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Ich hatte meine zwölf Stuten von einem berühmten Hengst decken lassen und ritt nun nach Norden, auf der Suche nach einem einsamen Tal, in dem ich meine Pferderanch errichten wollte. Doch meine Stuten stellten ein Vermögen dar, und bald zeigten sich die ersten "Interessenten".
Zum Glück war ich mit dem Colt kaum zu schlagen, und das sprach sich schnell herum. Aber meine Stuten wurden mir trotzdem gestohlen. Dem Leithengst einer Wildpferdherde gelang das Kunststück. Natürlich folgte ich ihm in seine wilde Bergwelt, um ihm meine Stuten wieder abzujagen. Wie hätte ich ahnen können, dass vor mir ein Ritt lag, zu dem im Vergleich der Ritt in die Hölle nur ein Spaziergang gewesen wäre!
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Seitenzahl: 176
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Die Geister-Herde
Vorschau
Impressum
Die Geister-Herde
Ich war mit einem Dutzend prächtiger Stuten unterwegs, die von Black Diablo gedeckt worden waren. Und die ganzen Wochen hatte ich dafür bei Colonel Walker umsonst gearbeitet. Denn Colonel Walker besaß die berühmteste Pferdezucht auf tausend Meilen in der Runde. Und sein Deckhengst, Black Diablo, war ein absoluter King mit außergewöhnlichen Eigenschaften. Er lebte in einem großen abgeschlossenen Tal und war noch niemals zugeritten worden. Er war frei in diesem Tal. Meine Stuten hatten ihm mächtig gefallen.
Und nun konnte ich hoffen – nachdem sie einige Wochen mit ihm durch das Tal gezogen waren –, dass sie mir prächtige Nachkommen von Black Diablo schenken würden.
Colonel Walker war während des Krieges mein Kommandeur gewesen. Und er stand in meiner Schuld, weil ich ihn mal zwanzig Meilen durch die feindlichen Linien transportiert hatte, als er schon halbtot gewesen war. Nun bezahlte er seine Schuld auf diese Weise.
Wir fingen dann meine zwölf Stuten wieder aus Black Diablos Herde. Und dann machte ich mich auf den Weg mit ihnen.
Alfredo war bei mir, ein alter Mexikaner, der zu Fuß ein hinkender Zwerg und im Sattel ein stolzer Ritter war.
Nun waren wir schon einige Tage unterwegs. Denn wir suchten ein schönes Tal in den Santa Catalinas, wo ich meine Pferderanch gründen wollte.
Es musste dort genügend Wasser geben. Und natürlich musste es ein Blaugrastal sein. Denn Blaugras, nun, dies enthielt besondere Mineralien, die für die Pferdezucht so ungeheuer wichtig waren. Schon für die Saugfohlen, da die Stuten auf einer Blaugrasweide ja diese Mineralien in ihrer Milch abgaben. Es war in der sechsten oder siebenten Nacht, als uns die Bande überfiel.
Schon die Tage und Nächte zuvor hatten wir stets irgendwie das Gefühl gehabt, dass man uns beobachtete und wir nicht allein durch das Land zogen.
Doch nie sahen wir andere Reiter. Es gab auch niemals irgendwelche Zeichen in der weiten Umgebung, zum Beispiel ein Blinken von Metallteilen in der Sonne, Staubfahnen oder Vögel, die sich in der Luft anders als üblich verhielten.
Es gab keine Zeichen. Nur unser Gefühl ließ uns immer wieder spüren, dass etwas in unserer Umgebung nicht in Ordnung war.
Doch dann, in der sechsten oder siebenten Nacht – ich wusste es nicht mehr so genau, weil wir die Nächte und Tage nicht zählten –, schlugen sie zu.
Sie waren eine böse Mörderbande, nicht einfach nur Pferdediebe, die man in diesem Lande aufhing, wenn man sie fangen konnte.
Nein, sie waren Mörder.
Denn sie schossen Alfredo, der die zweite Nachtwache hatte, mit einer Schrotflinte einfach vom Pferd.
Und als ich aus dem Schlaf hochfuhr, mich mit dem Colt in der Hand aus den Decken rollte, da bekam ich es ebenfalls. Sie hatten sich lautlos wie Schatten gegen Ende der Nacht angeschlichen und sogar den erfahrenen Alfredo überlistet, einen Mann, der wachsam und listig war wie ein Apache.
Ich erhielt einen Schlag an den Kopf und fiel in tiefe Bewusstlosigkeit, wusste von nichts mehr. Ich konnte mich nicht mal mehr fragen, ob dies der Tod oder nur eine Bewusstlosigkeit war.
Alles war plötzlich schwarz um mich herum. Ich fiel in eine bodenlose Tiefe.
Nun, natürlich war ich nicht tot. Denn sonst hätte ich meine Geschichte ja gar nicht aufschreiben können.
Die Sonne weckte mich, weil sie bereits ziemlich stark brannte.
Es dauerte aber eine Weile, bis ich begriff, dass mein armer Kopf zwar böse und gnadenlos schmerzte, hämmerte, pochte, aber bis auf die Schramme über dem Ohr dennoch einigermaßen heil war.
Das herauslaufende Blut hatte mein Haar getränkt und bildete eine Kruste.
Als ich meine Augen öffnete, da glaubte ich zuerst, es wäre noch Nacht. Doch das konnte nicht sein, denn ich spürte die warme Sonne.
Doch bald lichtete sich die Schwärze vor meinen Augen.
Nein, ich war nicht blind. Ich konnte nach kurzer Zeit wieder normal sehen. Nur die hämmernden Schmerzen in meinem Kopf blieben. Ich begriff, dass die Kugel wie ein Keulenschlag gewirkt haben musste.
Und so kroch ich zur Wasserstelle, um mich zu erfrischen. Aufzustehen, das wagte ich nicht. Denn dann wäre ich gewiss ohne Gleichgewichtsgefühl wie ein Betrunkener umhergetaumelt.
Es dauerte dann ziemlich lange, bis es mir endlich wieder besserging. Immer wieder steckte ich den Kopf ins Wasser und wusch mir das getrocknete Blut aus dem Haar, betastete mit zitternden Fingern meine Streifwunde über dem Ohr.
Sie hatten mich für tot liegen lassen, glaubten an einen Kopfschuss.
Aber ich lebte.
Und endlich beschäftigte ich mich nicht nur mit meiner eigenen Not, sondern dachte an Alfredo.
Ja, was hatten sie mit ihm gemacht? War er tot?
Ich kam endlich auf die Füße, verharrte eine Weile schwankend und wartete, bis sich in meinem Kopf nicht mehr alles so schlimm drehte und auch das Flimmern vor meinen Augen nachließ.
Dann machte ich mich auf den Weg.
Ich fand Alfredo etwa hundert Schritte weiter auf der anderen Seite der Wasserstelle, dort also, wo er meine zwölf Stuten immer wieder umritten hatte, wenn in der Ferne Wölfe oder Coyoten heulten und sie unruhig wurden.
Einmal hatten wir von den felsigen Hängen ein Pumaweibchen fauchen hören.
Zuerst hielt ich Alfredo für tot. Denn sie hatten ihn übel mit Blei gefüllt, mit sogenanntem »Indianerschrot«.
Doch vielleicht war die Entfernung etwas zu weit gewesen oder die Pulverladung war zu schwach. Jedenfalls waren die Bleikugeln nicht besonders tief in seinen kleinen und zähen Körper eingedrungen.
Gewiss, er hatte viel Blut verloren, denn die Wunden hatten stark geblutet.
Doch er lebte noch. Ich musste nur alles tun, um ihn zu retten.
Aber was konnte ich tun?
Verdammt, mir wurde in dieser Minute erst klar, dass sie uns ausgeraubt hatten.
Es war alles weg, was wir als Gepäck und Lagergerät mit uns führten. Es war nicht viel, aber auch das wenige wäre jetzt so wichtig gewesen.
Weil meine Stiefel so abgerissen waren, hatten sie sich wohl nicht dafür interessiert. Aber unsere Waffen waren weg, auch unsere Sättel, die Deckenrollen und die Satteltaschen. In einer der Satteltaschen war Verbandszeug.
Grimmig fluchend holte ich mein Apachenmesser aus dem Stiefelschaft. Wenigstens das Messer hatte ich noch.
Und dann machte ich mich daran, Alfredo das Blei aus dem Körper zu holen. Ich musste dieses verdammte Mistzeug eigentlich nur mit der Messerspitze heraushebeln. Aber er fing natürlich sofort wieder an zu bluten. Wie viel Blut hatte der kleine Kerl wohl? Dies fragte ich mich.
Ich nahm mein Unterhemd, riss es in Stücke und verband ihn so gut ich konnte, und dort, wo dies möglich war.
Ich kannte mich einigermaßen aus mit den Heilkräutern der Indianer. Und so begann ich wenig später die Umgebung der Wasserstelle abzusuchen. Ich machte aus einigen Heilkräutern eine dicke Pampe und pappte sie auf die Wunden.
Dann aber fand ich etwas ganz Großartiges: Honig.
Ja, es gab in einem hohlen Baum auf der anderen Seite der Wasserstelle tatsächlich ein Bienenvolk. Vorsichtig wie ein Bär holte ich mir Honig. Einige Male wurde ich gestochen, aber gegen meine höllischen Kopfschmerzen war das eigentlich nur ein Streicheln, mehr nicht.
Aber Honig von wilden Bienen – das wusste ich – war gut für Wunden. Diese schlossen sich schneller und entzündeten sich nicht.
Nun, ich tat also alles für Alfredo Gonzales.
Übrigens, liebe Leser meiner Geschichte, mein Name ist Kelso, Kelso Adams. Und ich war das, was man einen Texaner nannte.
Als ich mit Alfredo fertig war, da war ich restlos erledigt und fiel neben ihm in einen ohnmachtsähnlichen Schlaf. Das konnten auch meine hämmernden Kopfschmerzen nicht verhindern.
Für eine Weile vergaß ich also die ganze Schlechtigkeit dieser Welt und unser eigenes Elend, ohne zu ahnen, dass es bald schon Hilfe für uns geben würde.
Es war am späten Nachmittag, als ich die Wagen kommen hörte. Sie mussten an die Wasserstelle kommen, denn diese war ja ein Haltepunkt am Wagenweg. Hier gab es Wasser für Mensch und Tier.
Ich hockte neben Alfredo, als die Frau zu mir geritten kam. Als ich wenig später auf meinen Füßen stand, wurde mir wieder schwarz vor Augen. Doch das verging nach einigen Atemzügen.
Und da sah ich – als ich zu ihr aufblickte –, dass sie ein Prachtweib war, o ja, ein wirkliches Prachtweib, das wie eine Amazone im Sattel saß.
Wir musterten uns eine Weile. Dann fragte sie: »Pech gehabt?«
Ich wollte nicken, doch wegen meines schmerzenden Kopfes unterließ ich es und erwiderte nur: »O ja, Ma'am, das kann man wohl sagen.«
Sie sah auf Alfredo und fragte: »Dem geht es wohl nicht besonders?«
»Nein, Ma'am«, sprach ich heiser mit einer Stimme, die mir fremd vorkam. »Dem geht es wirklich schlecht. Vielleicht stirbt er mir in der kommenden Nacht. Er bekam eine Ladung Indianerschrot. Und er ist ja so klein. Nur im Sattel ist er ein Riese. Ja, vielleicht stirbt er mir.«
Sie glitt aus dem Sattel. Für eine Frau war sie mittelgroß und mehr als einen Kopf kleiner als ich. Ihre Bewegungen waren geschmeidig. Sie hatte grüne Katzenaugen und pechschwarzes Haar. Auf ihrer Nase entdeckte ich Sommersprossen.
Verdammt, mir ging es wahrhaftig dreckig. Und dennoch machte sie einen gewaltigen Eindruck auf mich. Ja, sie gefiel mir.
Sie war mit zwei Frachtwagen und vier Männern gekommen. Nun kniete sie neben Alfredo und untersuchte ihn, so als verstünde sie etwas von Kranken und deren Pflege.
Dann sah sie mich an.
»Was ist passiert?«
Ich sagte es ihr mit drei Sätzen.
Dann fragte sie: »Wertvolle Stuten?«
»Sie waren einige Wochen mit Black Diablo auf dessen Weide«, erwiderte ich. »Haben Sie schon mal was von Black Diablo gehört, Ma'am?«
Sie nickte sofort. »Wer hat das nicht auf fünfhundert Meilen in der Runde?«, fragte sie zurück.
Wieder sah sie mich an. Ich spürte nicht nur ihre Ausstrahlung, nein, da war mehr, nämlich ihr Instinkt. Und dieser tastete an mir und versuchte in mich einzudringen. Jedenfalls empfand ich das so.
»Und was haben Sie jetzt vor, Mister?«, fragte sie.
»Adams, Kelso Adams, ist mein Name, Ma'am«, murmelte ich. Dann deutete ich auf die beiden Frachtwagen. Es waren schwere Murphywagen mit Anhängern. Und jeder wurde von acht Maultieren gezogen. Hinter den Wagen waren auch Sattelpferde angebunden. Die vier Männer sahen wie harte und zähe Burschen aus.
Ich fragte: »Ist das ein fahrender Store, Ma'am? Können Sie mir vielleicht alle notwendigen Dinge verkaufen? Ich muss meinen kleinen Helfer gesundpflegen, bevor ich etwas anderes unternehmen kann.«
Immer noch sah sie mir in die Augen.
Sie hatte einen vollen, vitalen Mund, der eine Menge Empfindungen auszudrücken vermochte, der also herb und hart, aber auch weich und verlangend wirken konnte. Ich ahnte das irgendwie.
Dann fragte sie: »Ja könnten Sie Ihre Einkäufe denn bezahlen, Kelso Adams? Wurden Sie denn nicht ausgeplündert, nachdem man Sie für tot hielt?«
Nun grinste ich und begann die Knöpfe meiner alten, befransten Lederjacke abzureißen. Es waren lederbezogene Knöpfe. Aber wie auch die ganze Jacke waren sie sehr unansehnlich, verbraucht und abgenutzt.
Mit der Messerspitze schnitt ich den Lederüberzug auf. Und da kam jedes Mal ein blanker Double Eagle zum Vorschein.
An meiner Jacke waren sechs solcher Knöpfe, also hatte ich einhundertzwanzig Dollar in Gold als eiserne Reserve. Das begriff sie schnell.
»Sie sind offenbar ein kluger Mann, Kelso Adams«, sagte sie und lächelte. »Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen. Mein Name ist Sue Golden. Ich denke, dass mein Vorschlag Ihnen gefallen wird.«
»Ich höre, Ma'am, ich höre«, sagte ich nur.
»Ich gebe Ihnen ein Pferd«, sprach sie. »Überdies rüste ich Sie aus mit Waffen und Proviant. Und Ihren kleinen Helfer transportieren wir in einem der Wagen nach Golden Mesa, wo ich den General-Store betreibe. Wir werden alles tun, um Ihren Reiter am Leben zu halten.«
»Gut«, nickte ich. »Und was kostet das alles?«
Sie lächelte verständnisvoll, so als wüsste sie zu gut, dass in mir Misstrauen sein musste, weil es nun mal auf dieser Welt nichts umsonst gab. Für alles musste man stets den Preis zahlen.
Das ist nun mal so. Denn wir Menschen sind keine Heiligen. Und Ausnahmen bestätigen nur die Regel – besonders in einem so harten Land wie diesem hier.
Sie fragte: »Ihre Stuten... Waren es besonders gute Zuchtstuten?«
Ich nickte. »Die besten, die man sich denken kann.«
»Und sie wurden alle von Black Diablo gedeckt?«
Wieder nickte ich.
»Dann möchte ich das zuerst geborene Fohlen«, sprach sie ernst und hielt mir die Hand hin.
»Abgemacht?«
Ich nahm die Hand und sah ihr dabei in die Augen.
Verdammt, was war sie für ein Prachtweib! Noch nie im Leben war ich solch einer Frau begegnet.
Und ich wusste, wo ich sie wiederfinden würde, wenn alles vorbei und geregelt war. Doch dann fiel mir ein, dass sie ja wahrscheinlich schon einen Mann hatte, einen ganz besonderen Mann. Denn solch eine Frau konnte nur einem Mann gehören, der wie kein anderer unter zehntausend Männern war.
Ich fragte: »Miss oder Mrs. Golden?«
Sie sah mich wieder fest an, und ich spürte, dass sie genau wusste, warum ich es wissen wollte.
»Mrs. Golden«, erwiderte sie. »Aber ich bin Witwe. Ist Ihre Neugierde nun gestillt, Mr. Adams? Kann man eigentlich mit solch einem Brummschädel überhaupt neugierig sein?«
»Doch«, murmelte ich. »Das ist möglich, wenn man einer Frau wie Ihnen begegnet.«
Ihre langen Wimpern senkten sich. Einen Moment lang waren ihre Augen verborgen.
Dann wandte sie sich ab und rief ihren Männern zu: »Wir rüsten Mr. Adams neu aus und geben ihm den zähen Pinto...«
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Eine knappe Stunde später war ich unterwegs, so schlecht es mir auch ging. Denn mein armer Kopf nahm mir jeden Schritt des Pferdes übel, und der Schmerz darin war wie ein ständiges Warnsignal für mich, dass er platzen wollte.
Doch ich konnte den Pferdedieben, die uns ermordet zu haben glaubten, keinen weiteren Vorsprung gestatten. Es ging ja nicht nur allein um Vergeltung oder Rache, nein, es ging um die Basis meines zukünftigen Lebenswerkes.
Denn diese zwölf wunderbaren Stuten, welche gewiss Fohlen bekommen würden von dem berühmten und einmaligen Hengst Black Diablo, sollten der Anfang einer Pferdezucht werden, die mein Lebenswerk sein würde, auf das ich stolz und mit Zufriedenheit zurückschauen konnte, wenn ich eines Tages ein alter Mann sein würde.
Eine berühmte Pferderanch, so eine wie Colonel Walker sie hatte, dies war mein Ziel – oder gar mein Traum.
Denn ich liebte Pferde. Für mich waren sie edle Geschöpfe. Es war eine Freude, sie auf einer Weide zu beobachten.
Ich konnte also nicht warten, bis mein Kopf sich manierlicher benahm. Ich musste der Fährte folgen. Denn schon beim nächsten Unwetter konnte sie verwischt werden.
Sie sahen mir von den Wagen her nach.
Ich hätte gerne gewusst, was diese Frau sich jetzt dachte.
Vorhin hatte ich die Fußspuren genau überprüft. Es waren vier Mann gewesen, die uns überfielen in der letzten Stunde der Nacht.
Nun trieben sie meine zwölf Stuten weiter nach Norden.
Ihr Vorsprung betrug mehr als zwölf Stunden.
Aber der zähe Pinto unter mir, den Sue Golden mir gegeben hatte, würde die Meilen fressen und stetig aufholen. Sie konnten meine Stuten nicht so schnell treiben, würden sie unterwegs weiden und an jeder Wasserstelle oder bei jedem Creek eine Weile rasten lassen müssen.
Außerdem würden sie sich sicher fühlen, glauben, dass sie uns getötet hätten.
Diese leichtsinnigen Narren!
Sie hatten nur unglaubliches Glück gehabt, uns so überrumpeln zu können.
Dieses Glück würden sie nicht noch mal haben, obwohl sie in der Überzahl waren.
Ich ritt auf der Fährte bis in die späte Nacht hinein, und bis ich nicht mehr sicher sein konnte, ob ich überhaupt noch auf der Fährte ritt, also die Richtung noch stimmte. Denn das Land war unübersichtlich und wild. Ich ritt durch dunkle Canyons und enge Schluchten, überquerte Ebenen und ritt über Hügelsättel.
Ich saß also ab, band den Pinto an einen Ast und legte mich lang, einfach so auf den Boden, in dem noch die Wärme des Tages war.
Mein Kopf wollte bei jedem Herzschlag zerspringen.
Ich hörte mich stöhnen.
Dann wurde ich bewusstlos.
Nun endlich spürte ich das gnadenlose Hämmern nicht mehr bewusst.
Als der Morgen graute, wurde ich wach. Mein Kopf hatte sich beruhigt. Die hämmernden Schmerzen waren zu ertragen.
Sue Golden hatte mir über dem Ohr die Haare abrasiert und die Wunde mit einem Pflaster zugeklebt, welches die Wundränder der Streifwunde zusammenhielt, so als wären sie genäht worden.
Als ich mit vorsichtigen Fingerspitzen das Pflaster abtastete, spürte ich keine Schmerzen, wie eine Entzündung sie verursacht.
Vielleicht hatte ich Glück, und es blieb nur eine Narbe, auf der keine Kopfhaare mehr wuchsen. Und die Schramme auf dem Schädelknochen würde sich vielleicht wieder auswachsen. Ich wusste es nicht, konnte es nur hoffen.
Ich trank Wasser aus der Flasche und aß etwas Rauchfleisch zu harten Biskuits, die ich zermalmen musste mit meinen starken Zähnen, so richtig grimmig und gnadenlos, wie ich auch die vier Pferdediebe zermalmen würde.
Noch bevor die Sonne hochkam, ritt ich weiter. Und immer noch war die Fährte klar. Diese Narren waren sorglos wie Glücksspieler, die noch nie in eine Pechsträhne geraten waren und deshalb ständig an ihr Glück glaubten. Ich kannte diese Sorte von Reitern. Sie behaupteten sich durch Verwegenheit, waren leichtsinnig und glaubten, auf diese Weise ständig gewinnen zu können.
Diesmal würde es anders sein. Noch einmal musste ich eine Nacht auf der Fährte meiner zwölf Stuten verbringen und trotz meines gemarterten Kopfes noch fast einen langen Tag im Sattel bleiben. Manchmal dachte ich an den kleinen Alfredo Gonzales und fragte mich, ob er noch am Leben war.
Doch ich hatte großes Vertrauen zu Sue Golden, war sicher, dass sie und ihre Männer alles tun würden, um Alfredo zu retten.
An diesem Tag gelangte ich zu einem Wegweiser, der an der Kreuzung zweier Wagenwege stand. Es waren nur selten benutzte Wagenwege, nur erkennbar an den Radfurchen und Hufspuren, keine richtigen Wege.
Auf diesem alten, verwitterten Wegweiser konnte ich lesen, dass es in Richtung Westen nach Golden Mesa ging. Bis dorthin sollten es siebenundfünfzig Meilen sein. Ich fragte mich, wie sie das so genau hatten ausrechnen können. Denn wahrscheinlich war diese Entfernung nur geschätzt. Sie hätten ebenso gut auch sechzig Meilen auf das Brett einbrennen können.
Nun wusste ich aber, wohin sie Alfredo Gonzales bringen würden und wo ich ihn finden würde, sobald ich meine Stuten zurückerobert hatte.
Deren Fährte führte weiter nach Norden in das Gila-River-Land.
Wohin wollten sie mit meinen Stuten? Vielleicht hinauf zur noch sehr fernen Mogollon Mesa? Sie mussten doch irgendwo einen Abnehmer haben. Denn diese vier Kerle waren gewiss keine Pferdezüchter. Sie wollten schnelles Geld, um sich damit irgendwo in einem Hurenhaus amüsieren zu können.
So war diese Sorte nun mal.
Ich ritt weiter.
Und als die Nacht anbrach, da sah ich von einem Hügelsattel aus das Feuer an einem Creek, den wahrscheinlich Biber zu einem See angestaut hatten. Denn als der Mond klarer wurde im schwindenden Dunst des Himmels, da begann der kleine See wie Silber zu glänzen. Das Feuer war nur ein rotes Auge in dieser heller werdenden Nacht.
Ich aber wusste, dass ich die Kerle eingeholt hatte.
Mein Kopf schmerzte immer noch ein wenig, doch längst nicht mehr so schlimm wie während der beiden vorherigen Nächte.
Ich verharrte eine ganze Weile still und bewegungslos im Sattel. Ja, es war eine grimmige Befriedigung in mir. Aber zugleich verspürte ich auch ein Gefühl des Widerwillens.
Denn es war ja so einfach und klar, dass ich nicht hinreiten konnte, um zu sagen: »Gebt mir meine Stuten wieder, ihr bösen Jungs. Was habt ihr euch denn nur dabei gedacht, Alfredo und mich einfach erschießen zu wollen? Das war doch sehr unartig von euch. Seid ihr denn keine Christenmenschen?«
Nein, so war das nicht zu machen.
Diese Kerle dort unten waren Hartgesottene, denen es nichts ausgemacht hätte, würden sie uns getötet haben.
Ich musste hin, um sie niederzukämpfen. Und weil sie in der Überzahl waren, konnte ich ihnen keine Chance lassen. Sonst starb ich diesmal wirklich.
Nein, es war keine Furcht in mir, mit ihnen um meine Stuten kämpfen zu müssen. Es war nur ein Widerwillen vor dem Blutvergießen. Denn es würde Tote geben. Das wusste ich.
Aber sollte ich jetzt aufgeben und wieder wegreiten? Sollte ich sie davonkommen lassen mit ihrer Beute?
Ich hatte gar keine Wahl.
Also ritt ich hinunter in das Tal und auf das Feuer zu, welches ich nur dann und wann sehen konnte, weil Bäume, Büsche und Felsen mir immer wieder die Sicht versperrten. Aber ich wusste ja, wo ich die Bande und meine Stuten finden würde. Ich kannte die Richtung.
Als ich so nahe heran war, dass ich den Rauch des Feuers wittern konnte, welcher mit dem leichten Wind durch das Tal strich und mir entgegenkam, da hielt ich an.
Noch einmal überdachte ich alles. Ich musste mich entscheiden.
Aber es war wohl wie im Krieg.
Und so ließ ich mein Pferd zurück, nahm das Gewehr in die Rechte und lockerte den Revolver, den ich links im Holster trug.
Die Stuten befanden sich dicht beim See auf meiner Seite. Die meisten hatten sich niedergetan. Ich verharrte zwischen den Büschen, von denen es hier so dicht am Wasser viele gab.
Und dann hörte ich den Reiter kommen. Er summte vor sich hin, als könnte er wie ein guter Mensch mit sich und dieser Welt zufrieden sein.
Als er mir ziemlich nahe war, da hielt er brummend an und knurrte vernehmlich: »Verdammt, ich glaube, ich bekomme die Scheißerei.«