G. F. Unger Sonder-Edition 259 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 259 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Banditen rauben in Clayborne die Bank aus. Sie töten den Kassierer und den Sheriff, versorgen sich auf Joe Kanes Pferderanch mit frischen Pferden und richten unter den anderen Tieren ein grausiges Blutbad an. Dann entkommen sie unerkannt mit ihrer Riesenbeute.
Doch Kanes indianischer Ranchgehilfe hat gehört, wie sie sich ihren Treffpunkt zuriefen: Riverbee Saloon. Sterbend flüstert er seinem Rancher den Namen zu, und Joe Kane, der ehemalige Gesetzesmann und Städtebändiger, begibt sich auf die lange Suche nach diesem Saloon. Er weiß, dass er die Stecknadel im Heuhaufen sucht. Er weiß auch, dass er in die Hölle reitet, aber er weiß nicht, welch tragische Überraschung das Schicksal für ihn bereithält, nachdem er den Treffpunkt der Bankräuber endlich gefunden hat...


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Seitenzahl: 219

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Riverbee Saloon

Vorschau

Impressum

Riverbee Saloon

Auch an diesem Nachmittag sitzt Brian Donley auf der Hotelveranda. Sein Kopf befindet sich im Schatten, doch sein Körper und besonders seine ziemlich krummen Reiterbeine sind von der Sonne bestrahlt – und das tut ihm gut. Die Sonnenwärme dringt durch seine Kleidung und lässt ihn das Rheuma besser ertragen.

Brian Donley ist ein alter Jagdfalke, grau und zäh, mit vielen scharfen Linien in dem dunklen Gesicht. Und seit fast dreißig Jahren trägt er einen Stern. Irgendwo in einer wilden Stadt trug er immer einen Stern, und immer blieb er Sieger und am Leben.

Brian Donley ist der Held vieler Legenden, und obwohl seine beste Zeit lange zurückliegt, hat man ihn noch nicht vergessen. Wenn irgendwo die Buben Sheriff und Banditen spielen, dann möchte jeder von ihnen den Sheriff Brian Donley spielen.

Dies alles wird ihm jetzt wieder einmal bewusst.

Wenn nur dieses Rheuma nicht wäre, denkt er bitter. Ich werde von Jahr zu Jahr steifer. Bald werde ich mich kaum noch bewegen können. Nur in der warmen Sonne geht es mir gut. Doch wie viele Tage im Jahr sind so sonnig warm wie heute? Ich glaube nicht, dass man mir den Stern noch einmal geben wird, wenn man erst herausgefunden hat, wie sehr das Rheuma mir zusetzt. Was würde ich zum Beispiel tun können, wenn jetzt eine Banditenbande in die Stadt käme, um die Bank zu berauben? Ja, was könnte ich da noch tun?

Er stellt sich diese Frage mit einiger Bitterkeit, denn er ist sich darüber klar, dass er hier in dieser Stadt, die sich Goldwater nennt, nichts anderes als eine Art Gnadenbrot erhält.

Er seufzt bitter. Dann holt er einen Zigarrenstummel hervor und setzt ihn umständlich in Brand.

Ich habe selten eine ganze Zigarre geraucht, denkt er. Ich habe mein ganzes Leben lang für meine alten Tage gespart. Doch ich war immer ein ehrlicher Sheriff. Ich habe niemals krumme Sachen gemacht, und deshalb bin ich wohl trotz aller Sparsamkeit ein armer Hund geblieben. Einige wenige Jahre werde ich von meinen Ersparnissen leben können. Doch wenn ich älter als fünfundsechzig werden sollte – nun, dann wird mein Geld aufgebraucht sein. Was dann?

Als er sich diese Frage stellt, denkt er an Joe Kane, den Jungen, den er einmal aufgriff und einige Jahre bei sich behielt wie einen Sohn. Dann kam der Krieg. Joe Kane wurde Soldat – sogar ein Held, der Auszeichnungen erhielt und mehrmals wegen außergewöhnlicher Leistungen außer der Reihe befördert wurde.

Nach dem Krieg war auch Joe Kane ein armer Tramp. Doch jetzt hat er in den Hügeln eine Pferderanch in Gang gebracht.

Der Junge wird mich zu sich nehmen, denkt Brian Donley. Joe ist wie ein Sohn zu mir. Wenn er erst über den Berg ist und es sich leisten kann, wird er mich zu sich auf die Ranch holen. Jawohl! Ich wollte ihm ja meine Ersparnisse geben, doch das wollte er nicht annehmen. Er ist ein braver Junge. Und dabei war sein Vater ein Bandit.

Als Brian Donley mit seinen Gedanken so weit ist, blickt er unwillkürlich wieder zur Bank hinüber.

Denn er muss daran denken, wie er damals vor vielen Jahren einen Bankraub verhindert hat. Nur Joe Kanes Vater konnte entkommen. Doch sie fingen ihn zweihundert Meilen weiter und hängten ihn gleich auf.

Brian Donleys Gedanken drehen sich im Kreis. Er fragt sich wieder, was er heute tun könnte, um einen Bankraub zu verhindern. Damals war er über die Straße gegangen. Er hatte den Pferdehalter der Bande aus dem Sattel geschossen und dann gewartet, bis sie alle herauskamen. Sie mussten ja herauskommen und zu ihren Pferden gelangen.

Er hielt sie mit einem Revolver auf.

Nur einer konnte entkommen, weil seine, Donleys, Waffe dann leergeschossen war und er selbst verwundet am Boden saß. Ja, es war Joe Kanes Vater, den man dann zweihundert Meilen weiter fing und einfach lynchte. Denn beim Bankraub hatte es Tote gegeben, und er, der Sheriff, konnte die Hängepartie nicht verhindern. Doch er nahm sich des Jungen an.

Heute könnte er solch einen Bankraub wohl kaum verhindern.

Er wird sich dessen bewusst.

Und er denkt bitter: Es ist nicht fair, dass ich den Stern behalte und mich als Sheriff bezahlen lasse. Ich bin doch nur ein Bluff, der zusammenbricht, sobald es ernst wird.

Er blickt auf einen Reiter, der von Süden her in die Stadt geritten kommt. Er kennt diesen Reiter nicht. Es ist ein Fremder, der ganz so aussieht, als hätte er einen weiten Ritt hinter sich.

Die Stadt ist um diese Nachmittagszeit sehr ruhig und still. In den Silberminen wird noch gearbeitet. Auf den Rinderranches ist man beim Frühjahrs-Round-up, und die Farmer bestellen ihre Felder. Erst nach Anbruch der Dunkelheit wird die Stadt lebendiger. Dann kommen die Menschen herein, um Einkäufe zu machen, um Vergnügen zu suchen, um in den Restaurants und Speisewirtschaften zu essen. Die Abendpostkutsche wird kommen und vielleicht auch einer der Frachtwagenzüge, für die Goldwater eine der Stationen ist, wo sie einen Teil ihrer Frachten lassen.

Der Reiter ist nun vor dem Hotel angelangt. Er blickt auf den Sheriff und erkennt auch dessen Stern auf der Weste. Er hält an und sagt: »Hallo, Sheriff! Wo kann man hier anständig unterkommen?«

Brian Donley betrachtet den Reiter. Dieser ist noch recht jung, kaum älter als zwanzig Jahre. Er wirkt verwegen, ist recht gut gekleidet und trägt zwei Revolver. In seinen Augen ist etwas zu erkennen, was einem alten Falken wie Brian Donley wohl bekannt ist.

Diesen Ausdruck hat er während seines langen Lebens schon oft genug in den Augen von jungen, verwegenen Burschen erkennen können.

Brian Donley seufzt leise. Schon wieder einer dieser jungen Revolverschwinger, denkt er. Sie glauben fest an sich und daran, dass sie immer Glück haben. Sie können es sich nicht vorstellen, dass es sie einmal ganz schnell erwischen und alles vorbei sein könnte.

Er deutet mit dem Daumen über die Schulter auf den Hoteleingang und sagt: »Hier in diesem Hotel kommen Sie gut unter, mein Junge – wenn Sie bezahlen können.«

»Oh, keine Sorge, das kann ich.« Der Bursche grinst und sitzt ab. Er stellt sein staubiges Pferd an die Haltestange, aber er löst ihm nicht den Bauchgurt. Er kommt die drei Stufen herauf und bleibt oben stehen. Der Sheriff sitzt fünf Schritte von ihm entfernt.

Jetzt spürt Brian Donley zum ersten Mal mit dem feinen Instinkt des erfahrenen Falken, dass etwas nicht stimmt. Denn der junge Fremde späht scharf die Hauptstraße entlang nach Norden.

Auch der Sheriff tut es. Sie können beide zwei Reiter sehen, die in die Stadt kommen. Es sind ebenfalls Fremde. Brian Donley hat scharfe Augen, wenn es darum geht, in die Ferne zu blicken. Nur in der Nähe und besonders beim Lesen muss er eine Brille aufsetzen.

Drei Fremde an einem Tag und fast zur selben Minute, denkt der alte Sheriff bitter. Das sieht nach einer Verabredung aus.

Er wartet schweigend und beobachtet.

Die beiden Fremden sind älter und größer als der junge Revolverschwinger, der bei ihm auf der Hotelveranda steht.

Sie schwenken vor der Bank ein, reiten dort vor die Haltestange, sitzen ab und gehen hinein.

Und aus einer Seitengasse kommt nun ein vierter Reiter herausgeritten. Auch er reitet vor die Bank, sitzt ab, doch er macht sich an seinem Pferd und am Tränktrog zu schaffen, der bei der Haltestange ist. Er hat seine Hände in das Wasser getaucht, wie um sie zu waschen oder die Handgelenke zu kühlen.

Aber dabei blickt er mit gesenktem Kopf unter der Hutkrempe hervor ständig umher.

Der alte Sheriff will sich erheben.

Doch der junge Revolverschwinger, der fünf Schritte von ihm entfernt auf der Hotelveranda steht, sagt sanft und nicht unfreundlich: »Bleib, wo du bist, Opa! Ich tue dir nichts, doch du musst dort sitzenbleiben.«

Nun ist alles völlig klar.

Eine Bande von vier Mann ist in die stille Stadt gekommen. Sie wollen gewiss die Bank ausrauben. Es wirkt alles so einfach und wie selbstverständlich. Sie haben sich genau die richtige Tageszeit ausgesucht und wissen auch über die Verhältnisse gut Bescheid. Wahrscheinlich hatten sie zuvor schon einen Spion hier gehabt, der ihnen sicherlich auch berichtete, wie ungefährlich der Sheriff ist.

Ist er das wirklich?

Brian Donley seufzt wieder. »Junge«, sagt er, »das kann nicht gutgehen. Selbst wenn ihr mit dem Geld aus der Stadt herauskommen könntet, wird es keine Stunde dauern, bis die besten Reiter dieses Landes und zugleich auch die hartbeinigsten Jungen von den Ranches auf eurer Fährte sitzen. Ihr könnt ihnen gar nicht entkommen, in welche Richtung ihr auch reiten werdet. Es ist verrückt, Junge. Ihr seid erledigt, bevor zwei Tage vergangen sind.«

»Oh, wir haben uns eine Chance ausgerechnet«, sagt der Bursche.

Er und der Sheriff spähen dann zu einem Mann hinüber, der aus dem Barbierladen kommt und drüben im Store verschwindet. Beim Store steht auch ein Wagen. Der Storehalter und jener Mann, der zuvor beim Barbier war, beginnen nun Kisten, Säcke und Fässchen aufzuladen. Sie blicken einmal zum Sheriff herüber. Aber weil dieser so ruhig auf der Hotelveranda sitzt und sich offenbar mit dem Fremden unterhält, schöpfen sie nicht den geringsten Verdacht.

Brian Donleys Gedanken jagen sich. Er weiß jetzt, dass seine Angewohnheit, hier jeden Tag eine Weile in der Nachmittagssonne zu sitzen, den Banditen bekannt ist. Sie haben es mit eingeplant. Denn in der Stadt wird niemand Verdacht schöpfen, solange der Sheriff dort auf der Veranda in der Sonne sitzt. Die drei Pferde vor der Bank und jener Fremde am Tränktrog bedeuten deshalb nichts Besonderes für jeden Bürger, der zufällig aus irgendeinem Grunde auf die Straße kommt und in die Runde blickt. Brian Donley ist sich nun darüber klar, dass er etwas unternehmen muss.

Aber was er auch tut, dieser junge Revolverschwinger wird ihn daran hindern. Das bedeutet nichts anderes, als dass er versuchen muss, mit diesem Burschen fertig zu werden.

Vor wenigen Jahren noch wäre dies kein Problem für ihn gewesen, denn er war einer der schnellsten Schützen des Westens.

Jetzt ist er langsam.

Wie gut, denkt er, dass ich mich in der Sonne etwas wärmen konnte. So bin ich nicht ganz so langsam wie sonst.

Er erhebt sich, denn er ist nun entschlossen. Er weiß, dass es ihn mit ziemlicher Sicherheit das Leben kosten wird. Doch er trägt den Stern. Er muss etwas tun. Denn er ist Brian Donley, der Sheriff. Er kann nicht zusehen, wie die Banditen die Bank ausrauben.

Er denkt: Ich hätte den Stern schon im vergangenen Jahr abgeben müssen. Dann wäre hier jetzt ein besserer Sheriff. So aber werde ich wohl auch nicht die Gelegenheit haben, meine wenigen Ersparnisse aufzubrauchen. Wenn ich das gewusst hätte, würde ich mir manchmal eine gute Zigarre oder ein Glas Wein geleistet haben, anstatt zu sparen. Nun gut!

Der junge Revolvermann blickt ihn nun fest an. »Du wirst doch keine Dummheiten machen, Opa?«, fragt er und setzt schnell hinzu: »Wir kennen deinen großen Namen ganz genau, doch wir wissen auch, dass du jetzt ein von Rheuma und Gicht geplagter Mann bist. Es täte mir leid, alter Mann, wenn ich dich erschießen müsste.«

»Das würdest du tun, mein Junge?«

Der Bursche betrachtet ihn nun starr. »Warum nicht?«, fragte er zurück. »Wenn Sie nicht vernünftig sind, alter Mann, bleibt mir doch nichts anderes übrig. Denn so langsam Sie auch sein mögen, ich könnte die Entfernung von mir zu Ihnen nicht so schnell zu Fuß machen, um Sie niederzuschlagen, bevor Sie die Waffe heraus haben. Ich werde schießen müssen.«

»Du tust mir leid, Junge«, murmelt Brian Donley. »Dein Denken und Fühlen ist schon so verzerrt, dass du verloren bist. Willst du mir deinen Namen sagen?«

»Wozu?«, fragt der Bursche.

»Nimm die Hände hoch!«, sagt der Sheriff. »Nimm sie hoch, ich will dich entwaffnen!«

Da zieht der Bursche den Colt. Oh, er ist schnell, sehr, sehr schnell. Dies aber ist gewiss der Grund seines Unglücks. Als er herausfand, dass er schnell und sicher mit dem Colt umgehen kann, wurde er ein Revolverschwinger.

»Setz dich wieder hin, Opa«, sagt er frech zum Sheriff.

Dieser verschwendet kein Wort mehr. Es hätte keinen Sinn. Überdies wurde schon sehr viel Zeit verschwendet. Die Banditen in der Bank müssen bald fertig sein und herauskommen.

Brian Donley zieht seinen Revolver. Oh, er gibt sich alle Mühe, schnell zu sein. Doch dies kann ein Mann, der von Rheuma und Gicht geplagt wird, nun mal nicht.

Seine Hand bewegt sich sehr langsam.

Und der junge Revolverschwinger, der seine Waffe auf ihn gerichtet hält, staunt.

»Nein!«, ruft er fast erschrocken. Denn er begreift, dass der alte Sheriff dazu entschlossen ist, sich zu opfern.

Er sieht, wie Brian Donley den Revolver erfasst und aus dem Holster zieht. Als er dann die Waffe hochnimmt, geschieht dies mühsam. Die Muskeln gehorchen nur langsam, sind steif.

Dann bekommt Brian Donley die erste Kugel.

Doch er steht fest. Dies hat er immer gekonnt, fest auf dem Boden stehen und die Kugeln auffangen. Er hat sieben Narben von Kugeln. Heute bekommt er die achte Narbe, aber sie wird nicht mehr heilen. Bevor er stirbt, drückt er ab und tötet den jungen Revolverschwinger. Ja, dies bringt er noch zustande.

In der Stadt aber wird es lebendig. Die Leute von Goldwater sind ein wehrhaftes Geschlecht, und sie sind sehr daran interessiert, ihre Bank vor Verlusten zu bewahren.

Aber die Banditen sind schneller.

Drinnen in der Bank krachen nun ebenfalls Schüsse.

Und der Mann beim Wassertrog und den Pferden hat ein Gewehr aus dem Sattelholster gerissen und schießt nun die Straße hinunter, so dass einige Leute, die herauswollen aus Häusern und Läden, wieder in Deckung springen.

Dann kommen die Bankräuber mit gefüllten Beuteln heraus.

Sie alle schwingen sich in die Sättel.

Einer von ihnen ruft scharf: »Bill! He, Bill!«

Er kommt über die Fahrbahn geritten und blickt auf den jungen Revolvermann nieder, der von der Kugel des Sheriffs ins Herz getroffen wurde und die Verandastufen herunter in den Staub der Fahrbahn fiel.

Der Reiter erkennt wohl, dass Bill nicht mehr zu helfen ist. Er reißt sein Pferd herum und folgt den anderen durch die Gasse. Sie kommen auf diese Art schnell in Deckung und seitlich aus der Stadt.

Die Bürger laufen nun überall auf die Straße und zu der Gasse, durch die die Banditen die Stadt verlassen. Man schießt hinter ihnen her, doch keine Kugel trifft.

Indes sind einige Leute in die Bank gelaufen.

Bald weiß man in der ganzen Stadt, dass die Banditen den Kassierer erschossen haben, als dieser zuletzt doch noch eine Waffe aus einer Schublade nehmen wollte, und mit etwa vierzigtausend Dollar entkamen.

Drei Tote gab es: den Sheriff, jenen jungen Bill und den Kassierer.

Reiter jagen aus der Stadt, zu den umliegenden Ranches und in die Weidelager bei den Herden.

Das Aufgebot sammelt sich binnen zwei Stunden und nimmt die Verfolgung auf. Sie alle haben erstklassige Pferde. Die Tiere der Banditen jedoch sind nicht mehr frisch.

Es ist schon Abend, als Yuma den Hufschlag eines Reiters im Canyon hört. Der Apache ist sicher, dass dieser Reiter sein Boss Joe Kane ist, der nun heimkehrt nach einem langen Arbeitstag. Joe Kane ist schon seit Tagen dabei, in einem fünf Meilen entfernten Waldstück Bäume zu fällen, um weiteres Bauholz für Corrals, eine feste Scheune und einen halboffenen Schuppen zu bekommen. Sie wollen die kleine Pferderanch dieses Jahr vergrößern. Denn erst im vergangenen Jahre fingen sie hier an. Alles ist noch recht primitiv.

Nur die Pferde sind gut, herrliche, schnelle und ausdauernde Stuten, die vor einigen Wochen ihre Fohlen bekamen. Diese Pferde sind gewiss die besten auf fünfhundert Meilen in der Runde.

Und Red General, der Hengst, ist gewiss auf tausend oder noch mehr Meilen das herrlichste Tier. Mit diesem Stammvater und den erstklassigen Stuten muss Joe Kanes Pferdezucht eines Tages berühmt werden.

Yuma, der Apache, ist zufrieden, bei Joe Kane arbeiten zu dürfen. Denn einen so anständigen Boss findet ein zum Christentum bekehrter Apache kaum wieder.

Als er im Canyon den Hufschlag hört, geht er hinein in die noch primitive Blockhütte, um Wasser aufzusetzen für das Abendbrot.

Es ist inzwischen dunkel geworden. Hier drinnen brennt eine Lampe. Yuma lauscht auf den Hufschlag, und er ist sicher, dass es Joe Kane ist. Denn er kennt den Hufschlag von Joe Kanes Wallach genau. Deshalb tritt Yuma nicht hinaus vor die Hütte, um sich zu überzeugen, wer da wohl gekommen ist.

Er schneidet nun Kartoffeln in eine Pfanne und wendet sich um, als jemand durch die offene Tür in die Hütte kommt.

Jetzt erst hat Yuma das instinktive Gefühl, als würde etwas nicht stimmen und befände er sich in einer Gefahr.

Als er den Mann sieht, der gekommen ist, da erkennt er die Gefahr sehr schnell. Denn es ist nicht Joe Kane, der heimkehrte von einem langen Arbeitstag.

Yuma sieht einen Fremden, einen hageren, rotköpfigen Mann, der seinen Hut am Windband im Nacken hängen hat und seinen Revolver schussbereit in der Hand hält.

Dieser Mann ist auf Joe Kanes Wallach gekommen.

Aber Joe Kane hat sich bestimmt nicht freiwillig von seinem zuverlässigen Reitpferd getrennt. Dass dieser Mann dort in feindlicher Absicht kam, beweist sein schussbereiter Revolver, der auf Yuma gerichtet ist.

»Mach nur keine Dummheiten, Rothaut«, sagt er hart.

Aber Yuma macht welche. Seine Treue zu Joe Kane und die Befürchtung, dass Kane etwas geschehen sein könnte, sind zu stark.

Yuma hat leider nur das Küchenmesser in der Hand, mit dem er die Kartoffeln zerschnitt. Es ist kein richtiges Wurfmesser.

Aber er wirft es trotzdem, blitzschnell und gefährlich, wie es nur ein Apache werfen kann. Doch er hat noch nie mit diesem Messer geworfen. Er kennt das Verhalten dieses Messers nicht. Auch konnte er es nicht vor an der Spitze fassen. Er hätte sonst gewiss mehr Erfolg gehabt. Er verwundet den Mann nur an der Schulter. Das Messer trifft mit der ganzen Schneide, nicht mit der Spitze. Es dringt deshalb nicht tief ein, sondern zerschneidet nur Stoff und Haut.

Zuvor noch bekommt Yuma die Kugel des Fremden.

Dieser tritt wieder hinaus, nachdem er die Lampe löschte. Er zündet sich draußen eine Zigarette an und wartet.

Doch er braucht nicht lange zu warten.

Drei Reiter kommen durch den Canyon. Sie können ihre restlos erschöpften Tiere kaum noch bis zu den Corrals beim Blockhaus bringen. Zuvor schon stößt einer der Reiter einen Ruf aus, den der Mann bei der Hütte erwidert.

Sie halten dann an, fluchen heiser und rutschen von den Tieren. Eines der Pferde bricht auf die Knie und stöhnt wie ein kranker Mensch.

»Wo ist Bill?«, fragt der Mann, der den Apachen erschoss.

»Bill hat den alten Sheriff unterschätzt«, sagt eine heisere Stimme. »Bill kommt nicht mehr. Aber sonst hat alles geklappt. Und mit diesen frischen und erstklassigen Pferden hier hängen wir das Aufgebot ab, zumal die Nacht fast ohne Mond sein wird und man deshalb unsere Fährten nicht verfolgen kann, bevor es Tag wird. Also gut, nehmen wir uns die besten Pferde. Alle anderen Tiere müssen wir töten. Sonst rüstet sich auch das Aufgebot mit frischen Tieren aus. Dieses Tal hat mehrere Ausgänge. Wir trennen uns, nehmen jeder einen anderen Ausgang und treffen uns in etwa acht Tagen wieder im Riverbee-Saloon. Also los!«

Zuerst hat Joe Kane geglaubt, sein Wallach wäre ihm fortgelaufen, weil ein Wolf oder ein Puma ihn erschreckte. Doch er findet bald heraus, dass jemand ihm den Wallach stahl, indes er ein Stück weiter entfernt im Hügelwald einige Bäume fällte.

Seine Besorgnis nimmt zu, als er im letzten Licht des Tages feststellt, dass sich die Fährten der beiden Pferde zu seiner Ranch ziehen. Er setzt sich in Trab, und er ist so gut zu Fuß wie ein Wüstenapache. Die Dunkelheit fällt über das Land. Als er den Canyon erreicht, ist es schon Nacht. Vor dem Canyon findet er das müde und abgetriebene Pferd des Pferdediebes. Er schwingt sich hinauf und legt die letzte Strecke noch etwas schneller zurück. Aber das Pferd schwankt, als er sich vor der Hütte von seinem Rücken schwingt.

Zuerst glaubt er dann, dass Yuma tot wäre. Doch plötzlich schlägt der Apache die Augen auf. Er bringt beim zweiten Versuch einige Worte heraus. Diese Worte lauten: »Sie – treffen sich – in acht Tagen – im Riverbee-Saloon.«

Es sind jene Worte, die der eine Bandit zu den anderen sagte.

Yuma war wieder zu Besinnung gekommen und hatte sie durch die offene Tür gehört.

Und dann hat er ausgehalten und mit dem Sterben gewartet, bis sein Boss gekommen ist. Nachdem er gesagt hat, was er hörte, atmet er langsam für immer aus.

Mehr konnte er für Joe Kane, dem er treu war und für den er gerne arbeitete, nicht mehr tun.

Joe Kane hockt eine Weile bei ihm am Boden. Er hatte zuvor die Lampe angezündet, und das gelbe Licht beleuchtet sein hageres, dunkles und indianerhaftes Gesicht. Seine grauen Augen leuchten etwas grünlich im Lampenlicht.

Als er sich nun langsam erhebt, da sieht man, dass er etwa sechs Fuß groß ist und bei aller zäh wirkenden Hagerkeit gewiss nicht weniger als hundertneunzig Pfund wiegt. Bei aller Geschmeidigkeit, mit der er sich bewegt, ist sein Knochenbau außergewöhnlich fest und stark.

Sein etwas hohlwangig wirkendes Gesicht ist ausdruckslos, und auch in dieser Hinsicht ist er einem Indianer ähnlich, der seinen Schmerz tief in seinem innersten Kern verbergen kann.

Er hatte Yuma gern. Sie waren fast so etwas wie Freunde.

Langsam geht er hinaus und zu den Corrals. Die kleinen Fohlen gebärden sich wie verrückt. Denn die Stuten, die zurückblieben, und auch der kostbare Hengst sind tot. Die vier Banditen nahmen acht Stuten mit. Den Hengst wollte wohl keiner von ihnen reiten. Also töteten sie ihn und sieben Stuten.

Joe Kane stößt einen seltsamen Laut aus, als er dies alles festgestellt hat. Er verlor nicht nur Yuma – nein, er ist auch sonst um viele Jahre zurückgeworfen und hat sogar noch Schulden. Bis er seine Schulden abgetragen hat und sich eine neue Pferdezucht beschaffen kann, werden Jahre vergehen. Solch einen Hengst wird er vielleicht nie wieder bekommen können. Er fing ihn vor zwei Jahren drüben in Mexiko aus einer Wildpferdherde, deren König das Tier war. Und von Anfang an war es klar, dass dieser Hengst gewiss ganz berühmte Vorfahren aus Spanien hatte.

Nun ist alles aus.

Er denkt über die Banditen nach, die ihm dies antaten.

Dann hört er den Hufschlag des starken Aufgebotes aus Goldwater.

Bald darauf spricht er mit den Männern, die von dem erfahrenen Vormann einer großen Ranch geführt werden, der schon seit Jahren ehrenamtlicher Hilfssheriff ist und in dieser Eigenschaft schon mehr als ein Aufgebot führte, zuletzt erst vor wenigen Wochen, als eine Horde Apachen aus dem Reservat ausbrach und plündernd durch das Land zog.

Von den Männern des Aufgebotes hört Joe Kane, was noch geschah.

Nun erst begreift er alles richtig.

Die Banditen hatten alles vorzüglich geplant. Sie mussten Tage zuvor einen Spion hergeschickt haben, der ihnen genügend Anhaltspunkte lieferte.

So wussten sie, dass der Sheriff am Nachmittag gerne in der Sonne saß und ungefährlich war.

Sie wussten, dass es zu jener Tageszeit sehr still in der Stadt war.

Und sie wussten auch, wo sie frische und erstklassige Pferde bekommen konnten, um das Aufgebot abzuhängen.

Doch über all diese Dinge macht Joe Kane sich noch keine Gedanken. Er denkt vorerst nur daran, dass Brian Donley tot ist und dass der alte Sheriff wahrhaftig in den Stiefeln sterben musste. Joe Kane verspürt einen echten Schmerz. Denn er hat Brian Donley gern gehabt. Er weiß ganz genau, was er Donley zu verdanken hat. Donley hatte sich um ihn gekümmert, hatte ihm einen festen Platz, ein Heim und einen Halt gegeben, als er sich gerade in jenen gefährlichen Jahren befand, da aus einem herumstreunenden Jungen, dessen Vater man hängte, sehr schnell ein Strolch werden konnte, der die ganze Welt hasste und der deshalb bald von der Welt gehasst wurde.

Ich werde die Burschen finden, die Onkel Brian töteten, die meinen treuen Yuma erschossen, meine Pferde niedermetzelten und sich irgendwo in einem Saloon treffen wollen. Ich werde sie finden! So sehr viele Riverbee-Saloons kann es doch nicht geben.

Dies denkt er mit einem kalten Zorn.

Joe Kane reitet nicht mit dem Aufgebot. Doch er ist am anderen Tag verschwunden. Er reitet nicht einmal nach Goldwater, um seinen väterlichen Freund Brian Donley die letzte Ehre zu erwiesen. Denn es könnte immerhin sein, dass die Banditen einen Beobachter in der Stadt ließen, einen Mann, der als Reisender für irgendwelche Firmen getarnt ist.

Es war vor einigen Tagen ein Reisender im Land, der eine Patentmedizin verkaufen wollte. Dieser Mann war zwei Tage in der Stadt und besuchte auch die umliegenden Farmen und Ranches. Auch auf der Pferderanch Joe Kanes war er. Doch Yuma schickte ihn fort. Joe Kane sah diesen Quacksalber aus der Ferne von seinem Holzschlagplatz aus.

Dieser Bursche könnte alles ausgekundschaftet haben.

Joe Kane hofft, dass ihn keiner der Banditen und auch deren Spion in Goldwater oder sonst irgendwo gesehen haben.

Denn sonst würde man ihn schnell erkennen, wenn er den Riverbee-Saloon gefunden hat und sich dort nach der Bande umsieht.

Aber wie kann er die Banditen erkennen?

Vielleicht an den Pferden, die sie ihm gestohlen haben.

Aber werden sie die Pferde behalten?

Joe Kane verschwindet also von seiner Ranch. Die kleinen Fohlen werden auf einer Ranch in Pflege kommen.

Er reitet in diesen Tagen nach Osten, immer nach Osten, denn dort sind die großen Flüsse, an denen es einen Riverbee-Saloon geben wird. Die Flüsse im Süden – also der Salt River, der San Pedro und auch der Gila – sind zu nahe. Die Banditen kamen von weiter her.

Joe Kane braucht vier Tage bis zum Rio Grande, und er verschwendet drei Tage damit, flussauf und flussab herauszufinden, ob es irgendwo in einer der Ortschaften einen Riverbee-Saloon gibt.

Es gibt ihn nicht. In Guadalop gibt es einen Riverqueen-Saloon, und in Santa Rosa soll ein Saloon »Riverbell-Saloon« heißen.

Joe Kane reitet weiter nach Süden zum nächsten Fluss – ein großer, hagerer, schlecht gekleideter Mann, der nur ein Durchschnittspferd und einen alten Sattel besitzt und wie einer der herumstreunenden Satteltramps wirkt. Er rasiert sich schon seit Tagen nicht mehr und hat nur eine dünne Sattelrolle hinter sich.

Er braucht von Albuquerque bis Santa Rosa am Pecos – es ist wieder ein anderes Santa Rosa als jenes, in dem es den Riverbell-Saloon geben soll – vier weitere Tage und wendet sich am Fluss nach Süden. Er hält sich auf der Westseite des Flusses.