G. F. Unger Sonder-Edition 244 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 244 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als Jim Starr erkennt, dass er sich ein gestohlenes Pferd andrehen ließ, hat er bereits einen Strick um den Hals und den Tod eines Pferdediebs vor Augen. In letzter Minute rettet ihn Paul Shaney aus der Gewalt Bingham Kilhoes, der im Land ein blutiges Regiment führt.
Jim weiß, er steht in Shaneys Schuld, und erklärt sich bereit, in dessen Mannschaft einzutreten und ihm beim Kampf gegen den skrupellosen Weidepiraten zu helfen. Er ahnt nicht, dass Shaneys Leute zumeist eiskalte Revolverschwinger sind, von denen jeder sein eigenes Süppchen zu kochen gedenkt...


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Seitenzahl: 197

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Revolverschwinger

Vorschau

Impressum

Revolverschwinger

Sie streunten damals durch den Westen zwischen Mexiko und Kanada, denn sie hatten keinen festen Platz, keine Heimat. Die meisten von ihnen taugten nicht viel und besaßen nichts, worauf sie stolz sein konnten. Sie waren nur ehrgeizig! Sie wollten schnell sein mit dem Colt, denn Revolverschnelligkeit gab ihnen Macht. Sie genossen es, gefürchtet zu werden.

Sie vermieteten sich und ihre Waffen und waren mit Landsknechten zu vergleichen, die nichts anderes konnten als das Kriegshandwerk.

Aber ein einziger Revolverkämpfer von der Gilde der ganz Großen konnte sie zum Teufel jagen wie ein Tiger ein Rudel verwilderter Katzen. So war das damals.

Auch Jim Starr war ein Revolvermann, aber kein zweit- und drittklassiger Revolverschwinger. Man konnte es ihm nicht ansehen. Er wirkte ruhig und bescheiden, nicht herausfordernd und verwegen.

Jim Starr tritt aus dem Schatten der Bäume zwischen die Radfurchen der staubigen Straße.

Er ist ein großer, hagerer Bursche, der sich geschmeidig bewegt, obwohl man ihm sofort ansehen kann, dass er ein Reiter ist, der die meiste Zeit seines Lebens im Sattel verbrachte.

Er hebt leicht die Hand, und einer der beiden Reiter, die mit einem Rudel Pferde aus den Hügeln kommen, trabt nach vorn und betrachtet ihn scharf.

»Was soll's?«, fragt der rothaarige, blauäugige Bursche, und sein Blick ist wachsam und lauernd.

»Mein Pferd«, erklärt Jim Starr, »geriet in eine Pumafalle, als ich gestern an einer Wasserstelle kampierte. Die Stahlfalle brach ihm die linke Vorderhand. Ich musste es erschießen. Ist vielleicht eines dieser Pferde da zu verkaufen?«

Der verwegen wirkende Rotschopf grinst blitzend, und er dreht sich zu seinem Partner um, der damit beschäftigt ist, das Pferderudel beisammenzuhalten.

Es sind erstklassige Pferde, die ein großes K als Brandzeichen tragen.

»He, Pete, er will eines unserer Pferde kaufen!«, ruft der Rotkopf dem Partner, einem Halbblut, zu. Man erkennt es an seinem dunklen Gesicht und an seiner etwas zu farbenprächtigen Kleidung. Sonst unterscheidet er sich nicht von einem reinblütigen Weißen. Aber wahrscheinlich ist er ein besserer Reiter und Jäger als die meisten Weißen. Auch mit dem nervösen Pferderudel wird er spielend fertig.

»Dann verkauf ihm doch eins, Johnny!«, ruft er heiser.

Der Rotkopf grinst stärker und wendet sich wieder an Jim Starr. »Hundert Dollar das Stück«, sagt er. »Wir sind von der Kilhoe-Ranch und treiben die Gäule zum Verkauf nach Albuquerque. Es soll uns nur recht sein, wenn wir eins weniger treiben müssen. Also?«

Jim Starr sieht die beiden Reiter noch einmal scharf an. Auch sie sitzen auf Pferden, die den K-Brand tragen, und es ist nichts Verdächtiges dabei, dass zwei Cowboys für ihre Ranch Pferde zum Verkauf treiben.

Er holt fünf Zwanzigdollar-Stücke aus seiner Tasche und reicht sie dem Rotkopf.

»Ich nehme den grauen Wallach«, sagt er und deutet auf ein Tier, dem man ansehen kann, dass es zäh und ausdauernd ist und erst richtig warm wird, wenn andere Pferde schon am Ende sind.

»Pferdeverstand haben Sie«, sagt der Rotkopf und sieht zu, wie Jim Starr sein Lasso holt und den Grauen mit einem sehr geschickten Wurf einfängt. Solch einen Wurf beherrschen nur Männer, die im Buschland der Brasada in Texas Rinder jagten. In diesem Buschland kann man mit dem Lasso nicht viel herumschwingen. Es würde überall hängenbleiben. Man muss die Schlinge fast aus dem Handgelenk heraus schleudern, und sie darf auch nicht besonders groß sein.

Dieser Jim Starr kann das wie ein geübter Buschrind-Jäger.

»Wie ist Ihr Name, Rotkopf?«, fragt er. »Ich muss vielleicht Auskunft geben, wer von den Reitern der Kilhoe-Ranch mir dieses Tier verkauft hat?«

»Johnny O'Neil«, sagt dieser und folgt seinem Partner, der mit dem Pferderudel schon ein Stück weiter zog, weil es leichter ist, die Tiere zu treiben als auf einem Fleck zu halten.

Jim Starr sieht ihnen nach.

Er hat ein dunkles, stoppelbärtiges und etwas hohlwangiges Gesicht, wie es Männer haben, die nicht ein Gramm zu viel an Gewicht herumschleppen.

An seinem linken Wangenknochen und auf dem Nasenrücken sind alte Narben, die darauf schließen lassen, dass sein Leben nicht immer ohne Auseinandersetzungen verlief.

Seinen Revolver trägt er links. Es ist eine alte, abgenutzt wirkende Waffe mit einem dunklen Holzgriff.

Auch seine Kleidung ist verschlissen, doch sehr sauber. Alle schadhaften Stellen sind ausgebessert.

Seine Augen sind von einem intensiven Grau, ruhig und beharrlich. Dieser feste Blick hat schon mehr als einen Mann dazu veranlasst, einfach zu kneifen – oder sich herausgefordert zu fühlen und die Geduld zu verlieren. Er führt das Pferd unter die Bäume, wo sein Sattel und das wenige Gepäck liegen. Er bindet das Pferd an, legt ihm den Sattel, die daran befestigten Satteltaschen und die in eine Segeltuchplane gerollten Habseligkeiten auf – und löst das Lasso.

Als er aufsitzt, explodiert der Gaul, um erst einmal herauszufinden, was er mit dem Reiter machen kann. Er versucht es nur eine halbe Minute lang, dann hat er genug und weiß, dass er sich besser fügen sollte, weil er ja doch den Kürzeren zieht.

Jim Starr treibt das Tier auf die Wagenstraße und setzt seinen Weg fort, der irgendwohin durch die Hügel führt. Er reitet nach Westen und hat den mächtigen Klotz der Enchanted Mesa zur Rechten. Vor ihm steigen die Hügel zur Kette der Zuni Mountains an, die in einem Halbmondbogen vor der Grenze zum Arizona-Territorium liegen.

Fünf Meilen reitet Jim Starr auf seinem neuen Pferd. Hundert Dollar waren nicht zu viel, es ist ein erstklassiges Tier.

Als er über eine Bodenwelle kommt, versperren ihm einige Reiter den Weg. Sie umringen ihn sofort, doch er macht sich nicht allzu große Sorgen, weil ihre Pferde ebenfalls den K-Brand tragen.

Einer der Reiter ist ein riesenhafter Bursche auf einem großen Pferd. Von diesem Mann bekommt Jim Starr ohne jede Warnung den Gewehrlauf auf den Hut, als er sich gerade an einen anderen Mann wendet, den er für den Boss hält.

Er kann ihn gar nicht mehr anreden.

Der gemeine Schlag kommt zu unerwartet und wirft ihn aus dem Sattel. Er fällt auf den Boden, weil er die Besinnung verliert.

Als er nach einer Weile erwacht, bleibt er zuerst mit geschlossenen Augen liegen und überlegt. Es fällt ihm schwer, denn sein Kopf schmerzt heftig. Er verspürt Übelkeit und möchte sich erbrechen.

An den Geräuschen in seiner Nähe erkennt er, dass die Reiter immer noch da sind und ihn umgeben. Die Pferde stampfen und schnauben.

Eine harte Stimme sagt: »Ich glaube, dass er aufgewacht ist. Wir können anfangen!«

Zwei Mann reißen ihn hoch, und er beginnt zu kämpfen. Sie haben seinen Colt genommen, als er noch bewusstlos am Boden lag.

Als er sich wehrt – wild und ungestüm, da gelingt es ihm, die beiden Männer von sich zu stoßen. Doch dann rammt ihn ein Pferd und wirft ihn von den Beinen.

Als er aufspringt, kommt eine Lassoschlinge. Sie wird hart angezogen und presst ihm die Arme gegen den Körper. Durch den Ruck schlägt er abermals zu Boden.

Diese Reiter sind rau und verstehen es, mit einem Mann so umzuspringen, dass er keine Chance hat. Sie stellten keine Fragen, sondern schlugen sofort zu.

Bitter denkt er daran, dass er sich wie ein Greenhorn benahm.

Er steht langsam auf. Doch der Reiter, der das Lasso um seinen Oberkörper warf, hält es stramm und kann ihn leicht abermals umwerfen.

Jim Starr steht bewegungslos und sieht den Mann an, den er für den Boss hält.

»Was soll das?«, fragt er. »Warum werde ich hier kleingemacht, bevor man Fragen stellt?«

Es sind vier Reiter. Sie grinsen hart.

»Hier auf dieser Weide ist das so«, sagt der Mann, den Jim Starr ansieht. »Hier werden die Fragen erst später gestellt. Du hattest ein Pferd, das mir vergangene Nacht gestohlen wurde. Für Pferdediebe ist dies hier ein besonders schlechtes Land. Denn man findet überall einen Baum. Los, bringt ihn hinüber! Dorthin!«

Er zeigt auf einen mächtigen Baum, dessen Äste weit und fast waagerecht ausladen, so dass man leicht ein Lasso darüber werfen kann.

»Sie sind verrückt! He, wer sind Sie? Und warum fragen Sie nicht erst, wie ich zu diesem Pferd gekommen bin? Ich habe es ehrlich für hundert Dollar gekauft. Einer Ihrer Reiter, ein Rotkopf, der sich Johnny O'Neil nannte, verkaufte es mir und sagte, dass er von der Kilhoe-Ranch sei und mit den Pferden nach Albuquerque müsse, um sie dort zu verkaufen. Zum Teufel, hört jetzt auf!«

Jim Starrs Stimme wurde immer grimmiger. Er hat seine körperliche Schwäche einigermaßen überstanden. Sein Kopf schmerzt nicht mehr so schlimm wie am Anfang.

Der Mann, den er anredete, grinst breit. Jim ist in der Hand dieses Mannes, das ist klar. Er betrachtet ihn besonders aufmerksam und versucht, ihn genau abzuschätzen.

»Ich bin Bringham Kilhoe«, sagt der Mann.

»Johnny O'Neil und sein Halbblut-Freund Pete Blue stahlen meine Pferde. Mann, du hast ein gestohlenes Pferd gekauft, wenn du wirklich die Wahrheit sagst! Doch das ist unwichtig. Bringt ihn hinüber! Ich knüpfe jeden Burschen auf, den ich mit gestohlenen Pferden oder Rindern erwische. Wenn ich erst einmal damit beginne, Ausnahmen zu machen und Ausreden anzuerkennen, dann wird sich jeder Pferde- oder Rinderdieb etwas ausdenken. Los, Leute!«

Jim Starr will wieder kämpfen. Doch der Reiter, der ihn am Lasso hat, lässt das Pferd anspringen. Jim Starr wird umgerissen. Der Reiter schleift ihn im Galopp über den Boden bis zu dem Baum.

Es ist eine Burreiche, die in einer Senke steht. Jim Starr ist übel zerschunden und fast bewusstlos, als die erbarmungslose Rutschpartie beendet ist.

Als er wieder bei Verstand ist, sitzt er auf dem grauen Wallach, den er für hundert Dollar kaufte. Seine Hände sind hinter seinem Rücken zusammengebunden. Um seinen Hals liegt eine Schlinge, die oben an einem Ast befestigt ist.

Jim Starr wendet den Kopf und betrachtet die vier Männer nacheinander. Der ihn aus dem Sattel schlug, ist ein riesiger Kerl und muss der Vormann sein. Bringham Kilhoe, sein Boss, ist viel kleiner als sein Vormann, doch stämmig und muskulös. Er erinnert an einen gesunden, kraftstrotzenden Bullen, der alles zu Boden rennt, was sich ihm in den Weg stellt. Sein rotes Gesicht ist fleckig.

Da seine Haut die Sonne nicht verträgt, schält sie sich überall, besonders auf dem Nasenrücken.

Jim Starr wird sich erschreckend darüber klar, dass er die Sonne – die jetzt im Westen sinkt und ein blutrotes Feuerwerk an den Himmel zaubert – zum letzten Mal sieht.

»Kilhoe, das können Sie doch nicht machen«, sagt er heiser. »Ich verlor mein Pferd und traf zwei Männer, die mir ein anderes Pferd verkauften. Das kann man doch nachprüfen, Mister. Sie können mich nicht wie einen Pferdedieb ...«

»Das kann ich«, sagte Kilhoe hart. »Es treibt sich zu viel Gesindel in diesem Land herum. Ich verliere Reiter, Pferde und Rinder. Ich kann mich nur schützen, wenn ich gnadenlos durchgreife. Also, hängt ihn auf, Jungens!«

Jim Starr will es noch nicht glauben.

Doch er erlebt keinen bösen Traum. Es ist auch kein schlechter Scherz. Er kam auf eine raue, gefährliche Weide. Zwei Pferdediebe verkauften ihm ein gestohlenes Tier. Und er geriet in die Gewalt eines gnadenlosen, selbstherrlichen Ranchers, der ...

Weiter kommt Jim Starr nicht mit seinen Gedanken, denn auf dem Rand der Senke erscheint ein Reiter.

»Kilhoe, du willst doch wohl keine Hängepartie veranstalten?«, ruft der hagere Reiter.

Die vier Reiter wenden sich um, spähen zu ihm hinauf. Dann sagt Bringham Kilhoe barsch: »Scher dich zum Teufel, Shaney, bevor ich dir Beine mache!«

»Damit ist es vorbei, Kilhoe«, erwidert Shaney. »Ich habe meine Mannschaft beisammen und spucke dir jetzt ins Maul. Jetzt kannst du es von mir bekommen – zu jeder Zeit und an jedem Ort. Diesen Hombre dort unten lasst ihr jetzt frei! Ich sammle schon eine ganze Weile all die Burschen, die von dir herumgestoßen wurden. Das da ist wieder einer mehr! Also, Kilhoe!«

Die beiden letzten Worte kommen nicht laut, doch mit beißender Schärfe. Sie sind ein Befehl.

Rings um die Senke tauchen Reiter auf. Es sind sechs, und sie haben Gewehre bei sich, nicht nur Colts.

Bringham Kilhoe sieht sich langsam um, während sein Vormann fast lautlos flucht. Dieser Vormann erinnert an einen Menschenaffen. Er hat einen gewaltigen Brustkorb und lange, kräftige Arme, eine flache Stirn und dicke Lippen.

Doch in seinen Augen liegt Intelligenz. Dieser primitiv und brutal aussehende Mann ist kein Dummkopf, er hat eine Menge Verstand.

»Hör auf, Pill«, sagt Bringham Kilhoe zu ihm und wendet sein Pferd. Er reitet wortlos davon und verlässt die Senke. Zwischen zwei von Shaneys Reitern entschwindet er Jim Starrs Blicken. Seine drei Boys folgen ihm stumm. Der Vormann flucht nicht mehr.

Die Dämmerung fällt schnell über das Land.

Shaney lacht wild triumphierend hinter Bringham Kilhoe her.

Dann kommt er heruntergeritten, drängt sein Pferd neben Jim Starr und zieht ein Messer aus dem Stiefelschaft. Wenige Augenblicke später ist Jim Starr frei.

»Danke!«, sagt er. »Das war sehr freundlich. Ich habe nicht weit von hier meinen Colt verloren und ...«

»Hier ist er«, sagt Shaney und reicht ihm die Waffe. »Ich glaube, Sie sind mir etwas schuldig – oder?«

»Ja, ich glaube, dass ich Ihnen etwas schuldig bin«, nickt Jim Starr.

Er betrachtet den Mann, den Kilhoe Shaney nannte, und er sieht in der Dämmerung einen sandblonden Mann mit wasserhellen Augen, einen hageren, ziemlich abgerissenen Mann, der ihn angrinst.

»Ich bin Paul Shaney«, sagt der Blonde. »Ich besitze eine Ranch in den Hügeln und sammle alle Leute, die mit Bringham Kilhoe eine Rechnung zu begleichen haben. Das haben Sie doch auch? Oder?«

Jim Starr nickt.

»Mein Name ist Starr, Jim Starr«, sagt er. »Und ich habe nicht nur mit Kilhoe eine Rechnung zu begleichen. »Er erzählt Shaney, was ihm geschah, und als er endet, lacht Shaney.

»Das sieht Johnny O'Neil ähnlich. Er und Pete haben sich gewiss ausgerechnet, dass Kilhoe sich mit Ihnen aufhalten würde, bis die Nacht anbricht. Und das wollten sie. Nun können sie mit den gestohlenen Pferden mühelos entkommen. Sie haben Pech gehabt, Jim. Aber kommen Sie!«

Er reitet aus der Senke.

Jim folgt ihm.

Die anderen Reiter schließen sich an. Im Dämmerlicht kann Jim sie nicht genau betrachten.

Er konnte nur eben noch erkennen, zu welcher Sorte sie gehören.

Es sind Revolverschwinger. Reiter, denen die Colts locker sitzen und die sich jetzt als Rudel stark und großartig fühlen – so etwa wie dieser Paul Shaney.

Aber sie haben Jim Starr das Leben gerettet.

Sie reiten nach Westen, dringen tiefer in die wilden Hügel und Vorberge der Zuni Mountains ein. Sie kommen trotz der zunehmenden Dunkelheit sehr schnell vorwärts, denn Paul Shaney kennt dieses Land und führt mit unbeirrbarer Sicherheit.

Meile um Meile legen sie zurück durch Canyons, Mesas und über kleine Ebenen. Einmal durchreiten sie einen Creek und sehen den Schein eines Campfeuers in der Nacht.

Dann befinden sie sich plötzlich bei einer Schafherde. Hunde bellen. Sie sehen den Wagen der Schafhirten bei einem Feuer, doch sie umreiten die blökende Herde.

Ein scharfer Pfiff tönt herüber, den Paul Shaney erwidert.

Wahrscheinlich ist dieses Signal ein Erkennungszeichen. Sie reiten weiter. Das Land ist unübersichtlich und wild, ein Land mit tausend verborgenen Winkeln und Verstecken.

Jim Starr erkennt, dass in diesem Gebiet zwei Armeen sich mit Erfolg auf lange Zeit voreinander verbergen könnten. Es ist ein Land voller Geheimnisse, und Jim Starr weiß schon jetzt mit einiger Sicherheit, wie die Dinge hier liegen.

Da ist der große, rücksichtslose Bursche Bringham Kilhoe, der alle Nachbarn zum Teufel jagte, zertrat und zerstörte, so dass sie ihm die großen Täler und die Ebene überlassen mussten.

Doch hier, in diesem unübersichtlichen Teil am Rande seines Machtbereiches, da verkriechen sie sich, sammeln sich, fügen ihm fortwährend Schaden zu, so dass er noch bösartiger wird und keinen anderen Rat mehr weiß, als Hängepartien zu veranstalten.

Fast hätte es auch Jim Starr das Leben gekostet.

Unter den vertriebenen Burschen gibt es einen, der einen großen Kampf anfangen will: Paul Shaney. Er will dem großen Bullen Bringham Kilhoe nicht nur Nadelstiche versetzen, er will einen richtigen Krieg.

Vielleicht verdient es Bringham Kilhoe nicht anders, und es ist höchste Zeit, dass sich ein Mann entschließt, ihn zum Teufel zu jagen. Das ist früher oder später das Schicksal aller unduldsamen Despoten, mögen sie noch so mächtig sein.

Die Reiter, mit denen Jim Starr reitet, sind wahrscheinlich alle »im Sattel geboren«, denn er ritt noch nie mit einer Mannschaft durch die Nacht, die in einem wilden Land so schnell vorwärtskommen konnte.

Gegen Mitternacht erreichen sie eine Ranch mitten in einem kleinen Tal. Der Mond geht auf, und die Sterne strahlen an einem samtblauen Himmel.

Das Tal ist wie ein riesiger Fuchsbau, aus dem mehr als ein halbes Dutzend Fluchtwege führen. In der mondhellen Nacht kann Jim Starr das erkennen.

Die Ranch ist primitiv. Es gibt einige Corrals, einen Schuppen und zwei größere Blockhäuser, zwischen denen die Küche eine Verbindung darstellt.

Im Lichtschein wird eine Frau sichtbar, mittelgroß und schlank, vielleicht noch ein Mädchen.

Sie scheint die Reiter zu zählen, denn nach einem Moment wendet sie sich und verschwindet wieder im Küchenhaus. Ihre Bewegungen sind leicht und geschmeidig. Im Lichtschein leuchtet ihr Haar wie poliertes Kupfer. Sie trägt ein blaues Leinenkleid und hat ihr Haar hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Die Reiter bringen ihre Pferde in einen Corral, waschen sich an einem Tränktrog, der aus einem halben Baumstamm besteht und durch eine Baumröhrenleitung ständig frisches Wasser erhält. Der Überlauf fließt weiter zu den Corrals.

Nacheinander treten die Männer in das Küchenhaus und setzen sich an den langen Tisch, an dem ein Dutzend Personen Platz hat.

Doch sie sind nur acht Männer.

Alle betrachten das Mädchen, das schon den Tisch deckte und die Schüsseln und Platten mit Fleisch, mexikanischen Bohnen, Kartoffeln und Gemüse füllte.

Sie ist schön, auf eine etwas wilde und eigenwillige Art.

Ihr Haar ist kupferrot, und sie hat grüne Augen, die sehr gerade und fest die Blicke der Männer erwidern – ein Mädchen, das unter Männer aufgewachsen ist.

Sie ist einige Jahre jünger als Jim Starr. Er schätzt, dass sie nicht älter als dreiundzwanzig ist.

»Schwester, das ist Jim Starr«, sagt Paul Shaney und füllt sich zuerst den Teller, wie es ihm als Boss zukommt. »Kilhoe wollte ihn gerade wegen Pferdediebstahls aufhängen. Er hatte von Johnny O'Neil ein Pferd gekauft, das Johnny und Pete zuvor der Kilhoe-Ranch gestohlen hatten. Wir konnten die Hängerei gerade noch verhindern. Nun ist Jim Starr mir und Kilhoe etwas schuldig. Nicht wahr, Jim?«

Jim nickt leicht und sieht das Mädchen an.

Die Männer am Tisch beobachten ihn argwöhnisch. Sie mögen es nicht, wenn andere Männer dieses feuerköpfige Mädchen ansehen.

Sie sind eifersüchtig, sie hüten das Mädchen wie einen kostbaren Schatz, den andere Männer nicht bewundern dürfen.

»Das ist meine Schwester Anne«, sagt Paul Shaney kauend.

Sie betrachtet Jim Starr über den Tisch hinweg. Es ist ein ernster, kritischer Blick.

»Na schön«, meint sie. »Bringham Kilhoe schafft sich fast jeden Tag neue Feinde. Aber ich frage mich, ob jemals einer groß genug ist oder werden kann, um ihn zu vernichten. Können Sie das, Jim Starr?«

Dieser erwidert nichts. Er hebt nur die Schultern und sieht sie an. Plötzlich weiß er, dass sie Bringham Kilhoe hasst.

Alle hassen ihn, denkt er. Dies hier ist eine Mannschaft von Burschen, die vom Hass gegen Kilhoe zusammengehalten wird. Und das Mädel dort lieben sie eifersüchtig. In was bin ich hineingeraten?

Anne Shaney wendet sich ab. »Ich gehe schlafen«, sagt sie. »Macht die Teller leer und stellt sie in die Spülwanne. Vergesst es nur nicht!«

Nach diesen Worten geht sie durch eine Tür in das angrenzende Blockhaus hinüber, in dem sie wahrscheinlich mit ihrem Bruder wohnt.

Die Männer essen schweigend.

Jim Starr betrachtet sie – Mann für Mann. Paul Shaney sieht es und erklärt kauend: »Das ist Ring Loke. Vor vier Jahren kam er mit seinem Bruder in dieses Land. Sie bauten eine kleine Ranch auf. Doch dann brauchte Kilhoe mehr Weide und vor allen Dingen Wasser. Er jagte sie zum Teufel. Dabei gab es einen Kampf. Rings Bruder wurde getötet.« Er macht eine kleine Pause und fährt dann spöttisch grinsend fort: »Ring wollte Kilhoe ans Leder. Er stellte ihn in einem Saloon. Doch Kilhoe schlug ihn fürchterlich zusammen.«

Als Jim Starr das hört, kann er es kaum glauben. Denn Ring Loke ist ein schwergewichtiger Mann, hart, stark und zäh. Man denkt bei seinem Anblick an einen Braunbären, dem man allein an den Augen ansehen kann, ob er friedlich oder tückisch ist.

Es gibt gewiss nicht viele Männer, die Ring Loke schlagen könnten.

Loke blickt auf seinen Teller und isst schmatzend. Shaneys Worte nimmt er kaum zur Kenntnis.

Und Shaney stellt weiter vor: »Das da sind Shorty und Lefty Slater. Ihr Vater schlachtete eins von Kilhoes Rindern und wurde dafür aufgeknüpft. Die Siedlerstätte steckten Kilhoes Reiter in Brand. Die beiden Brüder waren drei Jahre fort. Sie kamen zurück, um es Kilhoe zu besorgen.«

Wieder macht er eine Pause.

Jim Starr betrachtet die Slater-Brüder. Shorty ist kurz und gedrungen. Darum trägt er wohl diesen Namen. Lefty ist nicht viel größer, doch etwas dünner. Sie haben fahle, pickelübersäte Gesichter, schmale Lippen und seltsam dünne Nasenrücken. Sie wirken gefährlich und unberechenbar. Jim Starr möchte ihnen als Feind nicht den Rücken zukehren. Sie starren ihn herausfordernd an. Es ist sicher, dass sie stets zu zweit auf einen Gegner losgehen. Ihre Revolver tragen sie herausfordernd, so dass jeder Mensch sehen kann, wie wichtig die Waffen für sie sind.

Der vierte Mann, auf den Paul Shaney mit der Gabel zeigt, ist dunkel wie ein Indianer und strömt etwas Wildes aus.

»Das ist Pinky Brown«, sagt Shaney. »Er lebte schon vor Kilhoe in diesem Land. Doch Kilhoe erklärte ihm, er solle verschwinden, weil er keine Strolche hier dulden könne. Als Pinky ihm sagte, dass er ältere Rechte habe als Kilhoe, winkte dieser nur mit dem Finger, und dann fielen auch schon einige harte Jungens über Pinky her.«

Shaney deutet auf den fünften Mann. Der ist noch nicht alt, kaum über fünfundzwanzig, doch schon glatzköpfig und etwas fett.

»Bill Garret war im Mateo Saloon beschäftigt«, erzählt Shaney. »Als Kilhoe von seinen Reitern den Saloon an allen vier Ecken einreißen ließ, wurden ihm ein paar Rippen und beide Arme gebrochen. Dabei konnte Bill Garret wirklich nichts dafür, dass man von dem Whisky, den er ausschenkte, krank wurde. Er selbst hat seine Haare verloren von diesem Zeug, das ihm ein schuftiger Händler andrehte, als er den Saloonbesitzer vertrat. Nun ...«

Er verstummt grinsend, kaut ein paar Bissen und deutet auf den sechsten Mann seiner Mannschaft.

»Das ist Les«, sagt er. »Les Chishum. »Vor vier Wochen warb ich ihn an, weil er sagte, dass er Kilhoes Revolvermänner schlagen könne. Wie steht das mit dir in dieser Hinsicht, Jim Starr?«

Die Frage kommt hart und drängend.

Doch Jim Starr lässt sich Zeit.

Er betrachtet erst den letzten Mann, den Shaney als Les Chishum vorstellte.

Er sieht einen blonden, blauäugigen, hübschen Burschen. Gegen die anderen ist er erfreulich anzusehen. Doch seine Augen sind hart, und um seine Mundwinkel laufen tiefe Kerben. Auf den ersten Blick wirkt er kaum über zwanzig Jahr alt. Doch er kann sehr viel älter sein. Er ist einer von diesen Typen, bei denen man sich in mancher Hinsicht täuschen kann.

Das sind sie also alle, denkt Jim Starr und beantwortet Shaneys Frage.

»Ich möchte keine Behauptung aufstellen, bevor ich mehr über Kilhoe und dessen Männer weiß. Vorerst sieht es so aus, als hätte sie mich schnell, leicht und glatt kleinmachen können. Sein Affenmensch schlug mich mit dem Gewehrlauf aus dem Sattel, und dann hatten sie mich auch schon. Wir werden sehen, nicht wahr?«

»Das gefällt mir.« Shaney grinste. »Keine großen Worte. Ja, das gefällt mir. Ich kann nicht viel Lohn zahlen. Denn ich musste Schulden machen, um Schafe kaufen zu können. Aber ...«

»Ich reite für einen Cent Monatslohn für dich, Shaney«, sagt Jim Starr ruhig.

In seiner Stimme schwingt etwas mit, das alle beim Essen innehalten und ihn ansehen lässt.

Sie wirken plötzlich sehr wachsam und lauernd, wie misstrauische Wölfe, die eine bestimmte Witterung in die Nasen bekamen.

Jim betrachtet sie noch einmal und erinnert sich an ihre Namen.