G. F. Unger Sonder-Edition 222 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 222 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Immer wieder war er gezwungen, seinen Mut und seine Revolverschnelligkeit unter Beweis zu stellen, und er wusste, dass er niemals das Leben eines normalen Mannes würde führen können.
Cole Clayborne verfluchte den Tag, an dem er als Junge gegen den Mörder seines Freundes den Colt zog und Sieger blieb...


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Seitenzahl: 239

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Um eine Kugel zu spät

Vorschau

Impressum

Um eine Kugel zu spät

So mancher wilde Junge feuerte damals eine Kugel ab – unbedacht und in einem gewalttätigen Augenblick. Und dann war es vorbei mit ihm. Wohin er auch reiten mochte – die Vergangenheit kroch ihm nach.

Es war meist zu spät für solch einen Jungen – um genau eine Kugel zu spät. Es war die erste Kugel, die er unbedacht und in einem gewalttätigen Augenblick verschossen hatte. Um genau diese Kugel, die den ersten Mann tötete, war es zu spät.

Dies hier ist Cole Claybornes Geschichte. Er war ein wilder Junge, und er wurde ein Mann. Doch auch seine Erkenntnis kam damals um eine Kugel zu spät. Sie nützte ihm nicht mehr viel. Denn er war schon gezeichnet. Und sein Schicksal war bestimmt.

Das Rudel kommt rau und verwegen in die kleine Stadt geritten. Vor dem Saloon hält es an, und die Reiter lassen ihre Pferde steigen und tanzen. Staub wirbelt und breitet sich zwischen den Häuserfronten der kleinen Rinderstadt aus. Die Reiter lenken ihre schnaubenden Pferde an die Haltestange, unter der sich ein langer Tränktrog befindet. Sie sitzen ab, stampfen mit den Füßen auf den Boden, um sich die Sattelmüdigkeit zu vertreiben und die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Sie klopfen sich mit den Hüten den Staub aus der Kleidung und betreten dann sporenklirrend den Brettergehsteig. Der vorderste Mann stößt die Schwingtür des Saloons auf. Aus dem Durcheinander der Männer klingt eine heisere Stimme wild und frohlockend: »Hoiii, hier kommen die prächtigen Jungens! Wie groß wird heute der Spaß! Und wie viel Whisky und Bier müssen wir vertilgen, bevor alles alle ist? Hoii, wir sind die guten, prächtigen, lustigen Jungens vom Sagebee Creek!«

Seine Worte werden von anderen Rufen und grellen Schreien begleitet. Die Mannschaft drängt und quetscht sich durch die Schwingtür in den Saloon.

Und nur die müden, staubigen und durstigen Pferde bleiben draußen zurück. Der Staub wird vom leichten Nachtwind, der von den Hügeln herab in die Stadt weht, die Straße entlang nach Süden getrieben.

Nach einigen Minuten kommen noch zwei Reiter in die Stadt. Es sind zwei junge Burschen. Das erkennt man, als sie durch die Lichtbahnen des Hotels, des Restaurants und der Poststation reiten.

Sie reiten am Saloon vorbei und halten schräg gegenüber vor dem Store an. Der Store ist schon geschlossen, aber in dem Tränktrog bei der Haltestange befindet sich noch Wasser.

Die beiden jungen Burschen sitzen noch nicht ab. Sie wenden sich in den Sätteln und blicken auf die Sattelpferde vor dem Saloon. Und sie denken an die rauen Reiter, deren Gelächter aus dem Saloon über die Straße tönt. Einer der beiden jungen Burschen stößt einen bitteren Fluch aus und sagt dann zu seinem Gefährten: »Diese verdammte, großspurige und raue Bande! Sie glauben, ihnen gehörte dieses Land. Sie haben uns einfach aus ihrem Weg gejagt. Fast hätten sie uns niedergeritten. Einer von ihnen hat mir mit dem Lassoende was übergezogen. Diese verdammte Bande vom Sagebee Creek!«

Der andere Bursche flucht ebenfalls. Und dann sagt er: »Wir werden in den anderen Saloon gehen müssen. Denn das raue Rudel hat dort drinnen die ganze Bar besetzt und lässt uns sicherlich gar nicht ran. Cole, wir würden nur Verdruss bekommen, nicht wahr?«

Sie sitzen langsam ab und binden ihre Pferde an die Haltestange.

»Verdruss?«, fragt Cole zurück. »Zum Teufel, ich bin wütend genug, um es auf einen Verdruss ankommen zu lassen. Hast du Angst, Jimmy? Ich will nämlich in diesen Saloon da. Kommst du mit? Diese Bande hat uns unterwegs überholt und aus dem Weg geprügelt. Jetzt will ich herausfinden, ob sie mich auch von der Bar...«

»Bist du verrückt, Cole?«, fragt Jimmy gepresst. »Das ist die raue Sagebee-Creek-Mannschaft, der auf hundert Meilen in der Runde alles aus dem Weg geht und mit der niemand Streit sucht. Cole, ich bin nicht feige, das weißt du. Aber ich gehe da nicht hinein. Wir sind nur zwei unbedeutende Cowboys einer kleinen Ranch. Wir gehören zu den Leuten, die nichts zu melden haben, wenn die Sagebee-Creek-Mannschaft anwesend ist. Komm, trinken wir unseren Whisky in einem anderen Saloon!«

Er will ihn am Ärmel mit sich und nach rechts ziehen.

Doch Cole Clayborne macht sich mit einem Ruck frei. »O zum Teufel«, sagt er, »ich habe die gleichen Rechte in diesem Lande wie jeder andere Mensch auch. Und ich trinke meinen Whisky dort, wo es mir Spaß macht.«

Nach diesen Worten setzt er sich in Bewegung und geht schräg über die Fahrbahn auf den Saloon zu. Als er zehn Schritte gemacht hat, ist Jimmy wieder bei ihm und sagt bitter: »Das wird Kummer geben, sage ich dir! Das wird Kummer geben! Doch du wirst nie behaupten können, ich hätte mich gefürchtet und dich allein gehen lassen.«

Sie erreichen die Ecke des Saloons. Hier mündet eine schmale Gasse. Auch führen zwei Stufen zu dem zur Veranda ausgebauten und überdachten Gehsteig vor dem Saloon hinauf.

Cole Clayborne hält plötzlich inne und blickt in den Tränktrog, an dem die müden und staubigen Pferde der Mannschaft stehen. Er blickt hinein und sagt verächtlich: »Sieh dir das an, Jimmy! Diese Tiere sind zwanzig Meilen gelaufen. Sie sind staubig, müde und durstig. Und die verdammten Pferdeschinder haben nicht mal einige Eimer Wasser in den Tränktrog gießen lassen. Dieser Trog ist leer.«

»Willst du den Tieren vielleicht Wasser geben, Cole?«, fragt Jimmy ärgerlich. Er ist ein mittelgroßer, drahtiger und rotköpfiger Bursche von achtzehn Jahren.

Cole Clayborne blickt ihn an. Im Lichtschein, der aus den Fenstern und der Tür des Saloons fällt, können sie sich gut betrachten. Cole Clayborne ist dunkelhaarig, und obwohl auch er bestimmt noch keine zwanzig Jahre ist, schimmert unter der Haut seiner Wangen bläulicher Bartwuchs. Diesen bläulichen Schimmer kann auch die beste Rasur nicht fortbekommen.

»Wasser werde ich diesen Tieren nicht geben«, sagt Cole. »Aber warum sollen wir uns nicht mal einen feinen Spaß leisten? Was hältst du davon, Jimmy?«

Er deutet in die dunkle Mündung der Gasse. Dort stehen einige Bierfässer. Ein Frachtwagen lud sie gegen Abend ab, und sie wurden noch nicht in den Kühlkeller des Saloons geschafft. Sie werden sicherlich bis morgen Vormittag in der Gasse stehen bleiben.

Jimmy betrachtet die Bierfässer. Dabei denkt er nach. Und dann kann er sich auch schon alles gut vorstellen. Wenn man genügend Bier in den Tränktrog schüttet, werden die durstigen Tiere gewiss alles trinken. Und dann werden sie sicherlich betrunken sein. Die wilde und verwegene Sagebee-Creek-Mannschaft aber wird mit betrunkenen Tieren nicht viel anfangen können. Und das wäre ein Spaß – ein rauer und harter Cowboyspaß, wie er in diesem Land üblich ist, denn dieses Land ist rau und hart, und auch die Menschen hier sind so.

Jimmy blickt also auf die Bierfässer. Er kann sich alles gut vorstellen. Doch dann erschrickt er und sagt: »Du lieber Gott, wenn die uns dabei er wischen, dann ziehen sie uns die Haut ab.«

»Kein Spaß ohne Risiko«, erwidert Cole Clayborne. »Doch wenn du dich fürchtest, dann geh weiter. Ich mache das dann schon alleine.«

Er wendet sich um und späht die Straße hinauf und hinunter. Doch wie immer, wenn die Sagebee-Mannschaft in die Stadt gekommen ist, wirkt sie leer und wie ausgestorben. Die Bürger und Gäste der Stadt gehen dem rauen Rudel gern aus dem Weg.

Die Straße der kleinen Stadt ist also leer. Da und dort ist es auch in den Häusern dunkel geworden. Cole Clayborne atmet tief ein. Dann hat er sich entschlossen. Er wendet sich zur Gasse, um das erste Bierfass heranzuschleppen. Doch da ist Freund Jimmy wieder bei ihm und hilft ihm. Jimmy seufzt dabei: »Wenn sie uns erwischen und uns die Haut in Streifen schneiden, dann bist du daran schuld, Cole. O du lieber Gott im Himmel, warum bringst du Cole nicht zur Vernunft?«

»Du kannst ja weglaufen, Jimmy«, ächzt Cole, denn sie tragen nun eines der Fässer die beiden Stufen hinauf, stellen es an den Rand des Gehsteiges und holen noch zwei weitere Fässer.

Die Pferde am Tränktrog, der am Rand des Gehsteiges angebracht ist, beobachten müde die Geschäftigkeit der beiden Männer. Cole und Jimmy arbeiten nun schnell. Sie heben die Fässer zum Tränktrog hinauf und legen sie in die Mulde. Jimmy schleicht einmal kurz davon und verschwindet im Frachtwagenhof. Er kommt mit einem Hammer und einem starken Durchschlag zurück. Cole nimmt die beiden Dinge.

»Sie stehen immer noch alle an der Bar und trinken«, sagt er zu Jimmy. »Stell dich ans Fenster und pass auf, ob jemand nach draußen nachsehen kommt!«

Jimmy tut es. Er hört dann die leichten und schnellen Hammerschläge, und er hört das zischende Sprudeln des Bieres. Er kann es bald darauf riechen. Doch er wendet den Blick nicht, sondern starrt durchs Fenster in den Saloon hinein. Natürlich hält er seinen Körper in guter Deckung. Doch die Männer am Schanktisch wenden nicht einmal die Köpfe. Sie unterhalten sich laut, lachen immer wieder, trinken und scherzen mit Lou Clifford, der dieser Saloon zu einem Drittel gehört.

»Fertig!«, sagt Cole scharf und kommt zu Jimmy. Sie blicken nun beide in den Saloon. Hinter ihnen läuft aus drei Fässern Bier in den langen Tränktrog. Sie hören es sprudeln und plätschern. Die durstigen Pferde beginnen zu trinken. Sie schnauben seltsam. Sicherlich sind sie an dieses Getränk nicht gewöhnt, doch es schmeckt ihnen sicherlich besser als das alaunhaltige Wasser dieses Landes.

Cole Calborne lacht leise und zufrieden.

Jimmy Laundan aber erschaudert und seufzt besorgt. »Jetzt sollten wir schnell verschwinden, he?«

»Nein«, sagt Cole. »Jetzt gehen wir hinein!«

Er setzt sich sofort in Bewegung, geht an der Vorderfront des Hauses entlang, erreicht den Eingang und stößt die Schwingtür auf. Er blickt sich über die Schulter nach Jimmy um, und dieser folgt ihm. Im Lampenlicht wirkt sein sommersprossiges Gesicht käsig und verkrampft.

»Du bringst uns noch um, Cole«, flüstert er.

Sie gehen in den Saloon hinein. Die Männer an der Bar und am Billardtisch wenden neugierig die Köpfe. Cole und Jimmy steuern auf die Ecke des langen Schanktisches zu und stellen sich dort auf.

Jemand sagt laut: »Hoii, sind das nicht die beiden Jungens, die so stolz mitten auf der Straße ritten, dass wir sie zur Seite jagen mussten? Das sind doch die beiden Sattelquetscher von einer dieser kleinen Hügelranches! He, ihr Knäblein, für wen reitet ihr?«

Jimmy zuckt zusammen. Und er will keinen Verdruss, sondern beeilt sich mit der Antwort. »Dan Stone ist unser Boss«, sagt er. »Wir sind von der S-im-Viereck-Ranch. Bier möchte ich!« Der letzte Satz gilt dem Barmann, der herangekommen ist. Auch Cole hat Bier verlangt, denn der Tag war heiß und staubig.

Als der Barmann ihnen das Bier hingestellt hat, trinken sie die Gläser leer, bevor der Barmann sich entfernt hat.

»Noch einmal«, verlangen sie schnaufend. »Das hat gut getan, haaa!«

Sie sagen es zweistimmig, und es ist Zufall, dass es so klingt, als hätten sie es einstudiert.

Jemand fragt spöttisch: »Seid ihr Zwillinge?«

Doch sie werden einer Antwort enthoben, denn draußen beginnen die Pferde seltsam zu wiehern. Es sind betrunkene und berauschte Pferde. Ihr Wiehern klingt fast wie das Meckern von Ziegen oder das Lachen irgendwelcher Lebewesen, die es eigentlich gar nicht geben kann.

Alle Männer im Saloon lauschen.

»Was ist das?«, fragt ein großer, hagerer und hartgesichtiger Mann.

»Heiliger Rauch, sind unsere Gäule denn verrückt geworden? Das klingt ja so ähnlich wie bei einem Kaffeekränzchen von zwei Dutzend alten Tanten. Was ist da los?«

Der Sprecher setzt sich nach diesen Worten in Bewegung. Es ist Farrel Starke, der Vormann und Reitboss der Sagebee-Mannschaft – ein harter und unduldsamer Mann, ein mächtiger Mann, hinter dem die Macht und der Einfluss einer großen Ranch stehen, die praktisch in diesem Land alles bestimmt und deren Anordnungen und Wünsche Gesetz sind.

Seine Reiter folgen ihm. Es sind hartgesottene und raue Burschen, die mit den Revolvern gut umgehen können. Sie werden besser bezahlt als die Cowboys der kleineren Ranches, und man sagt, dass sie Revolverlohn bekämen.

Sie folgen ihrem harten Vormann also hinaus auf den Gehsteig. Sie drängen sich hinaus. Und dann sehen sie es. Es ist nicht schwer zu begreifen. Die drei Bierfässer, der Biergeruch und die sich seltsam gebärdenden Pferde.

Die Pferde reagieren nicht viel anders als Menschen. Einige stehen schlafend da. Zwei haben sich niedergetan, weil ihre Zügelleinen, mit denen sie angebunden sind, besonders lang sind. Andere wieder schwanken und bewegen seltsam die Köpfe. Und die lustigsten Tiere werfen immer wieder die Köpfe hoch, trompeten, wiehern meckernd oder stoßen andere merkwürdige Töne aus. Sie versuchen sich zu drehen und zu tanzen. Es ist eine berauschte und verrückte Pferdegesellschaft.

Und es sieht ganz und gar nicht nach Tierquälerei aus. Denn diese Rinderpferde haben ein hartes Leben. Sie werden bei der Arbeit nicht geschont. Dass sie jetzt alle einen Rausch haben, ist vielleicht der schönste Augenblick in ihrem Pferdeleben. Und wahrscheinlich werden sie sich in Zukunft bei dem Geruch von Bier stets an diese schöne Stunde erinnern.

Die Männer von der Sagebee-Ranch am Sagebee Creek im Sagebee Valley betrachten die Sache einige Sekunden staunend. Und sie halten dabei die Luft an und spüren, wie ihnen vor Zorn das Blut in den Kopf steigt.

Jemand sagt gepresst: »Oooh, wer hat uns das angetan? Wer hat uns auf diese Art lächerlich gemacht? Wer hat unsere Gäule betrunken gemacht, sodass wir uns einen Wagen mieten müssen, um heimkehren zu können?«

Die letzten Worte heult der Mann böse heraus.

Und die anderen Männer bewegen sich noch nicht.

Ja, sie sind auf dem Heimweg. Sie haben vor einigen Tagen eine Treibherde zum Reservat gebracht – das heißt, sie sind dorthin mit einer Treibherde auf den Trail gegangen. Und nun kommen sie zurück. Der Heimweg führte durch die Stadt. Und das war ihnen gerade recht, denn so konnten sie eine Rast einlegen und ihren Durst löschen.

Und nun werden sie nicht stolz im Sattel, sondern in einem Wagen heimkehren müssen. Es sind mehr als ein Dutzend Männer. Eine solche Menge Pferde sind im Mietstall der Stadt nicht zu bekommen.

»Yeah, wer hat uns das angetan?«, fragt eine andere Stimme klirrend vor Grimm.

Und dann blicken sie alle auf ihren Vormann. Sie wissen, dass er dies nicht hinnehmen wird. Farrel Starke wacht und achtet stets scharf auf das Prestige der großen Sagebee-Ranch. Farrel Starke ist ein unduldsamer und jähzorniger Mann. Nein, er wird dies bestimmt nicht hinnehmen.

Sie sehen, wie er schräg über die Straße blickt. Dort drüben stehen die beiden Pferde der zwei jungen Cowboys, die für Dan Stones kleine Hügelranch reiten – eine Ranch, die von der großen Sagebee-Ranch bald aufgefressen werden wird.

Farrel Starke erinnert sich daran, wie er und sein Rudel die beiden jungen Burschen vorhin von der Straße jagten, fast niederritten, und wie einige seiner Reiter sogar mit den Lasso- oder Zügelenden im Vorbeireiten nach den beiden Jungens schlugen.

Er nickt, als bestätigte er sich irgendwelche Gedanken; er wendet sich um und geht in den Saloon hinein. Dabei sagt er mehr zu sich selbst als zu seinen Männern: »Nun gut, finden wir es heraus!«

Als er in den Saloon tritt, sind die beiden jungen Cowboys nicht mehr zu sehen. Der Barkeeper jedoch ruft heiser: »Sie sind durch die Seitentür hinaus! Und sie haben vier Gläser und drei Fässer Bier bezahlt. Sie haben mehr als ihre Monatslöhnung auf den Tisch gelegt und dabei gesagt, dass ihnen dieser Spaß solch eine Menge Geld wert sei!«

Als Farrel Starke und seine Männer dies gehört haben, stehen sie drei Sekunden still und denken nach.

Und dann heulen sie los. Es ist ein vielstimmiges Wutgebrüll.

Einige Männer stürzen zur Seitentür, durch die die beiden jungen Cowboys verschwunden sind. Die andere Hälfte der Mannschaft aber drängt sich durch die Schwingtür zurück ins Freie. Denn sie haben sich daran erinnert, dass die beiden Pferde der Jungens drüben beim Store stehen.

Der Vormann Farrel Starke ist zuerst draußen.

Er erkennt, dass die beiden jungen Burschen durch den Seitenausgang des Saloons in die Gasse und von dort aus auf die Hauptstraße gelangt sind. Als er sie sieht, haben sie die Hauptstraße schon überquert und schwingen sich gerade auf ihre Pferde.

Dabei stößt einer der beiden Burschen einen scharfen und herausfordernden Schrei aus. Der zweite Bursche ruft gellend: »He! Rutscht uns doch den Buckel runter, ihr großspurigen...«

Die weiteren Worte gehen in dem Geheul unter, das die Sagebee-Mannschaft ausstößt. Die beiden jungen Cowboys reiten nun an und wollen die Stadt verlassen.

Es ist ganz klar, dass sie entkommen werden. Denn zu Fuß kann sie niemand von der Sagebee-Mannschaft einholen. Und die Pferde der Mannschaft sind nicht mehr für eine Verfolgung geeignet.

Die beiden jungen Burschen freuen sich auf eine wilde und verwegene Art über ihren gelungenen Spaß. Der Spaß hat sie viel Geld gekostet, mehr als zwei Monatslöhne. Doch sie jubeln ihren Triumph heraus und freuen sich, der großspurigen und unduldsamen Sagebee-Mannschaft einen Streich gespielt zu haben.

Doch plötzlich ist der raue Spaß gar kein Spaß mehr.

Denn ein Revolver beginnt zu krachen.

Es ist Fess Jennison, der mit dem Revolver zu schießen beginnt, und dieser Fess Jennison ist ein übler Revolverheld aus dem Pecos-River-Land. Aus einer bösen Wut heraus und vielleicht auch, weil er die Nerven verloren hat und keinen Spaß vertragen kann, beginnt er zu schießen. Und sicherlich ist er etwas betrunken.

Aber was es auch sein mag, wodurch der üble Revolverheld zum Schießen veranlasst wird, es ist nicht mehr wichtig. Denn das Unglück ist nun nicht mehr aufzuhalten.

Jimmy Laundan, der neben Cole Clayborne aus der Stadt flüchtet und dabei vor wilder Freude wie ein Indianer brüllt, bekommt eine Kugel ab. Sie wirft ihn fast vom Pferd. Er fällt nach vorn und schlingt die Arme um den Hals des Pferdes.

Cole Clayborne sieht es. Er stößt einen gellenden Schrei aus, und er kann erkennen, dass Jimmy sich nur mit Mühe im Sattel und auf dem Pferd halten kann.

Sie sind nun schon ziemlich weit entfernt, aber der Revolverschütze ist ihnen ein Stück nachgelaufen und schießt immer noch hinter ihnen her. Seine Kugeln verfolgen sie wie böse Hornissen.

In Cole Clayborne ist plötzlich der wilde und heiße Wunsch vorhanden, zurückzuschießen. Dieser Wunsch wird binnen eines Sekundenbruchteils groß und mächtig.

Und weil er ein wilder Junge ist, der jetzt nicht nachdenken kann und auch sonst noch nicht viel nachgedacht hat, stößt er plötzlich einen wilden Schrei aus, reißt sein Tier zurück, lässt es auf der Hinterhand tanzen, wendet es und reitet zurück.

Er reitet Fess Jennison entgegen. Der drückt wieder ab, und die Kugel fährt durch Coles Hutkrempe.

Dann schießt Cole. Und er trifft. Er sieht den Mann schwanken und in den Staub fallen. Er spürt nicht, dass er einen wilden Schrei ausstößt. Doch er verspürt tief in seinem innersten Kern ein heftiges Erschrecken. Eine Übelkeit steigt in ihm auf, und er fühlt sich elend und krank.

Etwa zwei Sekunden hockt er so im Sattel.

Dreißig Schritte vor ihm liegt Fess Jennison im Staub.

Und fünfzig Schritte weiter stehen Farrel Starke und die anderen Reiter der Sagebee-Ranch.

Cole Clayborne starrt zu ihnen hin, und er muss hart und mühsam schlucken. Eine heiße Angst ist in ihm.

Jetzt spürt er schon deutlich, wie sehr aus einem rauen Spaß bitterer Ernst wurde. Aus einem unbedachten und gewalttätigen Augenblick heraus hat er einige Kugeln erwidert.

Und dort liegt ein Mann im Staube.

Dieser Mann ist vielleicht tot.

Dann hat Cole Clayborne getötet.

Und das ist noch nicht alles. Denn es ist ein Mann der Sagebee-Ranch. Und das bedeutet, dass Cole Clayborne nun bald von mehr als vier Dutzend Reitern gejagt und gehetzt werden wird.

Denn die Sagebee-Ranch wird niemals hinnehmen, dass jemand ungestraft einen ihrer Reiter tötet – und sei es auch in Notwehr. Nein, das nimmt die harte und unduldsame Ranch nicht hin.

Cole Clayborne wird sich in diesen wenigen Sekunden klar darüber. Er sieht, wie Farrel Starke die Hand hebt und auf ihn zeigt. Und er hört den harten Vormann laut sagen: »Junge, wir bekommen dich! Und wenn Fess Jennison tot ist, dann hängen wir dich auf! Du bist ein Narr, Junge. Du bist ganz einfach verloren!«

Als Cole Clayborne das gehört hat, stößt er einen seltsamen Schrei aus, reißt sein Pferd herum und jagt davon. Ein Stück hinter der Stadt stößt er auf Jimmy Laundan. Jimmy ist vom Pferd gefallen. Das Tier steht daneben.

»Ich bin erledigt«, sagt Jimmy stöhnend aus dem Staub der Straße.

Als Cole Clayborne das hört, trifft es ihn wie ein Keulenschlag. Er ist einen Augenblick wie betäubt; er kann überhaupt nicht denken. Es geht ihm wie einem kleinen Jungen, der sich verlaufen hat und der überhaupt nichts mehr weiß.

Wie aus weiter Ferne hört er Jimmy wieder aus dem Staub der Straße sagen: »Ich sterbe hier! Ich verblute hier. Cole, du verdammter Narr, du bist schuld daran! Deine Idee war das, Cole – deine verdammte Idee mit dem Bier und den Pferden! Cole, ich bin noch so jung. Und ich muss sterben. Ich werde aus der Hölle auf dich niederspucken. O Cole, du hast...«

Dann bricht Jimmy Laundans Stimme ab.

Cole stößt einen Schrei aus und schwingt sich vom Pferd. Er kniet bei Jimmy nieder und legt sein Ohr dorthin, wo bei einem Mann das Herz gehört werden kann. Sein Ohr wird blutig. Sein Atem keucht.

Und er hört das Herz nicht mehr schlagen.

Mit einem Schrei springt er auf – und es ist ein bitterer und kläglicher Schrei. Cole blickt zur Stadt zurück. Er kann am Ende der staubigen Poststraße die Häuser gut erkennen. Auch einige gelbe Lichter blinken dort in der Sternennacht.

Cote Clayborne sieht plötzlich zwischen den Häusern einige Schatten auftauchen. Sie bewegen sich schnell, und er hört Hufschlag.

Und da begreift er die Sache. Die Sagebee-Creek-Mannschaft hat sich aus dem Mietstall alle verfügbaren Pferde geholt. Es können jedoch nicht mehr als vier oder fünf Tiere gewesen sein.

Doch es bedeutet, dass Cole Clayborne nun vier oder fünf der hartgesottenen Burschen dieser harten Mannschaft auf der Fährte hat. Eine heiße Furcht steigt in ihm auf. Ihm fallen Farrel Starkes Worte wieder ein: »... dann hängen wir dich!« So sagte es der Vormann hart.

Er schnellt sich mit einem Sprung in den Sattel. »O du lieber Gott, was habe ich da angestellt!«, keucht er heiser und voller Angst.

Mit einem schrillen Schrei setzt er dem Pferd die Sporen ein und ergreift die Flucht.

Und als er etwa vier Meilen zurückgelegt hat und ihm klar wird, dass er das Tier zu Schanden reiten wird, lässt er es langsamer laufen und beginnt nachzudenken. Allmählich bekommt er seine Furcht unter Kontrolle. Es gelingt ihm auch, alle anderen Dinge aus seinen Gedanken zu verdrängen und sich ganz darauf zu konzentrieren, wie er der Sagebee-Creek-Mannschaft wohl entkommen könnte.

Und das wird schwer sein. Er wird viele Tage und viele Meilen reiten müssen. Er wird alle Tricks anwenden müssen. Und immer wieder wird er schnelle Pferde benötigen.

Denn die harten Burschen der Sagebee-Creek-Mannschaft geben so schnell nicht auf. Das haben sie oft genug bewiesen. Sie werden ihn lange und weit verfolgen – bis sich seine Fährte sozusagen in Luft aufgelöst hat.

Der Mond ist aufgegangen. Als Cole Clayborne einen langen Hang hinter sich gelassen hat, hält er auf dem Kamm des Hügels an und blickt zurück. Die Mond- und Sternennacht ist jetzt sehr hell. Cole kann seine Verfolger gut erkennen. Sie sind fast eine Meile zurück und reiten einen stetigen Galopp. Es sind vier Mann. An der Spitze erkennt Cole den großen, hageren und unduldsamen Farrel Starke, den mächtigen Vormann der Riesenranch. Nein, dieser Mann lässt den Tod eines seiner Reiter nicht ungerächt. Dies ist er dem Prestige und der Macht der großen Ranch schuldig. Es gehört zum Prinzip der Sagebee-Creek-Ranch, stets harte Vergeltung zu üben und selbst immer wieder Unrecht zu tun. Deshalb wird die Ranch auch von Jahr zu Jahr größer.

Es ist ein Glück für Cole, dass er wieder denken kann. Denn nun fällt ihm ein, was er tun muss.

Er muss jetzt zum Pferdedieb werden – es bleibt ihm gar keine andere Wahl. Wenn er sein Leben retten will, muss er Pferde stehlen. Der Ort, an dem sich diese Pferde befinden, ist nicht weit. Es handelt sich um eine Grenzhütte oder ein Vorwerk der Sagebee-Creek-Ranch. Sie liegt genau zwei Meilen vor Cole. Er weiß, dass dort nur ein Cowboy stationiert ist. Und es gibt dort einen Corral, in dem immer einige Pferde zur Verfügung stehen. Für Cole sieht die Sache jetzt so einfach aus, dass auch der größte Dummkopf alles begreifen würde.

Er könnte an der Weidehütte und den Pferden vorbeireiten.

Doch dann wäre er verloren, weil seine Verfolger sich die frischen und schnellen Pferde nehmen und ihn bald eingeholt haben würden.

Er kann sich aber auch das schnellste Pferd aus dem Corral holen und die anderen Pferde fortjagen. Dann könnten seine Verfolger sich keine frischen Pferde nehmen, und sein Vorsprung vergrößerte sich um einige Meilen.

Eigentlich gibt es für Cole Clayborne gar keine Wahl. Und dennoch zögert er. Denn die Sache würde ihn zum Pferdedieb machen. Und Pferdediebe werden in diesem Land einfach kurzerhand aufgeknüpft.

Doch da sagt sich Cole, dass ihn Farrel Starke ja ohnehin aufhängen lassen will. Bei aller Bitterkeit verspürt er zum ersten Male wieder einen heißen Zorn.

Zum Teufel, was haben er und Jimmy denn schon getan! Sie haben den Pferden einer stolzen, rauen und unduldsamen Mannschaft einen Rausch verschafft. Sie haben sich auf diese Art dafür revanchiert, dass man sie aus dem Weg prügelte. Sie wollten dieser großspurigen Mannschaft einen Streich spielen – und sie sind ja nicht viel mehr als große Jungen, die man wirklich noch nicht für voll nehmen kann – oder sie waren es. Jetzt hat sich eine Menge geändert. Aber was haben sie denn schon Furchtbares verbrochen? Den Pferden hat der Rausch bestimmt nicht geschadet. Dass die müden und durstigen Tiere von ihren Reitern an einem leeren Tränktrog abgestellt wurden, war sehr viel schlimmer. Und auch die Entschuldigung, dass man ein erhitztes Pferd kein kaltes Wasser trinken lassen soll, gilt nicht.

Denn es handelt sich hier um einige Mustangs, Wildpferde, die eingefangen und gezähmt und dressiert wurden. Diese Pferde wurden in der Wildnis geboren – und im Gegensatz zu Zuchtpferden wissen sie ganz genau, wie und wie viel Wasser sie im erhitzten Zustand trinken dürfen.

Das Bier war eine Erquickung für sie, und es schadete ihnen sicherlich weniger als das scharfe und alaunhaltige Wasser, das sie manchmal trinken müssen, weil es in gewissen Gebieten des Landes keine anderen Tränken gibt.

Cole und Jimmy haben also kaum Tierquälerei begangen. Alles, was sie taten, war, dass sie den eitlen Stolz der Sagebee-Mannschaft verletzten.

Und das war kein Grund, um auf sie zu schießen. Jener Fess Jennison, der in trunkener Wut zu schießen begann, trägt die Schuld allein. Denn er traf Jimmy Laundan – und Cole Clayborne schoss in einer ebensolchen Wut zurück und traf Fess Jennison.

Dafür wird er nun verfolgt und soll hängen.

Er hat ein Recht, sein Leben retten zu wollen. In diesem Land und in seiner Lage bleibt ihm nichts anderes übrig als die Flucht. Denn es gibt hier keinen Sheriff oder irgendwelche anderen Gesetzesvertreter. Er kann nirgendwohin flüchten, um Schutz bitten oder sich gar einem Richter stellen.

In diesem Territorium gibt es noch keine Vertreter des Gesetzes.

Cole Clayborne reitet nun genau auf die Grenz- und Weidehütte der Sagebee-Creek-Ranch zu. Indes er dies tut, hofft er von ganzem Herzen, dass der hier stationierte Cowboy nicht anwesend, sondern unterwegs ist. Denn er möchte wirklich keine weiteren gewalttätigen Auseinandersetzungen mehr. Er will nur entkommen und sein Leben retten – sonst nichts!

Bald darauf hat er die zwei Meilen zurückgelegt und sein Pferd scharf angetrieben, wodurch sich der Vorsprung zu den Verfolgern sicherlich noch etwas vergrößerte. Als er über den letzten Hügelkamm reitet, sieht er die Hütte und den Corral unter sich im Mondlicht.

Als er sich dicht genug genähert hat, stößt er einen lauten Schrei aus und hält scharf Ausschau. Und er hat Glück. Es regt und bewegt sich nichts. Niemand tritt mit einem Gewehr aus der Hütte. Der hier stationierte Reiter ist also unterwegs.

Cole hält beim Corral an und geht mit dem Lasso hinein. Die Pferde weichen ihm aus und drängen sich dicht zusammen. Doch er treibt sie auseinander und erkennt einen prächtigen Braunen, der ihm genau richtig erscheint.

Er wirft das Lasso aus dem Handgelenk heraus. Die Schlinge öffnet sich wie durch Zauberei und sitzt dem Braunen am Hals.

Dies war allerbeste Cowboyarbeit. Diesen Wurf aus dem Handgelenk beherrscht nur ein Klasse-Cowboy, der sehr viel mit Pferden zu tun hat. Was Cole Clayborne da eben gezeigt hat, beweist, dass er ein richtiger Vollblut-Cowboy ist und schon als kleiner Junge fleißig all diese Dinge geübt und gelernt hat.

Als der Braune die Lassoschlinge am Hals spürt, wird er sofort ruhig und willig. Denn er hat längst begriffen, dass er gegen ein Lasso stets den Kürzeren zieht.