G. F. Unger Sonder-Edition 247 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 247 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Weil Joshua Kingfisher für sein Rinderreich einen männlichen Erben will, hat er seine Tochter und den Mann, den sie liebt, gewaltsam auf seine Ranch schaffen lassen.
"Ihr werdet bleiben!" Seine Stimme duldet keinen Widerspruch. "Und du wirst ihn dazu bringen, sein Einverständnis zu geben. Ein Mann von seinem Format ist mir recht als Vater meiner Enkel. Und wenn er dich wirklich liebt, wird er dir deinen Wunsch erfüllen."
"Es ist nicht mein Wunsch", erwidert sie abweisend.
"Doch, Tochter, denn wenn er nicht einwilligt, wird er bei Sonnenaufgang hängen!"


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Seitenzahl: 188

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Aufgeben oder sterben

Vorschau

Impressum

Aufgeben oder sterben

Der Ort heißt Apache Springs, doch es ist eigentlich kein Ort, sondern nur eine Poststation, zu der ein Store und ein Saloon gehören.

Es gibt in diesem Land sicherlich zumindest ein halbes Dutzend Apache Springs, die sehr viel größer sind. Denn die Weißen, die in das Land kamen, nannten damals fast jede Wasserstelle im Apachenland einfach Apache Springs.

Auch hier gibt es einige Quellen, die einen kleinen See füllen. Noel Sloane nähert sich diesem See von Westen her. Er kommt aus der Apachenwüste auf einem hinkenden Pferd. Als er den See erreicht, reitet er hinein, bis das Wasser dem Tier bis über die Knie reicht. Und dann lässt er sich einfach vom Sattel aus in das kühle, erfrischende Nass fallen.

Die Männer auf der Saloonveranda beobachten ihn scheinbar träge.

Einer sagt lässig: »Der kommt aus der Apachenwüste, und ich glaube nicht, dass er nach Schafen stinkt. Oder ob er uns nur bluffen will? Ob er sich ins Wasser wirft, weil er glaubt, dann nicht mehr nach Schafen zu stinken?«

Sie schweigen nach diesen Worten. Es sind vier. Erst nach einer Weile spricht einer: »Nun, wir werden sehen. Er wird herkommen. Und um Schafgestank zu vertreiben, muss man wohl eine ganze Woche lang in Fliederseifenwasser hocken. Oder?«

Sie nicken zu seinen Worten. Keiner hat Einwände.

Denn sie sind Reiter, Rinderleute. Sie hassen Schafe und verachten deren Hirten, die zu Fuß durch den Staub stapfen.

Ja, sie glauben wahrhaftig, dass ein Schäfer bis in alle Ewigkeit und selbst noch im Jenseits nach Schafen stinkt.

Sie beobachten den Ankömmling weiterhin lässig und sehen dann, dass er sich wunderbar schnell von einem gewiss unvorstellbar zermürbenden Ritt durch gnadenloses Land erholt.

Auch mit seinem Pferd geht eine Wandlung vor. Er nimmt dem Tier Sattel und Gepäck ab und lässt es sich im Wasser wälzen.

Das alles dauert eine gewisse Zeit.

Die Männer auf der Veranda beobachten ihn fortwährend. Schließlich sagt einer: »Nein, der gehört nicht zu den Schafzüchtern – nein, der nicht.«

»Aber sie sollen einige Revolverschwinger angeworben haben«, gibt ein anderer der Männer zu bedenken. »He, warum sitzen wir sonst hier?«

Wieder schweigen sie.

Dann sehen sie den Ankömmling vom See her herüberkommen. Er trägt immer noch die nasse Kleidung, in der er badete. Aber die Hitze ist um diese Tageszeit so stark, dass die nasse Kleidung jetzt nur angenehm kühlt – mehr nicht.

Der Fremde ist ein großer, hagerer Bursche, ein Mann mit breiten Schultern und einer schmalen Taille, mit langen Armen und ebenfalls langen, leicht gekrümmten Beinen. Er ist stoppelbärtig, dunkelhaarig, ein Mann mit rauchgrauen Augen.

Der Colt an seiner linken Seite wirkt bei ihm sehr selbstverständlich, ganz und gar wie ein Ding, das zu ihm gehört.

Er blickt zu ihnen herüber, aber er steuert mit seinem Pferd, das er an den langen Zügeln führt, den Store an, nicht den Saloon, auf dessen Veranda die vier Männer sitzen.

Einer der vier hartgesottenen Burschen hebt lässig die Hand und ruft: »He, du, komm her!«

Der Fremde hält an.

»Aber sicher«, erwidert er. »Gleich komme ich. Erst muss ich im Store...«

»Komm her! Sofort auf der Stelle!« Die Stimme des Mannes nimmt jenen Klang an, der keinen Widerspruch duldet. Ja, es ist sogar ein drohender Klang.

Einen Moment zögert Noel Sloane, denn so heißt ja der Fremde.

Dann gehorcht er. Er weiß zu gut, dass die vier Kerle die Sache jetzt zu einer Prestigeangelegenheit machen würden. Als er nach den Brandzeichen der Pferde blickt, erkennt er an allen vier Tieren das gleiche Brandzeichen. Es ist ein verschnörkeltes K, das fast wie eine dieser alten, spanischen Kandaren wirkt.

Aber er hat von diesem Brandzeichen schon gehört. Es gehört Joshua Kingfisher, einem mächtigen Cattle King.

Folgsam geht Noel Sloane also hinüber, bindet sein Pferd neben den anderen am Wassertrog an und betritt die Veranda.

Nun kam auch der Wirt heraus, ein glatzköpfiger Bursche, der es nötig hätte, einmal mit einem Stück Seife zum See zu gehen und sich dort lange und gründlich einzuseifen und zu baden.

»Wer bist du, woher kommst du, und was willst du?«, fragt der Sprecher der Kingfisher-Ranch-Reiter barsch. Irgendetwas an diesem Fremden fordert ihn heraus. Er könnte wahrscheinlich nicht sagen, was es ist und warum er sich herausgefordert fühlt – aber es ist so. Er verspürt den Drang, diesen Fremden notfalls zurechtzustutzen, wenn er sich nicht freiwillig ducken sollte.

Noel Sloane sieht die vier Burschen der Reihe nach an. In seinem, stoppelbärtigen, sonnenverbrannten, etwas hohlwangigen Gesicht ist keinerlei Ausdruck zu erkennen. Was er auch denken und fühlen mag, es bleibt tief unter der Oberfläche verborgen.

Er erwidert: »Aaah, ich bin nur ein Wildpferdjäger. Und ich komme aus der Apachenwüste. Ich war hinter einem roten Hengst her. Aber dann hatte ich Mühe, den Apachen zu entkommen. Ich will hier nur etwas ausruhen, meine Vorräte ergänzen und wieder nach Osten weiter. Sonst noch Fragen?«

Sie starren ihn an, und ihr Misstrauen strömt gegen ihn.

Dann fragt ihr Sprecher: »Wildpferdjäger? Nun, dann zeig mir mal deine Handrücken, Hombre.« Noel Sloane grinst leicht.

Er hebt die Hände und zeigt ihnen seine Handrücken.

Und sie sehen die Lassonarben, wie ein rutschendes Lasso sie verursacht, wenn ein mehr als tausend Pfund schweres Wildpferd am anderen Ende kämpft.

Nun schwindet ihr Misstrauen. Aber einer von ihnen erhebt sich, geht die drei Verandastufen nieder und tritt an Noel Sloanes Pferd. Er sieht sich das Lasso genau an, öffnet dann die Satteltaschen, wühlt darin herum und schiebt Hand und Unterarm auch in die Sattelrolle, um auch dort alles zu befühlen.

Aber was er auch suchen mag – er findet nichts. Er schnuppert nochmals an der Sattelrolle und kommt dann auf die Veranda zurück.

»Nein, der kommt nicht aus einem Schafcamp«, sagt er.

»Jetzt kannst du zum Store gehen, Amigo.« Der Sprecher der Kerle grinst Sloane an.

Er starrt in Noel Sloanes graue Augen. Und plötzlich erhebt er sich mit einer geschmeidigen Bewegung. Es ist, als hätte sich ein Wolf erhoben, der sich auf einem Felsen träge in der Sonne räkelte.

Er streckt seine Hand aus.

»Zeig mir deinen Colt, ja, zeig ihn mir. Gib ihn mir!« So verlangte er barsch.

Noel Sloane zögert. Obwohl sein stoppelbärtiges Gesicht immer noch eine unbewegliche Maske bleibt, funkelt es nun einen Moment lang in seinen Augen.

Er nimmt seinen Colt vorsichtig mit zwei Fingern heraus, tut auch dies sehr langsam und spürt, wie die Kerle sich wieder entspannen. Denn sie lauerten plötzlich.

Der Sprecher aber sieht sich Sloanes Colt an.

»Aha«, sagt er dann. »Wir gehören offenbar alle zur gleichen Gilde – was die Colts betrifft. Wisst ihr, Jungens, warum er zuerst in den Store wollte? Aaah, er hat eine ungeladene Waffe. Er kommt mit einem leeren Colt aus der Apachenwüste. Hier, Hombre! Jetzt weiß ich noch besser über dich Bescheid. Und ich gebe dir einen guten Rat. Willst du einen Rat, ja, willst du ihn überhaupt?«

Noel Sloane sieht den Mann an. In seinen Augen ist jetzt nichts mehr erkennbar.

»Sicher«, spricht er. »Nur Narren hören nicht zu, wenn es Ratschläge umsonst gibt. Ich höre.«

Der Mann reicht ihm die Waffe zurück.

»Dieses Land«, sagt er, »ist Kingfisher-Land. Alles hier gehört der Kingfisher-Ranch. Es könnte sein, dass hier bald ein paar Revolverschwinger auftauchen, die einer Schafherde den Weg zum Wasser freikämpfen wollen. Und wenn du dann noch hier sein solltest, dann halte dich raus. Auch wenn du inzwischen im Store wieder Munition gekauft hast, halte dich raus! Verstanden?«

Noel Sloane nickt.

»Ich habe genug Verdruss gehabt«, sagt er. »Ich bin nicht scharf auf neuen.«

Nach diesen Worten geht er. Sein Pferd aber lässt er stehen. Er wird also zum Saloon zurückkommen, sobald er seinen Colt wieder geladen hat.

Sie sehen ihm nach.

»Das ist ein hartbeiniger Hombre«, murmelt einer. »Und du bist seinem Stolz mächtig auf die Zehen getreten, Caleb«, kichert ein anderer.

Jener Caleb Hill aber, einer der drei Vorleute der Kingfisher-Ranch, achtet nicht auf diese Worte. Denn er späht nach Süden.

Dort sieht er einige Reiter über eine Bodenwelle kommen.

Und er sagt über die Schulter zu den anderen Männern: »Jetzt kommen sie. Ja, da kommen sie. Das sind sie. Und sie wollen Wasser für ihre Schafe. Wasser für diese verdammten Stinker. Ha!«

Seine ganze Verachtung liegt zuletzt in diesem »Ha«. Es ist eine abgrundtiefe Verachtung, geboren aus tiefstem Widerwillen und dem Stolz eines Reiters, der sich hoch oben im Sattel wie einer jener Ritter vorkommt, die verächtlich auf alles niederblicken, was zu Fuß durch den Staub geht.

Und hilflose Schafe sind für solch einen Ritter mit Lasso und Colt etwas Jämmerliches. Schafe zerstören die Grasnarbe. Wo Schafe ihren Dung hinterlassen, grast für Jahre kein Rind mehr. Dies alles zusammen machen Schafe und Schäfer zu verachtenswerten Dingen.

Und wenn solche Schafe und deren Hirten nun gar Rinderleuten und deren Herden das Wasser und die Weide streitig machen wollen, dann kann es eigentlich nur eine einzige Antwort geben.

Die nahenden Reiter sind fünf an der Zahl.

Aber einer davon ist ein schon älterer Mann. Zwei sind noch sehr jung und mexikanischer Abstammung. Doch die restlichen zwei Männer gehören zu der Sorte hart gesottener Revolverschwinger, die ihre Colts vermieten und denen es nicht um die Sache geht, sondern nur um Revolverlohn.

Sie kommen als loses Rudel herangeritten.

Obwohl ihre Pferde gewiss durstig sind, sie selbst ebenfalls und der Staub sie wie gelber Puder bedeckt, reiten sie nicht zum See, sondern genau auf die vier Männer auf der Saloonveranda zu.

Denn der Saloonwirt zog sich in den Bau zurück.

Beim Store treten Noel Sloane und der Storehalter heraus. Sloane ist noch dabei, seinen Colt aufzuladen. Er hört den Storehalter neben sich seufzen und dann bitter sagen: »Das wird einen Kampf geben. Es bleibt den Schafleuten gar nichts anderes übrig. Dieser See dort ist die einzige Rettung für ihre Herde. Sie müssen mit Joshua Kingfishers Männern um das Wasser kämpfen. Oder die Schafherde verreckt jenseits der Hügel.«

Noel Sloane sagt nichts. Er würde jetzt gern in den Saloon gehen und ein Bier trinken, dann auch etwas essen.

Doch er muss warten.

Er denkt bitter: So ist diese Welt. Es gibt kein friedliches Auskommen. Es wird immer gekämpft, gestritten. Selbst hier nicht in diesem menschenarmen Land.

Die fünf Ankömmlinge halten nun an, sitzen ab und scheuchen ihre Pferde beiseite.

Und die vier Revolvermänner der Kingfisher-Ranch verlassen die Saloonveranda und treten den Ankömmlingen entgegen.

Die Stimme des alten Mannes klingt heiser und spröde: »Leute, meine Schafe müssen zum Wasser. Sie sterben sonst alle. Ich muss mit der Herde zum Wasser. Also haltet uns nicht auf. Wir wollen nur Wasser und bleiben sonst auf dem Wagenweg.«

»Daraus wird nichts«, erwidert Caleb Hill, der Anführer der Rinderleute. »Ihr seid mit eurer Schafherde in feindliches Land gekommen. Wir haben euch schon vor einigen Tagen gewarnt, näher zu kommen. Ihr habt nicht gehört. Wir halten euch auf. Denn wir haben eure Absichten erkannt. Es kommen ein halbes Dutzend Schafherden. Es ist eine Invasion. Ihr wollt Rinderweide für eure Schafe. Aber ihr bekommt hier nur den Tod. Haut ab!«

Einige Sekunden lang ist es dann still. Und man hört das schwere Atmen der Männer, auch das bittere Seufzen der Schafleute.

Dann aber zieht der alte Mann seinen Colt.

Seine vier Begleiter folgen seinem Beispiel.

Und auch die vier Revolvermänner von der Kingfisher-Ranch tun Gleiches.

Der Kampf ist im Gange, und das Krachen der Colts durchbricht die soeben noch angespannte Stille.

Pulverdampf hüllt die feuernden Männer ein. Dann tönen Rufe, Flüche, Stöhnen und die ersten schwanken, fallen zu Boden.

Es ist ein schrecklicher Kampf.

Die Schäfer kämpfen um Wasser für ihre Herde.

Und die Rinderleute versuchen, sie aufzuhalten bei diesem Tun.

Wie wird es ausgehen?

Dies fragen sich Noel Sloane und der Storehalter, die im offenen Storeeingang Deckung suchten und dennoch alles bis in alle Einzelheiten sehen können.

Es ist ein Kampf ohne Gnade.

Und er dauert auch nur wenige Sekunden.

Dann aber ist bald schon klar, nachdem Pulverdampf und wirbelnder Staub sich verzogen, dass die Schafzüchter verloren haben.

Keiner von ihnen war schnell genug.

Die vier Revolvermänner der Kingfisher-Ranch gewannen den Kampf. Gewiss, zwei von ihnen wurden angeschossen. Aber sie stehen noch auf den Beinen.

Die Kämpfer der Schafherde aber liegen am Boden.

»O du Vater im Himmel...«, flüstert der Storehalter neben Noel Sloane.

Sloane sieht sich um.

Auch bei der Poststation stehen Zuschauer. Es sind der Postagent und dessen Gehilfe, dazu zwei Frauen, wahrscheinlich die Ehefrauen dieser Männer. Eine ist zumindest zur Hälfte eine Indianerin.

Die vier Menschen bewegen sich nicht. Sie starren nur herüber.

Drüben vor dem Saloon tauchte wieder der Wirt auf, hinter ihm eine dicke Frau. Doch auch diese beiden Bürger von Apache Springs verharren.

Sloane blickt zur Seite auf den Storehalter.

»Wollt ihr ihnen nicht helfen?«, fragt er.

Der Storehalter blickt ihn erschrocken an. »Helfen? Wem? Den Schafleuten?«, fragt er staunend.

»Wem sonst?« Sloanes Stimme bekam einen verächtlichen Klang. »Die sind doch nicht alle tot. Aber sie verlieren Blut. Wollt ihr nicht ihre Wunden verbinden und euch um die armen Teufel kümmern?«

Da schüttelt der Storehalter heftig den Kopf.

»Mann«, sagt er, »Sie kennen sich hier nicht aus. Und deshalb können Sie auch einiges nicht verstehen. Deshalb wäre es besser, wenn Sie nicht solche Fragen stellten, verdammt noch mal!«

Nach diesen Worten wendet er sich um und verschwindet im Store. Drinnen im Store klingt die klagende Stimme einer Frau: »Ja, Bob, komm nur herein und schließ die Tür. Ich machte mir schon Sorgen, dass du so verrückt sein könntest...«

Mehr hört Sloane nicht, denn die Tür fällt hart ins Schloss.

Er sieht nun, dass die vier Revolvermänner wieder zur Saloonveranda gehen. Jene zwei, die verwundet wurden, setzen sich dort. Mit Hilfe der beiden anderen beginnen sie sich ihrer Hemden zu entledigen. Offenbar bekamen sie heftig blutende Streifschüsse.

Der Saloonwirt und dessen dicke Frau verschwanden für einen Moment. Doch nun tauchen sie wieder auf mit Verbandszeug, einer Flasche Schnaps, Handtüchern und einer großen Schüssel voll Wasser.

Noel Sloane verharrt immer noch und zögert.

Sein Verstand sagt ihm, dass dies alles ihn nichts angeht, er sich besser heraushielte, und genauso handelte wie die Leute der kleinen Siedlung.

Aber er muss immer wieder auf die fünf Besiegten blicken.

Zwei von ihnen liegen bewegungslos im Staub. Wahrscheinlich sind sie tot.

Zwei andere setzten sich mühsam auf und hocken nun da. Vielleicht ist ihnen noch schwarz vor Augen oder so, als drehte sich alles mit ihnen wie ein Karussell.

Aber der fünfte Mann kommt nun mit einem Ruck auf die Beine. Schwankend verharrt er und sucht die Richtung, in der er gehen muss. Als er sich endlich darüber klar ist, bewegt er sich wie ein Betrunkener. Er geht zu einem der Pferde, die sie ja vor dem Kampf zur Seite scheuchten.

Als er sein Pferd erreicht hat, muss er sich daran festhalten und Kraft sammeln. Doch dann öffnet er eine der beiden Satteltaschen und holt etwas heraus. Als er sich damit umwendet, kann Noel Sloane erkennen, dass es sich um Verbandszeug handelt. Und um eine Flasche, in der sich wahrscheinlich Tequila befindet, zumindest jedoch irgendein hochprozentiger Schnaps.

Noel Sloane begreift, dass der ebenfalls böse angeschossene Mann all seine Zähigkeit und Kraft aufwendet, um seinen noch schlimmer verwundeten Gefährten Hilfe zu bringen.

Aber eigentlich braucht er selbst Hilfe. Und sicherlich wird er zusammenbrechen, bevor er seinen Gefährten helfen kann.

Noel Sloane bewegt sich plötzlich. Er kann nicht anders. Er muss es ganz einfach tun. Und so geht er hin zu jenem Mann, der jetzt bei einem der am Boden hockenden Verwundeten kniet. Er hockt sich gleichfalls nieder und fragt: »Kann ich euch ein wenig helfen, Bruder? Ich gehöre nicht zur Kingfisher-Ranch. Ich bin fremd hier. Und ich kann nicht mit ansehen, wie ihr hier im Staub verblutet.«

Der Mann starrt ihn aus geröteten Augen an.

»Nun, Freund, dann hilf uns«, spricht er heiser. »Aber wenn du uns hilfst, dann nehmen dir das die Kingfisher-Reiter gewiss übel. Ich warne dich also.«

Seine Stimme enthält zuletzt die ganze Bitterkeit der Welt.

Aber Noel Sloane achtet nicht auf die Warnung.

Er hat sich nun einmal zur Hilfe entschieden. Und dabei bleibt es.

Er ist ziemlich schnell fertig mit seiner Hilfe. Denn viel kann er nicht tun. Zwei der Schafherdenreiter sind tot. Die Kugellöcher der anderen stopft er zu, so gut er kann, legt Verbände an, klebt Pflaster darüber. Dann hat er das Verbandszeug verbraucht. Er tränkt die Verbände mit reichlich Schnaps, nimmt auch selbst einen Schluck und lässt natürlich auch die stöhnenden Verwundeten etwas nehmen.

Als er sich aus der knienden Haltung erhebt, denkt er bitter: Aaah, sie brauchen ein Bett und gute Pflege, am besten die eines richtigen Arztes. Ich kann nichts mehr für sie tun.

Sporenklingelnde Schritte nähern sich vom Saloon her.

Er blickt sich um, und er sieht den beiden unverletzt gebliebenen Männern der Kingfisher-Ranch entgegen.

Jener, der offensichtlich der Anführer ist, sagt hart: »Da du ein Freund dieser Stinker bist, wirst du sie jetzt fortbringen. Wir helfen dir beim Aufladen. Und dann reitest du auf ihrer Fährte mit ihnen zurück bis zu der Schafherde. Dort kannst du sie übergeben. Und du wirst dort ausrichten, dass es jedem so ergeht wie ihnen, der den Schafen den Weg durchs Rinderland freikämpfen will. Diese Schafleute können nur zwei Dinge tun, nämlich aufgeben oder sterben. Verstanden?«

Sloane sieht den Mann an, betrachtet auch den zweiten. Er hat sie kämpfen gesehen, und er weiß, dass er sie zu zweit nicht schlagen könnte, selbst wenn er es wollte. Doch er will das ja auch gar nicht.

Er nickt, und er murmelt: »Mister, ich will dir sagen, warum ich tun werde, was du mir sagtest. Ich bin ein Christenmensch, verstehst du, ein Christenmensch! Ich kann nicht zusehen, wenn Männer, die für durstende Tiere kämpften, im Staub verbluten. Und mein Name ist Sloane, Noel Sloane. Wie heißt du denn, Mister?«

Der Mann grinst. »Ich bin Caleb Hill«, sagt er. »Ich bin der zweite Vormann von den drei Vorleuten der Kingfisher-Ranch. Und wenn du etwas haben möchtest, was ich dir geben könnte, dann komm nur und melde dich bei mir. Hau ab mit diesen Stinkern! Oh, hau endlich ab! Wir helfen dir, sie auf die Pferde zu heben. Na los!«,

Noel Sloane sagt nichts mehr.

Er ist selbst sehr müde und ausgebrannt. Er hätte sich gerne im Saloon ein Bier bestellt und ein Steak gegessen.

Doch er verzichtet darauf. Sie heben die Verwundeten und die Toten nacheinander auf die Pferde. Die beiden Toten legen sie quer über die Sättel, binden sie fest.

Dann reitet er mit den Toten und Verwundeten davon, genau nach Süden, woher die Schafleute kamen. Er sieht die Hufspuren ihrer Pferde im Staub des Wagenwegs.

Einmal fragt er: »He, wie weit ist es bis zu eurer Herde?«

Einer der Verwundeten krächzt heiser: »Etwa fünf Meilen müssen es noch sein! Und wenn die Schafe in der kommenden Nacht kein Wasser bekommen, krepieren sie Tier für Tier. Sie sind am Ende. Fünftausend Schafe werden sterben, wenn sie nicht bald Wasser bekommen.«

»Das geht mich nichts an«, erwidert Noel Sloane. »Ich bringe euch nur zu euren Leuten – sonst geht mich dies alles nichts an.«

Der Verwundete sagt nichts darauf, hustet und stöhnt nur erbärmlich und hält sich mühsam am Sattelhorn fest. Er hat einen Schulterdurchschuss, und sein Ausschussloch ist mächtig groß. Wahrscheinlich wird er fünf Meilen gar nicht im Sattel bleiben können. Sloane wird ihn festbinden müssen wie die Toten. Verdammt noch mal, denkt er. In was bin ich da hineingeraten?

Der Wagen taucht dann ganz plötzlich vor ihnen auf.

Es ist auf den ersten Blick einer dieser typischen Planwagen, wie auch die Siedler auf ihren Wegen nach Westen welche benutzen. Es ist ein Conestoga-Schoner.

Gezogen wird er von vier Maultieren. Und gefahren wird er von einem Mädchen. Oder ist dieses Mädchen schon eine Frau?

Indes Noel Sloane näher kommt, wird er sich darüber klar, dass das weibliche Wesen dort auf dem Wagen doch etwas älter ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Als sie der Verwundeten und Toten ansichtig wird, hält sie mit einem Ruck den Wagen an und springt zu Boden.

Hinter dem Planwagen folgten zwei jener typischen Hirtenkarren. Es sind Kästen, die auf großen Rädern fahren, Vollrädern. Es sind mexikanische zweirädrige Hirtenwagen. Auch sie halten an. Die Fahrer kommen nach vorn gelaufen.

Das Mädchen aber starrt zu Sloane empor.

Er findet sie sehr beeindruckend. Sie hat leuchtend blaue Augen, einen vollen Mund und blitzende Zähne. Auf ihrer Nase und den Wangenknochen sind Sommersprossen. Und ihr Haar ist schwarz. Er glaubt, dass dieses Mädchen irisches und mexikanisches Blut in sich hat. Und es ist seiner Meinung nach eine äußerst gelungene Mischung.

Doch die Situation ist nicht danach, dass er sich an ihrem Anblick erfreuen könnte, ohne an andere Dinge zu denken.

Er hört sie mit etwas kehliger Stimme fragen: »He, Cowboy, schickt der große Joshua Kingfisher Sie? Was hat er Ihnen aufgetragen, mir auszurichten?«

Noel Sloane sitzt noch im Sattel.

Er blickt auf die beiden nach vorn kommenden Fahrer der Hirtenwagen. Die beiden Männer sind typische mexikanische Hirten. Sie tragen nicht einmal Schusswaffen.

Aber sie nehmen sich jetzt der Verwundeten an, helfen diesen von den Pferden und betten sie auf dem Boden neben dem Wagenweg.

Das Mädchen verlässt Noel Sloane plötzlich, wartet gar nicht auf dessen Antwort. Sie eilt zum Wagen, holt von dort einen Wassersack, Decken und erteilt Anordnungen.

Sie handelt sehr umsichtig und erfahren, ganz und gar wie eine Frau, die sich schon in ähnlichen Situationen befand. Noel Sloane glaubt plötzlich, dass diese junge Frau gewiss nicht so schnell den Kopf verlieren würde.

Sein Verstand sagt ihm, dass er jetzt sein Pferd wenden und fortreiten sollte.

Verdammt, ist sie noch ein Mädchen oder schon eine Frau? Vielleicht ist sie sogar die Frau eines der Verwundeten oder Toten?

Doch Letzteres glaubt er plötzlich nicht. Denn dann wäre sie gewiss sofort zu diesem Mann hingelaufen und hätte ihm, Noel, nicht erst die beiden zornigen Fragen gestellt.

Sie interessiert ihn von Sekunde zu Sekunde stärker. Denn offensichtlich ist sie der Boss. Immer noch zögert er, weiß nicht, was er tun soll.

Er kann erkennen, dass die drei Verwundeten bei ihr und den beiden Hirten in den besten Händen sind. Denn Hirten sind zumeist sehr erfahren in der Wundpflege und der Behandlung von Krankheiten. Der ständige Umgang mit den Schafen, das Leben in der freien Natur und die Kenntnisse vieler Heilpflanzen haben sie zu Heilkundigen gemacht. Ihre Vorfahren vererbten ihnen viel von ihrem Wissen in dieser Hinsicht. Aber da sind noch die beiden Toten auf den Pferden festgebunden. Weil man sich zuerst um die Lebenden kümmern musste, konnte man sich noch nicht der beiden Toten annehmen.