G. F. Unger Sonder-Edition 230 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 230 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als wilder Junge, der aus einem Teufelskreis heraus will, trailt Johnny Ringold mit einer Rinderherde nach Norden. Es ist sein Schicksal, dass er Jennifer Scott begegnet, dem schönen Saloonmädchen, das sich ebenfalls in jenem Teufelskreis befindet, aus dem es für die Mitglieder verrufener Outlaw-Sippen kein Entrinnen zu geben scheint.
Johnny beschließt, tausend Büffel zu jagen, denn für den Erlös von tausend Büffelfellen kann er Jennifer freikaufen und mit ihr ein neues Leben beginnen. Aber auf der Büffelweide regiert Big Calf mit seinen Büffel-Wölfen, und niemand gibt Johnny auch nur die geringste Chance...


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Seitenzahl: 198

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Tausend Büffel

Vorschau

Impressum

Tausend Büffel

Es ist der Sheriff selbst, der die Zellentür öffnet. Sein hageres Falkengesicht wirkt ausdruckslos, doch seine kieselharten Augen haben einen unbestimmbaren Ausdruck. Es fällt ihm heute nicht leicht, seine Gefühle und Gedanken so tief in sich verborgen zu halten wie sonst.

Dieser unbestimmbare Ausdruck könnte Sorge, Mitgefühl, Resignation oder Bitterkeit sein.

Er sieht Johnny Ringold mit dem Blick eines weisen Oldtimers an und murmelt: »Komm heraus, Junge! – Es hat wohl wenig Sinn, dass ich dir einen Rat zu geben versuche. Deine Mom ist gekommen, um dich abzuholen – dich und deinen Bruder Bill, den wir heute bei Sonnenaufgang nach Recht und Gesetz am Halse aufhängten, bis er tot war. Wenn du dumm bist, Junge, dann...«

»Sie sagten doch selbst, dass es wenig Sinn hätte, mir einen Rat zu geben. Also lassen Sie es, Sheriff! Zur Hölle mit euch allen! Ihr seid eine verdammt lausige Bande, und wenn ich etwas auf dieser Welt hasse, dann ist es die sogenannte ›menschliche Gemeinschaft‹. Sie ist nicht weniger erbarmungslos als ein Rudel Wölfe. Ihr könnt alle zum Teufel gehen!«

Mit diesen Worten tritt er am Sheriff vorbei aus der Zelle – ein großer, hagerer, wilder Junge, blond und grünäugig. Der texanische Schnurrbart, der ihm sichelförmig über die Mundwinkel hängt, ist noch recht dünn; denn Johnny Ringold ist erst zwanzig Jahre alt.

Mit einigen langen, geschmeidigen Schritten ist er bei der offenen Tür, durch die man zum Office gelangt. Hier verhält er plötzlich, zögert und senkt seinen Kopf.

Der Sheriff sagt hinter ihm: »Nun geh schon, Junge! Lass deine Mom nicht warten. Sie hat nur noch dich allein.«

Da richtet er sich wieder gerader auf, atmet einmal tief durch und tritt ins Office.

Fanny Ringold sitzt am Fenster in der Ecke. Sie ist klein und zierlich, grauhaarig und so abgearbeitet, wie eine arme Frau in Texas es nur sein kann.

Denn von Texas heißt es: Texas ist ein Paradies für Männer und Hunde, eine Hölle für Frauen und Ochsen.

Für Fanny Ringold galt dieser Spruch besonders.

Sie wendet langsam den Kopf und sieht ihren Jüngsten ruhig an. Diese Ruhe und Gelassenheit waren schon immer etwas, was Menschen, die sie und ihre Probleme kannten, bewunderten.

Johnny hält ihrem Blick nicht lange stand. Er starrt zu Boden, scharrt mit den Füßen und murmelt: »O Mom, diese Schufte...«

»Von wem sprichst du?«, fragt sie ruhig. Ihre Stimme ist etwas dunkel mit einer winzigen Spur von Bitterkeit.

»Diese Stadt«, sagt Johnny trotzig. »Sie hätten Bill nicht hängen dürfen. Was er tat, war nichts anderes als ein Unglücksfall. Er wollte doch den Bankkassierer gar nicht erschießen. Das hat Bill bestimmt nicht gewollt und...«

»Sei still, Junge!«, unterbricht sie ihn, erhebt sich und geht hinaus. Johnny folgt ihr. Er überragt sie um fast zwei Köpfe.

Der Wagen steht vor der Tür am Plankengehsteig. Im Wagen, von einer Plane nur unvollkommen verborgen, steht der einfache Sarg.

Fanny Ringold blickt nicht hin. Sie klettert mit Johnnys Hilfe auf den Sitz, lässt sich nieder, legt ihre hornigen Hände in den Schoß und wartet.

Johnny Ringold zögert.

Er steht einige Atemzüge lang da und sieht sich um.

Hinter ihm kam der Sheriff aus dem Office. Rechts und links von ihm warten Neugierige auf dem Gehsteig – und auch gegenüber auf der anderen Straßenseite stehen Menschen.

Alle starren auf die kleine, grauhaarige Frau, deren Kleider am Körper schlottern. Es ist alte, sorgfältig gepflegte Kleidung aus einer Zeit, da Fanny Ringold noch stattlicher war.

Johnny Ringold spürt den Hass der Menschen. Sie hassen ihn, wie sie einen Wolf hassen, von dem sie befürchten müssen, dass er ihnen früher oder später Schaden zufügen wird.

In ihren Augen ist er ein Wolf – ein Wolf wie sein Vater und seine Brüder.

Er blickt schräg über die Fahrbahn zur Bank hinüber.

Dort war es geschehen! Die Ringolds hatten drinnen über vierzigtausend Dollar zusammengerafft. Natürlich waren sie maskiert. Als sie aus der Bank kamen, schwang sich Bill zuerst auf das Pferd. Er schoss auf die Tür und die Fenster der Bank, während sein Vater und der Bruder Logan die Geldbeutel an die Sattelhörner hängten und ebenfalls aufsaßen.

Dann ritten sie los. Bill Ringold feuerte im Vorbeireiten seinen letzten Schuss scheinbar ungezielt durch die Eingangspforte der Bank – aber inzwischen tauchte einer der Angestellten im Eingang auf und bekam die Kugel. Er war direkt in sie hineingerannt.

Nun, die Ringolds kamen nicht mehr aus der Stadt.

Der Waffenschmied und Büchsenmacher hatte zufällig ein Gewehr repariert und wollte es in seinem Hof ausprobieren. Als er die Schüsse und das Geschrei hörte, lief er nicht zur Hintertür, wie er es vorgehabt hatte, sondern trat ans Fenster zur Straße.

Er erwischte die drei maskierten Reiter, bevor diese zwischen den letzten Häusern in der Staubwolke verschwinden konnten.

Reb Ringold, genannt »Rebell-Ringold«, war sofort tot. Sein ältester Sohn Logan starb eine Minute später im knöcheltiefen Staub der Fahrbahn – und Bill wurde von seinem getroffenen Pferd so unglücklich gegen ein am Straßenrand stehenden Wagen geworfen, dass er mit dem Kopf an eine Radnabe prallte.

Deshalb bekamen sie Bill lebend.

Johnny schließt die Augen und seufzt leise. Er war bei diesem Überfall nicht dabei, sondern nur bei der Gerichtsverhandlung gegen Bill. Deshalb kennt er die Aussagen der Augenzeugen und kann sich alles vorstellen.

Er hatte dann versucht, Bill zu befreien. Deshalb wurde er eingesperrt.

Irgendwie hatte Mom es schließlich geschafft, dass man ihn entließ und er mit ihr nun diese Stadt verlassen kann.

Er öffnet seine Augen wieder und starrt wild nach allen Seiten. Er spürt die Abneigung der Menschen. Rechts von sich hört er eine laute Stimme sagen: »Der ist wie alle anderen Ringolds. Dass er diesmal nicht dabei war, hat nichts zu bedeuten. Von diesem Burschen hören wir noch.«

Er will etwas erwidern, böse und hass voll, denn er wurde von seinem Vater und seinen älteren Brüdern dazu erzogen, jeden Hass mit noch heißerem Hass zu erwidern.

Doch seine Mutter sagt hart: »Lass mich nicht warten, Junge! Bring Bill und mich endlich fort!«

In ihrer Stimme ist eine Härte, die er niemals zuvor bei ihr spürte. Seine Mutter tut ihm sehr leid. Deshalb senkt er den Kopf und gehorcht.

Als er das magere Gespann aus der Stadt lenkt, blickt er starr geradeaus. Auch seine Mutter tut das, nur ist ihr Blick nicht starr, sondern leer. Ihre Augen sehen aus, als könnten sie nicht mehr weinen.

Es ist später Mittag. Die Formalitäten für die Freigabe von Bills Leiche dauerten einige Stunden.

Dann erreichen sie die Furt des Paco Creek und halten an.

»Wir bleiben die Nacht über hier, Junge – denn ich... ich kann nicht mehr. Ich muss mich ein wenig ausruhen. Dort drüben die Lichtung ist ein guter Lagerplatz. Dort lagerte ich, als ich vor zwei Wochen deinen Vater und den Bruder heimholte.«

In ihrer Stimme ist kein Vorwurf. Doch Johnny weiß, wie schwer alles für sie gewesen sein muss. Nur ein alter Indianer hatte ihr damals geholfen, denn er, Johnny, hatte im Gefängnis gesessen.

Der Sheriff hatte ihn dabei erwischt, wie er ein Lasso an das Fenstergitter band, um das Gitter mit Hilfe des Pferdes aus der Wand zu ziehen. Es war ein doppelt geflochtenes Lasso, und er hätte es gewiss geschafft, das Gitter aus dem schon morschen Mauerwerk zu reißen.

Weil er dann in der Zelle neben Bill sitzen musste, war die Mutter in ihrer schweren Zeit ganz allein.

Er fährt den Wagen auf die Lichtung, bereitet am Boden ein weiches Lager aus Zweigen und Decken, hilft der Mutter hinauf, deckt sie zu und macht sich daran, die notwendigen Arbeiten zu verrichten.

Er zündet ein Feuer an, spannt die beiden mageren Pferde aus und bringt sie zur Tränke. Dann leint er sie so an, dass sie in einem Kreis grasen können.

Als er sich über die Mutter beugt, glaubt er erst, sie schliefe. Doch dann öffnet sie ihre Augen.

»Ich kann heute nicht kochen«, sagt sie leise. »Im Wagenkasten findest du alles, was du brauchst. Mir kannst du einen Becher Kaffee bringen.«

Er kann nichts anderes sagen als: »Ja, Mom.«

Aber er beeilt sich mächtig. Er spürt, dass sie ihn ständig beobachtet und dass ihr kaum eine seiner Bewegungen entgeht.

Sie hat nur noch mich, denkt er. Sie ist in den letzten zwei Wochen eine alte Frau geworden – sehr alt und schwach. Zum Teufel, warum mussten Dad und meine Brüder auf die Idee kommen, ausgerechnet die Bank in Santa Cruz zu berauben? Wahrscheinlich hofften sie auf eine besonders große Beute. Sie hatten ja auch schon mehr als vierzigtausend Dollar... Oh, was hätten wir mit vierzigtausend Dollar nicht alles tun können! Eine große Ranch hätte Dad gekauft, eine Ranch mit vielen Rindern – irgendwo, wo man uns nicht kannte – uns Ringolds vom San Jacinto...

Nach einer Weile bringt er seiner Mutter den gewünschten Kaffee. Er hat ihn gut gemacht und ist sicher, dass ihr das duftende Getränk schmecken wird.

Sie nimmt den heißen Zinnbecher in ihre verarbeiteten Hände, nachdem sie sich auf ihrem Lager etwas aufgesetzt hat.

Johnny betrachtet sie. Ihr Gesicht wirkt sehr klein. Sie war immer klein und zierlich. Ihr Mann war doppelt so schwer und zwei Köpfe größer als sie.

Aber wahrscheinlich war sie die Stärkere und Größere gewesen – nicht er.

Sie hatte es stets schwerer gehabt als Rebell-Ringold.

Johnny denkt wieder daran, dass sein Vater mit den beiden älteren Brüdern ständig unterwegs war. Manchmal waren sie für Monate oder Jahre eingesperrt oder lagen angeschossen und krank in der Hütte.

Fanny Ringold aber tat, was sie konnte. Sie arbeitete hart auf der kleinen Farm, die kaum mehr als eine Siedlerstätte war. Für eine Frau war es einfach zu schwer, fast immer ohne Mann drei Söhne aufzuziehen und überdies noch für den notwendigsten Unterhalt zu sorgen.

Johnny begreift das alles ganz plötzlich.

Er holt sich einen Becher Kaffee und den Topf mit dem Essen, hockt neben der Mutter nieder und blickt sie fragend an.

»Ich kann nichts essen«, murmelt sie. »Nur den Becher füll mir noch mal.«

Nachdem er ihr noch einmal Kaffee geholt hat, schlingt er mit dem Hunger eines jungen Burschen das Essen hinunter.

»Es tut mir leid, Mom«, sagt er dann etwas unbeholfen, »dass ich Bill nicht befreien konnte. Hätte ich ihn frei bekommen, wären wir irgendwohin gegangen, wo uns keiner kannte. Und dann hätten wir...«

»... Luftschlösser gebaut wie euer Vater«, unterbricht sie ihn hart. »Bill hätte auch dich zu irgendetwas überredet. Und ihr hättet euch abermals eingebildet, dass alles klappen und ihr dann reich sein würdet. Bill hätte auch dich endgültig zu einem Banditen gemacht. Rinder und Pferde hast du ja schon gestohlen. Und auch als Schmuggler kanntest du dich am Rio Grande schnell aus, nachdem wir vom Jacinto in das Land westlich des Pecos gezogen waren. Bill hätte auch dich zu einem Banditen gemacht. Es ist gut, dass dein Vater und deine Brüder tot sind. Dadurch hast du die kleine Chance, nicht so zu werden wie sie. Sie können keinen Einfluss mehr auf dich ausüben. Nun bist du frei und stehst allein in dieser Welt. Johnny, was für ein elendes Leben hatten wir doch alle. Dein Vater wollte immer durch einen besonderen Coup schnell reich werden – und er war nichts anderes als ein kleiner Bandit und zweitklassiger Revolvermann. Auch seine Brüder waren oder sind so. Die ganze Ringold-Sippe vom Jacinto taugt nichts, gar nichts.«

Sie verstummt und schlürft ihren Kaffee.

Ihre Augen halten den Jüngsten mit festem Blick auf seinem Platz. Johnny staunt. Er glaubt, nicht richtig gehört zu haben, als Mom sagte, es wäre gut, dass sein Vater und seine Brüder tot sind.

Mit einem Male begreift Johnny, was es für ein Leben für seine Mutter war und wie sehr sie ihn, ihren jüngsten und letzten Sohn liebt und ihn vor dem Leben bewahren möchte, das sein Vater und seine Brüder führten.

»Ich habe alles getan, um ihm eine gute Frau und euch eine gute Mutter zu sein«, spricht Fanny Ringold weiter. »›... bis der Tod euch scheidet‹, hat der Pater, der uns damals traute, gesagt. – Nun, jetzt hat der Tod uns geschieden, ihn – und seine Söhne. Nur du bist noch übrig. Und ich sage dir, sei schlauer als sie. Bau dir ein besseres Leben! Ich weiß nicht, mein Junge, wie ich dir helfen könnte. Du musst dir allein helfen. Doch ich will, dass du mir schwörst, redlich zu bleiben und niemals etwas zu tun, was unehrenhaft ist. Schwöre es mir, Junge! Und geh weit fort von Texas, wo man auf alle Ringolds flucht. Hörst du, Johnny, du sollst mir schwören! Jetzt sofort!«

In ihren Augen ist ein Glänzen, und ihre Hände beben vor Erregung.

»Sicher, ich schwöre es dir«, sagt Johnny, aber eigentlich sagt er es nur, um sie zu beruhigen.

»Ich habe dein Wort«, murmelt sie. »Vergiss es nie, ich habe dein Wort! Und auf das Wort eines Sohnes sollte sich eine Mutter bis in die Hölle und zurück verlassen können, nicht wahr?«

»Ja, Mom.«

»Dann ist es gut. Ich will jetzt schlafen. Deck mich zu. Mir ist so kalt geworden.«

Er gehorcht, und er wundert sich, dass ihr kalt ist, denn es ist eine milde Texasnacht. Außerdem hat sie den heißen, starken Kaffee getrunken, der eigentlich einen toten Indianer wieder zum Leben erwecken müsste.

Sie ist alt geworden, denkt er. Die letzten Wochen waren schlimm für sie. Es wäre gut, wenn ich einen einträglichen Job fände oder wenn wir eine kleine Ranch besäßen und ein paar Leute beschäftigen könnten, damit Mom nicht mehr arbeiten müsste. Einen kleinen Garten würde sie haben wollen mit Blumen – vielleicht auch ein paar Hühner. Sie hatte nie Zeit gehabt, Blumen zu ziehen. Die Arbeit auf dem Maisfeld war stets notwendiger.

Eigentlich ist es das erste Mal, dass Johnny über das Leben seiner Mutter nachdenkt.

Bisher hatte er es für selbstverständlich gehalten, dass sie stets da war, wenn man sie brauchte, dass man bei ihr immer wieder die Beine unter den Tisch strecken und satt werden konnte, dass...

Oha, ihm wird erst jetzt richtig bewusst, wie sehr sie sich bemüht hatte, ihrem unsteten Mann und den drei wilden Söhnen ein Heim zu geben, einen Platz, zu dem sie immer wieder kommen konnten, wenn sie hungrig, müde oder verwundet waren.

Es war ein kümmerliches Heim. Zu mehr hatte ihre Kraft nicht gelangt.

Nun schläft sie dort auf dem Lager, klein und grau, faltig und verbraucht. Der Feuerschein mildert mit seinem rötlichen Licht die Härte der Linien in ihrem Gesicht.

Zum Teufel, denkt Johnny verstört, sie sagte, dass es gut wäre, so wie es jetzt ist, weil ich nun eine Chance hätte. Heiliger Rauch, wie schlimm muss alles für sie sein, dass sie solche Worte sprechen konnte. Und wie sehr muss sie sich wünschen, dass ich anders werde als mein Vater und die beiden Brüder – anders als alle Ringolds. Und ich habe es ihr geschworen...

Als er sich vor Sonnenaufgang erhebt und zu ihr blickt, glaubt er, dass sie immer noch friedlich schläft. Leise facht er das Feuer wieder an.

Er versorgt die Pferde bei der Furt, spannt sie vor den Wagen und bereitet schnell den Kaffee.

Als er ihr den Kaffee und etwas Brot mit Speck bringen will, geht die Sonne auf.

In diesem Moment sieht Johnny, dass das Gesicht seiner Mutter so friedlich ist, wie er es noch nie gesehen hat.

Da begreift er, dass sie gestern für immer eingeschlafen ist, nachdem er ihr schwören musste, anders zu werden als Vater, Brüder und die anderen Ringolds.

Sie ist tot.

Ihre Kraft hatte nicht mehr ausgereicht, um Bills Leiche heimzubringen. Sie konnte ihrem Jüngsten nur noch ein Versprechen abnehmen.

Am späten Nachmittag erreicht Johnny endlich ihre einsame, verborgene Farm in den Ausläufern der Davis Mountains, die sich nach Süden hin zum Rio Grande abwärts senken.

Die Armseligkeit des Anwesens kommt ihm heute zum ersten Male richtig zu Bewusstsein. Bisher hatte er diesen Platz stets nur für einen kurzen Übergang gehalten.

Aber er begreift endlich, dass es für seine Mutter nur solche Orte gab. Reb Ringold hatte sich und ihr und später auch seinen Söhnen immer wieder vorgemacht, dass bald der große Coup gelingen und sie dann als reiche Leute in ein anderes Land gehen würden.

Es waren stets Luftschlösser.

Johnny fährt den Wagen gleich zu der Baumgruppe hinüber, zwischen der die Gräber seines Vaters und seines Bruders Logan sind.

Als er anhält, kommen zwei Männer aus der Hütte. Es sind zwei Burschen von jener Sorte, zu der sein Vater und seine Brüder – und auch er – gehörten.

Sie nicken ihm zu, und einer fragt: »Was hast du da im Wagen, Johnny?«

»Meine Mom«, erwidert er. »Und da ist auch noch Bill.«

Sie nicken. Es sprach sich schnell herum, dass man Bill Ringold in Santa Cruz aufgeknüpft hatte.

»Sollen wir dir helfen, die Gräber auszuheben?«, fragt Miguel, der eine mexikanische Mutter hatte.

»Sicher, helfen wir ihm«, nickt El Paso Tom. »Und wenn wir fertig sind, müssen wir uns beeilen, um noch rechtzeitig zum Treffpunkt zu kommen. Weißt du, Johnny, wir sammeln uns fünf Meilen oberhalb von Riobend an der Furt. Shalacko führt uns wieder einmal hinüber nach Mexiko. Wir werden dort einen großen Coup machen. Shalacko weiß von einem Silbertransport, der...«

»Halt!«, unterbricht ihn Johnny. »Ich will es nicht wissen, denn ich komme nicht mit. Ihr braucht mir auch nicht zu helfen. Ich komme schon allein zurecht. Reitet ohne mich. Ich bin hier fertig. Sobald ich Mom und Bill beerdigt habe, reite ich fort – weit, sehr weit. Lasst mich in Frieden!«

Sie staunen.

»Caramba, du machst Spaß«, sagt Miguel.

Johnny schüttelt den Kopf und betrachtet sie kühl. Dabei fragt er sich, wie es möglich war, dass er sich in ihrer Gesellschaft wohl fühlte. Sie sind oder waren schon oft seine Sattelgefährten, wenn er nicht mit seinem Vater und den Brüdern ritt.

»Haut ab!«, sagt er. »Ein paar Dinge wurden anders. Haut ab und lasst mich in Ruhe!«

Sie staunen immer noch.

Aber dann werden sie ärgerlich; denn sie spüren nun, dass Johnny Ringold den Versuch machen will, ein neues Leben zu beginnen.

Ihr Grinsen ist böse und höhnisch. Sie gehören zu jener Sorte, die auch dem besten Freund nicht mehr gönnen als sich selbst.

Und so sagt Miguel: »Johnny, lass dir eines sagen, Amigo. Wir sind Sattelstrolche. Das ist nun einmal so. Wir lieben schnelles Geld, verdient in dunklen Nächten auf verborgenen oder gefährlichen Pfaden. Wir lieben das Leben in der Sonne bei Spiel, Trunk, Weib und Gesang. Wir gehören nicht zu jenen Narren, die für einen Hungerlohn schwitzen. Irgendwann wird uns ein riesengroßer Coup gelingen, wir werden reich sein. – So sind wir! Und auch du bist so! Deshalb hat es keinen Sinn, Johnny, es anders zu versuchen. Mach dir nichts vor! – Komm, wir helfen dir, damit wir schneller an die Furt von Riobend kommen. Wir holen die Schaufeln aus dem Schuppen.«

»Ihr verschwindet!«, sagt Johnny heiser.

In seiner Stimme und in seinem Blick ist nun etwas, was sie warnt. Oh, sie wissen, wie gut und schnell er schießen kann. Doch sie sehen keinen Waffengurt mit dem Revolver im Holster um seine Hüften.

Sie nähern sich ihm, bis sie auf Reichweite vor ihm stehen.

»Hältst du dich plötzlich für zu gut, um mit uns zu reiten?«, fragt El Paso Tom mit einem hinterhältigen Ausdruck in den Augen. »Ich warne dich«, fügt er hinzu. »Es wird dir wie einem Wolf gehen, der ein Hund sein wollte. Aber er sah wie ein Wolf aus und roch auch so. Überall, wo er auch hinkam und sein Glück versuchte, wurde er schon bald als Wolf erkannt und gejagt. So wird es dir gehen, Johnny.«

»Vielleicht«, sagt er. »Aber ich will es versuchen. – Haut ab! Lasst mich in Frieden meine Mom und den Bruder begraben.«

Der Ernst in seinen grünen Augen beeindruckt sie nun doch.

Sie blicken sich an und kommen zu einem stillschweigenden Einverständnis.

Wie auf Kommando wenden sie sich ab und gehen zu den Pferden.

Erst als sie aufgesessen sind und fortreiten, rufen sie Flüche und Beleidigungen.

Johnny erwiderte nichts. Er lässt sie reiten und wundert sich, dass er ihre Worte hinnehmen kann, ohne wild zu werden und einen Kampf zu beginnen.

Aber wer weiß, wenn er seinen Waffengurt mit dem Colt getragen hätte, dann...

Die Waffe befindet sich bei Bills wenigen Dingen, die Fanny Ringold vom Sheriff übergeben bekommen hatte, im Wagenkasten unter dem Sitz.

Bis jetzt hatte er nicht daran gedacht, den Gurt wieder umzulegen. Doch nun tut er es. In diesem Land kann ein Bursche wie er nicht ohne Waffe sein.

Langsam geht er zum Schuppen hinüber, um sich eine Hacke und eine Schaufel zu holen.

Bevor er dann anfängt, zwei Gräber auszuheben, betrachtet er die letzten Ruhestätten seines Vaters und des Bruders.

Auf ihren Kreuzen hatte Fanny Ringold die Worte eingebrannt:

Gott sei seiner Seele gnädig.

»Mom, deiner Seele wird er bestimmt gnädig sein, ganz bestimmt!«, sagt Jonny überzeugt. Ja, er weiß plötzlich, dass es Mom im Himmel besser haben wird als auf der Erde.

Man schreibt das Jahr 1870, und in jenen Jahren kann ein Bursche wie Jonny Ringold, der über keinerlei Mittel verfügt und allein ist, eigentlich nur auf eine einzige Art nach Norden kommen.

Er muss sich als Treiber bei einem der Herdenbosse verpflichten, die jedes Jahr vom Frühling bis zum späten Herbst dabei sind, den texanischen Rindersegen auf dem Chisholm Trail nach Norden zu treiben, dort in blanke Dollars zu verwandeln und diese nach Texas heimzubringen.

Seit Jesse Chisholm den Texanern zeigte, dass man Longhorns zu den Eisenbahnstädten in Kansas treiben und dort gut verkaufen kann, sind jedes Jahr Hunderttausende von brüllenden Longhorn-Rindern unterwegs.

Für einen jungen Burschen wie Johnny Ringold, der aus Texas und überhaupt aus dem Süden herauskommen will, der mit Rindern und Pferden umgehen und auch kämpfen kann, ist ein Job als Herdentreiber die beste Möglichkeit.

Er muss nicht allein durch das gefährliche Indianer-Territorium. Er wird verpflegt, gehört einer Gemeinschaft an und verdient Geld, das am Ziel ausgezahlt wird, sodass er im Norden nicht völlig abgebrannt ankommt und sich verzweifelt nach einem Job umsehen muss.

Johnny Ringold hat Glück. Obwohl die Jahreszeit schon weit fortgeschritten ist, gelingt es ihm genau acht Tage nach dem Tode seiner Mutter, eine der letzten Treibherden zu erwischen, die aus dem östlichen Pecos-Land nach Norden ziehen.

Er wird der jüngste Reiter einer hartbeinigen Mannschaft, aber schon nach wenigen Tagen hat es sich herausgestellt, dass er längst nicht der schlechteste ist.

Er muss sich in diesen Tagen gegenüber einigen anderen Burschen behaupten, bis er seinen Platz in der ungeschriebenen Rangordnung innerhalb der rauen Mannschaft eingenommen hat.

Über dieses Rindertreiben durch das Indianer-Territorium nach Kansas soll hier nichts berichtet werden; denn es unterscheidet sich kaum von all den vielen anderen Treiben, die schon mehr oder weniger ausführlich geschildert wurden.

Dennoch ist dieser Trail nicht unwichtig für Johnny Ringolds weiteren Lebensweg.

Zum ersten Male in seinem Leben sieht er Büffelherden. Natürlich sah er schon Büffel, die sich weit nach Süden verirrt hatten, aber noch nie sah er sie zu Hunderttausenden in der Büffelprärie – so viele, dass sie wie ein Meer wirkten, das am Horizont endete.