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Eine gewaltige Feier lag hinter mir. Denn vor drei Tagen hatte ich meinen Abschied von der Armee genommen und war wieder ein freier Mann geworden, der keine unsinnigen Befehle mehr ausführen musste. Zur Krönung des Ganzen war ich mit Ramona aufs Zimmer gegangen, hatte aber vorher einen gewissen Jube Carrigan von den Füßen hauen müssen, der mir bei der Schönen unbedingt in die Quere kommen wollte.
Verdammt, ich hatte ja keine Ahnung, zu welch einer Sippe dieser Jube gehörte. Und jetzt standen seine wilden Brüder vor dem Hotel und wollten mir ans Leder. Ich sah kaum noch eine Chance für mich. Doch dann drang der klirrende Trab einer Armeepatrouille an meine Ohren. War das die Rettung, oder würde ich nur vom Regen in die Traufe kommen?
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Seitenzahl: 172
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Verdammter Befehl
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Impressum
Verdammter Befehl
Ich steckte mächtig in der Klemme – wieder einmal. Doch diesmal waren meine Chancen so winzig, dass man sie mit einer Lupe hätte suchen müssen. Sie waren für mich also nicht zu erkennen.
Ich hatte eine gewaltige Feier hinter mir. Denn vor drei Tagen hatte ich Abschied von der Armee genommen. Ich war ein freier Mann geworden, der keine verdammten Befehle mehr ausführen und seine Vorgesetzten mit »Sir« anreden musste, so als wären sie unfehlbare Halbgötter. Ja, ich war wieder frei. Und das hatte ich in Rosalia gefeiert. Nun wollte ich ein neues Leben anfangen.
Doch dann sah es plötzlich so aus, als würde mein Leben hier enden, hier im Golden Hotel von Rosalia. Ramona lag noch im Bett und schlief. Sie war ja auch erst gegen Morgen eingeschlafen, nachdem sie sich mir eine lange Nacht geschenkt hatte.
Eigentlich hatte ein gewisser Jube Carrigan mit ihr nach oben gehen wollen. Aber sie entschied sich für mich. Und da hatte ich diesen Jube oder Jubal Carrigan von den Füßen hauen müssen. Ich wusste ja nicht, zu welcher Sippe er gehörte.
Es hatte vorhin an der Tür geklopft. Deshalb war ich aus dem Bett und hatte die Tür geöffnet.
Der Besitzer des Hotels stand draußen und fragte, ob er hereinkommen dürfe.
Nun, ich ließ ihn ins Zimmer. Er warf nur einen kurzen Blick auf die noch schlafende Ramona Gonzales und sagte dann: »Sergeant, wir sollten jetzt die geschäftlichen Dinge erledigen.«
»Heee«, machte ich nur.
Und da sagte er: »Es sieht nicht gut aus für Sie, Sergeant. Die Carrington-Brüder warten unten auf Sie, weil Sie ihren Kleinen verprügelt haben. Es geht um das Prestige des Carrigan-Clans. Sie haben mächtig gefeiert in meinem Saloon nebenan und eine gewaltige Zeche gemacht. Und auch Ramona bekommt noch ihr Honorar. Und wenn ich für Sie einen Sarg und die Beerdigung zahlen muss ...«
Er verstummte. Und er hatte tatsächlich – was Ramonas Liebeslohn betraf – Honorar gesagt. Nun war sie wahrhaftig eine Künstlerin der Liebe. Vielleicht sollte man da wirklich von einem Honorar reden.
Man zahlte ja auf unserer Erde da und dort Honorare für Leistungen, die nicht so künstlerisch waren wie Ramonas Liebesdienste.
Er sprach nun weiter: »Ich denke, mit zweihundert Dollar wären Sie alle Schulden los und bekämen auch eine schöne Beerdigung.«
Ich staunte. Aber ich sah ihm an, dass er nicht betrunken oder verrückt war. Er meinte es ernst.
Und da fragte ich: »He, wer sind denn die Carrigans?«
Er grinste. »Banditen. Und wenn Sie wollen, dann könnten sie unsere kleine Stadt plattmachen, einstampfen wie einen Haufen Bullenshit. Mann, Sie haben keine Chance. Sie sollten ohne Schulden ins Jenseits gehen.«
Er hatte nun alles gesagt und hielt die Hand auf, um die zweihundert Dollar zu kassieren.
Ich aber stand in meiner roten Armeeunterhose vor ihm und wollte das alles nicht glauben. Aber in diesem verdammten Land war alles möglich, einfach alles.
Nun, ich war gewiss kein furchtsamer Bursche.
Doch ich fragte: »Wie viele Carrigans sind es denn?«
»Fünf«, erwiderte er. »Und jeder von ihnen ist ein Revolverheld. Sergeant, Sie hätten den wilden Kleinen ihrer Sippe nicht so verprügeln sollen. Zahlen Sie?«
Er hielt immer noch die Hand auf.
Aber wie ich es auch sehen mochte, ich war ihm die Rechnung für meine dreitägige Feier und den Abschluss hier mit Ramona schuldig. Und ich war noch niemals einem Menschen etwas schuldig geblieben, wenn der Gegenwert stimmte.
Und ich hatte Spaß gehabt. Musikanten spielten für mich. Wir tanzten, soffen und aßen. Mädchen strichen um uns wie heiße Katzen. Ich hielt alle Gäste frei. Denn ich war ja der glücklichste Mensch der Welt. Zwölf Jahre verdammte Armee lagen hinter mir.
Wer konnte mir verdenken, dass ich dies groß feierte in Rosalia?
Aber dann kam Ramona in den Saloon, sah mich an und lächelte mir zu. Und da wollte ich mit ihr den Abschluss meiner großen Feier genießen.
Ich sah auf das Bett, in dem sie halbnackt lag und schlief.
Dann ging ich zu ihr und griff unter mein Kopfkissen, holte meinen Geldgürtel hervor.
In diesem Gürtel war das Entlassungsgeld der Armee für zwölfjährige Dienste. Für jedes Jahr gab es hundert Dollar.
Ich zählte zweihundert ab und brachte sie meinem Besucher.
»Aber ich bin kein Sergeant mehr«, knurrte ich. »Nennen Sie mich nicht immer Sergeant, Mann. Ich würde gern einen Haufen auf die ganze Armee machen. Ich bin nicht mehr Master Sergeant, sondern Mr. Emmet Logan. Verstanden?«
Er grinste schief, nahm das Geld und wandte sich zur Tür.
Von dort aus sprach er über seine Schulter zurück: »Gut, Mr. Logan. Ihr Name wird auf dem Grabstein zu lesen sein.«
Und dann war ich mit der schlafenden Ramona wieder allein.
Ich trat vor den Spiegel und betrachtete mich.
»Emm, du bist ein verdammtes Arschloch«, sagte ich zu meinem Spiegelbild.
Dann überlegte ich, was wohl zu tun war oder was ich tun konnte.
Unten oder rings um das Hotel verteilt, da warteten fünf Banditen und Revolverschwinger. Und in der kleinen Stadt gab es kein Gesetz. Ich war verdammt allein.
Ramona im Bett wachte endlich auf und sah zu mir her.
Ich stand ja immer noch vor dem Spiegel und konnte sie darin sehen. Sie gähnte und staunte zu mir herüber.
»O ja«, sagte sie, »du bist ein prächtiger Hombre. Wir hatten eine Menge Spaß und Freude. Das wusste ich gleich, als ich dich Jube Carrigan vorzog für eine lange Nacht. Komm noch einmal zu mir ins Bett. Nehmen wir Abschied voneinander.«
Ich schüttelte den Kopf, denn mir war jetzt nicht nach Ramona.
Aber ich fragte: »Kennst du die Carrigans näher? Was sind das für Burschen?«
Ihre grünen und etwas schrägen Katzenaugen wurden schmal.
»O du heilige Mutter Gottes«, flüsterte sie dann, »sind die alle hier bei ihrem kleinen Bruder Jube – hier in Rosalia?«
Ich nickte. »Sie warten unten auf mich.«
Ramona setzte sich endlich im Bett auf, zeigte mir ihre nackten und so festen Brüste. Aber die interessierten mich nicht mehr.
Doch auch sie hatte plötzlich andere Sorgen, erhob sich aus dem Bett und begann sich anzukleiden. Dabei sprach sie: »Die Carrigans sind Banditen, Revolverhelden, Skalpjäger. Jube wird mich grün und blau schlagen. Warum bin ich nur mit dir aufs Zimmer gegangen. Ich muss völlig verrückt gewesen sein, wie eine Ziege, die Locokraut gefressen hat. O Amigo, du tust mir leid. Ich dachte, dass Jube allein in Rosalia wäre, und es hat mir gefallen, dass du ihn umgehauen hast. Du warst ziemlich betrunken, doch nicht zu betrunken für all unseren Spaß in diesem Bett. Nun musst du zusehen, wie du heil hier herauskommen kannst. Ich bin ja nur eine schwache Puta.«
Sie hatte sich angekleidet, verharrte und band ihr schwarzes Haar hinter dem Nacken zusammen.
»Ich kann dir nicht helfen«, murmelte sie bedauernd.
Dann ging sie zur Tür und verschwand.
Ich Narr war allein.
Aber ewig konnte ich nicht auf meinem Zimmer bleiben. Irgendwann musste ich hinunter zu den fünf Carrigans.
Und dann ...
Ich war ein sechs Fuß und zwei Zoll großer Ex-Master-Sergeant, der zwölf Jahre diente und gestern zweiunddreißig Jahre alt geworden war.
Und man sollte eigentlich nicht gedacht haben, dass ein solcher Bursche zu so viel Dummheit fähig wäre.
Doch die Freude, endlich von der Armee weg zu sein, war größer als jede Vernunft.
Und warum sollte ich das nicht feiern?
Ich begann mich anzukleiden. Dann untersuchte ich meinen Revolver. Er war nun mein einziger Freund gegen die Carrigans.
Es war ein Army-Colt, Modell 1860 und Kaliber 44, mit einem buntgehärteten Rahmen und einem zwanzig Zentimeter langen Lauf. Es war damals das beste Colt-Modell.
Ich trug noch meine Armeehose mit den gelben Streifen der Kavallerie, aber ein Flanellhemd und eine braune Lederjacke.
Und jetzt fragte ich mich, ob man mich in dieser Kleidung beerdigen würde hier in Rosalia.
Tief in meinem Kern war nun ein Gefühl, welches ich nicht so richtig deuten konnte.
Nein, es war keine Furcht. Ich war als Soldat schon zu oft in Todesgefahr gewesen und hatte mich damit abgefunden, dass man seinem Schicksal nicht entkommen konnte.
Also musste man es annehmen wie schlechte Karten, mit denen man kein Spiel gewinnen konnte.
Doch dieses Gefühl in mir schien eine Art Sehnsucht nach der Armee zu sein.
Ich hätte meinen Vertrag mit der Armee verlängern können. Sie hätten mich sogar zum Lieutenant befördert, denn sie brauchten in diesem Land solche erfahrenen Patrouillenführer gegen die Apachen. Ja, der Colonel hätte mich gerne behalten.
Aber das alles ging nun nicht mehr.
Sollte ich also hinuntergehen und mich den Carrigans stellen? Konnte ich vielleicht mit ihnen reden?
Oder sollte ich aus dem Fenster springen, um sie zu überraschen?
Wenn sie um das Hotel verteilt waren, dann hatte ich es auf dieser Seite vielleicht nur mit zweien zu tun. Und die würde ich gewiss schaffen.
Aber dann ...
Ich trat ans Fenster und sah hinunter auf die staubige Straße von Rosalia. Es war die einzige Straße und eigentlich nur der Wagenweg, der durch den kleinen Ort führte. Und die ersten Radfurchen und Hufspuren wurden gewiss von Coronado und dessen goldgieriger Bande geprägt, als sie nach den goldenen Städten von Cibola suchten, die es gar nicht gab, aber an die sie glaubten.
Nun, ich sah also hinunter.
Gegenüber vor dem Store standen zwei Männer, die sich wie Brüder ähnlich sahen. Sie sahen zu mir hoch. Beide grinsten böse, und einer winkte mit dem gekrümmten Zeigefinger, und das bedeutete ganz einfach: Komm herunter.
Ja, sie warteten auf mich, waren um das Haus verteilt.
Wenn ich hinunterging, würde ich gegen fünf Mann kämpfen müssen.
Diese Carrigans waren keine edlen Ritter, keine Gentlemen. Sie wollten meinen Skalp, weil ich einen von ihnen verprügelt und um den Spaß mit einer Puta gebracht hatte.
Ich sah nun auch mein Pferd.
Sie hatten es aus dem Mietstall bei der Schmiede geholt und vor den Hoteleingang gestellt.
Es war verlockend.
Wenn ich aus dem Fenster sprang, mir kein Bein dabei brach und in den Sattel kam, dann konnte ich vielleicht entkommen.
Aber sie würden mich aus dem Sattel schießen.
Und selbst wenn ich es mit den beiden da drüben aufnahm, würden mich die anderen erledigen.
Was also sollte ich tun?
Ich beugte mich aus dem Fenster und rief zu ihnen hinüber: »He, wollt ihr was von mir?«
»Komm nur!«, rief einer von ihnen zurück.
Ich wollte mich wieder ins Zimmer zurückziehen, da sah ich etwas, was mir Freude machte, ja, richtige, hoffnungsvolle Freude.
Denn von rechts, also von Süden her, wo in weiter Ferne die Grenze nach Sonora war, da kam eine Armeepatrouille herangeritten.
All diese Patrouillen von der Grenze kamen stets durch Rosalia, weil sie hier die Pferde tränken und auch besser rasten konnten als draußen irgendwo im Apachenland.
Ja, da kamen ein Offizier, ein Sergeant, ein Scout und zwölf Pferdesoldaten.
Und ich kannte sie alle. Vor nicht langer Zeit war ich selbst Patrouillen geritten.
Ich grinste nun zu den beiden Carrigans hinüber und rief ihnen zu: »Jungs, für euch sieht es gar nicht mehr gut aus. Da kommen ein paar Freunde von mir. Wollt ihr euch mit der Armee anlegen?«
Sie erwiderten nichts.
Doch sie warteten wie ich.
Ich blieb im offenen Fenster und sah wenig später, wie die staub- und schweißbedeckte Patrouille vor dem Saloon neben dem Hotel anhielt und die Pferde an die Tränketröge band.
Ich beugte mich aus dem Fenster und rief: »Hoiii, Lieutenant Kennet!«
Er hatte mich zuvor schon gesehen. Aber wir waren keine Freunde.
Deshalb tat er so, als wäre ich Luft. Denn da ich nicht mehr Soldat war, musste er wahrscheinlich nun auch für mich die Patrouillen reiten und hatte weniger Ruhezeiten.
Er saß noch im Sattel, als er zu mir hinauf rief: »He, Sie Zivilist, was wollen Sie von mir?«
Ich knirschte mit den Zähnen, zerbiss einen Fluch und rief ihm zu: »Lieutenant, ich brauche die Hilfe der Armee.«
Aber er schüttelte den Kopf, saß ab und folgte seinen Reitern in den Saloon.
Die Carrigans drüben grinsten. Und einer von ihnen winkte wieder mit dem gekrümmten Zeigefinger.
Ich zog mich ins Zimmer zurück und setzte mich aufs Bett.
Ja, ich saß in der Klemme.
Und die verdammte Armee wollte mir nicht helfen, weil ich ja inzwischen Zivilist war. Für Zivilisten war die Armee nicht zuständig. Denn das Land hier stand ja nicht unter Kriegsrecht.
Für Zivilisten waren Sheriffs oder Marshals zuständig.
Aber wenn Lieutenant Earl Kennet gewollt hätte, dann hätte er mir helfen können.
✰
Nun, ich konnte mir ausrechnen, dass der stets verbiesterte Lieutenant Earl Kennet und die ganze Patrouille im Saloon erfahren würden, was mit mir los war und wie sehr ich in der Klemme saß.
Der Sergeant Jack Meadow und der Scout Weaverley würden mir gewiss helfen. Denn wir kannten uns gut, waren oft gemeinsam auf Patrouille durch das Land geritten, waren fast so etwas wie Freunde und hatten uns oft in der Kantine des Forts gemeinsam betrunken, wenn uns unser Leben in diesem Land und bei der Armee mal wieder zum Hals heraushing und wir alles zum Kotzen fanden.
Aber sie würden mir nicht helfen können, wenn der Lieutenant es nicht erlaubte. Sie standen unter seinem Befehl. Und ohne Befehl ging in der Armee nichts, gar nichts.
Das ist nun mal so bei allen Armeen der Erde. Es gibt immer einen Befehlsgeber, dem man blind gehorchen muss. Man ist ihm ausgeliefert. Und wenn er nichts taugt, dann ist man ein ganz armer Hund oder ein ganz armes Schwein.
Dies alles wurde mir wieder bewusst, indes ich auf dem Bettrand hockte.
Vielleicht hatte ich deshalb mit solcher Begeisterung den Abschied von der Armee gefeiert und mich als freier Mann gefühlt, dem man keine Befehle mehr geben konnte.
Und jetzt ...
Nur weil ich mit einer Puta nach oben gehen wollte und deshalb einem Carrigan was aufs Maul schlagen musste, saß ich jetzt in der Klemme.
Mir wurde endlich klar, dass ich ohne Kampf nicht zu meinem Pferd und aus Rosalia hinauskommen würde.
Also war es wohl besser, wenn ich mich nicht länger im Hotel verkroch und auf ein Wunder wartete.
Ich drehte mir noch eine Zigarette und rauchte sie langsam und genüsslich. Denn es war vielleicht meine letzte.
Als ich mich dann erhob und ans Fenster trat, da sah ich wie zuvor die beiden Carrigan-Brüder auf der anderen Straßenseite vor dem Store.
Und die Pferde der Patrouille standen immer noch vor dem Saloon nebenan. Ich musste mich nicht sehr weit aus dem Fenster lehnen, um sie zu sehen.
Einer der Carrigans winkte mir wieder mit dem sich krümmenden Zeigefinger.
Diesmal nickte ich und gab ihm zu verstehen, dass ich kommen würde.
Wahrscheinlich würde ich die beiden Kerle von den Beinen schießen können, denn ich war nicht schlecht mit dem Revolver in der Faust, konnte auch blitzschnell ziehen. Eigentlich konnte ich es mit jedem Revolverschwinger aufnehmen.
Das wussten sie gewiss nicht. Für die war ich nur ein entlassener Pferdesoldat.
Aber wenn ich mit den beiden fertig war, hatte ich vielleicht auch schon eine Kugel im Leib. Und dann waren ja auch noch drei weitere Carrigans mit im Spiel.
O Halleluja, dachte ich und wandte mich zur Tür.
Als ich sie öffnete, stand Lieutenant Earl Kennet im Gang.
Er hatte schon die Faust erhoben, um gegen die Tür zu hämmern.
Nun ließ er die Hand sinken und grinste mich an wie ein Wolf, der einem Hund gerade voller Gier an die Kehle wollte.
»Darf ich eintreten, Mr. Logan?« So fragte er mit trügerischer Höflichkeit. Aber er wusste auch, dass ich ihm was aufs Maul hauen würde, käme er mir wie ein Vorgesetzter.
Ich ließ ihn eintreten und trat hinter ihm die Tür wieder zu.
Er ging zum Fenster, sah hinaus und wandte sich zu mir.
»Also gut«, sagte er und grinste. »Sie stecken in der Klemme. Der Barmann im Saloon hat es der ganzen Patrouille erzählt. Sie wissen ja, dass es ein alter Brauch ist, den Männern einer Patrouille hier einen Drink zu erlauben. Den haben sie bekommen. Gleich werden wir aufsitzen und weiterreiten. Mr. Logan, Sie müssen sich jetzt ganz schnell entscheiden. Als Armeeangehöriger genießen Sie den Schutz der Armee. Ich bin befugt, Sie wieder in die Armee aufzunehmen und Ihnen das Handgeld in Höhe von zwölf Dollar auszuzahlen. Sie müssen nur die Hand heben und schwören, den Vereinigten Staaten als Soldat dienen zu wollen. Wollen Sie also?«
Er fragte es mit Behagen. Und er wusste, ich hatte gar keine andere Wahl.
Denn die Armee war besser als der Tod.
Er hatte mich in der Schlinge wie ein Cowboy einen Wildhengst.
Und wenn ich einwilligte, dann würde er nur noch halb so viele Patrouillen reiten müssen wie nach meinem Abgang. Denn als Master Sergeant war ich Patrouillenführer gewesen wie er.
Was also sollte ich tun?
Und so sagte ich in meiner letzten Minute als Zivilist: »Kennet, du bist ein verdammter Hurensohn, ein Sohn von tausend Vätern.«
Er aber grinste und sagte. »Heben Sie Ihre Hand und schwören Sie, wie Sie es vor zwölf Jahren schon einmal getan haben.«
Und ich gehorchte.
Er hörte mir grinsend zu und warf dann zwölf Dollar auf den Tisch, holte sein Patrouillenbuch aus der Brusttasche, machte die Eintragung und ließ mich das Handgeld quittieren. Dann sagte er: »Nun, Sie haben ja immerhin noch Armeehosen an, Sergeant. Sind Sie bereit?«
»Yes, Sir«, erwiderte ich, denn ich stand ja wieder unter Befehl. Und als Offizier war er jetzt wieder so etwas wie ein Herrgott für mich.
Die Armee hatte mich also wieder.
Als wir unten aus dem Hotel traten, saß die Patrouille schon in den Sätteln.
Sie alle grinsten von einem Ohr zum anderen.
Sergeant Jack Meadow rief: »Willkommen in der Armee, Master-Sersch!«
Und die zwölf Reiter riefen: »Jooohooo!«
Die Carrigan-Brüder standen vor dem Store und wirkten wie zwei verbiesterte Wölfe, denen man die Beute weggeschnappt hat.
Auch die drei anderen Carrigan-Brüder waren nach vorn auf die Straße gekommen. Es hatte ja keinen Sinn mehr für sie, mir alle möglichen Fluchtwege abzuschneiden.
Mein Fluchtweg war die Armee. Es war der sicherste Weg. Den konnten sie mir nicht abschneiden.
Aber einer der Carrigans rief: »Pferdesoldat, deinen Skalp bekommen wir schon eines Tages. Denn das gehört von nun an zu unserer Ehre.«
Ich hörte es noch, als wir anritten.
Und ich dachte: Was für eine Ehre haben die denn eigentlich? Gibt es denn mehrere Sorten von Ehre?
Doch ich konnte keine Antwort geben, weil ich ja nicht in die Köpfe der wilden Carrigan-Brüder hineinzusehen vermochte. Deren Denken und Fühlen blieb ihr Geheimnis.
Ich ritt mit Lieutenant Earl Kennet an der Spitze. Und ich dachte: Der Colonel wird sich freuen.
Wir ritten fast eine Meile wortlos nebeneinander. Ich begann über Lieutenant Kennet nachzudenken und erinnerte mich wieder an alles, was ich über ihn hörte und man sich in der Armee über ihn erzählte.
Während des Bürgerkriegs war er schon mal Captain gewesen. Doch wie alle Offiziere der reorganisierten Armee wurde er um zwei Ränge zurückgestuft.
Und nun wartete er wieder auf eine Beförderung. Er hätte eigentlich schon Premier Lieutenant – also Oberleutnant – sein müssen.
Doch er hatte sich im Osten mit der Frau eines Vorgesetzten eingelassen und nun denkbar schlechte Karten in der Armee. Seine Versetzung nach Arizona war eine Strafversetzung gewesen. Er sollte sich im Krieg gegen die Apachen bewähren. Und so war er stets verbiestert und ließ das an seinen Untergebenen aus.
Nach etwa einer Meile sah er mich von der Seite her an.
»Sie verdanken mir Ihr Leben«, sagte er aus dem Mundwinkel zu mir herüber. »Vergessen Sie das nur nicht!«
Ich verzog keine Miene, als ich erwiderte: »Sir, ich werde Sie jeden Abend vor dem Einschlafen in mein Dankgebet an den Himmel einbeziehen. Ich bin so froh und dankbar, dass es Sie gibt und im richtigen Moment nach Rosalia führte.«
Ich verstummte mit einem feierlichen Klang in der Stimme.
Doch er wusste genau, dass ich ihn verarschte.
Gewiss, ich verdankte ihm wahrscheinlich mein Leben. Doch dafür hatte ich dieses Leben erneut der Armee verkaufen müssen, so etwa wie dem Teufel meine Seele.
Er war nicht fair zu mir gewesen. Er war ein verdammter Drecksack.
✰
Wir ritten Meile um Meile durch einen Canyon, der die Santa Catalinas von den Tortillas trennte. Der Hufschlag klirrte immer wieder auf dem felsigen Boden. Aber auch die Metallteile der Ausrüstung klirrten.
Wo es ging, ritten wir im Trab.
Es war der klirrende Trab der Pferdesoldaten. Und ich ritt wieder mit.
Der Canyon verengte sich mehr und mehr. Die glatten Felswände stiegen mehr als fünfhundert Fuß aufwärts. Nun hallte unser klirrender Trab.
Wir ritten immer vorsichtiger und wachsamer. Der Lieutenant gab den Befehl, die Revolver schussbereit zu halten.
Denn so manche zum Fort zurückreitende Patrouille war hier in dieser Engstelle des Canyons von oben beschossen, mit Steinen beworfen und arg dezimiert worden.