G. F. Unger Sonder-Edition 237 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 237 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Am Red River entschließt sich Johnny Taggert, nicht auf seine Komplizin zu warten. Die Fünfzigtausend-Dollar-Beute will er mit keinem teilen.
Am Red River töten fünf US-Kavalleristen kaltblütig ihren Leutnant, weil er die Verfolgung des flüchtigen Raubmörders abbrechen will. Die Gier nach Geld macht sie zu Bestien.
Am Red River verfällt John McCloud den Reizen der schönen Sally Ladun. Sie verspricht ihm den Himmel auf Erden, wenn er Taggert die Beute für sie abjagt.
Am Red River fassen sieben Menschen einen folgenschweren Entschluss. Für die meisten von ihnen ist es ein Todesurteil...


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Seitenzahl: 182

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Red-River-Furt

Vorschau

Impressum

Red-River-Furt

Als sie die Furt am Red River erreichen, hebt der junge Lieutenant die Hand und lässt halten. Sie sind eine sogenannte »Halbe Patrouille«, also nur sechs Mann. Der Offizier späht über den Fluss und nagt an der Unterlippe. Dann murmelt er enttäuscht: »Verdammt, wir haben es nicht geschafft. Und weiter als bis zum Red River darf ich nicht reiten. Hier soll ich aufgeben und umkehren.« Er zieht sein Pferd herum und kann nun die fünf Reiter betrachten, die hinter ihm verhalten.

Er sieht fünf bärtige, lederzähe und kampferprobte Kriegsveteranen, die auch nach dem Krieg noch bei der reorganisierten Armee blieben, bleiben durften, weil sie sich dienstgradmäßig zurückstufen ließen.

Alle fünf waren sie schon Sergeanten.

Jetzt sind sie wieder einfache Reiter.

Aber selbst der berühmte General Custer wurde ja zum Oberstleutnant zurückgestuft. Da halfen ihm auch seine Siege während des Bürgerkriegs nichts.

Der junge Lieutenant sieht also die fünf Reiter an, und er weiß, dass ihm jeder von ihnen als Soldat überlegen ist. Gegen jeden von ihnen ist er nur ein dummer, unerfahrener Junge.

Aber er trägt den Ring von West Point.*

Und immer, wenn er sich seiner Unerfahrenheit bewusst wird, sieht er den Ring an.

Und sofort verspürt er wieder das Gefühl von Stolz und Selbstvertrauen.

Ja, er fühlt sich wieder als Auserwählter.

So auch in diesem Augenblick.

Jene abwartende Skepsis, die von den fünf Soldaten zu ihm herüberströmt, macht ihn nicht mehr unsicher. Er sagt sich: Sie stehen unter meinem Befehl, und was sie auch denken mögen, es ist mir verdammt egal.

»Kehrt Marsch, Männer«, sagt er entschlossen und will anreiten, um wieder die Spitze zu übernehmen.

Aber die fünf Reiter bewegen sich nicht.

Da wird er zornig. Schon allein deshalb, weil Zorn zugleich auch Mut macht.

»Habt ihr nicht verstanden?«, fährt er sie an. »Habt ihr Dreck in den Ohren? Kehrt Marsch, hab ich gesagt.«

Aber sie bewegen sich immer noch nicht.

Der Lieutenant spürt ein Gefühl der Unsicherheit. Nochmals blickt er auf seinen Ring nieder. Die Sonne steht schon ziemlich tief im Westen. Sie lässt den Ring funkeln und blinken. Der rote Stein sieht aus wie ein Blutstropfen.

Der Exsergeant Hank McLowry sagt nach einigen Atemzügen, die dem jungen Lieutenant wie Ewigkeiten vorkommen: »Wir kehren nicht um. Wir reiten durch diese Furt dort und bleiben auf der Fährte. Lieutenant, wenn Sie jetzt die Klappe halten und abhauen, dann bleiben Sie gesund. Verstanden?«

Lieutenant James Miller schluckt dreimal hart und würgend.

Dann begreift er, dass er an einem Scheidewege steht.

Wenn er einfach davonreitet, ist er als Offizier erledigt. Seine Karriere, die ja noch gar nicht richtig begann, wird dann beendet sein.

Und wenn er nicht davonreitet...

Er scheut sich einen Moment davor, weiter in dieser Richtung zu denken.

Denn die Konsequenzen kann er unschwer voraussehen. Dennoch entscheidet er sich für die zweite Möglichkeit. Denn er würde als Feigling und Versager nicht weiterleben wollen. Das hat man ihm auf West Point eingeimpft.

Und so ruft er, indes er nach dem Revolver greift: »Meuterei!«

Er bekommt den Colt noch heraus.

Dann aber schießen sie ihn aus dem Sattel. Er sieht in drei Mündungsfeuer. Doch sie hätten gewiss alle fünf auf ihn geschossen, wenn sie alle freies Schussfeld gehabt hätten.

Er fliegt aus dem Sattel, landet schwer auf dem weichen Boden und denkt: Mein Gott, ist das mein Ende?

Für eine Weile verliert er die Besinnung, und das Blut rinnt ihm aus drei Wunden.

Nein, er hat keine Chance mehr.

Die fünf Soldaten starren auf ihn nieder. Ihre Pferde tanzen nicht einmal. Es sind alte Kriegspferde, die längst an Gewehr- und Revolverfeuer gewöhnt sind.

Ernest Stonebreaker sagt bedauernd und verächtlich zugleich: »Dieser Junge, was glaubte der wohl, wo er war? Im Osten auf einem Exerzierplatz? Der hatte doch überhaupt nicht geschnallt, was in uns nach fünf Jahren Scheißkrieg und jetzt als Blaubäuche in Texas vorging. Verdammt, warum ist er nicht einfach heimgeritten zu seinem Colonel?«

Sie verharren noch einige Atemzüge lang.

Und eigentlich haben sie Mitleid mit dem Sterbenden. Denn sie hassen ihn nicht. Er war ihnen nur im Weg. Der Krieg hatte sie abgestumpft. Sie hatten zu oft töten müssen. Und wer am besten tötete, wer die meisten Feinde erschoss, erstach, erschlug, der wurde auch noch wegen Tapferkeit belohnt.

Jedes Gefühl für Schonung ging ihnen längst verloren.

Irgendwann in der Vergangenheit – und es scheint ihnen tausend Jahre zurückzuliegen – wurden sie geboren und mit Liebe aufgezogen. Sie erhielten außer der Mutterliebe vielleicht die Liebe von Schwestern – und sicherlich auch von Mädchen oder Frauen.

Aber das alles liegt weit zurück.

Hank McLowry reitet plötzlich an. Er reitet zur Furt hinunter.

Ihm folgen Ernest Stonebreaker, Bruce Lewis, Morg Calhoun und Jeff Stricker.

Sie sind nun Offiziersmörder und Deserteure.

Der Krieg hat sie nicht nur hart und gnadenlos gemacht, ihre Herzen und Seelen verdorben – nein, er hat in ihnen auch die Wünsche mächtig werden lassen, mal an die guten Dinge des Lebens heranzukommen und sie bis zur Neige auszukosten.

Und dazu gehört Geld.

Ihrer Meinung nach kann man sich für Geld alles Glück der Erde kaufen. Dies ist der Grund, warum sie nun durch die Furt des Red River nach Norden reiten, obwohl der Lieutenant umkehren wollte, weil ihm dies vom Colonel befohlen worden war.

Sie reiten also hinüber ins Oklahoma-Territorium, in ein Land, das den Indianern garantiert wurde und in dem die Indianervölker in eigener Verwaltung leben und eine eigene Indianerpolizei besitzen.

John McCloud hockt einen Steinwurf weit entfernt unterhalb der Furt unter einem Baum am Fluss und hat seine Angel ausgeworfen, als die Schüsse krachen.

Er sieht dann durch Baum- und Buschlücken die fünf uniformierten Reiter zur Furt kommen und durch den Fluss reiten.

Als sie drüben verschwunden sind, erhebt er sich, geht zu seinem Pferd, zieht den Sattelgurt stramm und sitzt auf.

Wenig später sitzt er bei dem sterbenden Lieutenant ab. Aber dem Sterbenden kann er nicht mehr helfen. Nicht einmal ein guter Chirurg in einem erstklassig ausgestatteten Lazarett könnte das.

Dennoch schlägt der Sterbende noch einmal die Augen auf. Sein Blick wird schnell klar. Er erkennt den Fremden.

»Deserteure?«, fragt John McCloud ernst auf den Lieutenant nieder.

Der versucht ein bitteres Grinsen, denn er will wie ein Mann sterben, nicht als weinender Junge, dem alles irgendwie über den Kopf gewachsen ist.

»Sie folgen der Fährte«, flüstert er.

»Wessen Fährte?«, fragt McCloud.

»Geldräuber... Hat einen Steuereintreiber der Regierung ausgeraubt. Regierungsgelder sind es. Versteigerungserlöse. Ich sollte hier umkehren... Befehl vom Colo-«

Weiter kommt Lieutenant James Miller nicht.

Von einem Atemzug zum anderen ist er tot.

Und John McCloud erhebt sich langsam. Er ist ein großer, indianerhafter, sehniger Bursche. Sein Äußeres wirkt etwas verwildert, denn er ist schon lange unterwegs und übernachtet im Freien.

Auch er ist ein Kriegsveteran, doch er kämpfte für den Süden, stand also auf der anderen Seite. Eigentlich ist er unterwegs nach Norden. Denn Texas und der ganze Süden sind so arm wie eine Kirchenmaus und werden immer ärmer.

Im Norden aber – oben in Montana – soll man Gold gefunden haben.

In Kansas werden die Büffelherden abgeschlachtet. Und man spricht vom Eisenbahnbau, der bald in Gang kommen soll.

Der Norden verspricht Chancen.

Hier im Süden wird erst ein Aufschwung kommen, wenn man für die vielen Rinder, die sich wie Kaninchen vermehrten, Absatzmärkte findet.

Nun steht dieser John McCloud also da und überlegt.

Da hat also ein Bandit einen Steuereintreiber der Besatzungsmacht überfallen und ausgeraubt und ist mit der Beute unterwegs nach Norden – irgendwohin.

Eine Armeepatrouille war hinter diesem Banditen her und sollte am Red River umkehren. Aber die Soldaten machten das nicht mit. Sie schossen den Lieutenant vom Pferd und sind weiter hinter dem Banditen her.

Auch sie wollen also die Beute.

John McCloud denkt: Das ist was für mich. Ja, das ist was für mich. Aber ich sollte diesen Jungen wohl erst mal unter die Erde bringen.

Es ist dann schon fast Abend, als auch er durch die Red-River-Furt reitet, die somit zum Ausgangspunkt einer Verfolgung wird und an der sozusagen alles beginnt.

Als er drüben ist, sinkt die Sonne, und er beschließt zu rasten, da er bei Dunkelheit die Fährte verlieren könnte, sollte sie nicht den vielen anderen Fährten folgen, die von der Furt als breiter Trail nach Norden führen.

Er hält also wieder an, und er wählt seinen Rastplatz so, dass er die Furt beobachten oder zumindest alle Geräusche hören kann, die von dort herüberschallen.

Er macht auch kein Feuer und hofft, dass die Nacht bald sternen- und mondhell wird.

Aber das ist nicht der Fall. Es vergehen Stunden. Es muss dann kurz vor Morgengrauen sein, als er einen Reiter durch die Furt kommen hört.

Am diesseitigen Ufer hält der Reiter an.

Und eine Stimme ruft: »Johnny! Johnny Taggert! Bist du hier?«

John McCloud staunt über diese Stimme. Denn es ist die Stimme einer Frau.

Heiliger Rauch, denkt er, was macht eine Frau in stockdunkler Nacht hier an der Red-River-Furt? Woher kommt sie? Und warum ruft sie nach einem Johnny Taggert?

Die Frau verhält nun in der Furt ihr Pferd. John McCloud kann sie undeutlich erkennen, obwohl er fast einen Steinwurf weit entfernt zwischen den Büschen und Bäumen des Ufers liegt.

Er hört sie nun leise fluchen.

Ja, sie flucht ganz undamenhaft wie ein Cowgirl und endet schließlich mit den Worten: »Es muss was passiert sein! Denn sonst hätte er hier auf mich gewartet. Jawohl, er hätte auf mich gewartet. Denn ich bin ihm gewiss wichtiger als...«

Sie verstummt und kommt ans Ufer geritten. Hier reitet sie die Böschung hinauf, um zwischen Bäumen und Büschen anhalten und absitzen zu können.

Sie nähert sich John McClouds Lagerplatz bis auf eine halbe Steinwurfweite.

John McCloud verhält sich immer noch still. Er steht nun bei seinem Pferd und hält dem Tier die Nase zu. Das andere Pferd – also das Tier der Frau – schnaubt mehrmals. Wahrscheinlich hat es McClouds Tier gewittert.

McCloud denkt darüber nach, wer wohl jener Johnny Taggert sein könnte, den die Frau hier zu treffen hoffte.

Es muss eine noch junge Frau sein. Ihre Stimme klingt energisch, etwas kehlig, aber dennoch melodisch.

Schon ihre Stimme allein lässt ihn vermuten, dass sie sehr reizvoll ist, ganz gewiss keine hässliche Schnepfe.

Was mag sie mit diesem Johnny Taggert zu tun haben?

Und warum hat dieser Johnny Taggert nicht hier auf sie gewartet?

Ihm fällt der sterbende Lieutenant wieder ein, den er am Ufer beerdigte. Sein Pferd nahmen die Deserteure mit.

Und diese Deserteure waren hinter einem Banditen her, der einen Steuereintreiber der Besatzungsmacht ausraubte.

Ob Johnny Taggert dieser Bandit ist?

John McCloud beginnt es zu ahnen.

Er sieht dann Feuerschein zwischen den Büschen. Die junge Frau hat offenbar ein Feuer angezündet. Trockenes Treibholz vom letzten Hochwasser liegt überall genügend zwischen den Büschen herum.

Wenn sie die ganze Nacht geritten ist, wird ihr Pferd Ruhe brauchen. Auch sie selbst wird sich wärmen wollen, denn die Nacht ist gegen Morgengrauen sehr kühl. Aus dem Fluss beginnen Nebel zu steigen, da das Wasser wärmer ist als die Luft. John McCloud zögert immer noch. Er hat das instinktive Gefühl, warten zu sollen. Doch seine Neugierde ist dann stärker.

Und so nimmt er sein Pferd und bewegt sich leise durch die Büsche und unter den Bäumen hinweg auf das Feuer zu.

Als er den Rand des Feuerscheins erreicht, hält er inne.

Nun kann er sie sehen. Sie kauert am Feuer und zerklopft Kaffeebohnen mit einem Revolverkolben auf einem Stein. Und weil sie auf diese Art einige Geräusche macht, bemerkt sie sein Kommen nicht.

Erst als er halblaut sagt: »Guten Abend, Lady«, hält sie inne. Sie richtet sich jäh auf und hält den Revolver schussbereit.

Er sagt: »Ich bin zwar nicht jener Johnny Taggert, Ma'am, aber vielleicht darf ich dennoch an Ihr Feuer kommen, ja?«

»Ja, kommen Sie, Mister«, erwidert sie. Ihre Stimme klingt spröde und sehr beherrscht.

Er nähert sich langsam, zieht das Pferd hinter sich her, lässt dann die Zügelenden hinter sich zu Boden fallen und hakt die Daumen hinter den Gürtel.

Sie zielt immer noch aus der Hüfte mit dem Colt auf ihn und betrachtet ihn im Feuerschein kritisch.

»Was wollen Sie?« Sie fragt es grob und abweisend.

Er hebt die Hände und zeigt ihr die Handflächen.

»Ach«, sagt er, »ich hatte einen Steinwurf weit von hier entfernt meinen Lagerplatz und hörte Sie rufen. Ihre Stimme gefiel mir. Deshalb wollte ich sehen, ob Sie so aussehen, wie ihre Stimme klingt.«

Er betrachtete sie dabei, und er sieht eine junge Frau, die ein ledernes Reitkostüm trägt. Eine Art Hosenrock erlaubt ihr, dass sie wie ein Mann im Sattel sitzen kann. Die Lederjacke reicht ihr bis über die Hüften, und sie hat den Hut an der Windschnur auf dem Rücken hängen.

Ihr schwarzes Haar glänzt im Feuerschein. Ihre Augen leuchten etwas grünlich, sind bei Tageslicht aber gewiss sehr blau.

»Und nun haben Sie mich gesehen«, spricht sie. »Was jetzt?«

»Vielleicht laden Sie mich zum Kaffee ein«, erwidert er. »Und dafür erzähle ich Ihnen etwas von einer Armeepatrouille, die gestern Nachmittag durch die Furt ritt, um einen Geldräuber zu fangen. Ist das ein Angebot?«

Er fragt es lächelnd.

Und immer noch zeigt er ihr seine Handflächen.

Sie aber fragt: »Armeepatrouille?«

»So ist es, Lady.«

Immer noch betrachtet sie ihn kritisch. Er hat längst erkannt, dass sie eine erfahrene Frau ist, die gelernt hatte, sich unter Männern zu behaupten und sich deshalb auf die verschiedensten Typen versteht. Ihr kann gewiss so leicht kein Mann mehr etwas vormachen, weil sie längst alle Lektionen lernte und ihr nichts mehr fremd ist auf dieser Erde.

Sie gefällt ihm dennoch, denn er hat Frauen, die das Leben kennen, stets lieber gehabt als Mädchen, die noch an die Erfüllung romantischer Träume glauben und erst noch einige Male auf die hübsche Nase fallen müssen, bis sie normal werden.

»Nehmen Sie endlich Ihre Hände herunter«, sagt sie ruhig und steckt den Revolver weg. »Schaffen Sie lieber noch etwas Holz heran. Ich möchte die Kanne in die Glut stellen können.«

Er nimmt seinem Pferd erst den Sattel und das wenige Gepäck ab, und lässt alles zu Boden gleiten. Dann macht er sich ans Holzsammeln.

Manchmal hält er inne und lauscht in die Runde.

Er vermag noch nicht so recht zu glauben, dass diese Frau, deren Namen er nicht kennt, allein zur Red-River-Furt kam.

Aber sie war über die Armeepatrouille sehr erschrocken.

Also muss jener Johnny Taggert der Bandit sein, der den Steuereintreiber beraubte.

Als der Morgen graut, sitzen sie sich am Feuer gegenüber, trinken den starken Kaffee und essen Pfannkuchen mit Speck, von denen sie ein halbes Dutzend briet.

»Und was ist mit der Patrouille?«, fragt sie endlich. »Warum ist sie nicht umgekehrt? Armeepatrouillen dürfen nicht ins Indianerterritorium. Und der Red River ist die Grenze.«

Er nickt.

»Es ist wohl keine richtige Armeepatrouille mehr«, spricht er schließlich langsam. »Denn die Soldaten haben den jungen Lieutenant erschossen, weil er umkehren wollte und sie nicht. Die sind verrückt danach, dem Banditen die Beute abzujagen. Ich fand den sterbenden Lieutenant. Er lebte noch lange genug, um mir das alles sagen zu können. Dieser Bandit, der den Steuereintreiber ausraubte, heißt also Johnny Taggert, ja? Ist er Ihr Mann, Ihr Freund, Ihr Partner, Lady?«

Sie kauert auf der anderen Seite des Feuers. Im Schein der Flammen leuchten ihre Augen wieder grünlich und wirken sehr katzenhaft.

Er denkt: Ja, sie ist eine zweibeinige, schwarze Pantherkatze. Vorsicht, mein Junge, Vorsicht!

»Und warum sind Sie nicht hinter dem Banditen und seiner Beute her?«

Ihre Stimme klingt sarkastisch und verächtlich zugleich, und auf seine Frage gab sie keine Antwort.

Er grinst. »Sobald es Tag ist«, erwidert er, »sobald es Tag ist. Und was werden Sie dann machen?«

Sie will etwas erwidern.

Doch da hören sie Reiter durch die Furt kommen. Ja, abermals patschen Pferde durch die Red-River-Furt, schnauben und prusten.

John McCloud kann im Gesicht und in den Augen der Frau den Ausdruck von Sorge und Furcht erkennen. Aber nur eine winzige Sekunde lang. Dann hat sie sich wieder unter Kontrolle.

Doch sie erhebt sich und weicht ein Stück vom Feuer zurück. Dabei rückt sie den Colt mit dem Holster zurecht.

Auch John McCloud erhebt sich und geht rückwärts bis zu den angebundenen Pferden. Dort verhält er bei seinem Tier dicht neben dem aus dem Sattelschuh ragenden Gewehrkolben.

Die Reiter kommen nun vom Fluss heraufgeritten. Es sind zwei. Als man sie im Feuerschein besser erkennen kann, sieht man, dass sie ihre Waffen schussbereit halten, einer die Schrotflinte, der andere den Colt.

Und beide tragen sie an ihren Jacken die silbernen Abzeichen von US-Deputy-Marshals.

Als sie anhalten, bleibt es eine Weile still.

Der Marshal mit der Schrotflinte bedroht John McCloud, der mit dem Colt hat sich der Frau zugewandt.

Und dieser ist es, der trocken sagt: »Hallo, Sally Ladun! Oder haben Sie sich nur in Wichita Falls so genannt?«

»Wer sagt denn, dass ich in Wichita Falls war, Mister?« Sie fragt es spöttisch und verächtlich zugleich.

Der Mann lacht.

Dann sagt er: »Wenn Ihr Pferd eines der beiden Brandzeichen des Mietstalls trägt, dann passt alles zusammen, Sally Ladun – oder wie Sie sonst auch heißen mögen.«

Er wendet sich an McCloud: »He, dann sind Sie also Johnny Taggert und haben hier auf die Schöne gewartet?«

John McCloud zeigt seine Beunruhigung nicht, dabei weiß er, dass es Verdruss für ihn gibt.

Denn wenn die beiden US-Deputies diesen Johnny Taggert nicht kannten, dann kann es leicht sein, dass sie ihn, McCloud, für den Räuber halten und nicht bereit sind, sich etwas anderes erzählen zu lassen.

»Nein«, erwidert er, »mein Name ist nicht Johnny Taggert. Ich bin John McCloud, und ich war seit mehr als fünf Jahren nicht mehr in Wichita Falls. Diese Lady kam allein hierher. Und ich habe hier auch nicht auf sie gewartet. Wir haben uns diese Nacht zum ersten Mal im Leben gesehen.«

Da grinsen sie beide. Jener, der mit der doppelläufigen Schrotflinte auf McCloud zielt, fragt nun hart: »Wo ist die Beute? Wo ist das Geld? Vielleicht lassen wir euch laufen, wenn ihr die Beute herausgebt. Los, her damit!«

McCloud seufzt bitter und schüttelt den Kopf.

»Durchsucht doch alles«, sagt er dann ruhig.

Sie sitzen nun nacheinander ab, und sie tun es so, dass sie dabei mit den Waffen weiter auf ihre vermeintlichen Gefangenen zielen.

Und noch duldet McCloud das alles, hofft, dass er sie überzeugen kann.

Er möchte mit zwei US-Hilfsmarshals wirklich keinen Ärger oder gar Streit. Nein, das möchte er auf gar keinen Fall.

Und dennoch wird ihm klar, dass er mächtig in der Klemme sitzt.

Der Mann mit der Schrotflinte tritt näher zu ihm und stößt ihm den abgesägten Lauf über der Gürtelschnalle gegen den Magen.

»Pass auf, Taggert«, knirscht er dann. »Ich will dir genau erklären, warum wir Bescheid wissen und irgendwelche Lügen keinen Sinn mehr haben. Du und diese Schöne, ihr hieltet euch schon eine Weile in Wichita Falls auf. Im Hotel hattet ihr euch als Johnny Taggert und Sally Ladun eingetragen. Beide spieltet ihr in der großen Spielhalle. Und dann machte sich Sally an den Steuereintreiber der Regierung heran. Als der zwei Tage später mit seiner Mannschaft und dem Geldwagen aufbrach, um die Einnahmen nach Fort Worth zu bringen, da wusstet ihr genau, welchen Weg der Wagen nehmen würde und wo am Leib der Steuereintreiber den Schlüssel für diesen fahrbaren Tresor bei sich trug. Taggert überfiel dann den Geldtransport, warf ein paar Sprengstoffstangen mit kurzen Lunten in die Schlucht und erreichte, dass die ganze Mannschaft die Flucht ergriff und nur der Steuereintreiber zurückblieb. Den erschoss er dicht beim Wagen. Dann kletterte er an einem Seil in die Schlucht hinunter, holte sich den verborgenen Schlüssel, öffnete den fahrenden Tresor, stopfte das Geld in einen Sack und kletterte wieder aus der Schlucht zu seinem Pferd auf das Plateau hinauf. Die Lady aber war indes auf einem Mietstallpferd ebenfalls aus Wichita Falls verschwunden. Aber wir nahmen die Fährte auf, denn dieser Mietstall schlägt seinen Pferden besondere Eisen an die Hufe. Wir konnten uns ausrechnen, dass sie uns todsicher zu euch führen würden. Na, habe ich das alles richtig zusammengefasst?«

»Mag sein«, erwidert John McCloud, »nur habe ich nichts damit zu tun. Denn ich war seit fünf Jahren nicht mehr in Wichita Falls, und ich heiße auch nicht Taggert.«

Es herrscht dann einige Sekunden lang Schweigen.

Schließlich sagt jener Deputy, der Sally Ladun mit dem Colt bedroht, mit böser und ungeduldiger Härte: »Leg ihn um, Cole! Zähl bis fünf, und wenn er dann nicht aufgibt, dann leg ihn um. Schieß ihn in zwei Hälften!«

»Du hast es gehört, Taggert«, sagt der Deputy und drückt McCloud die Doppelmündung noch härter gegen den Magen. »Ich zähle jetzt – eins...«

»Schon gut«, unterbricht ihn John McCloud und seufzt dabei bitter, so wie es ein Mann tut, der aufgibt. »Schon gut, ich hole den Sack. Er liegt da drüben im Busch.«

Er bewegt sich und wendet sich um, geht zu einem Busch hinüber und kniet vor diesem nieder, beugt sich weit hinein, so als wolle er mit den Armen etwas herausholen. Die Buschzweige verbergen schon eine Menge von ihm.

Der Deputy zielt weiter mit der Schrotflinte auf ihn, wartet ungeduldig. Er sieht nur McClouds Rücken.

Doch als McCloud sich umwendet, da hofft der Mann, nun den Geldsack zu sehen.

Doch er blickt in das Mündungsfeuer von McClouds Colt. Schon die erste Kugel trifft ihn voll, stößt ihn halb herum. Die Schrotflinte kracht gewaltig im Morgengrauen, doch die aufsteigenden Nebel schlucken jeden Schall.

John McCloud schießt weiter. Obwohl von einigen Schrotkugeln in die Seite getroffen, kann er nicht aufhören. Er muss weitermachen.

Jener zweite Deputy, der Sally bedrohte, ist inzwischen herumgefahren und schießt auf McCloud. Doch er trifft ihn nicht. Das ist McClouds Chance. Er schießt zurück und trifft besser.

Dann ist es still.

Im Nebel beißt der Pulverdampf schärfer in die Augen und Nasen als sonst.

Sally Ladun bewegt sich nach einer Weile.

Sie tritt langsam auf John McCloud zu, der noch mit schussbereitem Colt darauf wartet, ob die beiden Deputies noch weitermachen wollen.

Doch sie stöhnen nur und sind nicht mehr kampffähig.