G. F. Unger Sonder-Edition 219 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 219 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Jack Steele, einer der letzten freien Flusskapitäne auf dem Missouri, weigert sich, der "Organisation" beizutreten. Da geht sein Schiff in Flammen auf. Doch Steele beugt sich nicht dem Gesetz der Gewalt und sagt dem übermächtigen Gegner den Kampf an.
Auch die schöne, geheimnisumwitterte Spielerin Nancy Hogan, die ihn in ihren Bann zieht, kann ihn nicht von seinem Rachefeldzug abbringen. Steele weiß, dass er den Boss der Bande finden und vernichten muss. Und so beginnt er seine gefährliche und scheinbar aussichtslose Suche.
Schließlich aber entdeckt er eine Spur. Sterbend verrät ihm ein Killer der Organisation, dass der oberste Boss eine Frau ist, die in Fort Lincoln ihr Hauptquartier hat. In Jack Steele wächst ein entsetzlicher Verdacht ...


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Seitenzahl: 183

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Big-Muddy-Gesetz

Vorschau

Impressum

Big-Muddy-Gesetz

Der Journalist Albert Richardson schrieb im Jahre 1857: »Der breite Strom ist unpoetisch und abstoßend – ein Strom aus fließendem Schlamm, mit Stämmen abgestorbener Bäume, von Sandbänken unterbrochen.«

Er meinte den Missouri, den man auch Big Muddy nannte, den Großen Schlammfluss. Von seiner Mündung in den Mississippi bis hinauf nach Fort Benton in Montana waren es viertausendachthundert Kilometer. Und Fort Benton lag achthundert Meter über dem Meeresspiegel. Das dadurch entstehende Gefälle sorgte für eine reißende Strömung, wie man sich vorstellen kann. Die Risiken auf diesem Strom waren gewaltig, und es gab immer wieder böse Überraschungen. Überdies führte der Strom auch noch mitten durch Indianerland.

Doch gleichzeitig war er der Weg zu den Reichtümern eines von den Weißen noch unerschlossenen Landes – der Weg zu den Pelztieren, die die ersten Trapper anlockten, zu den riesigen Wäldern, in die Holzfäller zogen, um den Flößern die Stämme für gewaltige Flöße zu liefern.

Und dann nach dem Bürgerkrieg fand man im nordwestlichen Montana auch noch überall Gold, das Tausende von Glückssuchern anlockte. Was zur Folge hatte, dass der Run nun erst richtig losging.

Dabei gab es in all diesen Jahren auf dem Big Muddy keine verwaltende Ordnung. Es galt dort nur ein einziges Gesetz, das Gesetz des Stärkeren.

Man nannte es das Big-Muddy-Gesetz.

Zumeist waren die Bösen und Rücksichtslosen die Starken. Und es brauchte eine lange Zeit, bis sich das zu ändern begann.

Jack Steele war einer jener Männer, die damals den Anfang für eine neue, bessere Zeit machten...

Wieder einmal mehr verbringt Jack Steele die Nacht vor der nächsten Fahrt den Big Muddy hinauf in Julia Haggertys Armen. Und wieder einmal mehr fragt er sich wie in all den anderen Nächten zuvor, warum er nicht bei ihr bleibt.

Denn sie ist eine reiche Frau, oder besser gesagt, eine reiche Witwe, deren verstorbener Mann ihr all den Reichtum hinterließ: das Hotel, den Saloon, die Sägemühle, den Holzhandel – und das nobelste Bordell der Stadt.

Und er, Jack Steele, würde bei ihr nicht nur eine Art Prinzgemahl sein. Nein, er bekäme auch Aufgaben, die zu bewältigen einen ganzen Mann erforderten. Er wäre mehr als nur ein Beschützer und Liebhaber.

Dabei ist Julia Haggerty nicht nur begehrenswert und schön, voller Feuer und von besonderer Art, sodass man unter zehntausend Frauen keine zweite finden würde, die ihr das Wasser reichen könnte, wie man im Volksmund zu sagen pflegt.

Nein, sie ist auch klug und energisch. Und seit sie Witwe ist, muss sie sich unter hartgesottenen Konkurrenten behaupten.

Julia Haggerty und er, Jack Steele, könnten sich als Partner ein Imperium aufbauen. Ihre Macht könnte den Strom hinauf bis nach Fort Benton reichen, welches kein Armeefort, sondern ein einstiges Handelsfort ist und nun zu einer wilden Stadt am schiffbaren Ende des Stroms wurde.

Jack Steele blickt nachdenklich auf Julia, die jetzt gegen Ende der Nacht ruhig in seinem Arm schläft. Ihr Haar kitzelt in und an seiner Nase. Er liebt den Duft ihres Haares und den ganzen stets so betörenden Duft ihres Körpers.

Soll er also bei ihr bleiben?

Er könnte jeden Morgen neben ihr aufwachen, so wie jetzt.

Wenn er sie aber verlässt und wieder den Strom hinauffährt, dann werden sechs lange Wochen vergehen, bis er mit ihr wieder in ihrem wunderschönen Bett liegen kann.

Es ist ein herrliches Bett aus Frankreich und kam damals von New Orleans den Mississippi und ein Stück den Missouri herauf, ein Bett mit großen Messingkugeln an den Pfosten und mit einem prächtigen Baldachinhimmel.

Er verspürt plötzlich tief in seinem Kern ein Bedauern, denn er weiß von einem Moment zum anderen, dass er nicht bleiben kann, sondern wieder den verdammten Strom hinaufdampfen muss, der für ihn immer die große Herausforderung bleiben wird.

Bliebe er bei Julia, würde er dies als ein Kneifen empfinden, ein Davonlaufen, das einem Desertieren gleichkäme.

Dann hätte der Big Muddy ihn besiegt.

Und so muss er sich diesem Strom immer wieder stellen.

Da ergeht es ihm so wie all den anderen Kapitänen. Denn fast alle von ihnen fahren nicht nur wegen des reichen Gewinns im Falle des Durchkommens. Nein, die meisten von ihnen suchen die Herausforderung des Stromes immer wieder wie bei einem Duell.

Das ist es, denkt er und löst sich vorsichtig von Julia, erhebt sich vom Bett und tritt nackt – so nackt wie sein Urvater Adam – zum Fenster.

Er kann zu dem kleinen Flusshafen und den Landebrücken hinuntersehen. Die Nacht liegt nun im Sterben. Der heraufziehende Morgen wird die leichten Nebel tilgen. Und die Sonne wird den Strom vergolden.

Dort an einer der Landebrücken liegt sein Dampfboot Falcon, was ja so viel wie Falke bedeutet.

Es ist ein wehrhaftes Dampfboot, denn es hat zwei Kanonen auf dem Sturmdeck, sogenannte Haubitzen aus dem Krieg, mit denen man Schrapnells abschießen kann, und das sind Artilleriegeschosse mit Kugelfüllung, besonders wirksam gegen Flusspiraten und Indianer.

Ohne diese Kanonen hätte er sein Boot schon zweimal verloren.

Aus den beiden Schornsteinen fliegen die ersten Funken, und so weiß er, dass die beiden Maschinisten und Heizer nun in den Feuerbuchsen unter den beiden Kesseln die Feuer schüren, um bei Tagesanbruch genügend Dampfdruck zu haben.

Dann erst kann die Falcon mit etwa sechs Meilen die Stunde gegen die starke Strömung ankämpfen.

Er denkt mit einem Gefühl von Dankbarkeit: Ich habe eine gute Crew. Sie gehören alle – Mann für Mann – zu den Besten auf dem Strom.

Hinter ihm vom Bett her sagt Julias etwas kehlig klingende Stimme, die er so gerne hört, weil sie ihm gewissermaßen unter die Haut geht: »Jack, bleib bei mir. Ich will keinen anderen Mann. Verdammt, ich will dich ganz und gar für immer! Bleibe also endlich! Es gibt hier für dich auch noch andere Herausforderungen. Hier bei mir bist du unter dem Schutz des mächtigen Trustes, dem sie alle, von Saint Louis bis hinauf nach Fort Benton, angehören müssen, wenn sie Geschäfte machen wollen. Viele Dampfboote flogen schon in die Luft. Auch deines wird bald zu denen gehören, die sich nicht unterwerfen wollten. Gib auf und...«

»Nein«, unterbricht er sie und wendet dem Fenster den Rücken zu.

Im Halbdunkel des Zimmers kann er erkennen, dass sie sich im Bett aufgesetzt hat. Ihr Oberkörper ist nackt.

Und vorhin noch hielt er sie im Arm.

»Wenn sie versuchen, mich kleinzumachen«, murmelt er, »dann wird ihnen das nicht bekommen. Ich weiß mich zu wehren. Und ich zahle kein Geld dafür, dass sie mich in Ruhe lassen. Hat denn dein Mann sich ihnen unterworfen? Hat er ihnen wie Herrschern den Zehnten gezahlt?«

»Das hat er nicht«, erwidert sie hart. »Und deshalb wurde er umgebracht. Ja, ich unterwarf mich der Macht des Trustes und verzichtete auf Rache. Bleib bei mir, Jack Steele.«

Er schüttelt den Kopf und will etwas erwidern.

Doch unten am Fluss kracht es nun gewaltig. Er wirbelt herum und blickt aus dem Fenster zu den Landebrücken hinunter.

Seine Falcon ist zerborsten oder geplatzt wie ein Dampfkessel, der den Überdruck nicht aushalten konnte. Und alles steht in Flammen.

Die ganze Ladung, die ihm in Fort Benton an die zehntausend Dollar Gewinn eingebracht hätte, istverloren.

Und seine Leute?

Er kann einen wilden Schrei nicht unterdrücken.

Und zugleich fühlt er sich hilflos, so hilflos wie noch nie in seinem Leben.

Soeben sprach er noch selbstbewusst stolze Worte.

Jetzt fühlt er sich als Verlierer.

Ja, er verlor sein Dampfboot und gewiss auch seine Crew.

Zehn Minuten später ist er angekleidet bei den brennenden und auch sinkenden Resten seines Dampfbootes und der vernichteten Ladung.

Im Morgengrauen haben sich noch nicht viele Menschen versammelt, doch es eilen ständig mehr herbei. Auch von den übrigen Landebrücken – wo ebenfalls Dampfboote liegen – kommen sie gelaufen und versuchen zu retten, was noch zu retten ist.

Jack Steele findet endlich einige seiner Leute am Ufer hocken. Sie alle sind mehr oder weniger schlimm verletzt. Zum Glück war das Wasser in den Kesseln noch nicht so heiß, dass sie alle davon verbrüht wurden. Denn das ist die besonders schlimme Gefahr bei Kesselexplosionen. Das kochende Wasser – und es muss ja kochen, um Dampf zu erzeugen – verursacht die schlimmsten Verletzungen.

Auch sein Bootsmann Jube McNally hockt bei dieser Gruppe und übergibt sich soeben, so als hätte er etwas verschluckt, was nicht in ihm bleiben will.

Alle fünf Männer sind verletzt. Offenbar wurden sie von der Explosion von Bord geschleudert und ertranken fast im Fluss.

Jack Steele glaubt, dass sie Knochenbrüche und andere böse Verletzungen erlitten.

Als er bei ihnen verhält, da blicken sie zu ihm hoch.

Jube McNally, der nun alles, was in ihm war, ausgebrochen hat, sagt keuchend: »Das war's wohl, Kapitän – oder?«

Jack Steele nickt und betrachtet sie noch einmal nacheinander Mann für Mann. Von seinen Maschinisten und Heizern ist keiner dabei. Es fehlen der Steuermann, der Zahlmeister, der Steward und der Koch, ebenso zwei weitere Decksmänner.

Sie alle flogen mit dem Schiff in die Luft, befanden sich wahrscheinlich genau über dem Zentrum der Explosion.

Jube McNally spricht nun wieder voller Wut und Bitterkeit: »Das war ganz einfach für diese Bande. Ich wette, die haben Brennholzscheite ausgehöhlt und mit Sprengstoff gefüllt. Die Heizer können doch nicht jedes Holzscheit überprüfen, bevor sie es in die Feuerbuchsen werfen – verdammt!«

»Ja, ich weiß, wie das geht«, murmelt Jack Steele. »Das ist so üblich geworden auf dem Big Muddy, wenn sich ein Kapitän und Eigner nicht unterwirft. Das hat man während des Krieges schon auf dem Mississippi gemacht.«

Im Morgengrauen blickt er nun wieder auf die noch aus dem Wasser ragenden Reste seines Dampfbootes. Viele Trümmer wurden schon abgetrieben oder versanken im Fluss. Einige Ladung wird noch zu bergen sein, zum Beispiel Maschinen für die Minen im Goldland.

Er entschließt sich plötzlich und spricht: »Jungs, ich schenke euch alles, was noch geborgen werden kann. Das wird euch ein wenig entschädigen. Ihr müsst nur dafür sorgen, dass es euch keiner wegnimmt.«

Nach diesen Worten wendet er sich ab und geht davon.

Sie sehen ihm ungläubig staunend nach.

»Heee, stöhnt einer, was ist das denn?«

Der Bootsmann wischt sich das Blut aus dem Gesicht und spricht hart: »Mehr kann er für den Rest seiner Crew nicht tun. Und er will nicht, dass wir mit ihm noch mal kleingemacht werden. Er ist jetzt mit einem gejagten Tiger zu vergleichen und will nur noch für sich selbst verantwortlich sein. Denn er wird auf diese Hurensöhne losgehen, die sich mit ihm angelegt haben. Ja, das wird er!«

Der Bootsmann verstummt grimmig.

Die anderen Männer nicken, und es geht ihnen allmählich etwas besser.

Sie nicken also überzeugt, denn sie kennen ihren Kapitän. Langsam erheben sie sich und verharren schwankend. Sie haben noch Gleichgewichtsprobleme. Die Explosion betäubte sie, schleuderte sie in den Fluss, und sie ertranken fast darinnen.

Als sie nun sehen, dass einige der bisher verharrenden Zuschauer damit beginnen, Ladung aus dem Fluss zu bergen, ruft der Bootsmann scharf: »Leute, wer uns die Ladung bergen helfen will, der ist willkommen! Doch die Ladung gehört immer noch uns!«

Jack Steele hört die Worte noch im Fortgehen, und er ist sicher, dass er für seine Männer noch einmal gut gesorgt hat. Mehr konnte er wirklich nicht tun für sie.

Er fühlt sich nun frei von jeder weiteren Verantwortung ihnen gegenüber.

In ihm jagen sich die Gedanken und Gefühle.

Er hat verloren, wurde zurechtgestutzt. Und weil er auf dem Strom als besonders harter Mann bekannt war, haben sie an ihm ein Exempel statuiert. Jetzt werden auch andere Rebellen aufgeben, die sich dem Trust bisher widersetzten und frei bleiben wollten.

Als er das Hotel erreicht, steht Julia Haggerty vor dem Eingang auf der Veranda und sieht ihm im nun heller werdenden Tag fest entgegen.

In diesem Moment fragt er sich, warum sie sich am Abend zuvor so viel Mühe gab, ihn auch in der Nacht vor der Abfahrt in ihrem Bett zu haben.

Eigentlich hatte er nämlich an Bord gehen wollen, zumindest noch vor Mitternacht. Doch er war bis zum Morgengrauen geblieben und hatte alles seiner zuverlässigen Mannschaft überlassen – vor allem dem Steuermann, dem Maschinisten und dem Bootsmann.

Erst im letzten Moment wäre er an Bord gesprungen.

So aber hatte er bei Julia im Bett gelegen und war mit dem Leben davongekommen. Andernfalls hätte er in seiner Eignerkabine unterhalb des Ruderhauses gelegen und wäre mit der Explosion in die Luft geflogen.

Er hat nun Julia erreicht und verharrt vor ihr.

Sie blickt zu ihm hoch, denn obwohl sie für eine Frau etwas mehr als mittelgroß ist, überragt er sie um einen Kopf.

Sie sehen sich schweigend an.

In ihrem Blick ist ein ernstes und zugleich auch hart wirkendes Forschen.

»Jetzt weißt du genau, dass es gegen ihre Macht kein Gegenankämpfen gibt«, murmelt sie. »Ihre Macht ist das einzige Gesetz des Big Muddy. Wer es nicht befolgt, den vernichten sie gnadenlos. Also unterwirf dich ihnen an meiner Seite. Was macht es schon aus, wenn wir ihnen ihren Anteil zahlen? Den holen wir doch wieder herein, wenn die Vereinigung einmal das Monopol auf alles besitzt und die Preise bestimmen kann. Der Big Muddy ist die Lebensader des Landes. Wer ihn beherrscht, der...«

Er hört nicht länger zu, sondern schiebt sie sachte zur Seite, betritt das Hotel und eilt die Treppe hinauf.

In ihrem Zimmer sucht er seine wenigen Sachen zusammen, die er vorhin in der Eile zurückgelassen hat. Er vervollständigt seine Kleidung, schnallt sich auch den gefüllten Geldgürtel unter dem Hemd um die Hüften.

Es sind fünftausend Dollar in diesem Gürtel. Und einige hundert Dollar hat er noch in den Taschen.

Ein armer Bursche ist er also nicht. Zumal er auf der Bank in Saint Louis noch eine beträchtliche Summe auf dem Konto hat.

Er könnte sich also ein neues Boot kaufen und es wieder mit Waren beladen, drei Dutzend Passagiere an Bord nehmen, die für einen Kabinenplatz und volle Verpflegung bis nach Fort Benton zweihundert Dollar zahlen.

Nein, er wurde kein armer Mann, obwohl er viel verlor – nämlich die Falcon und die Ladung. Letztere hatte einen Wert von mehr als zehntausend Dollar.

Julia Haggerty trat nach ihm ins Zimmer und lehnt nun neben der Tür an der Wand. Sie hat sich den dünnen Morgenmantel eng um den Körper gewickelt. Man kann gut ihre aufregenden Formen erkennen, doch dafür hat er jetzt keinen Blick.

Ganz ruhig sagt er: »Julia, erweise mir noch einen letzten Gefallen. Wer kassiert bei dir das Schutzgeld für die Vereinigung – oder wie man diese Bande auch nennen mag...«

Er verstummt und winkt ab.

Sie schüttelt den Kopf. Dann fragt sie bitter: »Du willst dich mit ihnen anlegen? Allein, wie du bist? Du musst verrückt sein, Jack Steele!«

Aber er fragt nochmals: »Wer kassiert bei dir?«

»Du willst mich also verlassen, Jack?«, fragt sie zurück. »Hast du noch nicht begriffen, dass ich dir das Leben gerettet habe, weil ich dich bei mir im Bett festhielt? Jack, ich wollte nicht noch einmal einen Mann verlieren.«

»Wer kassiert hier?«

Er fragt es zum dritten Mal.

Sie hebt die Hände und bedeckt damit das Gesicht.

»Ich will es wissen, Julia. Du bist es mir schuldig!« Seine Stimme klingt drängend.

Da nimmt sie die Hände herunter und flüstert heiser: »Es kommt stets ein Mann von der Northern-Star-Reederei. Es ist ein Buchhalter, dem ich Einblick in meine Bücher gewähren muss. Und jetzt geh, Jack Steele. Ich habe begriffen, dass du kämpfen willst. Aber ich will nicht mit dir untergehen. Geh also!«

Er nickt und geht an ihr vorbei nach draußen.

Sie wirft die Tür krachend hinter ihm zu.

Dann flüstert sie. »Was für ein Mann – er will lieber untergehen als zahlen. Es hätte so schön werden können mit uns.«

Als er auf die Straße tritt, hält er noch einmal inne und saugt tief die frische Morgenluft ein. Die Stadt am Strom – River City – ist nun fast erwacht. Das Leben und Treiben beginnt. Dampfwinden fauchen und ermöglichen den Ladebäumen ihre Tätigkeiten bei den Landebrücken und dem Holzplatz. Unterhalb der Stadt beginnen die Gattersägen zu kreischen. In der Bucht schwimmen die Reste zweier einstiger Riesenflöße, die zu Eisenbahnschwellen verarbeitet werden.

Einige Dampfboote lösen sich nun da und dort von den Landebrücken und gehen in den Strom, um flussaufwärts oder -abwärts zu dampfen.

Die lange Reihe von Frachtwagen auf der Uferstraße kommt in Bewegung. Sie wollen die stinkenden Büffelhäute loswerden, die man mit Hilfe der Ladebäume in Körben an Bord der Schiffe holt.

Alles kommt in Gang. An den Bratständen und vor den Speiseküchen werden schon die ersten Gäste abgefertigt.

Jack Steele erreicht die Northern-Star-Reederei.

Sie ist die größte in River City. Zu ihr gehören drei Landebrücken, viele Magazine, Schuppen, Corrals, ein Wagenhof und das prächtige Haupthaus.

Neben dem Eingang sitzt ein Mann mit einem abgesägten Schrotgewehr quer über den Oberschenkeln. Der Mann trägt eine Plakette an der Jacke, auf der man das Emblem der Northern-Star-Reederei erkennen kann – nämlich einen Stern über der Schrift ›NORTHERN‹.

Der Mann erhebt sich und grinst unter seinem buschigen Vollbart.

Dann fragt er: »Nun, das war wohl ein großes Unglück, Kapitän – oder?«

»Sicher, das war es wirklich«, erwidert Jack Steele. »Und deshalb möchte ich zum Boss dieser Reederei. Und wenn er beim Frühstück sitzen sollte, dann wäre mir das gerade recht. Lass mich also rein, mein Freund!«

»Willst du zu Kreuze kriechen?«

Der Türwächter fragt es höhnend.

Doch da schlägt Jack Steele wortlos zu. Es ist ein Haken, der genau den Punkt auf der Lebergegend trifft, auf den es ankommt. Und so knickt der Mann mit dem rechten Bein ein, lässt die Schrotflinte fallen und ein ächzendes Stöhnen hören.

Aber da bekommt er auch schon Jack Steeles Knie von der Seite auf das linke Ohr und ist für eine Weile kein Türwächter mehr.

Jack Steele tritt ruhig ein, so als wäre er ein harmloser, willkommener Besucher. Drinnen sitzen zwei Schreiber an Schreibtischen. Einer deutet über die Schulter zu einer Tür und sagt: »Wenn Parker Sie eingelassen hat, können Sie nach Anklopfen zu Mr. Sullivan hinein. Wollen Sie Fracht auf eines unserer Schiffe bringen?«

Jack Steele erwidert nichts. Er öffnet die Tür, ohne anzuklopfen, und tritt ein.

Jener Mr. Sullivan sitzt tatsächlich hinter seinem Schreibtisch beim Frühstück und tunkt gerade ein Biskuit in die Kaffeeschale.

Sein Anblick lässt an einen gereizten Bullen denken.

Er will etwas sagen, was gewiss böse gewesen wäre, aber Jack Steele sagt hart: »Halt's Maul – sag erst was, wenn ich dich frage!«

Sullivan verschluckt sich fast und muss eine Weile husten. Dabei quellen ihm die Augen unter den buschigen Brauen weit aus den Höhlen.

Jack Steele lässt ihm Zeit. Dann aber fragt er: »Wo sitzt der Boss dieser Organisation? Wo befindet sich das Hauptquartier?«

Sullivan starrt ihn an und will explodieren. Denn er ist ja ein mächtiger Mann in der Stadt am großen Strom und muss keinen Befehl zweimal geben. Doch jetzt spürt er, dass er gehörig in der Klemme sitzt.

Denn plötzlich weiß er, wer gekommen ist. Es kann nur der Eigner und Kapitän der Falcon sein – wer sonst? Sein Blick tastet an Jack Steele nieder. Dass dieser keinen Revolver im Holster unter der Hüfte trägt, macht ihn nicht leichtsinnig. Denn er vermutet richtig, dass sein Besucher seine Waffe in einem Schulterholster griffbereit hat.

Sullivan verzichtet also klugerweise darauf, zu explodieren. Sein Verstand holt ihn noch früh genug ein. Und schließlich fragt er ganz ruhig: »Sind Sie am Ende gar dieser rebellische Kapitän der Falcon, von der ich hörte, dass sie eine Kesselexplosion hatte?«

Steele grinst unter seinem blonden Sichelbart.

»Ich werde Sie gleich erschießen, Sullivan«, spricht er. »Sie haben nur eine einzige Chance, wenn Sie mir Einblick in die Organisation geben, die den ganzen Strom beherrschen und über alles ein Monopol ausüben will. Ich will das Hauptquartier in die Luft jagen, so wie man es mit meinem Boot getan hat. Also, Mr. Sullivan, reden Sie!«

Bei aller Höflichkeit seiner Anrede klingt seine Stimme erbarmungslos hart.

Auch George Sullivan ist ein harter Mann, dennoch beginnt er nun zu schwitzen. Aber wer könnte ihm das verdenken?

»Steele, Sie hätten sich unterwerfen sollen«, spricht er. »Die Organisation kennt keine Gnade gegen Männer wie Sie, die sich gegen ihre Macht auflehnen wollen. Und selbst wenn Sie mich töten, ändert sich nichts – gar nichts. Die Organisation – es ist ein Trust, dessen Bosse im Osten sitzen und selbst den Politikern sagen, wo es langgeht – ist vergleichbar mit einem Kraken. Schlägt man ihm einen Arm ab, muss man damit rechnen, dass ihm gleich zwei neue Arme nachwachsen. Geben Sie also auf, Steele.«

Dieser schüttelt den Kopf.

»Mit meinem Boot sind einige gute Männer in die Luft geflogen. Sie sind tot für immer. Es war heimtückischer Mord. Diese Organisation ist eine Mordbande. Sullivan, wo sitzt der Boss – in Saint Louis oder in Westport/Kansas City? Sagen Sie es...«

Er kommt nicht weiter, denn die Tür geht krachend auf.

Der Wächter, den Steele vor dem Eingang zusammenschlug, wird mit der schussbereiten Schrotflinte sichtbar: Er brüllt böse und feuert beide Läufe ab.

Doch tut er es einen Sekundenbruchteil zu spät.

Steele duckt sich zu schnell. Und auf diese kurze Entfernung hat die Flinte keine große Streuwirkung.

Steele aber zaubert noch im Ducken den Revolver aus dem Schulterholster und schießt, noch bevor er auf dem Bauch landet.

Und er schießt weiter, weil Sullivan seinen Revolver aus der Schreibtischlade holt. Er trifft ihn unter dem Schreibtisch hinweg schräg nach oben in den Bauch.

Dann ist es vorbei.

Im vorderen Raum, wo die beiden Schreiber sitzen, ist es still. Vielleicht haben sie sich unter die Tische geworfen und halten den Atem an. Denn sie sind ja nichts anderes als kümmerliche Schreiberlinge. Die muss es zwar auch geben auf dieser Erde – aber hier zählen sie nicht.

Steele erhebt sich langsam mit dem rauchenden Revolver in der Faust. Sullivan stöhnt sterbend unter seinem Schreibtisch. Dann stößt er mit letzter Kraft hervor: »Du bist auch schon tot, nur weißt du es noch nicht.«

Steele sagt nichts.

Aber er nimmt die große Petroleumlampe vom Tisch.

In ihrem grünen Glasfuß sind gewiss mehr als zwei Liter Petroleum.

Er wirft sie mit aller Wucht auf den Teppich, sodass der Glasfuß birst.