G. F. Unger Sonder-Edition 261 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 261 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es war mir damals nicht möglich, meinen Vater zu verstehen.
Die Apachen hatten meine Mam und meine beiden Schwestern umgebracht und ihnen zuvor eine Menge angetan.
Dann hatten sie unsere Ranch angezündet.
Mein Vater und ich waren damals nur zwei oder drei Stunden abwesend. Wir mussten ein Wolfsrudel aus unseren Hügeln jagen und eine brüllende Kuh aus einem Schlammloch ziehen.
Mein Vater war nicht mehr der Jüngste. Und er hatte alles verloren, was ein Mann verlieren konnte - die Frau, zwei Töchter und die Ranch, in die er die letzten Jahre seine ganze Zähigkeit eingebracht hatte.
An jenem Tag hatte er nur noch mich - einen noch sehr dünnen Jungen, dem die Tränen über das hohlwangige Gesicht liefen.
Aber er gab nicht auf.

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Seitenzahl: 181

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Verdammter Killer

Vorschau

Impressum

Verdammter Killer

Es war mir damals nicht möglich, meinen Vater zu verstehen.

Die Apachen hatten meine Mam und meine beiden Schwestern umgebracht und ihnen zuvor eine Menge angetan.

Dann hatten sie unsere Ranch angezündet.

Mein Vater und ich waren damals nur zwei oder drei Stunden abwesend. Wir mussten ein Wolfsrudel aus unseren Hügeln jagen und eine brüllende Kuh aus einem Schlammloch ziehen.

Mein Vater war nicht mehr der Jüngste. Und er hatte alles verloren, was ein Mann verlieren konnte – die Frau, zwei Töchter und die Ranch, in die er die letzten Jahre seine ganze Zähigkeit eingebracht hatte.

An jenem Tag hatte er nur noch mich – einen noch sehr dünnen Jungen, dem die Tränen über das hohlwangige Gesicht liefen.

Aber er gab nicht auf.

Ich hörte ihn heiser sagen: »Nun, Hank, wir bauen das alles wieder auf. Wir gehen hier nicht weg. Wir bleiben hier und versuchen es noch mal.«

Ich sah ihn staunend an, vergaß einen Moment meinen Schmerz und die heiße Wut und erkannte, dass er es wahrhaftig ernst meinte.

Er wollte noch einmal von vorn anfangen.

Heiliger Rauch! Als ich daran dachte, wie wir alle uns in den vergangenen Jahren gequält hatten, wie wir hungerten und nur am Sonntag Schuhe trugen, da begriff ich auch schon, was mir bevorstand.

Er wollte das alles noch einmal hinter sich bringen.

Und er war ein Mann von über fünfzig und hatte schon graues Haar.

Nein, ich konnte ihn nicht verstehen.

Er sah mir das an.

»Hank«, sagte er, »ein Mann darf nicht aufgeben. Er darf sich auch von einem Platz nicht vertreiben lassen, auf dem er bleiben will. Es ist sonst so, als wäre er ein Stück Treibholz in einem Fluss. Nein, wir bleiben und bauen alles wieder auf. Du bist bald ein Mann, mein Junge – und dies hier soll deine Heimat sein. Und ich, ich schaffe das alles noch. Ich halte noch durch, bis das alles hier wieder so steht, wie es einmal war. Und hier werden auch immer deine Mam und deine beiden Schwestern bei uns sein. Wir werden sie dort drüben unter den Bäumen begraben.«

Das waren seine einzigen Worte an diesem Tag, da die Trümmer unserer Ranch noch rauchten und wir schließlich Satteldecken nahmen, um unsere Angehörigen darin einzuhüllen.

Erst später kamen ein paar Nachbarn, die den Rauch über den Hügeln bemerkt hatten.

Aber mein Vater sprach nicht mit ihnen.

Es gab auch nichts mehr zu sagen.

Und auch tags darauf am offenen Grab schwieg er.

Ich überlegte damals schon, ob ich weglaufen sollte.

Aber ich konnte es ihm dann doch nicht antun. Ich spürte damals irgendwie, dass ich der Grund war, weshalb er noch einmal von vorn beginnen wollte. Ich spürte, dass er etwas haben musste, woran er sich klammern konnte. Denn sonst wäre sein Leben fortan ohne Sinn gewesen.

Also blieb ich bei ihm und quälte mich redlich.

Wir schufteten wie Sklaven – nein, schlimmer noch.

Inzwischen war auch der Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten ausgebrochen. Aber wir in den Hügeln hatten mit dem Krieg nichts zu schaffen.

Wir bauten wieder auf, was die Apachen zerstört hatten.

Wir brauchten zwei Jahre, bis wir wieder so weit waren.

Ich wurde indes ein harter Bursche, fast schon ein Mann.

Und dann kam der Tag, an dem ich erneut erlebte, dass alles umsonst gewesen war.

Diesmal erwischte es meinen Vater.

Nur waren es keine Apachen, sondern Pferdediebe.

Sie kamen am frühen Morgen, als die Nebel stiegen und der Tag noch keine Farben hatte.

Wir hatten ein paar feine Pferde in den Korrals, darunter einige erstklassige Stuten und einen Hengst für die Zucht. Für diese Pferde hatten wir hundert Rinder eintauschen müssen.

Nun, die Pferdediebe erwischten meinen Vater im Morgengrauen, als er von unserem Wohnhaus zu den Korrals hinüberging. Das tat er jeden Morgen um die gleiche Zeit, und er trug stets eine Schrotflinte bei sich, wenn er das Haus weiter als zehn Schritte verließ. Er rechnete immer mit einem neuen Apachenüberfall.

Nun, ich war noch in der Küche und machte das Feuer an, um Kaffee zu kochen, als die Schrotflinte donnerte. Es war ein doppelläufiges Monstrum, und es krachte zweimal in den grauen Morgen.

Meine Schrecksekunde währte nicht lange.

Dann hoffte ich, dass mein Vater auf einen Wolf geschossen hatte.

Aber zugleich schnappte ich mir unseren Colt und rannte durch die Hintertür. Das aber war genauso sinnlos, als hätte ich die Vordertür benutzt. Die hartgesottenen Hombres hatten alles genau ausgerechnet. Sie wollten nicht beim Stehlen unserer Pferde gestört werden.

Als ich rauskam, lief ich auch schon in eine Kugel. Ich kam gar nicht zum Schuss, und es war mächtig dumm von mir, aus unserem Haus zu rennen wie ein Hund aus seiner Hütte, um jemanden an die Beine zu fahren.

Mein Kopf schien zu platzen.

Als ich erwachte und zu begreifen begann, dass ich noch am Leben war, wurde mir dieses Glücksgefühl doch sehr vermiest durch die höllischen Schmerzen im Schädel, die so schlimm waren, dass ich kaum zu atmen wagte.

Aber weil ich nicht mit geschlossenen Augen bewegungslos liegenbleiben konnte, musste ich schließlich doch zusehen, dass ich auf die Beine kam.

O Hölle, das war schlimm. Ich glaubte wirklich, dass mein Kopf platzen müsste von einem Pulsschlag zum anderen, und als ich endlich auf den Beinen stand, da drehte sich die Welt um mich und wurde es noch einmal so schlimm, dass ich aufgeben und wieder zur Mutter Erde hinunter wollte.

Aber schließlich schaffte ich es doch zu einem Wassertrog, in den ich meinen armen Kopf stecken konnte.

Oh, das tat gut. Und dann fühlte ich auch die blutige Schramme unter meinem Haar, die mir die Kugel gerissen hatte.

Die Sonne stand schon ziemlich hoch. Also hatte ich einige Stunden bewusstlos gelegen.

Endlich fiel mir ein, dass es wohl gut wäre, den Colt zu suchen. Ich fand ihn dort, wo er mir entfallen war. Als ich mich bückte, ihn aufzuheben, wurde es noch einmal schlimm mit meinem Kopf.

Heiliger Rauch, was musste dieser Kopf heute aushalten. Und dabei hatte die Kugel doch nur wenige Millimeter Haut mitgenommen.

Als ich meinen Vater fand, da dachte ich eine Weile nicht mehr an meinen Kopf. Die Schmerzen schienen mir gar nicht mehr so schlimm zu sein. Denn nun spürte ich einen anderen Schmerz. Er war in meiner Brust, im Herzen – und im Magen war mir flau. Ich hatte den Wunsch, mich zu übergeben, kämpfte aber dagegen an.

Es war eine bittere Minute.

Da lag er nun, mein Alter.

Er war tot, und er hatte verloren auf der ganzen Linie.

Wenn man es recht bedachte, hatte sein ganzes Leben sich nicht gelohnt.

Er war stets durch Gewalt besiegt worden.

In dieser Minute veränderte sich etwas in mir.

Ich wollte nicht so werden wie mein Vater. Nein, ich wollte kein Narr sein, der sich redlich quälte und dann doch stets verlor.

Ich dachte damals, dass es besser wäre, ein Tiger zu sein, der sich einfach holte, was er brauchte, und vor dem sich alle fürchteten.

Ja, ein Tiger wollte ich sein.

Dies waren meine Gefühle, da ich neben meinem toten Vater kniete.

Unsere Pferde waren natürlich weg.

Ich war allein.

Und ich hatte den Wunsch nach Rache und Vergeltung. Ich wollte Genugtuung haben. Irgendwie war tief in meinem Kern der Glaube, dass ich nur ein Mann werden konnte, der wie ein Tiger war, wenn ich mir Genugtuung verschaffte. Ich musste meinen Vater rächen.

Schaffte ich es nicht, so würde ich wohl irgendwann das Schicksal meines Vaters teilen.

Doch wie sollte ich meinen Vater rächen?

Ich war noch ein Junge und besaß nur den alten Colt und meines Vaters Schrotflinte.

Nicht mal ein Pferd hatte ich.

Denn die Banditen hatten alle Tiere weggetrieben.

Nun, ich brauchte den ganzen Rest des Tages, um bis zum nächsten Nachbarn zu gelangen. Dieser Weg von sieben oder acht Meilen war für mich ein Weg durch die Hölle.

Dann schlief ich eine Nacht.

Und dann – am nächsten Morgen – gab ich dem Nachbarn die Vollmacht, unsere Ranch zu verkaufen. Ich bekam als Vorschuss ein Pferd und etwas Proviant. Damit ritt ich los.

Auf Fährten verstand ich mich recht gut, denn ich hatte oft gejagt, damit wir Fleisch in die Töpfe bekamen. Wir konnten und wollten für uns nicht immer wieder ein Rind schlachten, denn das war zu teuer. Ich hatte aber gewiss auch schon als kleiner Junge eine besondere Begabung für das Fährtenlesen entwickelt.

Vielleicht kam da irgendwie noch einmal einer meiner Urahnen zum Durchbruch. Denn mein Urgroßvater – und zwar der Großvater meiner Mutter – war ein Comanche gewesen, der eine Spanierin raubte, die dann meine Urgroßmutter wurde.

Damals gehörte Texas – wo meine Vorfahren lebten – noch der spanischen Krone.

Ich nahm von unserer Ranch aus die Fährte der Mörder meines Vaters auf.

Und da die Kerle unsere Pferde zuerst sehr schnell getrieben hatten, um erst mal ein paar Meilen zwischen sich und den Ort ihrer Untat zu bringen, war die Fährte selbst für einen Unkundigen noch verfolgbar.

Schwerer wurde es dann am zweiten Tag.

Am dritten Tag wollte ich schon aufgeben, denn ich verlor die Fährte einige Male und fand sie stets nur durch Zufall wieder.

Am vierten Tag aber war ich am Ende meiner Kunst und begriff endlich, dass ich halt noch ein recht unerfahrener Junge war.

Aber dann kam Pancho.

Er tauchte aus den Hügeln auf, und er war ein schon alter Bursche, der auf einem hageren Maultier ritt und an den Füßen Sandalen trug. Ein großer Strohhut saß auf seinem kleinen Kopf.

Sein Schnurrbart war dafür gewaltig.

Er war in verwaschenes Leinen gekleidet wie fast alle Peons, aber er hatte ein altes Gewehr und trug einen Patronengürtel schräg über dem Oberkörper von der linken Schulter zur rechten Hüfte, in dem noch drei oder vier Patronen steckten.

»Hast du Tabak?«, fragte er zur Begrüßung.

Ich hatte welchen und zögerte dennoch, denn ich wollte auf dieser miesen Welt nichts mehr verschenken. Bei mir konnte niemand mehr was bekommen – höchstens heißes Blei.

Ja, in solch einer Verfassung war ich nun mal, auch wenn das viele gewiss nicht verstehen werden.

Doch ist zu bedenken, dass ich innerhalb von gut zwei Jahren meine ganze Familie durch Gewalttat verlor. Ich musste doch zu der Auffassung kommen, dass nur allein Gewalt und Stärke erstrebenswert waren.

Und warum sollte ich dann diesem alten Burschen Tabak geben?

Seine Augen waren listig, schlau und scharf.

Vielleicht erkannte er damals, was in mir war.

Jedenfalls drängte er mich nicht mehr wegen Tabak, sondern fragte vielmehr: »Ich beobachte dich schon eine Weile von den Hügeln aus. Mir scheint, du suchst eine Fährte – ja?«

Ich nickte.

»Drei Reiter«, sagte ich, »die ein Dutzend Pferde treiben. Die Fährte wurde immer wieder verwischt. – Hast du die drei Reiter mit den Pferden vielleicht gesehen, Opa?«

Er grinste und zeigte dabei braune Zahnstummel.

»Wenn du etwas von mir erfahren willst, Junge«, sagte er, »musst du erst mal was spendieren. Ich bin ein alter Mann, dem niemand etwas schenkt. Warum soll ich mein Wissen nicht verkaufen? Na?«

»Ich lerne heute wieder 'ne Menge«, murmelte ich und warf ihm den Tabakbeutel zu. Er fing ihn geschickt. Für sein Alter war er noch recht rüstig.

Er drehte sich eine dicke Wurst; es war mehr eine Zigarre als eine Zigarette, und ich sah auch, dass er noch Tabak in seiner hohlen Hand verschwinden ließ. Dieser Alte wusste für sich zu sorgen.

Er trug Sandalen.

Ich hatte Stiefel mit Sporen.

Er rauchte zuerst wie ein Schornstein. Dann aber hatte er seinen ersten Hunger gestillt und nickte mir zu.

»Ich kann solch eine Fährte verfolgen«, sagte er. »Für einen Dollar pro Tag und Verpflegung tu ich dir den Gefallen. Und ich tue das für Armeescout-Sold. Dabei sehe ich dir an, dass du mir auch das Zehnfache zahlen würdest. Dir brennt was unter dem Hintern, im Herzen und in den Augen. Na, mein Junge?«

Ich hatte sieben Dollar in der Tasche und auch etwas Proviant in meiner Sattelrolle. Ich konnte den Burschen also ein paar Tage bezahlen.

Und so nickte ich. Doch weil ich nun gerade nicht auf den Kopf gefallen war, sagte ich: »Opa, das wäre wohl ein ganz hübscher Verdienst für dich, wenn du mich eine ganze Woche herumführen würdest wie einen Hammel. Einen Dollar pro Tag verdient nicht mal ein guter Cowboy. Ich mach dir einen anderen Vorschlag. Ich zahle zwei Dollar, wenn wir am Ende der Fährte sind und ich die Pferde wiedersehe, deren Fährte wir folgen. Na?«

Er sah mich an, erkannte, was in mir war, und entschloss sich.

»Reiten wir«, sagte er und zog sein hageres Maultier nach Süden. Er sah dabei gar nicht auf den Boden.

»He, willst du nicht nach der Fährte suchen, Opa?«, fragte ich.

Er grinste.

»Junge«, sagte er, »in dieser Gegend ist das Wasser knapp. Und wenn man ein paar Pferde über die Grenze bringen will, dann muss man sich an die einzige Wasserstelle halten. Und wo die ist, weiß ich genau. Also vertrau nur dem alten Pancho. Der braucht ganz dringend die zwei Bucks und macht deshalb keinen Fehler. Komm nur, mein Junge.«

Da hatte ich es wieder. So einfach war das.

Weil er sich im Land besser auskannte als ich und genau wusste, wo die einzige Wasserstelle war, musste ich ihm zwei Dollar geben.

Man bekam nichts geschenkt im Leben – auch dann nicht, wenn man hinter Mördern und Pferdedieben her war wie ich.

Wir ritten den ganzen Tag, und ich staunte über den alten Pancho und sein hageres Maultier. Die kannten keine Müdigkeit.

Manchmal wechselten wir ein paar Worte.

Ich fragte ihn auch, was er denn so allein in den Hügeln getrieben hätte.

»Ach«, sagte er, »ich reite überall herum. Einmal fand ich in einer verlassenen Mine Silber. Ich wurde von einem Moment zum anderen reich. Hey, war das ein Leben! Auf solch einen zweiten Glückstreffer warte ich nun schon ein Dutzend Jahre. Aber ein Mann hat wohl immer nur eine Chance, mein Junge. Ich hätte mir damals 'ne Ranch kaufen sollen. Aber ich fühlte mich noch jung. Der Tequila schmeckte. Ich hatte viele Freunde. Und all die Putas waren mir gefällig. Ich war Don Pancho geworden. Es war eine schöne Zeit. Sie dauerte zwei Jahre. Noch heute träume ich manchmal davon. Was ist mit dir, mein Junge?«

Ich gab ihm keine Antwort.

Da schielte er wieder auf meinen alten Colt, den ich im Hosenbund trug, und auf die Schrotflinte, die am Sattelhorn hing.

Er fragte nicht mehr, was mit mir wäre.

Wahrscheinlich spürte er es.

Als es schon fast Abend war, sahen wir den kleinen Ort.

»Es gibt drei Quellen dort«, sagte Pancho. »Alles zusammen nennt sich Spanish Springs. Ich denke, dass du die Pferde dort sehen wirst. – Was haben sie denn für Brandzeichen?«

»Das letzte Brandzeichen, das sie bekamen, ist ein S im Kreis«, sagte ich. »Und das S steht für Sacketter, der Kreis für den Clan dieses Sacketter. So war es jedenfalls gedacht.«

Der alte Pancho nickte.

Inzwischen hatten wir die ersten Häuser erreicht. Es waren zumeist Adobehütten von Mexikanern. Aber es gab auch einen Store, ein Gasthaus mit Posthalterei und einen Saloon. Diese drei Gebäude waren nicht mexikanisch, sondern von der Art, wie Angloamerikaner sie bauten.

Neben der Posthalterei gab es auch einige Korrals.

In einem sah ich unsere Pferde. – Ja, da war unser roter Hengst mit den schönen Stuten und auch das Reitpferd meines Vaters.

Ich gab Pancho die beiden Dollar.

Er sah mich seltsam an und fragte dann: »Was wirst du tun, mein Junge?«

Ich erwiderte seinen Blick, und da erschrak er. Ja, ich konnte deutlich erkennen, dass er bis in seinen innersten Kern erschrak.

Was hatte er in meinen Augen gelesen?

Ich hörte mich seine Frage beantworten: »Oh, ich warte hier eine Weile. Ich will mich waschen und mein Pferd tränken. Und vielleicht gehe ich ins Gasthaus etwas essen. Ich danke dir, Opa. Von dir hab ich 'ne Menge erlernt.«

Er grinste.

»Sicher«, sagte er. »Wenn du mich gefragt hättest, wo es Wasser gibt vor der Grenze nach Sonora, dann hätte ich es dir gesagt und dir den Weg gewiesen. Du hättest, was ich mir ausrechnete, auch selbst zusammenzählen können. Tun dir die zwei Bucks leid?«

»Nein«, sagte ich. »Das war Lehrgeld.«

Er sah mich noch mal an. »Mach nur keinen Fehler, Junge«, sagte er. Dann ritt er zwischen die Adobehütten. Ein paar Kinder kamen ihm entgegen. Frauen grüßten ihn.

Er war allen offenbar bekannt. Mit zwei Dollar war er dort König.

Nun, ich brauchte nicht lange zu warten.

Ich konnte mich gerade an einem Wassertrog waschen und einige Bissen Dörrfleisch essen.

Dann kamen die drei Hombres aus dem Saloon.

Sie hatten gerastet, ein wenig getrunken und gespielt – und nun wollten sie weiter in der Nacht. Denn die Nacht verbarg alle Fährten.

Obwohl mich einer von ihnen niedergeschossen hatte, erkannten sie mich nicht. Aber ich trug ja auch einen großen Strohhut wie ein Mexikaner und hatte mir einen Poncho umgehängt, den ich als Mantelersatz mitführte.

Neben mir am Korralpfosten lehnte die Schrotflinte meines Vaters. Und unter dem Poncho hatte ich den Colt im Hosenbund.

Als die drei Kerle an mir vorbeigingen, streiften sie mich nur mit einem kurzen Blick.

Ich wartete, bis sie fünf oder sechs Schritte gemacht hatten und vor dem Korraltor verhielten, um es zu öffnen.

Dann sagte ich, wobei ich nach der Schrotflinte griff und sie mit einer ruhigen Bewegung unter den Arm in den Hüftanschlag nahm: »Sind das eure Pferde?«

Sie wandten sich mir zu – irgendwie schon alarmiert. Sie waren von Anfang an bereit, sich den Weg freizuschießen.

Aber dann entspannten sie sich wieder, denn sie sahen, dass ich allein war, und sie nahmen mich nicht für voll.

»Was willst du, Junge?«, fragte einer. Er war bärtig, hatte eine kühne Nase und war gewiss an die zehn Jahre älter als ich. Er war ein Sattelpirat und sah auch so aus.

Seine Partner waren von seiner Sorte, und diese Sorte behauptete sich stets durch Härte und Verwegenheit.

Ich sagte langsam: »Ich bin der Junge, den ihr...«

»Ja, jetzt erkenne ich dich!«, rief einer und griff zum Colt. Wahrscheinlich war es jener, der mich aus der Hintertür kommen sah, auf mich schoss und mich dann für tot liegen ließ.

Ich wartete nicht, bis er den Colt auf mich richten konnte. Ich ließ ihn die Waffe noch ziehen – doch dann drückte ich ab.

Ich traf sie alle drei, denn sie standen ja dicht beisammen.

Doch sie waren zu hart, um schon aufzugeben. Sie waren von mir mit grobem Indianerschrot getroffen worden und kämpften dennoch weiter.

Das wurde mir klar, als sie ihre Revolver freibekamen und zu schießen begannen. Gewiss, sie schossen zuerst mal daneben, weil sie zu sehr schwankten. Ihr Schießen war zuerst Panik.

Ich begriff, dass es noch nicht zu Ende war, dass ich weitermachen musste – und dass ich vielleicht gleich tot sein würde.

Da erinnerte ich mich an den alten Colt unter meinem Poncho.

Ich hatte ihn plötzlich in der Hand und spürte den Rückstoß der Waffe.

Eine Kugel stieß mir das Bein weg. Ich fiel auf ein Knie. Aber ich schoss weiter und starrte durch den Pulverrauch, um zu sehen, wie es meinen Gegnern ging.

Als ich den Colt leergeschossen hatte, spürte ich noch eine zweite Wunde an der rechten Schulter.

Aber es war vorbei. Auch die drei Mörder und Pferdediebe schossen nicht mehr.

Als der Pulverrauch sich verzog, sah ich sie liegen.

Sie bewegten sich nicht mehr.

Aber ich konnte mich erheben. Ich benutzte die Schrotflinte als Stock und wandte mich dem Saloon zu, aus dem einige Männer gekommen waren, die noch starr verharrten und mich anstarrten, als sähen sie ein Kalb mit zwei Köpfen.

Ich machte einige hinkende Schritte und sagte dann: »Ich bin Hank Sacketter. – Diese Kerle haben unsere Pferde gestohlen und meinen Vater erschossen. – Es sind die Tiere mit dem S-Brand.«

Danach fiel ich um.

Ich war schon daran gewöhnt, mit Schmerzen zu erwachen. Doch diesmal spürte ich ein Glücksgefühl. Denn die Erinnerung war sofort da. Es war schön, noch am Leben zu sein. Ich hatte gekämpft, den Kampf gewonnen und war am Leben geblieben.

Erst nachdem ich noch eine Weile dieses Glücksgefühl, am Leben zu sein, ausgekostet hatte, wurde mir klar, dass ich nicht nur am Leben war und gewonnen hatte, sondern noch etwas anderes geschehen war.

Diese Erkenntnis traf mich wie ein Keulenhieb. Ich spürte nun jäh ein flaues Gefühl im Magen. Mir war plötzlich schlecht.

Denn ich hatte getötet.

Ich lag ganz still in meinem Bett und erlebte nun auch dieses Gefühl.

Es war ein scheußliches Gefühl, grausam und mitleidlos.

Ich hatte getötet – wenn auch im Kampf um mein Recht, um mein Leben und um meinen Besitz –, aber das nahm meiner Erkenntnis nicht sehr viel von ihrer schrecklichen Klarheit.

Doch dann dachte ich daran, wie die Apachen damals meine Mam und meine beiden Schwestern töteten, nachdem sie ihnen zuvor noch Schlimmes antaten.

Ich dachte auch daran, wie die Pferdediebe meinen Vater töteten.

Sie alle konnten dies offenbar auch danach gut ertragen.

Also musste ich es doch wohl auch können.

Ich hörte ein Geräusch und wandte den Kopf.

Die Tür war aufgegangen.

Ich sah ein Mädchen. Es war noch jung, ganz gewiss nicht älter als ich, eher noch ein oder zwei Jahre jünger.

Langsam trat das Mädchen vor mein Bett.

Wir betrachteten uns.

Sie gefiel mir. Ja, das wurde mir sofort klar trotz meiner körperlichen und auch seelischen Not.

Sie erschien mir irgendwie wie ein Licht in dunkler Nacht. Sie war für mich in dieser Minute ein Zeichen, dass es auf dieser Welt nicht nur bittere Dinge gab, sondern auch dann und wann erfreuliche.

Ja, sie war gewiss keinen Tag älter als ich, doch wahrscheinlich schon sehr viel erfahrener.

Sie lächelte ein wenig, als sie fragte: »Wie geht's, Cowboy?«

Ich versuchte zurückzulächeln und ihr somit für ihre Freundlichkeit und die teilnehmende Frage zu danken.