G. F. Unger Sonder-Edition 223 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 223 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

"Schuldig, Euer Ehren", erklärte damals der Obmann der Geschworenen. Danach blieb es einige Atemzüge lang still.
"Ihr Schurken!", knirschte der Angeklagte und sah mit seinen harten Augen auf den Richter, der das Urteil sprechen musste.
"Zehn Jahre", sagte damals der Richter, "zehn Jahre wegen Viehdiebstahls, Landfriedensbruchs und versuchten Totschlags. Jim Clayton, ich bestrafe Sie mit zehn Jahren Zwangsarbeit, denn die Jury befand Sie für schuldig."
Wieder war es ganz still. Denn es handelte sich nicht um irgendeinen kleinen Viehdieb und drittklassigen Revolverschwinger.
Es handelte sich um Jim Clayton, um Wild Jim Clayton...


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Seitenzahl: 195

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Galgenfrist

Vorschau

Impressum

Galgenfrist

»Schuldig, Euer Ehren«, erklärte damals der Obmann der Geschworenen. Danach blieb es einige Atemzüge lang still.

»Ihr Schurken!«, knirschte der Angeklagte und sah mit seinen harten Augen auf den Richter, der das Urteil sprechen musste.

»Zehn Jahre«, sagte damals der Richter, »zehn Jahre wegen Viehdiebstahls, Landfriedensbruchs und versuchten Totschlags. Jim Clayton, ich bestrafe Sie mit zehn Jahren Zwangsarbeit, denn die Jury befand Sie für schuldig.«

Wieder war es ganz still. Denn es handelte sich nicht um irgendeinen kleinen Viehdieb und drittklassigen Revolverschwinger.

Es handelte sich um Jim Clayton, um Wild Jim Clayton.

In die Grabesstille hörte man seine harte Stimme sagen: »Ich werde es überstehen, Leute! Vielleicht komme ich schon früher frei, denn ich glaube nicht, dass mich ein Gefängnis auf die Dauer festhalten kann. Irgendwie komme ich eines Tages raus. Und dann bringe ich euch alle um, ihr Heuchler! Mann für Mann, wie ihr dort sitzt und die Befehle eines Mannes ausführt, in dessen Hand ihr alle seid. Das schwöre ich euch!«

Jim Claytons dunkles, wildes Indianergesicht verzerrte sich bei den letzten Worten, und seine Hand, die mit dem Revolver so unwahrscheinlich schnell und sicher umgehen konnte, erhob sich wie zum Schwur.

Dann wurde er von den beiden Deputies abgeführt.

Im Gerichtssaal blieb es still. Es war eine bedrückende Stille; allen Zuschauern war irgendwie unheimlich zumute. Die meisten Geschworenen schwitzten, obwohl es nicht sehr warm war.

Dann leerte sich der Saal.

Zwei Männer blieben bis zuletzt sitzen.

Der eine Mann war Frank Woodridge, ein lederhäutiger, falkengesichtiger und abgerissener Mann, der vor einem Jahr mit drei Söhnen in dieses Land kam und eine kleine Ranch übernahm, ein harter Mann mit wilden Söhnen.

Der andere Mann war Jim Claytons jüngerer Bruder Dave.

Beide Männer waren sehr nachdenklich, doch aus verschiedenen Gründen.

Der verrückte Hengst schleudert den Reiter hoch in die Luft und will dann auf ihn losgehen, um ihn mit der Vorderhand niederzustampfen. Doch der Reiter landet geschmeidig wie eine Katze auf Händen und Füßen. Er rollt sich blitzschnell aus dem Corral. Hinter ihm krachen die Hufe des Hengstes auf die Balken.

Dann wirft sich das riesige, pechschwarze Tier herum, wiehert voller Triumph und trabt durch den Corral – ganz und gar in der stolzen Pose des Triumphes. Es hat begriffen, dass es wieder einmal Sieger blieb über den Mann, der es erst vor zwei Wochen mit einem Wildpferdrudel fing – weiter oben auf den Horse Mesas, wo »Black Lord« ein König unter den Wildpferden war.

Dave Clayton richtet sich keuchend und erschöpft auf. Er gleicht einem Betrunkenen. Denn die zwei Minuten, die er sich auf dem Rücken des Hengstes halten konnte, haben ihm mächtig zugesetzt.

Als er aufblickt, entdeckt er, dass er nicht mehr mit dem Hengst allein auf seiner kleinen Pferderanch ist.

Er hat Besuch bekommen, und dieser Besuch ist kein anderer als Al Ree. Al Ree ist kein gewöhnlicher Mann. Selbst ohne Sheriffstern wäre er das nicht, obwohl er kaum mittelgroß und hager ist mit dünnem, sandfarbenem Haar und einem billigen zerknitterten Anzug.

Doch in seinen Augen ist etwas.

Und in seiner kerzengeraden Haltung.

Ein Kundiger erkennt noch mehr besondere Zeichen an diesem Sheriff.

Noch vor zwei Monaten ging er furchtlos in eine Höhle, in die sich zwei Apachen mit einer geraubten weißen Frau geflüchtet hatten, die sie als Geisel töten wollten.

Al Ree ging hinein, und er kam mit der jungen Frau heraus.

Zuvor hatte er zweimal geschossen – nur zweimal, mehr nicht.

Das also ist Al Ree, der zu Besuch gekommen ist. Dave Clayton kennt keinen Mann, der als Kämpfer gefährlicher und als Mensch einsamer ist.

Er nickt ihm zu. »Ich bekomme diesen schwarzen Teufel noch so klein, dass er mir aus der Hand frisst«, sagt er schnaufend und streicht sich das rote Haar aus dem Gesicht.

Al Ree betrachtet ihn mit seinen Falkenaugen auf eine Art, die Dave Clayton nicht zu deuten weiß. Doch irgendwie spürt er instinktiv, dass etwas geschehen sein muss.

Al Ree lässt ihn auch nicht lange warten. Er sagt trocken zu Dave: »Dein Bruder brach vor zwei Wochen mit einigen anderen Häftlingen in Yuma aus. Er flüchtete aus einem Steinbruch, in dem die Häftlinge arbeiteten. Sie töteten einen Wächter und verwundeten einen anderen schwer. Sie entkamen, weil die Flucht von Außenstehenden unterstützt wurde und gut vorbereitet war.«

Nach diesen Worten macht er eine Pause. Er betrachtet Dave scharf und wachsam.

»Das war dumm von Jim, sehr dumm«, sagt Dave. »Ich kann ihm nicht mehr helfen, obwohl man geteilter Meinung über seine Verurteilung sein kann. Wurde er damals nicht für etwas bestraft, was fast jeder Mensch im Lande getan hatte? All die kleinen Rancher holten sich Rinder, wo sie sie bekommen konnten, wenn die Tiere nur ungebrändet waren. Selbst die Mitglieder der Jury hatten schon oft genug fremdes Rindfleisch gegessen. Dennoch sprachen sie Jim schuldig. Ich will Ihnen sagen, warum er so hart bestraft wurde, Sheriff. Paul Dodge wollte das. Seine Tochter hatte sich in meinen Bruder Jim verliebt. Die beiden hatten die Absicht, auszureißen. Das Mädel wollte sogar auf das Vermögen des Vaters pfeifen. Ihr schien Jim mehr wert zu sein. Und da hat Paul Dodge ihn zerbrochen. Jetzt ist er ein entflohener Sträfling...«

»... und ein Mörder«, sagte der Sheriff. »Sie haben einen Wächter erschlagen. Wenn sie Jim jetzt erwischen, hängen sie ihn auf. Dave, stell dich nicht auf seine Seite! Er ist jetzt ein Mörder!«

»Er ist mein Bruder«, sagt Dave Clayton. »Al, sind Sie zu mir herausgekommen, weil Sie glauben, dass Jim in dieses wilde unübersichtliche Land zurückreitet, um sich mit mir in Verbindung zu setzen und Hilfe zu erhalten?«

»Er hat geschworen, dass er die ganze Jury und den Richter umbringen wird. Den Obmann der Jury hat es schon erwischt. Und Jubal Spain wurde gestern auf seiner kleinen Ranch am Crow Hill Creek aus dem Hinterhalt erschossen, als er am Morgen mit zwei Holzeimern aus der Tür trat, um Wasser zu holen.«

Dave Clayton weicht einen Schritt zurück, als hätte er unerwartet einen Schlag ins Gesicht bekommen.

»Sie glauben doch nicht, Al, dass Jim...«

»Noch ist nichts bewiesen«, sagt der Sheriff trocken. »Doch sollte es noch einen Angehörigen der einstigen Jury erwischen und sollte es sich herausstellen, dass Jim Clayton in dieses Land zurückgekommen ist, dann wäre die Sache wohl schon klarer – oder?«

Dave Clayton kann nicht sofort antworten. Er muss erst nachdenken, und er stellt sich seinen wilden, indianerhaften älteren Bruder vor, den man schon als ganz jungen Burschen Wild Jim nannte und der während des Bürgerkrieges wegen einiger besonders gewagter Unternehmen eine Art Kriegsheld war.

Nach dem Krieg wurde er mehr und mehr ein Revolvermann, ein Spieler, Satteltramp – und auch ein Viehdieb. Er konnte nicht begreifen, dass die Leute ihn nicht mehr für einen großartigen Helden hielten. Nur Stella Dodge hätte ihn vielleicht ändern können. Er liebte Stella und wollte mit ihr fortgehen, weil der Bankier und Großrancher Paul Dodge seine einzige Tochter enterben wollte, wenn sie nicht von Jim Clayton ließ.

So war das damals.

Jetzt ist Jim ausgebrochen.

Und der Obmann der Jury, die ihn schuldig sprach und dem er drohte, er würde Mann für Mann umbringen, wurde erschossen.

Dave Clayton sieht den Sheriff an. »Was erwarten Sie von mir, Al?«, fragt er ernst.

Al Ree blickt ihn an. Obwohl er von der Stadt aus mehr als dreißig Meilen durch raues Land reiten musste, steigt er nicht ab, sondern bleibt im Sattel.

Er betrachtet Dave, diesen rotköpfigen, sommersprossigen, geschmeidigen Burschen von etwa fünfundzwanzig Jahren. Dave ist einsachtzig groß und wiegt rund achtzig Kilo. Er ist stark, prächtig gewachsen und ein Bursche, der überall seinen Platz behaupten kann. Er sucht niemals Streit, doch als im vergangenen Jahr drei Pferdediebe seine Tiere stehlen wollten, bekamen sie es bitter heimgezahlt, obwohl sie sich für hart und gefährlich hielten.

»Was erwarten Sie von mir?«, fragt Dave nochmals.

»Du bist sein Bruder«, sagt der Sheriff. »Es ist wie mit einem entlaufenen Hund, der zu den Wölfen geht. Jemand ist für diesen Hund verantwortlich, denke ich. Jemand muss dafür sorgen, dass der Bursche nicht mit den Wölfen jagen und töten kann. Verstehst du, Dave, wie ich das meine?«

Dave staunt. »Soll ich meinen Bruder jagen, fangen und dem Gesetz übergeben?«

Al Ree betrachtet ihn ernst.

»Er ist dein Bruder. Und wenn er es ist, der die Männer der Jury zu töten beginnt, dann geht das auch dich an! Dann kannst du das nicht abschütteln und sagen, du willst nichts mit ihm zu tun haben. – Denk mal darüber nach, Dave.«

Nach diesen Worten zieht er das Pferd herum und reitet davon.

Dave Clayton sieht ihm nach, bis er in der Schlucht nach Süden zu verschwindet.

Er will mir die Verantwortung für meinen Bruder aufbürden, denkt Dave bitter und wischt sich über das Gesicht.

Dann geht er zu seiner Blockhütte hinüber, und er kann noch immer nicht glauben, dass Jim zurückgekommen ist, um zu morden. Nein, das kann er niemals glauben. Gewiss, Jim war stets ein wilder gefährlicher Bursche, dem kein Wagnis zu groß war und der keinem Kampf aus dem Wege ging. Doch niemals hätte er einen Mann aus dem Hinterhalt erschossen. Stets hatte er dem Gegner eine faire Chance gelassen.

Sollten ihn die drei Jahre als Sträfling so verändert haben? Konnten drei Jahre Knochenarbeit in den Steinbrüchen oder beim Straßenbau Jim Clayton zu einem heimtückischen Mörder machen, der sich nur noch rächen will?

Als Dave Clayton sich wäscht und später sein Abendbrot bereitet, denkt er unaufhörlich an seinen Bruder. Er ertappt sich dabei, dass er überlegt, wo Jim sich – wäre er in dieses Land zurückgekommen – aufhalten und verbergen könnte.

Dieses Land besitzt tausend verborgene Pfade und unzählige Verstecke. Es ist ein unübersichtliches Land, voll Mesas, Schluchten und grüner Canyons, wilder Hügelketten und kleiner Ebenen. In diesem Land behaupteten sich die Apachen einst viele Jahre gegen die Übermacht der Armee, und sie könnten es immer noch, wären sie nicht weiter nach Süden gezogen, um sich mit den anderen Stämmen zu vereinigen.

Während des Bürgerkrieges, als die Schutztruppen abzogen, um auf den Kriegsschauplätzen zu kämpfen, war die Apachengefahr besonders groß. Deshalb kamen auch die kleinen Rancher in diesem Land nicht voran. Was sie aufbauten, wurde oft genug zerstört. Sie verloren immer wieder ihr Vieh an zweibeiniges und vierbeiniges Raubwild.

Nur die große Ranch von Paul Dodge, die sich von Anfang an eine starke Mannschaft halten konnte, kam gut über diese schrecklichen Jahre.

An all diese Dinge denkt Dave Clayton jetzt.

Immer wieder stellt er sich die Frage: Wo würde Jim sich verborgen halten, wäre er schon im Land und wollte von einem Schlupfwinkel aus eine Reihe heimtückischer Morde begehen?

Dave Clayton, vor allen Dingen sein älterer Bruder Jim, waren wie Indianer durch das Land gestreift. Als Dave sich später hier die Hütte baute und damit begann, Wildpferde zu fangen, lernte er das Land noch besser kennen. O ja, er kennt viele Verstecke, von denen er weiß, dass sie auch Jim bekannt sind.

Als er mit dem Abendessen fertig ist, kommt er zu einem Entschluss.

Er will auf der Stelle losreiten, um sich umzusehen. Er wünscht sich von ganzem Herzen, dass Jim nicht zurückgekommen ist, dass er ihn in keinem der Schlupfwinkel aufspüren wird. Doch es ist eine nagende Ungewissheit in ihm, die ihn antreibt.

Er denkt an den alten, erfahrenen Sheriff. Dieser Bursche hatte genau gewusst, warum er zu Dave Clayton kam und ihm erklärte, dass ein Bruder für den anderen verantwortlich sei.

Dave bringt den Hengst und die anderen Pferde auf die großen Weidekoppeln, wo sie für einige Tage Wasser und Futter haben. Dann sattelt er seinen zähen Pinto und reitet los.

Nach vier Meilen kommt er zu seinem nächsten Nachbarn Oven Baxter und ruft diesen aus dem Haus. Bevor Baxter heraustritt, wird drinnen erst die Lampe gelöscht.

Dann tritt Oven Baxter vorsichtig mit der schussbereiten Schrotflinte ins Freie. Sein halbwüchsiger Sohn Andy verlässt das Haus durch die Hintertür und taucht mit einem Gewehr an der Hausecke auf.

Sie lassen sich selbst von Dave Claytons Stimme nicht zu einer Unvorsichtigkeit verleiten.

Dave reitet zu ihnen, hält an und spricht vom Sattel aus auf sie nieder: »Ich muss einige Tage herumreiten. Ihr habt es sicherlich schon gehört: Mein Bruder soll ausgebrochen sein. Jubal Spain wurde aus dem Hinterhalt erschossen. Er gehörte zu der Jury, die meinen Bruder schuldig sprach. Ich glaube nicht, dass Jim hergekommen ist, um seine Drohungen von damals wahrzumachen. Doch die meisten Menschen in diesem Land werden das vermuten. Deshalb muss ich nach Jim suchen. Kann Andy hin und wieder zu mir hinüberreiten, um nach meinen Pferden zu sehen?«

»Sicher«, sagt Oven Baxter sofort.

»Das mache ich gern!«, ruft Andy bereitwillig. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«

»Danke«, sagte Dave, zieht sein Pferd herum und verschwindet in der Nacht.

Andy nähert sich seinem Vater, und beide lauschen dem verklingenden Hufschlag. Auch von ihren anderen Nachbarn, von den Twomiles, hörten sie schon, was geschehen ist.

»Vater, glaubst du, dass Daves Bruder ins Land zurückgekommen ist, um alle Männer zu töten, die damals der Jury angehörten?«, fragt Andy.

»Vielleicht«, murmelt Oven Baxter. »Er hat es ihnen jedenfalls geschworen. Und er ist ja auch für etwas schuldig gesprochen worden, was jeder von ihnen schon mehr als einmal getan hatte. Sie alle kamen damals hungrig und arm in dieses Land. Vor ihnen war nur Paul Dodge da, und Dodge hatte sich eine große Herde und eine starke Mannschaft aus Texas mitgebracht. Aaah, das ganze Land hat zu der Zeit mehr oder weniger von Dodges Rindern gelebt, ohne dafür zu bezahlen. Und sie haben vom reichen Dodge Kredite genommen, um ihre Ranches aufbauen zu können. Dafür mussten sie zu ihm halten, wenn die Apachen auf dem Kriegspfad waren oder wann immer Paul Dodge es wünschte. – Dodge wollte, dass Jim Clayton erledigt wurde. Clayton war sein Feind, weil er ihm die Tochter wegnehmen wollte. So kam das alles, Junge. Ich könnte Jim Claytons Hass auf diese erbärmliche Jury gut verstehen. Einige gekaufte Spitzbuben saßen über einen Rebellen zu Gericht. So kann das nämlich auch betrachtet werden. Doch ich glaube immer noch nicht, dass sich Jim Clayton als Sträfling so verändert hat, dass er nun aus dem Hinterhalt auf Männer schießt. Ich kann es nicht glauben!«

Nach diesen Worten kehrt er ins Haus zurück und schiebt den Sohn vor sich her. In seinem Innern verspürt er Erleichterung, damals nicht zu jener Jury gehört zu haben.

Dave Clayton reitet von den Baxters aus nach Süden. Sein Weg führt durch eine enge Schlucht, in der es feucht ist und wo der Hufschlag des Pferdes von den Wänden hallt. In der Schlucht ist es dunkel, doch Dave kennt sich hier aus. Er lässt sein Pferd gehen, wie es will, beobachtet nur die Ohren des Tieres, die er noch deutlich vor sich sehen kann.

Die Schlucht führt in ein kleines Tal. Hier liegt Mond- und Sternenlicht auf der Weide, lässt einen kleinen See, an dem die Twomile-Ranch liegt, silbern glänzen.

Dave Clayton hält an und blickt auf das friedliche Bild. Die Sicht in diesem kleinen Tal, das sich vor ihm senkt, ist gut, zumal er aus einer dunklen Schlucht kommt.

Dave hat sich inzwischen überlegt, wer von der zwölfköpfigen Jury noch lebt und in diesem Land wohnen blieb.

Er sagt sich nochmals die Namen im Gedächtnis auf.

Jubal Spain lebt schon nicht mehr.

Phil Twomile, dessen Ranch er kaum eine halbe Meile entfernt am silbernen See erkennen kann.

Cliff Wagoner, der eine kleine Ranch jenseits des Crow Creek hat.

Dann sind da noch die Rancher Paul Newman und Bill Selander. Ihre Ranches liegen westlich des Crow Creek, der wie eine Riesenschlange in Windungen und Schleifen durch das wilde Land zieht.

In der Stadt gehörte noch der Saloonbesitzer Ringo Kilhoe zur Jury.

Das sind die Geschworenen, die hier noch leben.

Zu diesen sechs Männern aber kommen gewiss noch zwei, gegen die Jim Claytons Schwur ebenfalls gerichtet war.

Da wären noch der Richter Leroy Hirst und der Mann, von dem Jim Clayton – und nicht nur er allein – damals glaubte, dass er der Drahtzieher war: Paul Dodge, Großrancher und Bankier.

Es sind also noch sieben Männer in Gefahr, wenn Sheriff Al Ree mit seiner Vermutung recht haben sollte, denkt Dave bitter.

Er blickt ein wenig ratlos zu der kleinen Ranch hinunter.

Ihm wird klar, dass er nicht an sieben Stellen zugleich sein kann. Auch der Sheriff kann das nicht.

Es wäre so einfach, denkt Dave Clayton, wenn es dieser Mörder noch einmal versuchen würde – gerade jetzt und dort unten. Dann hätte ich ihn vielleicht schnell, und dann würde es sich herausstellen, dass es nicht mein Bruder Jim war.

Er fragt sich, wer außer Jim wohl noch Interesse daran haben könnte, die einstigen Geschworenen hinterhältig zu ermorden.

Was für Motive kämen außer Rache noch in Frage?

Außer Oven Baxter und den Woodrigdes sind alle Rancher des Landes bedroht.

Dave Clayton erinnert sich plötzlich wieder an jenen Tag, an dem das Urteil gesprochen, der Gefangene abgeführt wurde, und die Zuschauer den Gerichtsraum verließen.

Nur er und Frank Woodrigde waren damals noch einige Minuten geblieben. Er entsinnt sich an Frank Woodrigdes nachdenklichen Gesichtsausdruck und an den kritischen Blick, mit dem Woodridge ihn damals betrachtete, als wollte er ihn genau abschätzen.

Dann hatte Woodridge gesagt: »Wenn dein Bruder seinen Schwur wahrmachen sollte, dann...« Aber er hatte nicht weitergesprochen. Er war schnell hinausgegangen.

Jetzt versucht Dave Clayton zu erraten, was Woodridge sagen wollte.

... dann würden in diesem Land einige Ranches herrenlos.

Wollte Woodridge diese Worte sprechen?

Dave Clayton beginnt plötzlich mehr über Frank Woodridge und dessen drei wilde Söhne nachzudenken. Er könnte nicht erklären, warum er es tut.

Woodridge war zuletzt in diese Gegend gekommen. Er musste das Land nehmen, das niemand sonst haben wollte. Seine Ranch liegt in einem U-förmigen Bogen des Crow Creek. Er hat die mächtige Dodge-Ranch im Rücken und um sich herum all die anderen Rancher. Er wird sich niemals ausbreiten können. Doch sollten seine Nachbarn ermordet werden, könnte er am meisten davon profitieren.

Bei diesem Gedanken durchzuckt es Dave Clayton heiß.

Doch dann verwirft er diesen Einfall, bevor er zu einer fixen Idee wird.

Gewiss, Frank Woodridge ist ein schwer durchschaubarer, harter, finsterer und gefährlicher Mann. Seine Söhne sind wie wilde Indianer. Sie haben vor nichts Respekt, sind schlecht erzogen und möchten sich stets alles nehmen, was ihnen gefällt. Sie sind im Grunde genommen eine üble Bande.

Aber man kann doch nur deshalb nicht auf die Idee kommen, dass sie...

Nein, auch diesen Gedanken verwirft Dave Clayton. Er weigert sich, ohne Beweise selbst üblen Nachbarn so schlimme Absichten zu unterstellen.

Denn die Woodridges müssten schon gefährliche Verbrecher und kaltblütige Mörder sein, würden sie das tun, was Jim Clayton einst schwor. Und wie sollten sie überhaupt so schnell erfahren haben, dass er ausgebrochen ist?

Dave Clayton wischt sich über das Gesicht. Ihm wird plötzlich heiß.

Auf einmal werden seine tastenden Gedanken von anderen Dingen abgelenkt.

Dort unten auf der kleinen Ranch am See leuchtet ein Feuer auf, das schnell größer wird. Es ist eine halboffene Scheune, die in Flammen aufgeht. Gutes Alfalfa-Heu brennt dort lichterloh und färbt die Nacht rötlich.

Dave Clayton fragt sich, warum dort plötzlich die Scheune brennt. Schwelt der Brandherd schon lange? Oder ist es kein Versehen? Hat jemand ein Zündholz an das trockene Heu und Stroh gehalten?

Ein Gedanke durchzuckt Dave Clayton. Er treibt sein Tier scharf an.

Doch er kommt nur bis auf eine Viertelmeile an die Ranch heran. Dann hört er durch das Trommeln der Pferdehufe den Schuss. Es muss eine schwere Büffelflinte sein.

Damit ist für Dave alles klar.

Jemand hat die Scheune angezündet und dadurch Phil Twomile aus dem Haus gelockt.

Dann hat er Twomile erschossen.

Als Dave Clayton auf die Ranch geritten kommt, sieht er den leblosen Körper eines Mannes zwischen Wohnhaus und Scheune auf dem Erdboden liegen.

Es ist Phil Twomile, der nur mit seinem Unterzeug bekleidet ist. Das Feuer hat ihn aus dem Bett gejagt. Er war in Sorge und Erregung aus dem Haus gelaufen, ohne zu überlegen.

Sein Mörder lauerte irgendwo und schoss sofort. Bei der guten Beleuchtung traf er mit dem ersten Schuss.

Doch er kann noch nicht weit fort sein.

Als Dave Clayton seinen Pinto auf die Hinterhand reißt, um neben Twomile anzuhalten, bäumt sich das Pferd im rechten Augenblick auf.

Der heimtückische Mörder schießt nämlich. Das sich aufbäumende Tier bekommt die Kugel in den Kopf. Sonst wäre Dave Clayton getroffen worden.

Er wirft sich vom Pferd, rollt über den Boden und gelangt in die Deckung eines Bauholzstapels. Er hält seinen Colt in der Hand und späht nach dem Mordschützen aus.

Doch er kann nichts erkennen. Außerdem weht der leichte Nachtwind Rauch, glühende Grasteile und noch brennende Halme von Heu und Stroh quer über den Hof.

Dave Clayton stürmt mit dem Colt in der Hand vorwärts.

Er kommt zu spät. Als er durch den Rauchvorhang ist, hört er ein Pferd davongaloppieren. Bäume und Büsche verbergen den Flüchtigen. Er kann ihn nicht einmal aus einiger Entfernung in der hellen Nacht erkennen.

Resigniert wendet er sich um und geht zurück.

Bei Phil Twomile kniet eine Frau. Clayton kennt sie nur flüchtig, denn sie ist erst wenige Wochen hier. Twomile brachte sie aus Prescott mit, und man erzählt sich, sie hätten sich auf eine Zeitungsanzeige kennengelernt.

Jetzt kniet diese Frau neben Twomile und streicht immer wieder dessen schon etwas dünn gewordenes Haar.

Als Dave aus dem Rauch auftaucht und zu ihr geht, springt sie auf und beginnt grell zu schreien. Sie ist vor Angst fast verrückt, hält ihn gewiss für den Mörder ihres Mannes. Alles spielte sich in wenigen Minuten ab. Sie kam vielleicht nur zwei Minuten später als Phil Twomiles aus dem Haus.

Als sie vor Dave fortlaufen will, stürmt dieser ihr nach, hält sie fest und versucht sie zu beruhigen. Doch sie kämpft verzweifelt, kratzt und tritt – und erst als er ihr zwei leichte Schläge mit der flachen Hand gegen die Wangen gibt, überwindet sie ihren Schock.

»Ich bin Dave Clayton, einer Ihrer Nachbarn«, sagt er. »Warum schreien Sie, als ob ich der Mordschütze wäre? Sehen Sie doch, er hat mein Pferd getötet. Deshalb konnte ich ihn nicht weiter verfolgen.«

Seine Worte machen ihr endlich klar, dass er sie nicht bedroht. Sie fängt an zu weinen und sinkt wieder neben Phil Twomile auf die Knie.

»Er war so gut zu mir«, sagt sie. »Er war der erste Mann auf dieser Welt, der gut zu mir gewesen ist. Warum musste man diesen Mann töten? Was mache ich nun ohne Phil in diesem wilden Land? O Phil, warum hat man dich...«

Sie weint heftig. Sie ist eine durchschnittliche Frau, die ihre Probleme und den Lebenskampf nur mit Mühe meistern konnte. Jetzt sind ihre Sorgen und Probleme schlimmer als je zuvor. Denn nun besitzt sie in einem wilden Land eine kleine Ranch.

Aber ohne Phil Twomile ist sie verloren.

Sie ahnt es schon, und deshalb weint sie so sehr. Sie wollte bestimmt nicht viel vom Leben. Das hier hatte ihr genügt.

Dave blickt auf sie nieder. Sie tut ihm leid.

»Ich nehme mir Phils Pferd«, sagt er rau. »Ich will den Mörder verfolgen. Ich nehme mir Phils Pferd, Mrs. Twomile.«

Sie sieht zu ihm auf.

»Ja, nehmen Sie ein Pferd, folgen Sie ihm! Reiten Sie und bestrafen Sie diesen Schuft, der unser Leben zerstörte – meines und das von Phil. Töten Sie ihn! Sie können von mir alles haben, was ich Ihnen geben kann. Doch töten Sie ihn!«