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Kirby Savage ist Deputy in El Toro. Als er mit dem alten Sheriff Mac Flanagan losreitet, um den Posträuber und Mörder Jake Means zur Verhandlung nach Concho zu bringen, da wissen die beiden Männer, dass es ein Ritt ohne Wiederkehr werden kann.
Denn in Concho geht es um mehr als um einen einfachen Gerichtstermin. Es geht um das geraubte Postgeld, um Macht und Einfluss der berüchtigten Mclntire-Sippe, die entschlossen ist, die Herrschaft über das gesamte Concho-Land anzutreten...
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Seitenzahl: 180
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Ritt ohne Wiederkehr
Vorschau
Impressum
Ritt ohne Wiederkehr
Als es ans Fenster klopft, ist Kirby Savage sofort wach. Er stellt zweierlei fest: dass die Sonne scheint, es draußen also schon Tag ist, und dass Manuela im Schlaf wie eine Katze schnurrt.
Er betrachtet ihr rassiges Gesicht und entdeckt den dunklen Haarflaum über ihrer Oberlippe. Erschreckt denkt er: Wenn sie älter ist, wird sie nicht nur schnurren wie eine Katze, sondern laut schnarchen. Und sie wird einen Schnurrbart bekommen.
Er versucht sich vorzustellen, wie Manuela in zehn oder zwanzig Jahren aussehen wird, wenn sie füllig geworden ist. Dabei verspürt er Widerwillen. »Oh«, stöhnt er unwillkürlich. Dann greift er sich an den schmerzenden Kopf und denkt: Roten Wein vertrage ich nicht so gut wie Whisky. Ich sollte nie mehr diesen roten Wein trinken, den schon die Spanier schluckten wie die Löcher ...
Nun klopft es wieder ans Fenster. Eine leise Stimme ruft: »He, Kirby! Kirby, wach auf! Hörst du mich, Kirby?«
Dieser blickt auf Manuela. Die Schöne in seinem Arm schnurrt noch immer. Er erinnert sich, dass sie gewiss nicht weniger Wein trank als er. Eigentlich müsste sie noch zwei Tage betäubt sein. Und so löst er sich vorsichtig von ihr und steigt aus dem Bett, das ihm ohnehin zu weich war.
Als er das Fenster öffnet, sieht er Les Fargo, einen der anderen Deputies, im Garten zwischen zwei Rosenbüschen stehen. Les Fargo reicht ihm grinsend eine abgebrochene Rose und sagt: »Schenk sie Manuela zum Abschied – oder leg sie ihr auf den Bauch, sollte sie noch schnarchen. Und dann beeil dich, denn der Boss will dich auf der Stelle sehen. Na, komm schon!«
»So doch wohl nicht«, erwidert Kirby Savage und deutet auf seinen nackten Körper. »Ich darf mich doch noch anziehen – oder?«
Les Fargo grinst breit. »Ich würde mir lieber Manuelas Bauch ansehen«, sagte er und geht davon.
Kirby Savage fährt in seine Kleidung.
Dann nimmt er die Rose vom Fensterbrett und legt sie auf Manuelas Nachttisch.
Er kennt den Weg gut genug. Er könnte ihn mit verbundenen Augen gehen.
Wenig später steht er vor seinem Boss, dem Sheriff von El Toro.
Sheriff Calhoun betrachtet seinen Ersten Deputy kritisch.
»Kannst du mit diesem Brummschädel überhaupt reiten?«
Kirby Savage grinst. »Kommt drauf an, wohin.«
Nun grinst auch der Sheriff.
»Das glaub ich dir, du Witwentröster«, brummt er. »Du sollst mit einem Gefangenen nach Concho. Und wenn du glaubst, dass du unterwegs im Sattel deinen Rausch ausschlafen kannst, dann wird das für dich ein Ritt ohne Wiederkehr. Dann nämlich saust du unterwegs zur Hölle. Verstanden?«
»Genau.« Kirby Savage nickt. »Es wird also kein Vergnügungsritt. Und ich weiß auch schon, wen ich nach Concho bringen soll. Es kommt da ja wohl nur ein ganz bestimmter Hombre in Frage. Aber warum gerade ich? Eigentlich hab' ich noch bis nach dem Mittagessen frei – oder?«
Und wieder grinst Sheriff Calhoun auf eine Weise, die an einen grimmigen Nussknacker denken lässt. Wer den Sheriff so grinsen sieht, der glaubt sofort, dass er mit seinem Gebiss auch Steine zu Pulver zermahlen könnte.
»Du bist ab sofort wieder im Dienst«, sagt er zu Kirby Savage. »Und warum ich gerade dich schicke? He, soll ich vielleicht Les Fargo beauftragen, he?«
Kirby Savage denkt scheinbar ernsthaft nach. Dann schüttelt er den Kopf, lässt es aber schnell wieder sein, da er zu platzen droht wie eine aufgeblasene Schweinsblase in der Sonne, wenn die Luft in ihr sich zu sehr ausdehnte.
»Ach«, sagt er nur, »bisher konnte ich immer recht gut für mich sorgen. Es gibt da über mir stets ein Schutzengelchen. Das war schon so, als ich als kleines Kind in einen Fluss fiel...«
Er hält inne, denn der Blick des Sheriffs ist drohend.
»Du reitest nicht allein«, sagt der Sheriff. »Es kam nicht irgendwer aus Concho, sondern mein Kollege höchstpersönlich. Ja, es handelt sich um unseren Gefangenen, den wir nur ausleihen. Ich möchte, dass du ihn wieder zurück nach El Toro bringst, verstehst du? Hierher zurück! Deshalb schicke ich dich mit, dich, meinen besten Mann. Verstanden? Er soll hier hängen!«
Er pocht nach seinen Worten hart auf die narbige Schreibtischplatte und hat ein hartes Funkeln in den Augen.
»Sie brauchen ihn in Concho nur als Zeugen«, fügt er hinzu. »Das wurde von einem Richter angeordnet, der entweder keine Ahnung hat von den Problemen, die er damit schafft, oder dem sie völlig gleichgültig sind, weil er sich damit nicht rumzuschlagen braucht. Nun, viel Glück, mein Junge.«
Kirby Savage will nicken, doch er denkt rechtzeitig an seinen Kopf und wendet sich recht vorsichtig ab. Er geht in das nebenan liegende Gefängnis, in dem sich ein halbes Dutzend Gitterkäfige befinden. Drei dieser Zellen sind belegt. Vor einer steht ein Mann, der sich Kirby Savage langsam zuwendet. Der Mann ist fast so alt wie Sheriff Calhoun, grau, hager, nur mittelgroß, doch noch sehr zäh und drahtig, mit scharfen Zügen und Falkenaugen.
Kirby Savage kennt ihn, denn er war schon einige Male in Concho und im Concholand. Aber das ist lange her.
»Hey, Flanagan«, sagt er, »Sie sind selbst gekommen, oho?«
»Sicher.« Sheriff Mac Flanagan aus Concho nickt. »Ich habe es nicht so gut wie Calhoun. Der hat Sie, mein Junge. Ich aber...«
Er spricht nicht weiter, sondern macht nur eine geringschätzige Bewegung. Sie kann nur seinen eigenen Deputies in Concho gelten, über die er jedoch nicht reden will.
Kirby Savage tritt zu ihm an die Gittertür der Zelle und blickt hinein.
Drinnen in der Zelle hockt ein hübscher Bursche auf der harten Pritsche, ein blonder, blauäugiger Junge, dessen Lächeln gewiss jedes weibliche Wesen bezaubern kann. Aber sein angenehmes Äußere täuscht. Als sie ihn hier in El Toro daran hindern wollten, ein besonders gutes Pferd zu stehlen, erschoss er einen Mann und verwundete zwei ziemlich schwer.
Aber dann holte ihn Kirby Savage mit dem Lasso aus dem Sattel.
Und deshalb begrüßt der Gefangene den Deputy nun mit den Worten: »Ay, Hechicero de cuero!« – was so viel bedeutet wie »Zauberer mit dem Lederseil«.
Kirby Savage nickt ihm durch die Gitterstäbe zu.
»Dass du noch mal spazieren reiten dürftest«, sagt er, »hätte ich nicht gedacht. Ich hab' eine gute Nachricht für dich, Jake Means.«
»Ja?«
»Ich reite mit.« Kirby Savage grinst. »Und so kannst du ziemlich sicher sein, dass du wieder zurück in diese Zelle kommst, bevor sie dich hängen.«
»Da geh ich jede Wette ein, dass dies nicht geschieht«, sagt der Gefangene und erhebt sich geschmeidig von der Pritsche. Er tritt näher. Und so lässig er sich auch gibt, man sieht ihm an, dass er sich so leicht und blitzschnell bewegen kann wie ein Wildkater.
»Dies wird ein Ritt ohne Wiederkehr«, sagt er dann dicht vor den Gitterstäben. »Und wenn du Pech hast, Deputy, dann wird das auch für dich solch ein Ritt. Verstehst du?«
Kirby Savage nickt.
Und ihm fällt auf, dass der Gefangene die gleichen Worte benutzt wie der Sheriff zuvor.
Ritt ohne Wiederkehr.
Kirby Savage nickt dem Sheriff aus Concho zu.
»In einer halben Stunde«, sagt er, »können wir reiten. Recht so, Flanagan?«
Der grauköpfige Jagdfalke nickt. »Aber steck deinen Kopf vorher tief ins Wasser, mein Junge.«
Kirby Savage tritt einen Schritt näher.
»Eines wollen wir sofort klarstellen, Flanagan«, murmelt er. »Ich bin nicht Ihr Junge. Vielleicht könnten Sie vom Alter her mein Vater sein – doch ich kenne Sie nicht gut genug. Mein Name ist Savage, Kirby Savage. In einer halben Stunde also.«
Er wendet sich zur Tür. Und er hört den Gefangenen in der Zelle leise lachen und zu Sheriff Flanagan sagen: »Der ist stachelig wie ein Kaktus, nicht wahr? Der will sich nicht Junge nennen lassen. Aber mich, Sheriff, mich können Sie Ihren Jungen nennen. Ich würde mich geehrt fühlen! Ich bin nicht wählerisch, hahaha!«
»Oh, halt dein Maul, Means«, sagt Sheriff Flanagan kalt. »Denn es kommt nur Mist raus – nur Mist!«
✰
Als sie aus der Stadt reiten und an Manuelas Haus vorbeikommen, tritt diese an die Gartenpforte und gestikuliert unmissverständlich mit den Händen.
Kirby Savage bleibt zurück und lenkt sein Pferd hinüber. Vom Sattel aus blickt er auf Manuela nieder. Dabei denkt er: Wie hat sie das gemacht? Mir brummt der Schädel – und sie sieht schon wieder ganz erfreulich aus, frisch wie eine Wildblume am frühen Morgen. Dabei hat sie mit mir um die Wette getrunken vom roten Wein. Heiliger Rauch, was kann die vertragen!
Er hört sie lächelnd sagen: »Wann kommst du wieder, mein wilder Bulle? Du weißt doch, dass ich meine Brüder und die Tanten benachrichtigen muss, damit sie kommen, um dich zu besichtigen. Aber in vier Wochen könnten wir die Hochzeit gewiss stattfinden lassen. Bis dahin wird alles –«
»Was?«, fragt er. Und weil er befürchtet, vielleicht nicht richtig gehört zu haben, steckt er den kleinen Finger in das ihr zugewandte Ohr und rüttelt kräftig.
»Was ist los – Hochzeit?«
Ihre dunklen Augen beginnen zu funkeln. »Sicher«, sagt sie. »Du hast um meine Hand angehalten in der vergangenen Nacht, als wir zusammen waren. Ich hätte mich doch sonst gar nicht mit dir eingelassen. Doch als deine Verlobte... Nun, meine Brüder werden mir das gewiss verzeihen. Aber wenn wir schnell Hochzeit halten...«
Sie verstummt – und dennoch hat sie soeben sehr viel gesagt. Er begreift es. Ihre Brüder werden ihm die Haut abziehen, wenn sie ihnen sagt, dass er ihr nur deshalb die Ehe versprach, weil er sie für ein paar Nächte bekommen wollte, und nun sein gegebenes Wort brechen will.
Ihm wird heiß bei dem Gedanken. Denn er hat schon von ihren Brüdern gehört. Das sind ein paar schlimme Hombres an der Grenze zwischen El Paso und Nogales.
Er schluckt mühsam und spürt dabei genau, wie sorgfältig sie ihn beobachtet.
»Oh, mein Täubchen«, sagt er, »es ist schwer zu sagen, wann ich wiederkomme – oder ob überhaupt. Vielleicht wird dies ein Ritt ohne Wiederkehr für mich. Am besten wäre es, du könntest mich vergessen und würdest Ausschau nach einem anderen zweibeinigen wilden Bullen halten. Es gibt ja genug davon in diesem Land. Und du bist schön, du schaffst es gewiss bald, dir einen besseren zu angeln.«
Sie aber ruft ihm nach: »Ich benachrichtige Pedro und Hurtado!«
Sie ruft noch mehr, doch er kann es durch den Hufschlag seines nun galoppierenden Pferdes nicht mehr hören.
Als er schon fast bei den zwei anderen Reitern ist, denkt er an seine Worte. Auch er redete von einem Ritt ohne Wiederkehr.
Verdammt, diese drei Worte!
Hatten sie vielleicht Symbolkraft?
Der Gefangene sieht sich nach ihm um.
»Ist das die Puta, die du so gern vernaschst? Hast du ihr gesagt, dass sie dich vielleicht nicht wiedersehen wird?«
Er gibt Jake Means keine Antwort, blickt ihn nur schrägäugig an. Und weil Jake Means einen ausgeprägten Instinkt für Gefahr hat, hält er jetzt lieber den Mund.
Sie reiten schweigend. Es ist Mittag geworden. Sie legen Meile um Meile zurück. Ihr Weg führt nach Westen. Concho liegt am Concho Creek, nicht weit von der Grenze nach Sonora. Der grauköpfige Sheriff Flanagan aus Concho reitet ständig an der Spitze. Seine graue Stute ist ein narbiges Wüstenpferd, keine Schönheit, aber gewiss von unwahrscheinlicher Ausdauer und Zähigkeit.
Der alte Sheriff hockt lässig im Sattel. Und dennoch entgeht ihm nichts in der Umgebung.
Kirby Savage wird sich immer stärker darüber klar, dass er mit einem alten, erfahrenen Jagdfalken reitet, der es im Sattel mit jedem jüngeren Mann aufnehmen kann, vielleicht sogar mit ihm, Kirby Savage.
Er denkt auch darüber nach, wie viele Meilen es bis Concho sind und wann sie dort ankommen könnten. Er versucht sich den Weg vorzustellen. Dieser Weg durch die Berge ist ein verdammter Trail in einem Land, das bei aller wilden Schönheit gnadenlos ist.
Es gibt Apachen und Banditen zu beiden Seiten der Grenze.
Und es gibt da und dort Goldminen, kleine Siedlungen und Ortschaften.
Manchmal reiten Armeepatrouillen durch das Land.
Und den heißen Tagen folgen kalte Nächte.
Wenn alles gut geht, so denkt Kirby Savage, reiten wir diesen Tag noch, dann den nächsten Tag – und den übernächsten bis gegen Mittag. Und wenn wir in den beiden Nächten nicht oder nur kurz rasten, sind wir entsprechend früher in Concho. In Luftlinie ist ja die Entfernung gar nicht so weit. Doch wir müssen durch die Santa Catalinas, und zwar die östlichen auf dieser Seite des San Pedro Valley. Na schön, irgendwie werden wir das wohl schaffen.
✰
Als sie nach Anbruch der Nacht am Feuer sitzen und gegessen haben, da fragt Kirby Savage ruhig: »Warum mussten Sie eigentlich selbst reiten, Flanagan? Gibt es in Concho keinen Mann, den Sie schicken konnten?«
Flanagan blickt ihn fest an.
»Nein«, sagt er, »keinen einzigen. Und ich muss Ihnen wohl endlich auch sagen, in was Sie hineinreiten werden, Savage.«
Er macht eine kleine Pause, nimmt erst ein Stück glühendes Holz aus dem Feuer, um sich seine alte Pfeife anzuzünden.
»Im Concholand gibt es die McIntires. Sie haben gewiss von ihnen gehört. Dieser Bandit soll gegen einen McIntire aussagen. Wenn er seine Aussage beschwört, wird Kip McIntire hängen. Und das hätten die anderen McIntires nicht so gern. Also, was werden sie tun?«
Er verstummt nach dieser Frage und überlässt es Kirby Savage, sich das alles selber auszudenken.
Und Kirby Savage denkt sehr gründlich nach.
Denn es gibt da mehr als eine Möglichkeit.
Es könnte sein, dass die McIntires den Mann, der gegen einen Angehörigen ihres Clans aussagen will, einfach zur Hölle schicken. Das kann irgendwo auf dem Weg nach Concho geschehen. Es wäre da nur ein Hinterhalt notwendig – und natürlich ein guter Schütze mit einem weit reichenden Gewehr.
Es war aber auch möglich, dass die McIntires den Gefangenen lebend in ihre Hand bekommen wollten.
Der Gefangene, der bis jetzt schwieg, aber die beiden Männer abwechselnd beobachtete, sagt nun trocken: »Jetzt geht dir wohl langsam der Hintern auf Grundeis, Lassozauberer, wie?«
Kirby Savage betrachtet ihn im Feuerschein.
»Du bist wirklich kein feiner Mann, Means«, sagt er. »Warum sollte ich mir Sorgen machen wegen dir und den McIntires? Wenn sich jemand Sorgen machen muss, dann bist du das. Denk mal richtig nach, Hombre.«
Aber da lacht Jake Means nur. So lacht ein Mann, der sich seiner Sache mehr als sicher ist.
»Mir kann gar nichts passieren«, sagt er dann. »Das werdet ihr zwei Narren schon noch rausfinden. Und dir, Deputy, bin ich ja noch was schuldig, nicht wahr? Es war hinterhältig und gemein, mich mit einem Lasso von einem galoppierenden Pferd zu reißen. Ich hätte mir das Genick brechen können. Dir zahl ich das schon noch zurück, mein Freund. Warte nur, wenn wir im McIntire-Land sind.«
Er verstummt nach diesen Worten, nimmt sich einen Pfannkuchen vom Stapel, rollt ihn zu einer Wurst zusammen und schiebt ihn sich bis zur Hälfte in den Mund. Er kaut bald mit vollen Backen und macht den Eindruck eines zufriedenen Mannes.
Kirby Savage wirft einen Blick auf den Sheriff – und er erkennt, dass dieser seine ganze Aufmerksamkeit auf irgendwelche anderen Dinge gerichtet hat. Flanagan starrt unter seiner Hutkrempe hervor in die Nacht und scheint angespannt zu lauschen.
Plötzlich verspürt auch Kirby Savage die Warnsignale. Er hört auch, dass die Pferde sehr unruhig wurden.
Und als der alte Sheriff plötzlich zischt: »Aufgepasst«, da ist er längst bereit.
Und einen Sekundenbruchteil später kommt der Angriff.
Es sind Apachen, nicht viele, kaum mehr als eine Hand voll.
Sie versuchen es mit dem alten Trick, nämlich mit einem markerschütternden Angriffsschrei, der den angegriffenen Gegner für jenen wichtigen Sekundenbruchteil, auf den es ankommt, lähmen soll.
Denn in diesem Sekundenbruchteil wollen sie auf Nahkampfnähe heran sein.
Diesmal schaffen sie es nicht, nein, diesmal nicht – obwohl sie diese Kampfart schon seit frühester Jugend üben.
Kirby Savage schießt zuerst. Er ist unheimlich schnell mit dem Colt. Seine Reaktion ist ein gedankenschneller Reflex.
Er trifft zwei der Apachen mitten im Sprung. Sie scheinen durch den Einschlag der Kugeln einen Moment in der Luft zu verharren – aber natürlich ist das nur Einbildung. Er muss ihnen dennoch ausweichen, denn der Schwung trägt ihre Leiber gegen ihn.
Auch der Sheriff schießt blitzschnell. Er ist nicht viel langsamer als Savage. Dennoch verwundet ihn einer der Apachen mit dem Messer. Es sollte des Sheriffs Herz treffen – aber es ritzt nur eine Rippe.
Einer der Apachen wirft sich auf Jake Means, versucht ihm das Messer in den Bauch zu jagen.
Means ist schnell, weicht aus und bekommt das Gelenk der Messerfaust zu fassen. Er und der Apache gehen zu Boden, rollen übereinander – und auch durch das Feuer. Funken fliegen. Brennende Holz- und Kakteenstücke haften an der Kleidung der keuchenden Männer, und dann bekommt Means den Apachen über dem Feuer unter sich, hält ihn fest in dieser Lage, grausam und unerbittlich. Der Apache kämpft verzweifelt, aber Means biegt die messerbewehrte Hand um und rammt ihm das eigene Messer in die Brust.
Dann rollt er sich fort, hält bei einem anderen toten Apachen inne. Dieser trägt einen Colt im Gürtel.
Jake Means reißt die Waffe an sich, richtet sich etwas auf und zielt auf Savage.
Dies alles geschieht blitzschnell. Es ist kaum wahrnehmbar, weil ja das Feuer auseinandergerissen wurde. Qualm und Rauch erschweren die Sicht.
Jake Means hätte es fast geschafft – fast!
Doch als er abdrückt, schlägt der Hammer zwar zu, doch es löst sich kein Schuss.
Jake Means flucht wild, und er greift Kirby Savage nun mit gleicher Wildheit an wie ein Apache. Er benutzt den Revolver als Keule – doch er schlägt damit ins Leere, stolpert dabei vom eigenen Schwung getragen vor und bekommt von Kirby Savage einen Tritt von der Seite gegen das Knie. Er geht zu Boden, und dort bleibt er liegen. Denn das Knie schmerzt, und er ist zu klug, sich jetzt so einem Kampf zu stellen. Er weiß, dass der Deputy aus El Toro nur darauf wartet, ihm tüchtig das Fell zu gerben. Mit seinem angeknacksten Bein hätte Means keine Chance. Er weiß es, und deshalb bleibt er liegen und stöhnt nur.
Auch Kirby Savage sagt nichts.
Der Sheriff bewegt sich nach einer Weile zuerst. Er zieht den toten Apachen aus dem Feuer, scharrt es wieder zusammen und legt trockene Kakteenstücke nach, sodass es bald wieder etwas Helligkeit verbreitet.
»Einer ist entkommen«, sagt er schließlich und lauscht in die Ferne. Aber es ist nichts zu hören. Und dennoch reitet irgendwo dort in der Nacht jetzt ein überlebender Apache mit einigen ledigen Pferden davon.
»Es waren sechs, nicht wahr?«, fragt der Sheriff und richtet seinen Blick auf Kirby Savage.
»Ja«, nickt dieser, »ich glaube schon. Einer ist jetzt unterwegs.«
Sie sehen sich einige Atemzüge lang im Feuerschein an, und beide wissen sie, dass dieser eine Apache ihnen noch eine Menge Verdruss bereiten kann, wenn sich eine größere Bande in der Nähe befindet, zu der das kleine Rudel gehörte.
Der Sheriff bewegt sich wieder, geht nacheinander zu den fünf Toten und untersucht deren Waffen. Dabei hält er sich die Seite, wo das Blut aus der Wunde läuft.
Als er fertig ist mit seiner Untersuchung, sagt er ruhig: »Die Apachen hatten keine Munition mehr. Alle Waffen sind leer. Sie konnten nicht mal mehr jagen. Deshalb wagten sie den Angriff mit Messern. Sie wollten unsere Waffen mit der Munition. Savage, Sie sind sehr schnell mit dem Colt. Ich sah noch keinen Mann schneller und besser schießen. Noch keinen!«
Kirby Savage schüttelt unwillig den Kopf.
»Ach was«, sagt er, »es gibt immer einen schnelleren Mann – irgendwann und irgendwo. Sie sind auch nicht gerade langsam, Flanagan. Na gut, was machen wir? Verlegen wir das Camp?«
»Wir reiten zumindest zehn Meilen«, entscheidet sich der Sheriff.
Sie schweigen nun beide und blicken auf Jake Means.
Dieser setzt sich langsam auf und massiert sein Bein in Höhe der Kniekehle.
»Mann«, sagt er, »du hast mich wie ein Pferd getreten. Dabei wollte ich dir nur den Schädel einschlagen mit dem leeren Colt. Dass dieser verdammte Apache auch nicht mal mehr 'ne einzige Kugel in der Waffe hatte...«
Er starrt abwechselnd auf Flanagan und Savage.
»Na, ihr seid mir doch wohl nicht böse, dass ich meine Chance nutzen wollte?«
✰
Als es Tag wird und sie sich nach einem kurzen Schlaf erheben, murrt Jake Means über die Handschellen, die sie ihm anlegten.
Aber Kirby Savage achtet nicht darauf. Er beobachtet den Sheriff, und es entgeht ihm nicht, dass dieser sich schief hält und sich sehr vorsichtig, fast mühsam, bewegt.
Die Messerwunde ist wohl schlimmer, als er des in der Nacht andeutete, als er geringschätzig von einem Kratzer sprach.
Mac Flanagan hatte seine Wunde selbst versorgt, nachdem sie fast zehn Meilen geritten waren. Vorher hatte er nur sein zusammengelegtes Halstuch unters Reithemd geschoben und gegen die Wunde gepresst.
Nun aber muss er Schmerzen spüren, die heftiger sind, als sie es normalerweise bei solch einer scheinbar leichten Wunde sein dürften.
Kirby Savage spricht ruhig: »Flanagan, vielleicht sollte ich mal nach Ihrer Wunde sehen...«
»Nein«, sagt Flanagan, »das ist nur ein Kratzer. Ich brauch keinen Doc wie Sie. Solche Wunden habe ich schon oft gehabt. Das ist nichts, gar nichts.«
Kirby Savage nickt ruhig. Dann greift er in die Satteltasche und holt eine kleine Flasche hervor.
»Das ist hochprozentiger Schnaps«, sagt er. »Tränken Sie Verband und Wunde damit, wenn Sie mich schon nicht nachsehen lassen. Solch ein Apachenmesser kann so giftig sein wie ein Schlangenzahn. Also – hier, nehmen Sie, Mister. Sie sind ja noch störrischer als ein Armeemaultier. Na?«
Mac Flanagan zögert. Dann nimmt er die Flasche, öffnet sie und auch sein Reithemd und gießt einen tüchtigen Schuss des hochprozentigen Schnapses auf Verband und Wunde. Das Zeug muss ziemlich schlimm brennen, denn er knirscht mit den Zähnen.
Jake Means sagt: »Ich würde gern mal 'nen Schluck trinken. Ich hab' ein krankes Bein, weil mich ein Bulle trat.«
Aber sie achten nicht auf seine Worte. Kirby Savage beobachtet den Sheriff aufmerksam – und der Sheriff hat sich darauf konzentriert, stolz, abweisend und störrisch zu sein.