G. F. Unger Sonder-Edition 220 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 220 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Von einem Sekundenbruchteil zum anderen brach die Hölle los. Fünf wilde Revolverschwinger kämpften gegen Haggerty und mich. Wir hatten kaum eine Chance, aber wir wollten unser Leben so teuer wie möglich verkaufen.
Ich stand eingehüllt in den eigenen Pulverdampf und schoss auf jedes Mündungsfeuer, das gegen mich zuckte. Dann sah ich, wie mein Partner fiel, und ich selbst wurde zweimal getroffen. Hier wurde keinem etwas geschenkt, denn unsere Feinde wollten die gesamte Texaner-Beute ...


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Seitenzahl: 196

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Abrechnung in Montana

Vorschau

Impressum

Abrechnung in Montana

Es war schon fast Abend, als ich die Wasserstelle bei Spanish Walls erreichte. Ein alter narbiger Wolf schlich bei meiner Annäherung davon. Mein narbiger Black stieß ein böses Schnauben aus, denn er hatte keine Furcht vor einem einzelnen Wolf. Er hasste Wölfe. Black war ein Kriegspferd.

Der Wolf war für mich ein gutes Zeichen dafür, dass es keine Gefahr in der Nähe geben konnte. Die Wasserstelle war jetzt frei.

Ich kannte den Ort von früher. Die alten Wälle eines Forts, welches einst die Spanier bauten – damals, als sie mit ihren eisengepanzerten Soldaten nach den sieben sagenhaften goldenen Städten suchten –, waren kaum mehr verfallen als vor einigen Jahren. Hier schien die Zeit stillzustehen.

Ich ließ mein Pferd saufen und erfrischte mich auch selbst, füllte sofort meine Wasserflasche.

Dann überlegte ich, ob ich hier die Nacht verbringen sollte oder es besser sein würde, wenn ich noch eine Weile weiter durch die Hügel ritt.

Aber für meinen Black war hier bei der Wasserstelle gutes, grünes Futter. Er hatte sich eine saftige Weide verdient. Und so entschloss ich mich, vorerst bei der Wasserstelle zu bleiben.

Doch es war nicht sehr klug – jedenfalls nicht in diesem Lande. Eine Wasserstelle war nun mal das Ziel aller Lebewesen im weiten Umkreis. Wenn es nirgendwo sonst Wasser gab, mussten sie herkommen – alle.

Nun, ich schlug also mein Camp auf, machte Feuer und briet mir ein paar Pfannkuchen, Speck dazu und kochte mir auch Kaffee. Mein Black graste in der näheren Umgebung und witterte dann und wann in die Runde. Ich brauchte ihn nur zu beobachten, um einigermaßen sicher zu sein vor Überraschungen.

Aber dann witterte Black auch schon nach Südwesten, also in Richtung hin zum Pecos River, den ich heute am frühen Morgen durchfurtet hatte.

Es kam jemand.

Aber wer?

Black musste ein Geräusch gehört haben – und zwar gegen den Wind. Denn der Wind kam von Nordosten. Es war ein nur leichtes Streichen, mehr nicht.

Wittern konnte Black nichts – nicht in dieser Richtung, in die der Wind strich.

Was also hatte er gegen den Wind gehört?

Ich erhob mich vom Feuer und wich zurück bis in die Schatten der alten Spanischen Wälle.

Und da war es auch schon zu spät.

Ich spürte plötzlich einen leichten Stoß im Rücken, und ich wusste, dass dies nichts anderes als eine Gewehrmündung sein konnte. Ich kannte mich da recht gut aus.

Nun, lieber Leser meiner Geschichte, man darf mich nicht für eine Pfeife halten, ganz gewiss nicht. Ich war ein erfahrener Bursche in diesem Lande. Ich kannte mich aus und war nicht leicht zu überrumpeln. Bisher konnte mich noch niemand so reinlegen.

Der Bursche also, dessen Gewehrmündung in meinen Rücken drückte, war also selbst ein zweibeiniger, narbiger Wolf. Denn narbige Wölfe sind am erfahrensten. Die kennen sich besonders gut aus, denn sie »zahlten« längst Lehrgeld und erhielten ihre Lektionen.

Solch ein Hombre also hatte mich vor seinem Gewehr.

Irgendwie hatte er es fertigbringen können, völlig lautlos dorthin zu gelangen, wohin ich mich zurückziehen würde bei einem Geräusch. Dann hatte er ein kleines Steinchen geworfen, welches nicht mal ich am knisternden Feuer, sondern nur mein schwarzer Wallach gehört hatte.

Und dann hatte ich genau erwartungsgemäß reagiert.

Nun glaubte er, mich zu haben. Vielleicht unterschätzte er mich jetzt sogar, weil er mich so leicht bekommen zu haben glaubte.

»Nur ruhig, mein Junge«, sagte er hinter mir, und seiner Stimme hörte man schon an, dass er auch selbst sehr ruhig und eiskalt war. Ich wusste sofort, dass dieser Bursche da hinter mir ein alter Jäger war – ein Menschenjäger. Und er war schon bei Jahren. Auch das hörte man seiner Stimme an.

Erkennen konnte ich nicht viel. Er stand ja hinter mir, und wir befanden uns im Schatten der alten Bastionswälle. Der Feuerschein reichte nicht bis zu uns. Das Feuer war fast niedergebrannt. Es glühte nur noch. In der heißen Asche stand meine schwarzgebrannte Kaffeekanne.

Der Mann hinter mir war kleiner. Er konnte kaum mittelgroß sein.

Nun, ich hatte mir auf dieser Erde einige Feinde gemacht. Ich hatte »Schatten« auf der Fährte, wie man so sagte, und es gab einige Leute zu beiden Seiten der Grenze, die zahlten gewiss Prämien für meinen Skalp.

So war das nun mal mit mir. Ich war nicht das, was man einen seriösen Gentleman nannte – oh, nein.

»Gehen wir zum Feuer«, sagte er hinter mir und stieß mich wieder mit der Gewehrmündung in den Rücken.

Ich machte sofort einen großen Schritt – aber nur, um von seiner Mündung wegzukommen, so dass diese nicht mehr auf »Tuchfühlung« mit mir war.

Nun, ich war zwar ein ziemlich großer und schwergewichtiger Bursche, doch dabei so schnell wie ein Leichtgewicht oder gar wie ein Wildkater, der einer zuschnappenden Falle entkommen möchte.

Ich wirbelte herum, schlug dabei den Gewehrlauf zur Seite und gab es dem Burschen. Oha, ich knallte ihm meine Linke wie eine Ramme auf die Leberpartie.

Und da war auch schon alles vorbei.

Es hatte schon Schwergewichte gegeben, die sich für hart hielten und dennoch einen solchen Leberhaken nicht vertrugen. Dieser kaum mittelgroße und schon ziemlich angejahrte Bursche da hinter mir sackte sofort zusammen. Der konnte nicht mehr stehen und auch nicht mehr knien. Der legte sich hin und stöhnte nur gepresst.

Auch sein Gewehr fiel zu Boden.

Ich wunderte mich, dass er nicht abgedrückt hatte. Denn er hätte das leicht tun können. Die Kugel hätte mich sicherlich noch gestreift, und das Mündungsfeuer würde mir die Kleidung angesengt haben.

Aber er hatte nicht abgedrückt, nicht mal reflexhaft, was doch wohl jeder Mensch getan hätte.

Ich untersuchte das Gewehr. Ja, es war geladen. Es war ein siebenschüssiger Spencer mit Unterhebelverschluss. Ich kniete nieder, um mir den Colt des Stöhnenden zu holen. Und da sah ich etwas, was mich innehalten und ungläubig fluchen ließ.

Es war ein mattes Blinken. Ich schob die offene Jacke des Mannes noch etwas weiter auseinander und befühlte das mattblinkende Ding.

Ja, es war die Plakette eines Marshals, eines US-Marshals, wohlgemerkt, nicht etwa nur der Blechstern eines Town-Marshals.

Und zwischen einem US-Deputy und einem Town-Marshal, nun, da gab es ziemliche Unterschiede. Ein Town-Marshal hatte nur Amtsbefugnis innerhalb der Stadtgrenzen, und er war nur ein von der Bürgerschaft angeworbener Mann und dieser Bürgerschaft verantwortlich.

Ein Town-Marshal konnte auch nur ein gemieteter Revolverheld sein.

Aber ein US-Marshal – nun, der vertrat das Bundesgesetz und stand besoldungsmäßig im Range eines Captains. Ein US-Marshal konnte auch die Armee um Hilfe ersuchen und noch eine ganze Menge mehr tun.

Ich nahm ihm dennoch den Colt weg und fand auch noch ein langes Messer in seinem Stiefel.

Dann konnte ich nur noch warten.

Er erholte sich allmählich, setzte sich auf, stöhnte bitter und sagte dann heiser und gepresst: »Haggerty, Sie wussten genau, dass ich nicht abdrücken durfte. Sie wussten es ziemlich sicher. Doch wenn ich abgedrückt hätte – was dann? Sie spielen wohl immer hoch, Haggerty? Sie setzen wohl immer alles auf Ihr Glück? Irgendwann fallen Sie damit rein.«

Ich grinste und sagte: »Marshal, ich bin nicht Haggerty. Offenbar sind Sie bei Nacht so blind wie ein Maulwurf bei Tage. Verdammt, ich bin nicht Haggerty. Ich habe niemals so geheißen. Beklagen Sie sich nur nicht über meine Behandlung, Mister? – Oder möchten Sie sich beklagen?«

Ich fragte es grimmig.

Er starrte zu mir hoch. Dann erhob er sich mühsam und massierte sich die Leberpartie. Er hielt sich noch schief. Wahrscheinlich war er grün im Gesicht – oder gelb, jedenfalls noch nicht normal gefärbt.

Er trat schließlich näher und starrte zu mir empor. Aus nächster Nähe konnte er nun erkennen, dass ich gewiss nicht Haggerty war, wer dieser Haggerty auch sein mochte. Aber auch ich sah ihn an, und ich erkannte, dass er wahrhaftig so aussah wie seine Stimme klang, nämlich hart, hager, zäh und wie ein etwas zerzauster Jagdfalke, ein menschlicher Jagdfalke, der kein Kleingetier, sondern Menschen jagte dann und wann – und dies schon ein langes Leben lang.

Wir betrachteten uns.

Dann nickte er. »Nein, Sie sind nicht Haggerty«, sagte er. »Wahrscheinlich bin ich doch inzwischen ein alter Esel geworden. Dies wäre mir früher nicht passiert. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Mister.«

»Das habe ich auch nicht vor«, erwiderte ich.

»Und wer sind Sie?« Er fragte es leise, doch grimmig.

»Ach«, sagte ich, »was ist schon ein Name? Ich könnte Ihnen ein Dutzend Namen nennen. Am besten ist, wir vergessen beide, dass wir uns getroffen haben.«

Er verharrte schweigend, dachte nach, rieb sich die schmerzende Seite. Er war nun wieder gut beieinander, hatte alles verdaut und überwunden.

Ich fragte mich, ob er nachtragend war und mir das nicht vergessen würde.

Einen US-Marshal mochte ich nicht auch noch zum Feinde haben. Solch ein Bursche konnte mir eine Menge Ärger machen.

Er starrte mich wieder im Dunkeln an.

»Dann entschuldige ich mich«, sagte er. »Ich glaubte, dass nur Haggerty hier am Feuer sitzen könnte – nur er. Denn ich war ihm dicht auf den Fersen. Und wenn er noch nicht hier ist oder war, dann wird er kommen. Geben Sie mir meine Waffen zurück, Mann, wie auch Ihr Name sein mag.«

Ich zögerte.

Verdammt, ich witterte eine Menge Verdruss, und ich schalt mich einen Dummkopf und leichtsinnigen Narren, weil ich hier bei dieser einzigen Wasserstelle weit und breit lagerte. Es wäre besser gewesen, meinem Pferd kein frisches und saftiges Weidefutter zu gönnen.

Sollte ich dem Marshal die Waffen zurückgeben? Würde er sich dann vielleicht zu rächen versuchen für den Leberhaken, der ihn umlegte?

Aber er war offenbar hinter einem Verbrecher her, welcher Haggerty hieß.

Wenn ich dem Marshal die Waffen nicht zurückgab, würde ihn dieser Verbrecher vielleicht töten. Denn dieser Haggerty würde kommen. Er musste kommen. Es gab sonst nirgendwo Wasser.

Ich entschloss mich, reichte ihm den Colt und dann auch das Gewehr nebst Messer. Oha, ich war auf der Hut und lauerte. Doch er versuchte nichts. Er nahm seine Waffen, untersuchte diese und ging dann, um sein Pferd zu holen.

Ich trat wieder an mein Feuer, legte etwas Holz darauf, damit es heller brannte, und suchte meine Siebensachen zusammen. Ja, ich packte wieder mein Bündel und wollte noch ein Stück reiten.

Als ich Black sagte, dass er herkommen sollte, tat er dies sehr unwillig. Er gehorchte mir sonst wie ein kluger Hund. Doch jetzt wusste er, dass wir wieder aufbrechen würden. Das passte ihm nicht.

»Aaaah, komm schon«, sagte ich nochmals zu ihm. »Komm her, damit ich dich satteln kann. Diese Welt ist schlecht, wo Menschen sind, und gut, wo man alleine ist. Also gehen wir dorthin, wo wir eine gute Welt haben. Komm schon, du Witwenmacher. Denn ich habe mir auch heute wieder einen Feind gemacht.«

Als ich das sagte, dachte ich an den eisgrauen und zähen US-Marshal. Ich kannte noch nicht mal seinen Namen. Aber ich hatte ihm ja auch meinen nicht genannt.

Mein Gaul kam endlich. Ich legte ihm den Sattel auf und zurrte mein Bündel am Hinterzwiesel fest.

Dann hörte ich einen Reiter kommen, und ich glaubte, dass es der Marshal wäre, der inzwischen sein Pferd gefunden und hergeritten hatte. Irgendwo draußen in der Nacht und weit weg vom Camp, da musste er sein Pferd zurückgelassen haben, vielleicht eine Viertelmeile weit.

Ich sah mich nach dem Reiter um.

Und da erkannte ich, dass es gar nicht der Marshal war.

Nein, es war ein anderer Mann, ein Bursche, der ein großes Pferd ritt wie ich und mir auch von der Statur her sehr ähnlich war.

Ich begriff, dass er wahrscheinlich dieser Haggerty war, mit dem der Marshal mich verwechselte. Ich fragte mich in diesem Moment auch, warum der Marshal nicht das Gewehr abdrückte, als ich mich blitzschnell drehte. Diese Frage hatte immer noch keine Antwort gefunden. Es würde gewiss eine interessante Antwort sein.

Der Reiter fragte nun über das Feuer hinweg zu mir herüber: »Hoi, Mister, wollen Sie weiter? Kann ich das Feuer übernehmen?«

»Sicher«, sagte ich – und mir lag auf der Zunge, ihn nun zu fragen, ob er Haggerty wäre. Aber ich ließ die Frage. Was ging mich denn diese Sache an? Gar nichts! Ich hatte herausgefunden, dass man immer nur Ärger bekam, wenn man sich mit anderen Menschen einließ, immer nur Ärger irgendwie. Es war gut, sich um nichts zu kümmern und einfach nur seines Weges zu reiten. Dabei kam man stets am besten weg.

Ich saß auf, und dieser Mann, den ich für Haggerty halten konnte, saß ab.

Und dann saß er auch schon in der Falle. Denn bevor er seinen Fuß aus dem Steigbügel nehmen und sich mit diesem Fuß auf die Erde stellen konnte, sagte die Stimme des Marshals: »Steh still, Haggerty! Ich habe dich im Visier! Bleib mit der Hand am Sattelhorn, lass den Fuß noch im Steigbügel! Und lass den Waffengurt fallen! Hier ist Marshal Jones Madden, US-Marshal Madden!«

Nun kannte ich also seinen Namen. US-Marshal Jones Madden.

Irgendwann in der Vergangenheit hatte ich schon von ihm gehört. Ja, er war ein schon fast legendärer Banditen- und Menschenjäger.

Nun hatte er diesen Haggerty doch noch bekommen. Ja, er hatte ihn. Denn Haggerty besaß keine Chance – nicht jetzt in dieser Körperhaltung. Er stand mit einem Bein am Boden, hatte den anderen Fuß noch im Steigbügel und eine Hand am Sattelhorn.

Er konnte nicht schnell reagieren. Was er auch tun würde, er würde dabei zu langsam sein.

Und er wusste das genau.

Er fluchte nicht mal, schnaufte nur und knirschte mit den Zähnen.

Dann verharrte er einige Atemzüge. Auch sein müdes Pferd stand still, obwohl es gewiss durstig war. Doch es war ein gutes Pferd, welches gelernt hatte, still auf dem Fleck zu verharren, solange der Reiter noch nicht richtig abgesessen war. Und das war dieser Haggerty noch nicht.

Er wandte den Kopf und sah über die Schulter hinweg auf mich.

»Gehören Sie zu ihm, Freund?« So fragte er. Seine Stimme klang ganz ruhig und immer noch selbstbewusst. Er war ein Mann, den so schnell nichts nervös machen konnte und der auch in großer Gefahr die Kontrolle nicht verlor.

Ich hätte plötzlich gerne gewusst, warum US-Marshal Madden hinter ihm her war. Ja, dieser Haggerty interessierte mich plötzlich.

»Nein, Haggerty«, sagte ich. »Zu dem gehöre ich nicht. Dies ist nicht mein Spiel. Ich mische hier keine Karten und riskiere auch keine Chips.«

Ich sah ihm an, dass er etwas aufatmete. Nun wusste er, dass ich mich heraushalten würde. Er hatte es nur mit diesem Jones Madden zu tun.

Ich wollte nun aufsitzen und in die Nacht reiten. Ja, es war immer noch meine Absicht, einfach zu verschwinden.

Doch da fragte Haggerty: »Wollen Sie mir helfen, Freund?«

»Gegen einen US-Marshal?« So fragte ich trocken.

»Warum nicht?« So fragte er zurück. »Und vielleicht ist er nicht mal ein US-Marshal, sondern blufft nur. Freund, es soll Ihr Schaden nicht sein, wenn Sie mir jetzt beistehen.«

Es wurde still und blieb es eine ganze Weile.

Der Marshal wartete. Haggerty wartete. Und ich überlegte.

Aber dann schüttelte ich den Kopf.

»Nein«, sagte ich. »Das ist nicht mein Spiel. Ich kaufe hier keine Karten.«

Er atmete aus. Die Enttäuschung war groß in ihm.

Dann sagte der Marshal herbe aus der Dunkelheit: »Also los, Haggerty! Ich würde Sie nicht töten. Doch ich schieße auf Ihre Beine. Ich zähle nur noch bis drei.«

Er war entschlossen. Seine Stimme klang nicht lauter, doch man hörte ihr an, dass er nicht bluffte.

Haggerty seufzte nun hörbar. Er löste die Schnalle seines Waffengurtes, ließ ihn zu Boden fallen.

Dann erst durfte er sich von seinem Pferd lösen und zum Feuer treten.

Der Marshal tauchte auf. Er trat näher und stieß ihm die Gewehrmündung gegen die Brust. Haggerty musste seine Arme ausstrecken, und der Marshal ließ die stählernen Handschellen um Haggertys Gelenke schnappen.

Dann gingen Haggerty und der Marshal zur Wasserstelle, knieten dort nieder und löschten ihren Durst. Sie erfrischten sich, wuschen sich den Staub eines langen Reitens ab. Ihre Pferde nahmen neben ihnen Wasser. Sie alle waren sehr durstig.

Ich überlegte immer noch.

Sollte ich reiten oder sollte ich bleiben?

Irgendwie hatte ich nämlich tief in meinem Kern das Gefühl, dass ich nicht fortreiten durfte, sondern bleiben musste. Mich interessierte auch plötzlich, was dieser Haggerty wohl auf dem Kerbholz hatte.

Ich brauchte nicht fortzureiten. Die ganze Sache war vorbei. Der Marshal hatte sein Wild gefangen. Ich konnte mit ihm und dem Gefangenen bei der Wasserstelle bleiben. Das würde besonders meinem Black guttun.

Ich entschloss mich also zu bleiben und nahm den Sattel und mein anderes Zeug wieder ab. Mein Black schnaufte dankbar.

Das Feuer brannte jetzt hell. Ich brachte mein ganzes Gepäck hinüber zu einer Stelle, die mir günstig zum Schlafen schien.

Auch der Marshal hantierte und versorgte auch das Pferd seines Gefangenen. Dieser kochte trotz seiner mit Handschellen gefesselten Hände am Feuer Kaffee und briet einige Scheiben Fleisch in des Marshals Pfanne.

Dies alles wirkte irgendwie eingespielt, aber es waren alles nur übliche Verrichtungen. Marshal und Gefangener wollten ihren Hunger stillen. Und beide mussten aus sehr verschiedenen Bewegungsgründen bei Kräften bleiben, die aber letztlich doch nur auf das Überleben ausgerichtet waren.

Man konnte auf den ersten Blick denken, dass wir drei Männer zusammengehörten und auch schon oft ein gemeinsames Camp bezogen hätten. Aber es war nicht so.

Ich trat dann nochmals ans Feuer, nahm ein glühendes Stück Holz heraus und zündete meine Tabakspfeife an.

Haggerty hockte auf den Absätzen, hielt den Kaffeebecher in den Händen, so als wollte er diese daran wärmen, und schlürfte manchmal das heiße Gebräu vom heißen Rande.

Er sah zu mir empor. Sein Haar war bei Tageslicht gewiss so gelb wie reifer Weizen. Und seine Augen mussten sehr intensiv blau sein. Er war äußerlich ein prächtiges Mannsbild, und bei Frauen hatte er es gewiss niemals schwer.

Wir sahen uns eine Weile schweigend an – er zu mir empor und ich auf ihn nieder. Der Feuerschein beleuchtete unsere Gesichter.

Ich versuchte mir darüber klarzuwerden, ob ich ihm freundliche Gefühle entgegenbrachte, ob er mir nicht gefiel – oder ob er mir völlig gleichgültig war. Denn schließlich hatte er mich um Hilfe gebeten und hatte ich ihm diese Hilfe verweigert.

Nun, er war ein Bursche, der gewiss nicht viele Freunde hatte, höchstens Anhänger oder Gefolgsleute. Denn er war ein Bursche, der stets bestimmen musste und jeden anderen Mann in die Ecke drängen oder mit seinem Schatten zudecken musste. Das war gewiss seine Art.

Nein, mit ihm würde ich nicht warmwerden können.

Ich wollte mich abwenden. Doch da sagte er: »Bruder, du siehst nicht so aus, als könntest du zehntausend Dollar verschenken. Aber wenn du mir nicht hilfst, dann gehen dir wahrhaftig zehntausend Dollar durch die Lappen.«

Er verstummte sehr trocken.

Und es war seltsam: Ich glaubte ihm jetzt jedes Wort. Ja, ich war plötzlich völlig davon überzeugt, dass mir tatsächlich zehntausend Dollar durch die Lappen gingen, wenn ich ihm nicht half.

Und zehntausend Dollar... Oha, was war das für ein Berg Geld!

Für zehntausend Dollar bekam man hier in Texas mehr als dreitausend Rinder und zwei Dutzend guter Pferde. Für zehntausend Dollar musste ein guter Cowboy fast vierzig Jahre lang arbeiten, und dann hatte er diese zehntausend Dollar nicht bar auf der Hand, sondern restlos verbraucht.

Zehntausend Dollar waren wahrhaftig ein gewaltiger Berg Geld jetzt so kurz nach dem Krieg. Mit solch einem Kapital konnte ein Mann schnell noch reicher werden.

Ich musste mir über die trockenen Lippen lecken.

Dann sah ich mich nach dem Marshal um.

Dieser war inzwischen mit den Pferden fertig. Er hatte sich genähert und stand seitlich hinter mir. Vielleicht hatte er zugehört. Er starrte zu mir her.

Und ich wusste plötzlich, dass ich ihn würde töten müssen, wollte ich mir die zehntausend Dollar verdienen. Denn wenn ich ihn nicht tötete, sondern nur für eine Weile ausschaltete – zum Beispiel, indem ich ihm das Pferd wegnahm, so dass er zu Fuß gehen musste –, dann würde er mich mit Hilfe des Bundesgesetzes bis an mein Lebensende jagen.

Aber ich war ohnehin kein Killer, auch nicht für zehntausend Dollar. Ich wandte ihm und seinem Gefangenen den Rücken und ging zu meinem Schlafplatz.

Ich wollte es vergessen, einfach nicht mehr daran denken. Doch das ging nicht so einfach. Zehntausend Dollar waren zehntausend Versuchungen, zehntausend Teufel, die einem die Seele entführen wollten.

Ich beobachtete über meine Fußspitzen hinweg – denn ich lag ja schon unter meiner Decke und hatte den Sattel als Kopfkissen – den Marshal, sah, dass dieser nun dem Gefangenen auch die Füße fesselte und sich dann ebenfalls zur Ruhe legte.

Er musste müde sein, dieser alte Jagdfalke. Man sah es ihm an. Und er würde dennoch nicht richtig schlafen können, denn er traute mir gewiss nicht und musste immer wieder nach seinem Gefangenen sehen.

Dies würde eine schlechte Nacht für ihn werden.

Und morgen – oha, morgen hatte er einen zermürbenden Tag vor sich. Denn er musste mit seinem Gefangenen ziemlich weit reiten. Ich fragte mich, von wo sie beide wohl hergekommen sein mochten.

Der nächste Ort, der von einer Überland-Postlinie berührt wurde, war Rosco. Bis dorthin waren es mehr als vierzig Meilen. Und das Land war rau, unübersichtlich und schlecht zu durchreiten.

Rosco lag im Osten. Ich war von Westen her – vom Pecos – gekommen.

Da ich davon überzeugt war, dass bis Mitternacht gewiss nichts geschehen würde und der Marshal überdies nur sehr leicht schlafen und somit ein guter Wächter sein musste, ließ ich mich in einen Schlaf fallen.

Ich schlief tief und fest, doch nicht lange. Es war noch keine Mitternacht, als ich erwachte und sofort wusste, dass mein Erwachen nicht normal war. Warnsignale meines Unterbewusstseins hatten mich aus dem tiefen Schlafe aufsteigen lassen wie ein Schwimmer vom tiefsten Grunde eines Sees.

Der alte Marshal erhob sich gerade aus seinen Decken und wollte mit seinem Gewehr aus dem Bereich des Feuers, wo er beim Gefangenen gelegen hatte.

Doch es war zu spät.

Reiter kamen, und sie kamen aus vier Richtungen. Sie hatten uns schon eingekreist. Nun näherten sie sich unserem Camp.

Eine harte Stimme rief halblaut: »Hoii, Madden, Jones Madden?«

»Wer ist dort?« Die Stimme des Marshals fragte es spröde und feindlich bereits.

»Aaaah, wir sind nur das Aufgebot aus Rosco«, erwiderte die harte Stimme aus der Nacht. »Wir kommen nur zu Ihrer Unterstützung, Madden. Haben Sie diesen Haggerty dort am Feuer? Und ist dort noch jemand?«

Ich hörte den Marshal mit den Zähnen knirschen. Dann sagte er: »Ich brauche kein Aufgebot aus Rosco. Reitet zurück, Leute. Ich brauche euch nicht, und ich habe auch nicht um Hilfe gebeten.«

Nun lachten mehrere Reiter.

»Das glauben wir«, sagte eine andere Stimme. Und diese Stimme kam mir bekannt vor. Ja, diese Stimme hatte ich gewiss schon mal gehört.

Der erste Sprecher sagte nun hart: »Wir kommen jetzt in euer Camp. Wir müssen auf jeden Fall zur Wasserstelle.«

Und dann kamen sie.

Es waren vier Reiter – ja, nur vier.

Aber einen kannte ich, und dieser eine Bursche war gefährlicher als ein ganzes Rudel Revolverschwinger. Dieser eine Bursche hatte einen bösen Ruf als Revolvermann. Er hieß Gillmaker, Tab Gillmaker, und er wirkte auf den ersten Blick sehr durchschnittlich und farblos – bis man in seine Augen sah.

Zwei der drei anderen Reiter waren Brüder, die man fast verwechseln konnte, so ähnlich waren sie sich. Sie wirkten indianerhaft, fast wie als Weiße verkleidete Comanchen. Und auch von diesen beiden Burschen hatte ich schon gehört. Das waren Lesly und Fessly Laredo.

Den vierten Mann kannte ich nicht.

Aber er war offenbar der Anführer. Denn er besaß jene harte Stimme, die vorhin schon das meiste sprach.

Auch jetzt übernahm er das Reden. Er nickte Haggerty zu und sagte: »Er hat dich also doch bekommen, dieser alte Falke. Hay, der kann also immer noch jagen. Wer ist das denn?«

Diese Frage galt mir. Und er sah zu mir herüber. Ich hatte mich erhoben und war bereit für jeden Verdruss.