G. F. Unger Sonder-Edition 262 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 262 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Jene wagemutigen Pioniere, die nach Westen zogen, um sich ein Stück Land zu erobern, das von einem Ende des Horizonts bis zum anderen reichte, waren stark, hart und gnadenlos. Gesetze der Zivilisation galten ihnen nichts. Nur eins zählte für sie: die Erfüllung ihres gewaltigen Traums von Land und Macht.
Dennoch schufen sie die Anfänge einer neuen und besseren Zeit. Und der Westen wurde für alle, die nach ihnen kamen, ein Asyl der Freiheit...


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Seitenzahl: 169

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

So weit wie der Himmel

Vorschau

Impressum

So weit wie der Himmel

Jene Männer damals, die nach Westen zogen, um sich ein Stück Land zu erobern, welches so groß war wie der Himmel weit in der Runde, sie waren stark, hart und gnadenlos. Auch grausam in ihrer Härte gegen sich selbst. Nur so konnten sie in diesem Lande überleben.

Moral und Zivilisation galten nichts. Allein das Überleben zählte. Dennoch schufen sie die Anfänge für eine andere und bessere Zeit auf ihre manchmal auch böse Weise.

Der Westen wurde für alle, die nach ihnen kamen, ein Asyl der Freiheit.

Jack Spade war einer dieser Burschen.

Es war ein grauer, nebliger und nasskalter Morgen. Ich war schon von meinem Lager hochgekommen, was schwer genug gewesen war, hatte ich mir doch nur drei Stunden Schlaf gegönnt nach einem Hundertmeilenritt.

Denn ich war in Elkhorn gewesen, einer kleinen Stadt, kaum größer als eine Siedlung. Und dennoch war Elkhorn für die wenigen Menschen auf hundert Meilen in der Runde sozusagen der Nabel der Welt.

Es waren zwei wunderschöne Tage und Nächte in Elkhorn für mich.

Ich hatte eine Menge Feuerwasser vertilgt, Karten gespielt, mich mit einigen Narren geprügelt, die sich mit mir messen wollten – und ich war einmal mit Lily Mahoun und einmal mit Boston Longley auf deren Zimmer gewesen.

Ich hatte also alles bekommen, was ein hungriger Wolf aus den Hügeln von Zeit zu Zeit mal haben musste.

Im Verlauf des Hundertmeilenritts wurde ich dann nüchtern.

Als ich auf meiner kleinen Ranch ankam, wusste ich, dass eine Menge Arbeit auf mich wartete. Meine Tiere waren meilenweit verstreut, da konnte ich sicher sein.

Deshalb hatte ich mir auch nur drei Stunden Schlaf gegönnt.

Um mich besser zu fühlen, rasierte ich mich ausnahmsweise einmal.

Auf dem Herd kochte indes das Wasser für den Kaffee. Den würde ich brauchen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Denn eigentlich hatte ich in den vergangenen vier Tagen und Nächten nur drei Stunden geschlafen, rechnet man die kurzen Erholungspausen in Lilys und Bostons Armen nicht mit.

Ich hielt das Rasiermesser in der Linken – denn die Linke war meine Revolverhand und wurde überhaupt von mir für feinere oder schwierigere Arbeit bevorzugt –, als die Tür aufgestoßen wurde.

Ein hartgesichtiger Bursche wurde sichtbar, der mit seinem Colt auf mich zielte.

Eine Weile verharrten wir so und starrten uns an.

Dann sagte ich: »Bei mir gibt's nichts zu holen, Bruder, höchstens mein Pferd drüben im Schuppen.«

Er nickte.

»Das bringt mein Partner gerade«, sagte er dann. »Er wird es für dich sogar gesattelt haben, sodass du gleich losreiten kannst.«

»Und dann?« So fragte ich.

»Ach, das ist ganz einfach«, grinste er. »Du haust hier ab und lässt dich nie wieder blicken. Die Nebraska-Bodenverwertungsgesellschaft übernimmt alles. Du bist hier im Wege. Such dir einen anderen Platz.«

Nun wusste ich Bescheid.

Er war ein Bursche, der für eine mächtige Gesellschaft oder Interessengruppe die raue und schmutzige Arbeit verrichtete.

Und ich war diesen Leuten hier im Wege.

Also jagte man mich zum Teufel.

Es gab kein Gesetz weit und breit. Das Recht besaß der Stärkere.

Und so wie mir, so war es schon vielen, vielen kleinen Ein-Mann-Ranchern oder Siedlern ergangen.

Ich wusste das.

Aber ich hätte nie geglaubt, dass mir so etwas passieren könnte, mir, Jack Spade.

Denn ich war nicht gerade eine Pfeife. Und drunten im Süden kannte man meinen Namen. Und die mich kannten, suchten keinen Verdruss mit mir.

Aber das zählte jetzt im Moment nicht.

Denn ich hatte ein Rasiermesser in der Hand – der andere Bursche aber hielt einen schussbereiten Colt.

»Bruder«, sagte ich freundlich, »wie ist denn dein Name? Denn den möchte ich doch gerne in meinem Gedächtnis aufbewahren. Na?«

Er grinste hartlippig zurück.

»Ach, was sind schon Namen«, sagte er, »wenn man einen Colt schussbereit in der Patschhand hält, so wie jetzt ich. Aber ich kneife nicht, verstecke mich nicht, mein Bester. Ich bin Lug Vansitter.«

»Aha«, sagte ich, »der aus Laredo?«

Er nickte. Und dann sagte er: »Also, schleich dich. Du hättest keine Chance. Die Macht der Gesellschaft ist zu groß. Sie beansprucht das Land in der Runde, so weit wie der Himmel reicht. Was willst du dagegen tun? Kannst du gegen hundert Mann kämpfen? Allein? Sie brauchen deine Wasserstelle und den von dieser abfließenden Creek. Pack deine Siebensachen und mach keinen Ärger.«

Seine hellen Augen waren hart und gnadenlos.

Ja, er war ein Bursche, der schon lange für gutzahlende Auftraggeber die raue und schmutzige Arbeit verrichtete.

Neben ihm erschien jetzt noch ein anderer Mann in der offenen Tür.

»Macht er Schwierigkeiten?« So fragte der Kerl.

»Aber nein«, grinste Lug Vansitter. »Der ist doch nicht blöd. Dem musste ich nur ein wenig Zeit zum Nachdenken lassen. Jetzt hat er es geschnappt. Nicht wahr, Bruderherz?«

Er grinste mich an wie ein Wolf, der warnend seinen Fang blinken lässt.

Und ich nickte.

»Deine Argumente«, sagte ich, »sind zu überzeugend. Nein, ich bin wirklich nicht blöd. Aber ist dir auch richtig klar, dass ich hier drei Jahre meines Lebens einsetzte? Und ich habe an die fünfhundert Rinder und mehr als hundert Pferde auf meinem Land. Die Pferde seht ihr ja selbst dort drüben in den eingezäunten Weidekoppeln. All diese Tiere kann ich allein ja gar nicht mitnehmen. Doch sie sind alles, was ich besitze. Ist euch klar, dass ihr mich nicht nur von meinem Land vertreibt, sondern auch noch wie Vieh- und Pferdediebe beraubt?«

Sie grinsten und nickten.

Lug Vansitter sagte: »So ist das Leben. Es gibt in jedem Spiel Verlierer. Das ist so auf dieser verdammten Erde.«

Er sagte es hart und gnadenlos.

Ich aber wusste nun Bescheid.

Er war ein Bandit und Landräuber für mächtige Hintermänner.

Wenn er ein weites Gebiet freigeräumt hatte von Siedlern und Kleinranchern, dann fanden diese mächtigen Bodenverwertungsgesellschaften irgendeinen Dreh, um das ganze Gebiet für ein Butterbrot bekommen zu können.

Es gab da viele Möglichkeiten.

Sie konnten zum Beispiel einen Kaufvertrag mit irgendeinem alten Indianerhäuptling vorweisen.

Sie konnten ihre eigenen Leute als Heimstätter auf alle Wasserstellen setzen und sie die wichtigen Besitztitel »ersitzen« lassen. Sie konnten Abgeordnete oder gar Senatoren bestechen, sodass Sondergesetze erlassen wurden, die eine Verwertung des Bodens für aus besonderen Gründen volkswirtschaftlich wichtig festsetzten – und es gab da noch eine Menge anderer Möglichkeiten.

Ich hatte verloren.

Oder ich hätte zehn oder zwanzig Jahre lang in der Hauptstadt Prozesse führen müssen. Doch solange hätte ich gar nicht mehr gelebt.

Und so legte ich endlich das Rasiermesser weg und begann meine Siebensachen zu packen. Es war nicht viel.

Als ich fertig war, hatte ich alles in einer Sattelrolle und zwei Packtaschen verpackt. Ich deutete auf meinen Revolvergurt, der mit dem Holster und dem Colt noch neben der Waschschüssel auf dem Tisch lag.

»Kann ich den auch mitnehmen?« So fragte ich.

Sie grinsten nur wortlos.

Und da gab ich es auf.

Ich trat an ihnen vorbei mit meinem Gepäck hinaus ins Freie.

Mein Pferd stand dort. Es war noch müde vom Hundertmeilenritt, so müde wie ich. Ich sah mich noch einmal um, prägte mir ein, was ich in den vergangenen drei Jahren aufgebaut hatte.

Ein Faulpelz war ich gewiss nicht gewesen.

Und nun jagten sie mich zum Teufel.

Es fiel mir schwer, mich zu beherrschen.

Doch die beiden Kerle waren nicht allein. Ich sah noch mehr Revolverschwinger. Lug Vansitter war mit einem knappen Dutzend gekommen.

Ein Glück für mich, dass ich nicht verrücktspielte.

Ich hätte keine Chance gehabt.

Nun, ich trat also zu meinem Pferd, befestigte die Sattelrolle am Hinterzwiesel und hing die beiden Packtaschen über den Pferdenacken.

Dann saß ich auf und ritt davon.

Nicht ein Wort sprach ich. Und ich sah mich auch nicht um.

Ich ritt nach Westen.

Immer wenn ich an diesen Lug Vansitter dachte, grinste ich voller grimmiger Gewissheit. Nein, man konnte das, was ich bei meinen Gedanken an ihn fühlte, nicht Vorfreude nennen – nur grimmige Gewissheit.

Denn es wäre mir lieber gewesen, ich hätte weiterhin friedlich auf meiner Hügelranch leben können.

Ich ritt auch dann noch nach Westen, als ich in Deckung der Hügel war und sie mir nicht mehr nachsehen konnten. Denn ich wusste, dass dieser Lug Vansitter ein erfahrener Bursche war, der so schnell keinen Fehler machte. Er würde mir einen Scout nachschicken, um sicher zu sein, dass ich auch wirklich abhaute.

Die Sonne kam hoch, fraß den Nebel – und eigentlich wäre es ein wunderschöner Tag geworden in den Antelope-Hügeln von Nebraska.

Aber ich hatte keinen Blick für den schönen Tag.

In mir war eine kalte, böse, grimmige Unversöhnlichkeit.

Sie hatten mir gewissermaßen das Fell über die Ohren gezogen, mich zum Teufel gejagt. Wenn ich mir das gefallen ließ, dann war ich eine verdammte Pfeife, die nichts anderes verdiente, als dass man sie überall in den Hintern trat, wohin sie auch kam.

Ich ritt also fast bis Mittag durch die Hügel.

In einer engen Felspassage hielt ich an, band mein Pferd fest und machte mich zu Fuß auf den Rückweg. Ich lief aber nicht auf meiner Fährte zurück, sondern schlug einen Bogen.

Meine Fährte, die ich im Sattel gezogen hatte, führte an einem Felsklotz vorbei, der doppelt so groß war wie ein Elefant. Büsche wuchsen auf diesem Felsen.

Ich kletterte hinauf und legte mich auf den Bauch.

Wenig später sah ich meinen Verfolger kommen, jenen Scout also, der den Auftrag hatte, festzustellen, ob ich auch tatsächlich aus dem Lande ritt.

Er sah meine Fährte deutlich vor sich. Und er ritt auf ihr, sodass hinter ihm eine Doppelfährte zurückblieb.

Als er sah, dass meine Fährte drüben in der Felspassage verschwand, hielt er unter dem Felsen an, auf dem ich lag. Er spähte hinüber; es war mehr ein Wittern. Sein Instinkt warnte ihn jetzt, und er versuchte zu erkennen oder zu erahnen, wovor ihn dieser feine Wolfsinstinkt warnte.

Ich ließ ihm keine Zeit mehr, dies herauszufinden.

Und so sprang ich auf ihn nieder.

Es war ein mächtiger Sprung, denn ich konnte mich nicht einfach nur fallenlassen, sondern musste auch noch weit springen. Fast hätte ich ihn dann nicht mal gut genug erwischt, um ihn vom Pferd reißen zu können – fast.

Aber es klappte dann doch noch.

Ich bekam ihn unter mich und machte ihn klein.

Es war ein Halbblut und deshalb wahrscheinlich ein besonders guter Scout. Nur jetzt in meinem Falle hatte ihm das nichts genützt.

Als er wieder zu Bewusstsein kam, hatte ich seine Waffen. Unsere Pferde waren in der Nähe angebunden. Ich hockte neben ihm, und als ich in seinen Augen erkannte, dass er wieder voll bei Sinnen war, da sagte ich: »Wenn du Revanche haben möchtest, dann gebe ich sie dir natürlich. Du brauchst nur aufzustehen und es zu versuchen. Na?«

Aber er wollte nicht.

Er befühlte seine Schläfe, wo ihn meine Faust traf.

Dann sagte er: »Dieser Lug Vansitter wird mich nicht mehr lieben. Für ihn bin ich jetzt ein Versager. Mein Job bei ihm ist beendet. Mich interessiert nur noch, was du mit Lug Vansitter und dessen rauen Jungens tun wirst. Du wirst ihnen doch noch dein Zeichen in die Hintern brennen – oder?«

Er wusste Bescheid über mich, nachdem ich ihn so glatt kleingemacht hatte.

Ja, jetzt wusste er gründlich Bescheid.

Ich grinste.

»Mein lieber Guter«, sagte ich, »viel lieber würde ich Vansitters Bossen mein Zeichen in die Hintern brennen. Kannst du mir vielleicht sagen, wo sie zu finden wären?«

Er schüttelte den Kopf.

»Weit im Osten«, sagte er. »Wahrscheinlich nicht nur östlich des Missouri, sondern östlich der Mississippi. Weit im Osten. Aber Lug Vansitter bekommt Briefe zu verschiedenen Poststationen. Die letzten bekam er vor einer Woche weiter östlich. Und er muss auch ständig Wochenberichte absenden. Er wird Briefe und Adressen in seinem Gepäck haben. Ich mochte ihn eigentlich nie so richtig. Was hast du mit mir vor?«

Ich grinste wortlos, erhob mich und band die beiden Pferde los.

Der Scout hockte noch am Boden und beobachtete mich.

Als ich die Zügelenden seines Pferdes in die Hand nahm und mich in den Sattel meines Tieres schwang, da wusste er, dass er zu Fuß gehen musste.

Ich sagte: »Viel Glück, mein Guter. Aber was kann ich dafür, dass du auf der falschen Seite warst?«

Er nickte nur.

Und da ritt ich davon, nahm sein Pferd mit mir.

Als ich meine kleine Ranch wieder zu sehen bekam, war es längst schon Nacht. Aus meiner Hütte fielen drei Lichtbahnen. Also war auch die Tür offen, denn die Hütte besaß nur zwei Fenster.

Ich ließ die beiden Pferde zurück und ging zu Fuß weiter. Außer dem Colt trug ich auch noch das Gewehr des von mir überrumpelten Scouts der Bande.

Ja, es war eine Bande. Sie waren Landräuber und Banditen.

Sie hatten mich davongejagt, mich um den Erfolg von drei Jahren harter Arbeit gebracht – und sie hatten mir natürlich zugleich auch meine Rinder und Pferde gestohlen. Denn nichts hatte ich mitnehmen können außer den paar Habseligkeiten in meiner Sattelrolle und den beiden Packtaschen.

Für mich waren sie Banditen.

Und ich war allein gegen fast ein Dutzend.

Ich beschreibe dies hier noch einmal so ausführlich, um den Leser meiner Geschichte erkennen zu lassen, dass es für mich keine Fairness geben konnte. Ich war gekommen, um sie spüren zu lassen, was es bedeutete, mit mir einen Verdruss anzufangen. Ich konnte einfach nicht davonschleichen wie ein davongejagter Hund.

Mein Stolz ließ das nicht zu.

Das Leben wäre für mich nicht mehr lebenswert gewesen.

Was ich zu tun beabsichtigte, musste sein. Da biss keine Maus einen Faden davon ab.

Verdammt noch mal, drei Jahre hatte ich mich gegen Blizzards, Indianer und Strolche behauptet, hatte geschuftet wie ein Ochse und endlich das Schlimmste überstanden.

Deshalb war ich auch nach Elkhorn zu meiner Feier geritten.

Und jetzt...

Nun, ich machte mich also zu Fuß auf den Weg. Es kam mir zustatten, dass ich mich in der näheren Umgebung meiner Ranch natürlich gut auskannte.

Als ich meinen großen Schuppen erreichte, der mir als Scheune, Stall, Geräteverwahrung und Wagen-Remise diente, hielt ich an der Ecke an und wartete.

Drinnen im Schuppen schnarchten einige Kerle. Das war zu erwarten gewesen, denn in meiner kleinen Hütte hatten sie ja gar nicht alle Platz.

Es war mir jedoch klar, dass es einen Wächter geben musste. So dumm war dieser Lug Vansitter nicht, dass er sich hier bei mir sozusagen »blind« einnistete.

Ich brauchte auch gar nicht lange zu warten, dann kam er auch schon.

Er näherte sich aus Richtung der Korrals und Weidekoppeln.

In der offenen Schuppentür verharrte er einige Atemzüge lang, und ich hörte ihn neidisch murmeln: »Aaaah, diese Stinker schnarchen wie Schweine.«

Dann ging er weiter und gelangte bis zu mir an die Schuppenecke.

Ich schlug ihm den Gewehrlauf quer über den Hals, genau auf den Gurgelknoten unter dem Kinn.

Deshalb brachte er keinen Ton mehr heraus.

Und indes er in die Knie ging, verzweifelt nach Luft schnappte, gab ich es ihm nochmals.

Ich hatte gar keine andere Wahl.

Die Übermacht, mit der ich mich anlegte, war zu groß.

Nur wenn ich noch rücksichtsloser und gemeiner war als diese Kerle – nur dann hatte ich vielleicht eine Chance.

Denn ich war so verdammt allein und konnte nirgendwo Hilfe holen.

Wenn mich diese Kerle erwischten, war ich tot.

Ich machte den Wächter also klein, so klein, dass ich sicher sein konnte, er würde in den nächsten Tagen nicht reiten können.

Dann verharrte ich und lauschte.

Aber die Schnarchtöne und Atemzüge drinnen im Schuppen waren alle noch unverändert. Und drüben aus meiner Hütte fielen noch die drei Lichtbahnen. Dort bewegte sich nichts.

Einen Moment zögerte ich, fragte mich, ob ich weitermachen sollte oder es besser für mich war, aufzugeben.

Wenn nur einer von ihnen erwachte und einen einzigen Ruf ausstoßen konnte, dann hatte ich die ganze Blase gegen mich.

Aber ich konnte nicht aufhören.

Nein! Denn sie hatten mich wie einen Hund davongejagt.

Und so ging ich hinein in den Schuppen.

Die Kerle lagen gleich im Vorraum. Sie hatten sich Heu ausgebreitet und ihre Decken ausgerollt.

Ich konnte sie einigermaßen gut erkennen, denn es fiel genügend Licht der nächtlichen Gestirne in den Vorraum des Schuppens.

Sechs Gestalten lagen da ausgestreckt.

Sie schnarchten oder atmeten schnaufend.

Ich roch nun auch, warum das so war. Denn ich roch Schnapsdunst.

Sie hatten sich nach dem Abendessen offenbar was hinter die Binde gegossen, wie man im Volksmund so schön sagte, wenn jemand sich anständig beschlaucht.

Deshalb schliefen sie wahrscheinlich geräuschvoller als sonst.

Aber einer war wach, und dieser Bursche fragte mürrisch und gähnend: »He, Jube, muss ich dich jetzt schon ablösen?«

Er hielt mich für den Wächter. Und er wusste, dass er diesen Wächter wahrscheinlich ablösen musste. Deshalb war sein Schlaf gewiss leichter gewesen. Auch hatte er nicht so viel getrunken vom Feuerwasser wie seine Kumpane.

Ich trat neben sein Lager, und weil er sich im selben Moment aufsetzte, sich dabei die Augen rieb, um munter zu werden, kam er mir mit dem Kopf entgegen.

Ich schlug ihm den Gewehrlauf quer über die Stirn.

Und dann erst atmete ich langsam aus.

Nichts regte sich.

Die fünf anderen Kerle schliefen und schnarchten. Wahrscheinlich waren sie so sehr betrunken wie ein ganzer Indianerstamm.

Ich hatte drüben in meiner Hütte zwei Fässchen Feuerwasser, die für mich normalerweise länger als ein ganzes Jahr gereicht hätten. Wenn man in der Einsamkeit lebte, war hochprozentiger Schnaps oftmals die beste Medizin – auch für Wunden, die sich entzündet hatten.

Diese Kerle hier hatten das alles binnen weniger Stunden vertilgt.

Ich grinste grimmig.

Und dann trat ich nacheinander zu jedem der Schnarcher. Sie stanken wirklich. Der Wächter hatte sie Stinker genannt. Und das waren sie in ihrem Zustand.

Ich gab es ihnen mit dem Gewehrlauf. Es war lächerlich leicht, sie alle nacheinander unschädlich zu machen. Aber daran war ihr Saufgelage schuld.

Ich kannte keine Gnade.

Als ich fertig war, begann ich zu rechnen.

Ich hatte nun den Scout, den Wächter draußen und hier die sechs Kerle erledigt.

Das waren zusammen acht.

Also mussten drüben in meiner Hütte noch vier sein, wenn keiner im Verlaufe des vergangenen Tages fortgeritten war – als Bote zum Beispiel – oder zur nächsten Poststation am Oregon Trail, welcher an die siebzig Meilen weiter nördlich von mir nach Westen verlief.

Die Kerle in der Hütte waren ganz sicher gefährlicher als diese hier im Schuppen. Das waren Lug Vansitters besonderen Vertrauten, sozusagen seine »rechten« und »linken« Hände, seine Assistenten, Vorleute – oder wie man sie auch sonst noch nennen mochte.

Mit denen würde ich nicht so leicht fertigwerden können wie mit diesen Strolchen hier.

Ich nahm mir Zeit.

An einem Balken im Schuppen hingen Lassos. Ich nahm sie und begann alle Kerle nacheinander zu fesseln.

Als ich fertig war, schnaufte ich.

Gewiss, ich war ein harter und zäher Bursche. Doch jetzt war ich fast am Ende meiner Zähigkeit. Ich war nicht nur müde – nein, ich war erschöpft und hatte gewiss schon eine Menge von meiner Substanz verbraucht.

Dennoch musste ich weitermachen.

Und so schob ich mir noch einen erbeuteten Colt hinter den Hosenbund, nahm einen zweiten Colt in die Linke und das durchgeladene Gewehr in die Rechte. Ich hielt es um den Kolbenhals gefasst, sodass ich auch einhändig damit schießen konnte.

Langsam ging ich hinüber.

Ich hatte den ruhigen Schritt des Wächters gehört und ging nun so wie er.

Als ich eintrat, sah ich gleich, dass es vier waren.

Sie saßen um meinen Tisch und pokerten.

Auf dem Tisch lag Geld, und jeder hatte neben seinem Unterarm auf der Tischecke ein mehr oder weniger volles Glas stehen.

Rechts in der Ecke – schon nicht mehr im Lichtkreis der Lampe –, da saß noch jemand.

Aber das war kein Mann, sondern eine Frau.

Verdammt ja, da saß eine Frau auf dem Hocker.

Ich konnte nicht lange staunen.

Denn obwohl mich die Pokerspieler zuerst für den Wächter hielten, der mal zu ihnen hereinsehen wollte und sich ganz auf die Karten konzentriert hatten, hoben zwei von ihnen ihre Blicke.

Einer davon war Lug Vansitter.

Und er staunte ungläubig.

Ich ließ ihn in die Revolvermündung blicken und grinste unter meiner Hutkrempe.

»Ich bin es wirklich«, sagte ich.

Der Kerl vor mir, der mir den Rücken zukehrte, wollte aufspringen beim Klang meiner Stimme. Doch ich gab ihm was mit dem Gewehrlauf auf den Kopf von der Seite her. Ich traf ihn quer von hinten über der Schläfe.

Er fiel vom Hocker.

Die anderen sahen in meine Revolvermündung.

Sie lauerten, waren fast schon halb hoch von den Sitzen.

Ich sagte: »Na los, versucht es doch! Verdammt, versucht euer Glück! Na los!«