G. F. Unger Sonder-Edition 240 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 240 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Er lebt in der Wildnis der Berge, wohin er sich zurückzog, weil er nicht mehr töten wollte.
Sie ist zu Hause in der glitzernden Weit der Spielsäle und Amüsierhallen.
Aber als sie einander begegnen, ist es um beide geschehen. Dennoch scheint es für ihre Liebe keine Chance zu geben. Jake McGill, der Fallensteller und Pelztierjäger, will zurück in sein paradiesisches Tal, und Sue Vanmile, die rassige Abenteuerin, kann ihren Traum vom Reichtum und ihre Rachepläne nicht vergessen. Was muss geschehen, damit es für sie doch noch eine gemeinsame Zukunft gibt?


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Seitenzahl: 189

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Mann aus den Bitter Roots

Vorschau

Impressum

Mann aus den Bitter Roots

Schon in Lewiston ist ihm klar geworden, wie sehr sich die Welt in den letzten Jahren verändert hat, und als er dann in The Dallas das Dampfboot verlässt, um auf das Boot nach Portland umzusteigen, da sieht er, dass The Dallas regelrecht aus den Nähten platzt und eine wilde Stadt am Fluss geworden ist.

Die Nachricht von den Goldfunden in Montana hat die halbe Welt verrückt gemacht, und nun strömen sie herbei, die auf das große Glück hoffen, die Abenteurer und Glücksritter, die Armen und Notleidenden, die Reinen und die Bösen. Von Portland aus, dessen Flusshafen selbst noch die größten Seeschiffe anlaufen könnten, geht es hinauf nach Norden zu den Goldfundgebieten.

Jake McGill, der Mann aus den Bitter Roots, ist in entgegengesetzter Richtung unterwegs. Zwei Jahre Einsamkeit in den Bergen waren fast zu viel für ihn. Nun will er sich mal richtig austoben. Und wo könnte man das besser als in einem Hafen für Fluss- und Seeschiffe?

Damals vor zwei Jahren, als er das letzte Mal hier unten war, war Portland nur ein kleines Dorf zwischen Kiefernhügeln am großen Strom. Jetzt ist es ein pulsierender Hafen mit vielen Schiffen und Menschen aller Sorten und Rassen.

Und das hat er sehen wollen nach dieser langen Zeit der Einsamkeit in den Bitter-Roots-Bergen.

Die Lichter der Hafenstadt leuchten ihnen entgegen, und als sie an der Landebrücke festmachen, können er und die wenigen anderen Passagiere kaum über die Gangway an Land, denn dort drängen sich schon die Passagiere für die Fahrt stromauf. Selbst der allerletzte Decksplatz ist verkauft.

Jake McGill macht sich auf den Weg wie ein hungriger Wolf. Er hat vor, binnen einer einzigen Woche Tag und Nacht und Nacht und Tag nachzuholen, was er zwei Jahre lang entbehrte — Mädchen, Feuerwasser, Kartenspiel, all die vielen Sünden, die ein Mann begehen möchte, der eine Unendlichkeit lang nur Selbstgespräche führen konnte. Und er beginnt bald darauf in Dasy Dunnbays Paradiesvogelhaus.

Denn auch dort nimmt man Gold wie blanke Dollars in Zahlung. Und Gold hat Jake McGill genug mitgebracht, obwohl er kein Goldsucher ist, sondern ein Jäger. Doch es ist für einen Mann wie ihn nicht schwer, in all den Creeks der Bitter Roots ein wenig Gold aus dem Kies und Sand zu waschen. Gar nicht schwer.

Jake McGill bleibt die ganze Nacht, den ganzen Tag und dann auch noch die zweite Nacht in Dasy Dunnbays Paradiesvogel Haus, und die Schönen darin sind zuletzt voller Bewunderung für ihn, den sie nur »den Indianer aus den Bitter Roots« nennen. Denn sein Nachholbedarf ist gewaltig.

Am zweiten Tag — es ist bereits Nachmittag, und er sitzt mit drei der Schönen im noblen Saloon und amüsiert sich köstlich mit ihnen –‍, da bekommt er Streit mit den beiden Maaten der FRISCO STAR. Die beiden sind Brüder, und sie sind von der allerhärtesten Sorte, die es unter den Seeleuten gibt. Denn sie sind Walfänger und als Maate zugleich auch Harpuniere. Solch ein Harpunier kommandiert ein Fangboot, lässt sich damit nahe genug an einen Wal heranfahren, um die Harpune schleudern zu können. Sie sind es auch, die den müde gewordenen Wal dann mit langen Lanzen töten, sodass ihm das Blut nur so aus den Wunden schießt.

Denn ein Wal ist das größte Säugetier der Erde.

Nun, die beiden Maate der FRISCO STAR sind also besonders harte Burschen. Dass sie Jake McGill dennoch, nicht kleinmachen können, liegt nicht nur daran, dass sie ein wenig betrunkener und aus diesem Grund auch etwas langsamer mit ihren Reflexen sind als er — nein, es liegt vor allem daran, dass der Mann aus den Bitter Roots noch härter und zäher ist als sie.

Als sie dann auf dem teuren Teppich liegen und nicht mehr können und Jake McGill schwankend verschnauft, da klatscht die dicke Dasy Dunnbay in die Hände und ruft mit ihrer sonoren Stimme: »Na los, meine Engelchen, kümmert euch um die beiden Gentlemen von der FRISCO STAR. Seht doch, ihr Blut besudelt den Teppich.«

Sie tritt nach diesen Worten näher an den noch keuchenden Jake McGill heran, ganz und gar die beherrschende Lady mimend, obwohl sie gewiss keine Lady ist.

Sie sagt mit knirschender Freundlichkeit: »Mein lieber Freund, ich bewundere zwar Ihre Leistung. Diese ist außergewöhnlich, denn noch niemals konnte jemand die beiden McIntires schlagen — noch niemals hier in Portland. Das sind Barton und Jubal McIntires, die Brüder von Kapitän Morgan McIntire, dem Eigner der FRISCO STAR. Wenn die aufwachen, dann holen sie die ganze Mannschaft dieses Walfängers zusammen und durchkämmen Portland nach Ihnen, mein Freund. Also gehen Sie. Und gehen Sie schnell, verdammt schnell. Das sage ich Ihnen als mütterliche Freundin. Überdies hatten Sie ja jetzt wohl Spaß genug mit meinen Engelchen.«

»Doch, den hatte ich wirklich«, schnauft er und grinst sie ein wenig trunken an. »Wenn es sein muss«, spricht er, »dann mache ich auch noch die ganze Mannschaft der FRISCO STAR klein.«

»Aber nicht hier in meinem Haus«, entscheidet Dasy Dunnbay. »Bitte gehen Sie.«

»Und die FRISCO STAR mache ich auch klein«, spricht er mit dem Eigensinn eines Betrunkenen.

»Sicher, sicher, mein Freund.« Dasy Dunnbay lächelt. »Doch jetzt erfüllen Sie den Wunsch einer Lady, ja?«

Er nickt sofort. »Aber gewiss, Lady, gewiss. Ich erfülle stets die Wünsche von Ladys«, sagte er und lacht schallend, wobei er schwankt.

Und lachend und schwankend geht er zur Garderobe, lässt sich seine wenigen Sachen, also Hut, Waffengurt mit Colt und Jacke geben und verlässt das Etablissement der dicken Dasy Dunnbay.

Er saugt die frische Luft des Willamette ein, denn Portland liegt ja einige Meilen südlich der Vereinigung dieses Flusses mit dem Columbia.

Und obwohl der Pazifik gewiss mehr als sechzig Meilen entfernt ist, ist er in der Luft ein wenig zu riechen für einen Mann wie Jake McGill. Er fragt sich, wie es nun weitergehen soll hier in Portland.

Und da fällt sein Blick auf »Hutchinsons Spielhalle«.

Warum nicht, denkt er, überquert die Fahrbahn und geht hinein.

Obwohl es erst Nachmittag ist, herrscht überall in den Spielräumen schon reger Betrieb. Es ist, als wollten viele Leute ihr Glück schon hier ausprobieren und nicht erst auf den Goldfeldern in der Last Chance Gulch, am Salmon River und in den Bitter Roots.

Jake McGill wandert ein wenig umher, und obwohl er doch aus einem Haus mit mehr als einem Dutzend reizvoller Mädchen kommt, von denen jedes ein Edelflittchen ist, und er wahrhaftig für sein Gold verwöhnt wurde und jede Menge Spaß bekam, fällt ihm die Kartenausteilerin am Black-Jack-Tisch auf, deren Haar so gelb ist wie reifer Weizen und deren Augen so schwarz sind wie schwarze Kirschen.

Er beobachtet sie eine Weile, und es gefällt ihm, wie sie die Karten mischt und dann austeilt, wie sie sich selbst Karten gibt, diese betrachtet und dann mit kehliger Stimme die Augenzahl nennt, an die sie zahlt.

Einige Male richtet sie ihren Blick auf ihn, so als spürte sie genau, dass sie ihn interessiert und er nur in der Nähe ihres Tisches verhält, um sie anzusehen.

Er tritt dann heran, setzt zehn Dollar und lässt sich Kartengeben.

Außer ihm sind noch ein halbes Dutzend andere Spieler am Tisch.

Er bekommt zwei Zehnen.

Dann blickt sie in ihre Karten und sagt: »Ich zahle an zwanzig oder einundzwanzig.«

Es zeigt sich, dass niemand einundzwanzig Augen hat und er der einzige Spieler ist, der zwanzig hat.

Als er seine Karte aufdeckt, schiebt sie ihm den doppelten Einsatz hin, und er denkt: Vielleicht hab ich Glück bei ihr und brauche kein Gold gegen Geld zu tauschen. Vielleicht genügen die paar Dollars, die mir Dasy Dunnbay herausgab auf mein Gold an der Kasse, ha.

Er setzt die zwanzig Dollar und erhält eine Zehn und ein Ass.

Dann hört er die schöne Kartenausteilerin sagen: »Ich zahle an einundzwanzig.«

Und wieder hat er als einziger Spieler am Tisch gewonnen.

Er sieht in die schwarzen Augen der Frau hinein und glaubt darin eine Aufforderung zu erkennen, ja, eine Aufforderung.

Zu was? Soll er weiter sein Glück versuchen? Soll er aussetzen?

Sein Instinkt sagt ihm, dass er aussetzen soll. Und so wartet er einige Spiele ab, sieht interessiert zu, wie sie stets gewinnt und nur einmal einem Spieler den Einsatz verdoppelt.

Dann blickt sie ihn wieder an. Und abermals gehorcht er seinem Instinkt, ist sicher, dass er das, was von ihr ausgeht, richtig deutet.

Er setzt die vierzig Dollar, bekommt eine Zehn, einen König und zwei Damen.

Dann hört er sie sagen: »Ich zahle an zwanzig oder einundzwanzig.«

Und abermals bekommt nur er den doppelten Einsatz.

»Sie haben Glück, Lederstrumpf«, spricht sie zu ihm, indes sie ihm das Geld zuschiebt. »Sie sind doch einer dieser Bergläufer der Hirschleder-Brigade — oder?«

»Sicher«, nickt er. »Das kann man mir leicht ansehen, nicht wahr?«

»Hat Ihnen Ihre Squaw den schönen Lederanzug gefertigt?« So fragt, sie weiter, indes sie schon wieder die Karten mischt und ihre schwarzen Augen ihn betrachten, als würden sie allein am Tisch sein und nicht noch ein halbes Dutzend anderer Spieler.

»Vielleicht«, grinst er und wendet sich ab, verlässt den Tisch, obwohl er instinkthaft spürt, dass er noch mehr Glück haben würde.

Doch er verspürt auch eine gewisse Unruhe. Die Schöne dort am Spieltisch hat ihn sofort als einen Jäger und Bergläufer erkannt. Hat sie ihn deshalb gewinnen lassen? Ja, er ist davon überzeugt, dass sie ihn gewinnen ließ. Und warum ihre Frage nach einer Squaw? Wollte sie sich über ihn nur lustig machen — oder steckte etwas anderes dahinter?

Er wandert weiter durch die Spielräume.

Beim Roulette und Faro verliert er einige Dollars.

Doch die Schöne vom Black-Jack-Tisch geht ihm nicht aus dem Sinn. Es ging etwas von ihr aus, was er deutlich spürte. Es war, als hätte sie auf ihn gewartet.

Aber sie ist eine Fremde.

Und er bildet sich gewiss nicht ein, dass eine Fremde auf ihn gewartet oder sich vom ersten Moment an in ihn verliebt hat.

Nein!

Als er auf seinem Rundgang nach etwa einer Stunde wieder an jenem Black-Jack-Tisch ankommt, ist sie dort nicht mehr tätig. Sie wurde abgelöst von einem Kartenausteiler, an dessen linkem Kleinfinger ein Brillantring im Lampenlicht blinkt. Denn längst wurden die Lampen angezündet.

Er riskiert nichts mehr, sondern geht ins Restaurant hinüber, das man von der Bar der Spielhalle durch einen Durchgang erreichen kann, ohne auf die Straße zu müssen.

Hier sieht er sie allein an einem kleinen Tisch sitzen und mit Behagen ein Steak mit Gemüse essen. Sie sieht ihn eintreten und nickt ihm zu.

»Kommen Sie, Lederstrumpf«, sagt sie. »Bei mir ist noch Platz am Tisch. Haben Sie Ihren Gewinn schon wieder verspielt? Wissen Sie, unter dem Strich gewinnt stets die Spielhalle.«

»Sicher«, sagt er und setzt sich.

»Ich hoffte, dass Sie bald kommen würden.« Sie lächelt. »Sie sahen mir vorhin schon so hungrig aus. Die Steaks sind gut. Und das Gemüse ist frisch. Wo kommen Sie her, Lederstrumpf?«

»Aaah, nennen Sie mich Jake, Jake McGill«, erwidert er. »Und ich bin neugierig, was Sie wohl von mir wollen. Denn Sie wollen doch etwas — oder? In meine Schönheit haben Sie sich gewiss nicht verliebt. Also?«

Sie sieht ihn fest an. Es ist wie ein letztes Prüfen. Er wird sich darüber klar, dass sie sich auf Männer versteht und ihr auf dieser Erde nichts mehr fremd ist.

»Ja, ich will etwas von Ihnen«, sagt sie.

Er wird sich bewusst, dass er noch nicht einmal ihren Namen kennt.

Und dennoch ist zwischen ihnen eine Vertrautheit, so als würden sie sich schon lange kennen und wüssten eine Menge über einander.

Aber das liegt wohl daran, dass sie zur gleichen Sorte gehören, zu jener Sorte nämlich, die viel wagt und oft auf einsamen Wegen wandert. Sie sind Abenteurer. Und wenn er ein einsamer Wolf ist, dann ist sie eine allein jagende Pumakatze.

Also sind sie Jäger.

Und das verschafft ihnen ein Gefühl von gegenseitiger Vertrautheit.

»Ich bin Sue Vanmile«, sagt sie und lächelt. »Und ich habe sofort erkannt, dass Sie ein Mann aus den Bergen sind, der sich auskennt dort jenseits der Bitter Roots. Sie kamen den Fluss nach Portland herunter, um die lange Einsamkeit zu vergessen, in der Sie leben. Und geprügelt haben Sie sich auch schon, das kann man an einigen Zeichen erkennen, die Ihre Gegner an Ihnen hinterließen. Sie haben sich also prächtig amüsiert, ja? Gewiss waren Sie auch in einem noblen Etablissement und ließen sich von den Schönen verwöhnen. Inzwischen fanden Sie heraus, dass sich dies alles im Grunde nicht gelohnt hat. Und so werden Sie bald wieder zurück in die Berge gehen.«

»So ist es, Sue Vanmile.« Er nickt. »Ja, genau so ist es. Hier ist es längst nicht so herrlich, wie ich es mir in den Bergen vorgestellt habe. Ließen Sie mich absichtlich beim Black Jack gewinnen?«

»Und wenn es so wäre, dass ich die Karten zu Ihren Gunsten mischte und austeilte?«

Sie fragt es mit einem Anklang von Lachen in der Kehle.

»Was wollen Sie von mir, Sue Vanmile?« Seine Frage klingt nun härter als zuvor.

Noch mal prüft sie ihn kritisch.

Dann sagt sie: »Nehmen Sie mich mit. Bringen Sie mich durch oder über die Bitter Roots zu den Goldfundgebieten in der Last Chance Gulch, am besten nach Last Chance City. Ich möchte nicht mit dem großen Schwarm ziehen, mich in der langen Reihe inmitten der anderen drängen. Sie kennen gewiss andere Pfade als die üblichen, auf denen Hunderte ziehen und sich gegenseitig behindern — und sei es auch nur bei der Holzsuche an den Wasserstellen oder bei den engen Passagen und Flussübergängen. Ich will nicht mit der goldgierigen Herde ziehen. Bringen Sie mich über die Bitter Roots nach Last Chance City.«

Er staunt.

Aber zugleich begreift er auch, wie klug und erfahren sie ist. Ja, mit ihm als kundigem Führer durch die Berge wäre der raue und beschwerliche Weg gewiss angenehmer zu bewältigen.

Er wird nun ein wenig abgelenkt, weil die Bedienung an den Tisch tritt, um seine Bestellung entgegenzunehmen.

Aber dann fragt er geradezu: »Und wenn ich unterwegs zudringlich würde, wenn ich Ihre Abhängigkeit ausnutzen würde? Vergessen Sie nicht, in den Bergen sind Sie ganz und gar auf mich angewiesen. Ich könnte Sie zwingen, mit mir unter einer Decke zu liegen, weil das meine Vorstellung von der Bezahlung ist, die ich von Ihnen verlange!«

Da lächelt sie ihn an.

»Nein«, spricht sie, »zu dieser miesen Sorte gehören Sie nicht. Da kenne ich mich aus. Auf diese Weise eine Frau zu haben, das ließe Ihre Selbstachtung nicht zu. Denn Sie sind ein sehr stolzer Bursche. Das fiel mir zuerst an Ihnen auf, denn Sie strömen das aus. Vielleicht sind Sie eine ständige Herausforderung für andere Männer und zogen sich deshalb in die Berge zurück. Vielleicht waren Sie es leid, immer wieder kämpfen zu müssen.«

Er senkt den Kopf, und er begreift in diesem Moment, wie recht sie hat.

Ja, als er noch jünger war, ging er keinem Streit aus dem Weg und blieb stets Sieger. Dies brachte ihm einen bitteren Ruhm ein, auf den er gerne verzichtet hätte und gar nicht mehr stolz war, nachdem er eine gewisse menschliche Reife erlangt hatte.

Sein Ruhm wurde mehr und mehr zu einer Herausforderung für ruhmsüchtige Burschen. Denn durch einen Sieg über ihn wollten sie noch berühmter oder berüchtigter werden.

Eines Tages ritt er in die Berge und zog sich in die Einsamkeit zurück. Auch hier in der Wildnis musste er dann und wann kämpfen — doch auf andere Weise.

Er sieht Sue Vanmile wieder an.

»Sie beurteilen mich ziemlich richtig«, sagt er. »Aber ich lehne ab. Nein, ich möchte Sie nicht nach Last Chance City bringen. Mein Weg führt nicht dorthin. Suchen Sie sich einen anderen Mann. Sue Vanmile, Sie sind nicht nur schön, sondern auch sehr reizvoll und begehrenswert. Dies trifft nicht für jede schöne Frau zu. Denn manche Schönheit ist kalt — oder zu edel und zerbrechlich. Es wäre sicherlich sehr aufregend für mich, mit Ihnen eine Zeit lang zusammen sein zu können. Aber...«

Er verstummt und zuckt mit den Achseln.

Sie betrachtet ihn fest. Dann nickt sie und murmelt: »All right, schon gut. Ich will Sie nicht bedrängen. Also werde ich mit der großen Herde ziehen müssen und mich mit all den Burschen herumärgern, die sich mir anbieten oder für unwiderstehlich halten. Und für jeden Gefallen, den diese Kerle mir erweisen, beanspruchen sie etwas von mir. Schon gut, Jake McGill, ich komme irgendwie stets zurecht.«

Sie schweigen eine Weile. Jake bekommt nun auch sein Essen und macht sich daran, es zu vertilgen.

Sue Vanmile beobachtet ihn dabei, und es ist ein Bedauern in ihrem Blick. Doch sie verbirgt den Blick zumeist unter ihren dunklen Wimpern, die mit den Augenbrauen zu ihrem weizengelben Haar einen starken Kontrast bilden.

Als sie sich erhebt, murmelt sie: »Meine Pause ist nun beendet. Ich muss für eine lange Nacht an meinen Spieltisch zurück. Viel Glück, Lederstrumpf.«

Er sieht ihr mit einem Bedauern nach, das in seinem Blick deutlich zu erkennen ist. Schon allein ihren Gang empfindet er aufregend.

Und vielleicht wäre aus ihnen unterwegs doch etwas geworden und er hätte sie in den Camps unter freiem Himmel in seinen Armen halten können.

Dennoch sagt ihm sein Verstand, dass es für ihn besser war, abzulehnen.

Er denkt wieder an die beiden Steuerleute, die er kleingemacht hat in Dasy Dunnbays Etablissement. Jubal und Barton McIntire heißen sie, und sie gehören zu einem Walfänger, der hier im Hafen vor Portland vor Anker liegt. Dasy Dunnbay hat ihn vor den beiden harten Burschen gewarnt.

Ob sie sich wirklich Verstärkung holen und in Portland nach ihm suchen werden? Wenn das so sein sollte, dann wäre es besser, er würde sich gleich wieder auf den Weg in die Berge machen.

Viel Spaß verspricht er sich hier in der Stadt ohnehin nicht mehr. Es hat sich nicht gelohnt, herzukommen, obwohl Dasy Dunnbays Etablissement das nobelste ist, das er sich vorstellen kann.

Er beendet seine Abendmahlzeit und erhebt sich.

Sein Entschluss steht fest. Er wird noch einige Einkäufe machen. Vor allen Dingen wird er sich ein neues Gewehr kaufen, vielleicht sogar zwei, nämlich einen Spencer Karabiner und eine Sharps, mit der er einen Grizzly mit einem einzigen Schuss erledigen kann und deren Reichweite unwahrscheinlich ist.

Mit seinen Einkäufen wird er dann das Dampfboot nach The Dallas nehmen, dort jenseits der Kaskaden umsteigen auf das Dampfboot nach Lewiston. Und in Lewiston ließ er seine Pferde. Denn von da ab muss man reiten.

Er verspürt eine leichte Enttäuschung. Denn er weiß, nach zwei Jahren Einsamkeit in den Bergen wird er sich wieder danach sehnen, unter Menschen zu kommen.

Er wird sich wieder nach Frauen, nach Kartenspiel und vielen Drinks sehnen. Er wird sich wieder fast blindwütig ins Vergnügen stürzen und am Schluss feststellen, dass sich der ganze Aufwand nicht gelohnt hat. Und so könnte sich alles wiederholen.

Es ist etwa zwei Stunden vor Mitternacht, als er hochbepackt mit seinen Einkäufen zum Hafen hinuntergeht. Obwohl dieser Hafen landeinwärts liegt, ist er jetzt schon einer der größten Häfen der Vereinigten Staaten, und er wird jedes Jahr wichtiger, da man den Holzreichtum von Oregon erst jetzt so richtig auszubeuten und in die ganze Welt zu verkaufen beginnt.

Er ist ziemlich wachsam, als er durch eine der Gassen zum Hafen geht, denn er weiß zu gut, dass hier viele Straßenräuber auf Betrunkene lauern. Und ein mit Paketen beladener Mann, der die Hände nicht frei hat, könnte ihnen als leichte Beute vorkommen.

Er verspürt auch plötzlich ein ungutes Gefühl, als er sich zwischen zwei hohen Holzstapeln am Ende der Gasse befindet. Und so hält er inne, und sein Instinkt rät ihm, umzukehren.

Doch es ist zu spät.

Vor ihm tauchen Gestalten auf.

Und auch hinter ihm sind nun welche.

Er ist plötzlich eingekeilt und sitzt in der Falle. Da er die Holzstapel rechts und links von sich nicht hochklettern kann wie eine Katze, muss er sich den Weg freikämpfen.

Und so lässt er sein ganzes Gepäck fallen, bekommt die Revolverhand frei und schnappt den Colt heraus.

Aber es ist zu spät. Ein keulenartiges Ding kommt angeflogen und trifft ihn voll ins Gesicht. Er weiß nicht, dass es ein sogenannter Belegnagel eines Segelschiffes ist, ein Ding wie eine Keule aus Hartholz.

Er geht nicht zu Boden davon, doch er ist einen Moment lang benommen. Das Blut schießt ihm aus der Nase. Als er schießen will, trifft ihn ein zweiter Belegnagel von hinten an den Hinterkopf. Er taumelt nach vorn und stolpert über seine Pakete, die er fallen ließ.

Und dann sind ein halbes Dutzend Gegner über ihm wie Hunde über einem verzweifelt sich wehrenden Wolf.

Er kämpft wie ein Tiger, kommt sogar zweimal vom Boden wieder hoch und auf die schnellen Füße. Er tritt und schlägt, trifft schmerzvoll aufbrüllende und fluchende Männer. Er macht es ihnen nicht leicht, und wären sie nur zu dritt und nicht zu sechs, würden sie ihn nicht kleinbekommen haben.

Irgendwann verliert er das Bewusstsein, kann nicht mehr. Denn einer von ihnen schlägt ihm mit einem Belegnagel fast den Kopf ein.

Als er dann am Boden liegt, halten sie keuchend inne. Sie schnaufen und fluchen. Einer sagt: »Heiliger Rauch, ich habe noch niemals solch einen Mann erlebt. Der hat es uns aber schwer gemacht. Jetzt erst kann ich verstehen, warum er euch in Dasy Dunnbays Etablissement kleinmachen konnte. Was machen wir jetzt mit ihm?«

Der Frager ist der dritte Steuermann der FRISCO STAR.

Und er bekommt die Antwort von Barton McIntire, dem Ersten der FRISCO STAR.

»Den nehmen wir mit an Bord«, knirscht Bart McIntire. »Der geht zwei Jahre mit auf Walfang. Dem zeigen wir auf See noch eine Menge. Aus diesem Lederstrumpf machen wir einen Seemann, der wie ein Affe aufentert zum Segelsetzen oder zum Ausguck im Top, wenn wir nur pfeifen. Na los, hebt ihn hoch! Und dann ins Boot mit ihm! Den nehmen wir mit, wenn wir bei Tagesanbruch auslaufen.«

Und sie heben ihn auf, sammeln auch seine vielen Pakete und Packen ein und nehmen sie mit.

Sein Erwachen ist grausam.

Jemand gießt einen Eimer Flusshafenwasser über ihm aus.

Und dann trifft ihn der Seestiefel des Bootsmanns.

Eine raue Stimme ruft: »Komm hoch, Seemann! Reise, reise! Komm hoch!«

Und wieder tritt ihn der Seestiefel.

Nochmals gießt jemand einen Eimer Wasser über ihn aus. Nun begreift er, dass er an Bord eines Schiffes ist, das sich sanft wiegt. Er taumelt hoch und sieht sich um im Morgengrauen.

Ja, er ist an Bord eines Schiffes, eines Segelschiffes.

In seiner Nähe stehen einige Gestalten.

Eine heisere Stimme ruft wild: »Verdammt, wie komme ich hier an Bord? Wer hat mir was in den Whisky getan, sodass ich umfiel? He, Kapitän, das ist Freiheitsberaubung. Ich habe Frau und Kind an Land. Ich will runter von diesem Kahn!«