiel Pfirsich-Konserven, die jetzt das Allerneueste sind in dieser Welt hier.

Indes passieren sie die Stadtgrenze. Die Häuser und Läden, Tingeltangels und Saloons, Spielhallen, Hotels und Speiseküchen – alles reiht sich aneinander.

Auf den Plankengehsteigen drängen sich die durstigen Miner und Goldgräber. Pferde, Maultiere und Wagen sind überall abgestellt, Aus den größeren Vergnügungshallen klingt Musik.

An einer Ecke steht ein Feuer- und Schwertschlucker neben einem Holzkohleofen. Seine Frau geht dann mit einer Blechbüchse herum und sammelt die Spenden ein.

Ein Stück weiter tanzen Seiltänzer auf einem ausgespannten Seil.

Und überall schwirren die betrunkenen »Gäste« dieser Stadt umher.

Inzwischen hat aber auch eine ganze Anzahl dieser Burschen herausgefunden, dass die hereinfahrende Kutsche voller Frauen ist.

Und dann dauert es gar nicht mehr lange, dass ein scharfer Ruf über die Straße gellt: »Hoiiiiii! Seht euch das an, Jungens! Dort kommt Red Rosy mit ihren Goldengeln! Jungens, Red Rosy ist da! Die schönsten Mädels im ganzen Südwesten sind gekommen! Seht's euch an, Jungens!«

Rosy Mullen flucht an Jack Oates' Seite. Ja, sie flucht wahrhaftig. Und dann sagt sie knirschend zu Oates: »Das hat Pete McLaurel arrangiert! Der hat dafür gesorgt, dass unsere Ankunft gemeldet wird und sich wie ein Lauffeuer...«

»Na schön, das gehört zu eurem Geschäft«, unterbricht er sie. »Und morgen habt ihr euren Laden bei hohen Eintrittspreisen so voll, dass kein Knopf mehr zu Boden fallen kann, Ma'am!«

Seine Stimme enthält Bitterkeit.

Er hat nun auch den Mesa Palace entdeckt. Seine ganze Vorderfront zwischen den Fenstern und rechts und links neben dem Eingang ist mit Plakaten beklebt, auf denen buntgekleidete Tänzerinnen ihre Beine schwingen.

Und quer über diese Plakate steht geschrieben:

»PARISER NÄCHTE

bringen Rosy Mullen und

ihre Schönen.«

Jack Oates schnalzt mit der Zunge.

Und als er den Wagen anhält, kommt eine Musik-Kapelle aus dem Haus gelaufen, baut sich blitzschnell auf und beginnt zu spielen.

Männer laufen von überall herbei.

Pete McLaurel, den Jack Oates gut genug kennt, ist bald schon mit seiner bulligen Gestalt der Mittelpunkt. Denn er hat ja diesen ganzen Empfang arrangiert und wartet gewiss schon viele Stunden darauf, mit seinem Reklamerummel loslegen zu können. Dass dies jetzt erst nach Mitternacht geschehen kann, betrübt ihn gewiss sehr. Doch er ist einer von den Burschen, die stets das Beste aus jeder Lage zu machen verstehen.

Er winkt Jack Oates nur kurz zu.

Dann hebt er Rosy Mullen vom hohen Bock.

Es herrscht ein gewaltiges Durcheinander.

Jack Oates bleibt ruhig oben auf dem Bock sitzen und wartet, bis die Mädchen mit Rosy im Mesa Palace verschwunden sind und die Helfer all das Gepäck herausgeräumt haben aus der Kutsche.

Ein paar der Neugierigen betrachten ihn dort oben auf dem Bock – und auch er selbst sieht sich um. Sein Blick schweift weit über die Straße hinweg bis zu den dunklen Nischen, den Häuserlücken und Gassenmündungen.

Dabei weiß er, dass er – sollte er hier in Mesa City bleiben und den Stern eines Town-Marshals tragen – bald nicht mehr so hoch oben als Zielscheibe auf dem Bock einer Kutsche wird verharren können, wie jetzt.

Aus all diesen dunklen Nischen, Hauslücken oder Gassenmündungen wird ihm dann Gefahr drohen. Er wird sich Feinde machen, und alte Feinde werden kommen.

So war es immer.

Er schnauft durch die Nase. Und er denkt: Verdammt, das ist mein Leben. Und dort drinnen, dies ist Rosys Leben. Wir werden niemals zueinander kommen – niemals!

Das letzte Wort denkt er fast wie ein Schrei.

Dann wendet er die Kutsche auf der Straße und fährt zur Posthalterei und dem dazu gehörenden Wagenhof. Er war daran vorbeigefahren, als er den Mesa Palace suchte.

Als er in den Hof fährt und zwischen Corrals und Stall hält, kommt der Nachtwächter herbeigeschlürft.

»Eine Sonderpost, nicht wahr? Aber die fährt doch sonst immer der alte Jesse Rawlins. Wer sind...«

Er bricht ab, denn drüben beim Wohnhaus wird die Hintertür geöffnet. Ein Mann mit einer Laterne kommt in den Hof.

»Aaah, da kommt ja der Boss selbst«, sagt der Nachtmann. »Ich werde mich um die Pferde kümmern. He, was ist das denn für ein Gaul?«

»Das ist meiner«, sagt Jack Oates. »Den habe ich mit angespannt. Und ich bin nicht der Fahrer. Den haben die Apachen. Er musste wegen Radbruch auf einem Pferd zurück zur nächsten Station. Und da erwischten ihn die Apachen – etwa fünfzig Meilen von hier. Ich versorge mein Pferd selbst.«

Er wendet sich dem Postagenten zu, denn dieser war inzwischen mit der Laterne herangetreten und hatte zugehört. Er kennt ihn aus anderen Städten.

»Na, Al, wie geht's denn?«, fragt er.

Der Postagent Al Longdale tritt noch näher an ihn heran. Er hebt sogar die Laterne etwas, um ihn besser betrachten zu können. Aber es geht ihm nicht darum, Jack Oates zu erkennen, sondern mehr darum, dessen Gesichtsausdruck studieren zu können.

Schließlich lässt er die Laterne sinken und nickt.

»Aaaah, Jack Oates, du bist also der Mann, auf den sie hier warten. Du bist also der Tiger, den Bannerhan kommen ließ. Na gut! Wieder eine Stadt, die du zähmen wirst. Was war mit dem Fahrer?«