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Auf einer einsamen Poststation am Rand der Gila-Wüste sieht Blake Hurrigan die Frau wieder, die er nie vergessen konnte. Blake ist schwer verwundet, und die schöne Faith Gill pflegt ihn gesund. Für den einstigen Spieler und jetzigen Pferderancher ist das Glück vollkommen, als Faith sich bereit erklärt, seine Frau zu werden und ihm auf seine Ranch in den Gila Hills zu folgen. Doch bald weiß Blake, dass sein Glück in diesem gnadenlosen Land nicht von Dauer sein wird.
Carlos, der rachedurstige Apachen-Häuptling, will das Gebiet von allen Weißen säubern und schwört Blake den Tod. Und von Faith erfährt er, dass sie auf der Flucht vor dem mächtigen Warren Darke ist, den sie beim Spielen um achtzigtausend Dollar betrogen hat ...
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Seitenzahl: 184
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Das gnadenlose Land
Vorschau
Impressum
Das gnadenlose Land
Es war an einem Nachmittag, als wir die Pferde in den Corral der Post- und Frachtagentur von Santa Barbara trieben. Es war eine kleine Stadt am Salt River, der nach Norden zu die Gila Range begrenzte.
Ich hatte Juan als Helfer mitgenommen, denn wir mussten die dreißig Pferde fast achtzig Meilen treiben, also unterwegs kampieren.
Juan freute sich schon auf den Spaß, den er in wenigen Minuten in Santa Barbara haben würde. Denn er würde gleich seinen Lohn für die letzten drei Monate bekommen. Der Postagent musste mir nämlich für die Pferde fünfzehnhundert Dollar zahlen, also für jedes Tier fünfzig Dollar. So war es ausgemacht.
Es waren keine gewöhnlichen Pferde, sondern fünf Gespanne, besonders ausgesuchte und für Postkutschen geschulte Tiere. Sie mussten zusammenpassen wie ein Team. Die beiden Führungspferde mussten leichter und schneller sein als die beiden Paare dahinter, denn sie bestimmten das Tempo. Und alle sechs Caballos mussten auf Zurufe reagieren und etwa dreißig Meilen ohne Pause traben können.
Auf meiner kleinen Ranch hatten wir die Gespanne wochenlang ausgebildet mit einer alten Kutsche und waren viele Meilen gefahren, hatten sie ziehen lassen, bis sie endlich alles begriffen hatten.
Pferde sind Gewohnheitstiere. Man kann ihnen eine Menge beibringen, wenn man nur Geduld besitzt.
Nun, auch ich freute mich auf das viele Geld, welches ich gleich vom Agenten bekommen würde. Und so sah ich Ed Jedson freundlich entgegen, als er aus seinem Office trat, um die Gespanne zu besichtigen.
»Da bist du ja endlich, Blake Hurrigan«, sagte er und wirkte nicht besonders froh. Er betrachtete die Pferde, und obwohl er erkennen musste, dass es sich um erstklassige Tiere handelte, machte ihn auch das nicht froh.
»Was ist los, Ed?«, fragte ich. »Hast du vielleicht kein Geld für die Pferde? Ich wäre sonst so gut wie pleite.«
Er winkte ab. »Du bekommst dein Geld, Blake«, knurrte er. »Doch du musst die Tiere bei den Stationen abliefern. Sechs kannst du hierlassen. Die anderen vier Gespanne musst du zu den Stationen bringen, für die sie ja als Ersatzgespanne bestimmt sind. Das war dir doch von Anfang an klar – oder?«
Seine Frage traf mich wie ein Tritt in den Bauch. Und mir wurde klar, dass ich das letzte Gespann noch einhundertundzwanzig Meilen weit nach Süden treiben musste. Denn die Post- und Gespannwechselstationen lagen alle jeweils etwa dreißig Meilen auseinander. Die Überlandkutschen bekamen also alle dreißig Meilen ein frisches Gespann.
Ich starrte Ed Jedson böse an und knurrte: »Jed, du hast mich reingelegt. Ich glaube fast, du bist ein verdammter Hurensohn. Ich müsste noch einige Tage von meiner Ranch fortbleiben. Und ich habe dort nur einen Mann, und der ist ein Halbblut.«
»Was hast du gegen ein Halbblut?«, fragte Jedson zurück.
Ich hob die Schultern und ließ sie wieder sinken.
»Er ist noch nicht lange bei mir«, erwiderte ich. »Von dem weiß ich fast gar nichts. Er kann ein verdammter Pferdedieb sein, der sich bei mir eingeschlichen hat und zu einer Bande gehört. In diesem Land hier ist alles möglich.«
Ed Jedson nickte heftig.
»Es ist ein gnadenloses Land«, knurrte er. »Wir alle hier kämpfen ums Überleben, jeder auf seine Weise. Und niemand ist fair, wenn es ums Überleben geht. Hier gibt es kaum christliche Liebe. Und deshalb muss ich auch von dir verlangen, dass du die Pferde selbst bei den Stationen ablieferst. Ich habe hier niemanden, dem ich diese Aufgabe übertragen könnte. Und überdies mache ich mir Sorgen um die Kutsche, die von Süden kommt. Sie ist seit gestern überfällig. Ich habe einen Mann hinüber nach Fort Apache geschickt, dass man von dort aus eine Patrouille reiten lässt. Doch die Armee lässt sich stets viel Zeit. Auf dich ist mehr Verlass, Blake Hurrigan. Du musst ja der überfälligen Kutsche entgegentreiben.«
Nun wurde ich noch wütender, ja richtig böse. Und ich knurrte: »Jetzt weiß ich es ganz genau. Du bist wahrhaftig ein Hurensohn, ein Sohn von tausend Vätern. – Wenn diese verdammte Kutsche überfällig ist, dann liegt das wahrscheinlich an Banditen oder gar Apachen. Und dann schickst du mich mit meinem Helfer und vierundzwanzig Pferden vielleicht in den allerschlimmsten Verdruss. Macht dir das eigentlich gar nichts aus? Ich war bis jetzt der Meinung, dass wir fast so etwas wie Amigos wären.«
»Ich mag dich, Blake«, erwiderte er. »Doch ich habe einen harten Job in einem gnadenlosen Land. Und so musste ich auch zu dir hart sein. Du bekommst dein Geld sofort, wenn du mir dein Wort gibst, alles zu tun, was in deiner Macht steht, um die Pferde ordnungsgemäß abzuliefern und nach der überfälligen Kutsche zu forschen.«
Als er endete, grinste ich ihn an und fragte: »Hast du keine Angst, dass ich mein Wort breche und dich betrüge? Ich könnte das Geld nehmen und...«
»Nein«, unterbrach er mich. »Bei dir hätte ich keine Sorge. Du betrügst keinen Partner, von dem du Geld nimmst. Und wir sind gewissermaßen Partner, nicht wahr? Deine Selbstachtung lässt dich niemals anders handeln.«
Er verstummte ernst.
Und ich staunte, weil er so viel von mir zu halten schien. Und vielleicht tat er das sogar wirklich.
Ich sah zu meinem Helfer Juan hinüber. Der hatte es sich beim Brunnen bequem gemacht und den Oberkörper entblößt. Er begann sich am Wassertrog zu waschen.
Denn er würde von hier aus mit seinem Dreimonatslohn geradewegs zur Puta Casa gehen und unter den dort vorhandenen Mädchen wählen.
Also wollte er nicht nach Schweiß stinken.
Ja, alles war nun mal ziemlich primitiv in diesem Lande – oder ziemlich einfach und menschlich.
Juan tat mir einen Moment leid.
Aber war nicht auch ich soeben enttäuscht worden?
Warum sollte es ihm anders gehen? Dass ich nicht allein der Dumme war, linderte meinen Zorn etwas.
Und so sagte ich: »Also gut, gib mir das Geld. Dann will ich tun, was ich tun kann. Aber ich sage dir, du bist nicht edel und gut. Du bist ein verdammter Erpresser, der die Existenznot anderer Mitmenschen gnadenlos ausnutzt.«
»So ist die Welt.« Er grinste bitter. »Komm mit ins Office!«
Er ging voraus. Ich folgte ihm und rief grimmig zu Juan hinüber: »Hombre, du brauchst dich nicht zu waschen. Es gibt keine Vergnügen mit den Señoritas! Die Welt ist mies, Juan, mein Guter! Doch wenigstens können sie dir deinen Lohn nicht abnehmen, die Schönen und Süßen von Donna Elvira!«
Als ich Ed Jedson in dessen Office folgte, hörte ich Juan fluchen.
Ja, es tat gut, einen Leidensgenossen zu haben. Ich fühlte mich nicht mehr als der einzige, der reingelegt worden war.
✰
Eine halbe Stunde später waren wir wieder unterwegs nach Süden.
Juan hatte sechzig Dollar in der Tasche, das war sein rückständiger Lohn.
Ich aber trug nun vierzehnhundertundvierzig Dollar bei mir. Sie waren wirklich fast ein Vermögen. Doch ich hatte Schulden und wollte auch meine kleine Ranch noch weiter ausbauen. Und meinem zweiten Gehilfen musste ich nach unserer Rückkehr auch noch den rückständigen Lohn auszahlen.
Wir trieben die vierundzwanzig Pferde auf dem Wagenweg. Ein Packtier hatten wir nicht mitgenommen. Unsere Siebensachen befanden sich in unseren Sattelrollen und in den Packtaschen. Wir waren also recht dürftig ausgerüstet.
Doch wir hatten ja auch nur wenige Tage und Nächte unterwegs sein wollen. Nun würden noch einige Tage und Nächte hinzukommen.
Der Wagenweg war meilenweit leer. Wir sahen keine Reiter, keine Wagen. Nur einmal überquerten einige Wölfe den Weg, hielten an und witterten zu uns herüber.
Doch wir waren für sie keine Beute. Sie liefen weiter.
»Die haben es gut, Señor«, rief Juan zu mir herüber. »Die sind frei und brauchen keine Dollars – weder zum Essen, noch für die Liebe. Ein Lobo müsste man sein.«
Ich erwiderte nichts.
Was sollte ich ihm auch zurückrufen?
Nun, wir trieben unsere Pferde bis in die Nacht, ließen sie an einer Wasserstelle rasten und warteten auf den Silbermond und die Sterne.
Als die Nacht dann strahlend hell wurde und die Sterne mit ihrer unirdischen Kühle auf uns herabblickten, da trieben wir unsere Tiere weiter – immer weiter, Meile um Meile.
Es war eine wunderschöne Arizonanacht. Doch sie war zumeist unwirklich still, so als hielte hier alles den Atem an, und es gäbe keinen Pulsschlag des Landes.
Ich spürte, es war mit einem Mal alles anders.
Am Himmel jagten keine Nachtfalken. Und selbst von den Hügeln heulten keine Wölfe oder Coyoten.
Ich begann instinktiv die lauernden Gefahren zu wittern.
Am Salt River, wo ich meine kleine Ranch in einem schönen, geschützten Hügeltal hatte und wo es eine gute Quelle mit erstklassigem Süßwasser gab, da gab es einige Sicherheit. Denn ich hatte Nachbarn, und die Armeepatrouillen von Camp Catalina kamen immer wieder vorbei und hielten die Apachen aus dem Land.
Doch, hier weiter nach Süden zu, da war alles anders. Gewiss, es gab die Forts Apache, Thomas und Grant, von denen ebenfalls Patrouillen das Land durchritten. Doch es war nach Süden hin ein anderes Land. Es war erbarmungsloser gegen alle Lebewesen. Es gab nur wenige Wasserstellen, dafür hitzeflimmernde Tage und eiskalte Nächte. Es war Apachenland, in dem sich nur Kakteen wohlzufühlen schienen. Denn sie protzten mit bunter Blütenpracht, um welche Kolibris und andere Honigsauger schwirrten wie bunte Edelsteine.
Dass in diesem Land Menschen lebten, lag an den Silber- und Goldvorkommen, besonders zwischen dem Santa Cruz und dem San Pedro River. Die Stadt Tucson war schon von den Spaniern gegründet worden, als sie dort eine Garnison errichteten. Tombstone war noch ein kleines Dorf und würde erst in einigen Jahren zu einer traurigen Berühmtheit kommen. An der Grenze lag Nogales. Und von dorther kam die Post- und Frachtlinie nach Norden herauf, für die ich die Pferde zu liefern hatte.
Die Apachen kämpften immer noch um dieses Land, denn es war ihnen ein Schutz, eine sichere Zuflucht, weil nur sie die geheimen Wasserstellen kannten.
Während des Bürgerkriegs waren die Truppen aus diesem Territorium abgezogen worden, um auf den Kriegsschauplätzen zu kämpfen.
Und so waren die Apachen wieder stärker geworden, mehr oder weniger die Herren dieses Landes. Erst jetzt begann die Armee sie erneut zu bekämpfen.
Dies alles wurde mir wieder bewusst, indes wir die zwei Dutzend Pferde durch die diesmal so unwirklich stille Nacht trieben.
Wir alle waren müde, so richtig erschöpft. Denn wir hatten ja inzwischen schon fast dreißig zusätzliche Meilen hinter uns.
Es war dann fast schon Mitternacht, als wir das Licht der Spanish-Bit-Station in der Nacht erkannten. Die gelben Lichtpunkte leuchteten anders als die türkisfarbenen Sterne.
Es waren da vor uns auch keine Campfeuer, sondern eindeutig die Lichter der Station.
Juan rief leise zu mir herüber: »Da ist sie, Señor! Ich werde mich mit Tequila betrinken und von den Señoritas in Santa Barbara träumen. Caramba!«
Oha, er war wütend, weil er sich so auf all die Sünden gefreut hatte, die er in Santa Barbara begehen wollte.
Und nun musste er befürchten, dass uns Apachen die Pferde wegnehmen wollten. Das konnte unter Umständen sogar unseren Tod bedeuten. So war auch ich schlechter Laune, so richtig böse und wütend.
Aber da vorne waren ja die Lichter der Station. Wir würden ausruhen können. Auch etwas in den Magen würden wir bekommen. Und am Tag darauf hatten wir dann nur noch achtzehn Pferde weiter nach Süden zu treiben. Das bedeutete auch etwas weniger Sattelarbeit.
Als wir uns der Station auf Rufnähe genähert hatten, hielten wir an.
Ich rief hinüber: »Hoiii, hier ist Blake Hurrigan! Ich bringe euch ein neues Gespann!«
Meine Worte waren kaum verhallt, als eine Stimme entgegnete: »Dann kommt nur, ihr Nachtschwärmer! Ihr habt uns mächtig irritiert. Denn wir hörten viele Hufe und dachten an eine starke Mannschaft oder eine Apachenhorde. Kommt nur!«
Wir ritten und trieben weiter, gelangten in den Hof und jagten die Pferde in den Corral.
Der Stationsmann und dessen Gehilfe waren mit Schrotflinten herausgekommen. Im Mond- und Sternenschein betrachteten sie uns.
Der Stationsmann hieß Bac Ringold. Er sagte bitter: »Was sollen wir denn mit dem zusätzlichen Gespann? Es fahren ja wahrscheinlich doch keine Kutschen mehr. Die von gestern ist überfällig. Die kommt gewiss nicht mehr. Der Wagenweg ist sicher für lange Zeit gesperrt. Denn die Armee reagiert zu langsam. Ihr hättet in Santa Barbara bleiben sollen.«
»So ist es«, sagte Juan beifällig. »Ich wäre zu gern in Santa Barbara geblieben.«
Da lachte der Stationsmann grimmig und erwiderte: »Sei froh, Hombre, dass du nicht in Santa Barbara geblieben bist. Gewiss wärest du ins Hurenhaus gegangen. Dort war auch dieser Dummkopf hier, der mein Gehilfe ist. Und nun hat er die verdammte Lustseuche! He, Roberto, bei welchem Mädchen hast du sie dir geholt?«
Der Stationsgehilfe erwiderte sehr ärgerlich: »Boss, warum erzählst du denen das? Was geht die mein Problem an? Ich werde bald zu der alten Juana reiten. Die wird mich heilen. Und dann ist alles vergessen. Die hat ein Zauberpulver. Aber es war die wunderschöne Rosita, bei der ich in Santa Barbara war. Wie ist es nur möglich, dass ein so schönes Mädchen so versaut ist, o Hölle, verdammt!«
Wir hörten es und saßen endlich ab.
Ich sagte zu Juan: »Siehst du, Hombre, so ist das manchmal. Da stellt sich im Nachhinein manchmal heraus, dass sich Pech in Glück verwandelt. Juan, du bist ein Glückshombre.«
Aber er fluchte nur bitter und sagte: »In diesem Land ist alles merde.«
Wir versorgten unsere Sattelpferde und gingen dann hinein.
Die Frau des Stationsmannes war eine Halbapachin. Und vielleicht hatten ihre Halbbrüder die Station deshalb noch nicht überfallen.
Sie setzte uns Essen auf den Tisch und lächelte mich an. Sie war recht hübsch. Wahrscheinlich war ihre Mutter eine hübsche Mexikanerin gewesen – oder gar eine der letzten reinrassig gebliebenen Spanierinnen aus Mexiko.
Ich erwiderte ihr Lächeln.
Der Stationsmann sagte bitter: »Sie zogen hier vorbei. Es waren einige Dutzend. Ich denke, dass die Kutsche auf dem Wagenweg gestern keine Chance hatte. Wirst du umkehren, Blake Hurrigan?«
Ich saß mit Juan am Tisch. Wir löffelten die dicke Bohnensuppe und das kleingeschnittene Hammelfleisch darin, stillten so unseren bösen Hunger.
Ich dachte über seine Frage nach.
Ja, was sollte ich tun? Umkehren oder versuchen, meinen Job zu machen?
Ich musste eigentlich mit achtzehn Pferden noch drei Stationen weiter nach Süden. Das waren an die neunzig Meilen durch gnadenloses Land. Zwischen den Stationen gab es nur einige kleine Minen mit kleinen Siedlungen rechts und links des Wagenwegs.
Aber die Apachen waren vor uns, nicht hinter uns. Und ich hatte Ed Jedson mein Wort gegeben, mir das Geld redlich zu verdienen, welches er mir im Auftrag der Post- und Frachtlinie zahlte.
Bis jetzt hatte es für Juan und mich noch kein Risiko gegeben.
Also mussten wir weitermachen. Ich konnte nicht kneifen.
Es wäre Betrug gewesen.
Und so erwiderte ich Bac Ringold: »Bei Sonnenaufgang treiben wir weiter.«
Er nickte stumm.
Aber seine Frau sagte: »Sie werden euch töten.«
Wir erwiderten nichts.
Was hätten wir auch sagen können? Vielleicht hatte sie recht.
✰
Bei Sonnenaufgang waren wir wieder unterwegs. Bac Ringold rief uns noch nach: »Ihr seid ja verrückt! Ihr habt gestern unterwegs gewiss Locokraut gefressen!«
Er war richtig böse, ärgerte sich wegen unserer Dummheit.
Es gab in diesem Land wahrhaftig ein Kraut, welches Pferde verrückt machte, wenn sie es fraßen. Man nannte es Locokraut.
Und dies sollten wir seiner Meinung nach gefressen haben, wie er sich ausdrückte.
Juan rief zu mir herüber: »Ich wäre jetzt lieber in Santa Barbara! Selbst wenn ich mir dort auch diese verdammte Lustseuche holen würde. Boss, warum tun wir das?«
Ich sah zu ihm hinüber durch den Staub, den unsere Pferdehufe aufwirbelten.
Dann rief ich ihm zu: »Die letzten zwölf Tiere kann ich allein weitertreiben. Du musst nur bis zur nächsten Station mitreiten. Dann kannst du zurück nach Santa Barbara. Für deine sechzig Dollar kannst du dort eine Woche lang alle Putas ausprobieren.«
Da fluchte er noch böser und brüllte zurück: »Boss, Sie wissen ganz genau, dass ich bei Ihnen bleibe bis in die Hölle und zurück! Mein Stolz ist nicht geringer als der Ihre. Einer meiner Vorfahren war ein spanischer Ritter!«
Er rief es zuletzt sehr stolz.
Vielleicht war einer seiner Vorväter wirklich ein stolzer Ritter gewesen.
Aber Stolz war gewiss nicht das Privileg von spanischen Rittern.
Wir trieben also weiter, und weil wir sonst zu viel Staub geschluckt hätten, hielten wir unsere Lippen fest geschlossen. Wind blies uns entgegen und trieb uns den aufgewirbelten Staub ins Gesicht. Wir zogen uns die Halstücher über Mund und Nase. Ein Glück war, dass wir Pferde trieben.
Diese ließen sich leichter gegen den Wind und Staub treiben als Rinder.
So legten wir Meile um Meile zurück.
Es war dann später Vormittag, fast schon Mittag, als wir die Station in Sicht bekamen. Ihre Überreste qualmten noch und verstärkten die flimmernde Hitze.
Eine Weile hockten wir bewegungslos in den Sätteln und sahen uns alles an.
Unsere Tiere drängten dann zu den Wassertrögen beim Brunnen. Und da kamen wir wieder in Bewegung. Denn wir konnten uns aus Erfahrung ausrechnen, dass die Apachen den Brunnen und auch das Wasser in den Trögen versaut und vergiftet hatten. Das gehörte zu ihrer Kriegstaktik.
Sie selbst kannten die geheimen Wasserstellen im Land.
Juan hielt unsere Tiere vom Brunnen und von den Wassertrögen fern. Ich selbst sah nach. Im Brunnen entdeckte ich die Leichen der Stationsleute. Auch den getöteten Hund hatten die Apachen hineingeworfen.
Es gab keine Gnade in diesem Land.
Nun, wir waren dennoch Christenmenschen. Deshalb holten wir die Leichen mühsam aus dem Brunnen und begruben sie. Dann sagte ich zu Juan: »Du musst nicht mitkommen. Ich schaffe es auch allein!«
»Beleidigen Sie mich nicht, Señor Hurrigan«, erwiderte er ruhig.
Dann trieben wir die Pferde wieder aus dem Corral, in dem sie ohne Wasser hätte aushalten müssen, und setzten unseren Weg fort.
Bis zur nächsten Station waren es wieder etwa dreißig Meilen.
Waren wir verrückt? Oder konnten wir uns darauf verlassen, dass die Apachen immer noch vor uns waren?
Es würde sich gewiss irgendwann herausstellen.
Es war dann am späten Nachmittag, und die Station am Red Bull – es war ein roter Felsen, der wie ein liegender Bulle geformt war – befand sich keine zwei Meilen vor uns, als der Überfall mit einem Schuss begann.
Die Kugel fegte Juan aus dem Sattel. An der Art, wie er fiel, konnte ich erkennen, dass er schon tot war, als er aufschlug.
Die nächste Kugel traf mein Pferd.
Und ich kam noch gut aus dem Sattel, rollte mich hinter das Tier und riss mein Gewehr aus dem Sattelschuh. Das sterbende Tier zitterte noch einige Sekunden und atmete für immer aus.
Die Kugeln suchten nach mir. Doch das tote Pferd schützte mich.
Unsere Pferde aber jagten davon. Sie waren nun für die Post- und Frachtlinie verloren. Aber eigentlich konnte mir das egal sein, denn sie waren ja bezahlt worden. Ich trug den Erlös in einem Geldgürtel auf dem bloßen Leib bei mir. Den Geldgürtel gab mir Ed Jedson.
Ich fragte mich, mit wie vielen Apachen ich es zu tun hatte.
Wahrscheinlich handelte es sich um eine Nachhut der Bande.
Dann waren es nur wenige Krieger, gewiss nicht mehr als vier.
Ich sah nun zwei von ihnen. Sie ritten aus ihrer Deckung hervor, kamen also hinter einigen elefantengroßen Felsen zum Vorschein und jagten den Pferden nach.
Ja, sie waren scharf auf die Tiere. Drüben in Mexiko konnten sie damit Handel treiben.
Ich sah, dass es sich wahrscheinlich um Kiowa-Apachen handelte, welche weit nach Süden gekommen waren, gewiss von der Mogollon Mesa herunter. Sie trugen keine Stirnbänder, sondern Federn im Haar. Sie waren wahrscheinlich aus dem Reservat in Oklahoma ausgebrochen und durch die Painted Desert hinauf zur Mogollon Mesa und von dort herunter weiter nach Süden gezogen.
Hunderte von Meilen hatten sie zurückgelegt und sich von Raub und Mord ernährt. Ihr Ziel waren die Apachenstämme, mit denen sie sich vereinigen wollten, um in Freiheit weiterleben zu können.
Ich fragte mich, wie viele wohl noch in den Felsen steckten.
Und dann kamen sie auch schon. Sie wollten keine Zeit vertrödeln, sich hier nicht lange aufhalten. Sie mussten ihrer Horde als Nachhut folgen. Und sie wollten auch unsere Pferde möglichst schnell an die Horde heranbringen.
Nun sie kamen also herausgeritten und griffen an. Dabei verließen sie sich auf ihre Schnelligkeit, glaubten oder hofften, dass ich sie in schneller Bewegung nicht treffen würde. Es konnte auch sein, dass sie mich durch den Sturz verletzt glaubten.
Jedenfalls kamen sie, lenkten ihre Pferde nur mit den Schenkeln und schossen über die Köpfe der Tiere hinweg auf meine Deckung. Sie besaßen moderne Repetiergewehre, wahrscheinlich Spencer-Karabiner, so wie ich.
Ich ließ sie kommen.
Denn ich würde aus dem Hüftanschlag schießen müssen. Also müssten sie mir sehr nahe sein. Und so blieb ich liegen, bis sie nahe genug waren.
Dann sprang ich auf, blieb mit einem Knie am Boden und begann loszuballern.
Sieben Kugeln konnte ich abfeuern, musste also sechsmal repetieren.
Dreimal fehlte ich. Dann traf mich eine Kugel. Doch sie warf mich nicht um. Ich repetierte und schoss weiter.
Dann saß jeder Schuss von mir. Sie waren nahe genug.
Und dann war es vorbei. Alles hatte kaum mehr als fünfzehn Sekunden gedauert.
Fluchend vor Schmerz hielt ich mir die Seite.
Dann holte ich meinen Revolver heraus und ging nachsehen.
Ja, sie waren tot.
Und ich war allein, angeschossen und ohne Pferd.
Aber die Station war nicht mehr weit, keine zwei Meilen.
Hatten sie auch diese Station kleingemacht? Oder gab es dort noch Weiße?
Nun, ich würde es bald wissen. Denn ich machte mich auf den Weg, ließ alles zurück, nahm nur mein Gewehr, Munition und die Wasserflasche mit.
Mein Halstuch schob ich unter meinem Hemd auf die schmerzende Wunde, hoffte, dass es die Blutung stoppen würde. Zäh genug war ich gewiss. So gnadenlos dieses Land auch sein mochte, ich konnte mich gewiss darin behaupten.
✰
Die Schmerzen wurden immer schlimmer. Und ich konnte nur ganz flach atmen. Die Kugel hatte mir wahrscheinlich die Rippe gebrochen, an der sie abgeglitten war. Ich verlor auch eine Menge Blut, so sehr ich mein Halstuch auch gegen die Wunde presste.
Die zwei Meilen wurden für mich ein elendig langer Weg.
Manchmal dachte ich an Juan, der nun tot war und den ich nicht mal beerdigen konnte wie einen guten Amigo.
Auch an meine kleine Ranch dachte ich.