G. F. Unger Sonder-Edition 264 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 264 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es gehörte zu meinem Stolz als Spieler, auch verlieren zu können. Doch dieser Stolz wurde auf eine harte Probe gestellt, als es zwischen mir und Johnny nicht mehr um Dollars, sondern um die schöne Nancy Anderson ging, in die wir beide verliebt waren. Ich hatte Pech und verlor. Und ich glaubte, es meiner Spielerehre schuldig zu sein, die beiden ungehindert ziehen zu lassen.
Aber kaum hatten sie die Stadt verlassen, erhärtete sich ein furchtbarer Verdacht zur Gewissheit: Der Mann, der für mich wie ein Bruder gewesen war, hatte falschgespielt. Mein Entschluss stand fest: Ich würde nicht eher ruhen, bis ich Johnny zur Rechenschaft gezogen hatte...


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Seitenzahl: 191

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Der Spieler Kisko

Vorschau

Impressum

Der Spieler Kisko

Unter den Spielern von damals gab es solche und solche. Manche waren übelste Kartenhaie. Sie arbeiteten mit allen Tricks, sozusagen »mit Haken und Ösen«. Wenn sie erst einmal irgendwelche Opfer gefunden hatten, kannten sie keine Gnade.

Aber es gab auch andere. Die waren irgendwie Gentlemen geblieben. Sie spielten ehrlich und ließen sich nur von ihrem Instinkt, ihrer Einfühlungsgabe und ihrer starken Nervenkraft leiten. Sie waren Spieler, weil sie das Wagnis und das Abenteuer liebten. Und nicht nur am Kartentisch.

Sie konnten auch verlieren. Das gehörte zu ihrem Stolz. Und nicht zuletzt waren sie Kämpfer.

Kisko Lane war so ein Spieler. Er erzählt uns seine Geschichte ...

Ich, Kisko Lane, kam nach Tombstone in Arizona, als Ed Schieffelin schon sein Silberclaim gefunden und es »Tombstone Mine« – Grabstein-Mine – getauft hatte.

Mit dieser Taufe hatte er nicht nur einem Silberberg und einem weiten Silberfeld, sondern auch einem sich rasch zu einer wilden Stadt entwickelten Camp den Namen gegeben.

Tombstone!

Ich kam dorthin, bevor die Earp-Clanton-Fehde begann.

Tombstone war damals schon mächtig in Betrieb.

Die Stadt lag rund viertausendsechshundert Fuß über dem Meeresspiegel und hatte zu der Zeit etwa fünftausend Einwohner. Es kamen täglich neue Menschen hinzu, mehr jedenfalls, als dort starben. Und es starben viele. Rings um die Stadt bedrohten die Apachen jeden Verkehr.

Aber der Monatsumsatz in den Geschäften von Tombstone betrug schon eine Viertelmillion Dollar. Und man gewann aus einer Tonne Erz für etwa fünfzehntausend Dollar Silber.

Damit die Banditen die Silberbarren nicht so schnell fortschaffen konnten, goss man die Barren hundert Kilo schwer.

Ein Minenarbeiter verdiente damals vier Dollar für eine Acht-Stunden-Schicht. Aber ein Kartenausteiler in einem der vielen Spiel-Saloons bekam für sechs Stunden Arbeit fünfundzwanzig Dollar.

Man konnte sich als Spieler auch einen Kartentisch mieten. Doch das war teuer, und wenn man nicht genügend Umsatz machte, ging man schnell dabei ein.

Es gab schon über hundert Lokale mit Whisky-Ausschank in der Stadt.

Natürlich hatte sich auch der Abschaum der Grenze in Tombstone versammelt. Und die Earps waren noch nicht da, auch Doc Holliday noch nicht.

Was damals zwischen den Earps, Doc Holliday und den Clantons in Tombstone geschah, kann man heute noch in der Bibliothek der Arizona Pioneers Historical Society in den alten Jahrgängen der Zeitungen »Epitaph« und »Nugget« nachlesen, zum Teil auch im »Tucson-Star«.

Aber was ich hier erzählen will, steht in keiner Zeitung.

Ich saß als einziger Mann mit acht Mädchen und Frauen in der Kutsche, als wir von Tucson her durch die Limestone-Berge in Richtung Tombstone fuhren. Der Fahrer und sein bewaffneter Begleitmann hätten gern mit mir getauscht, doch das durften sie nicht. Es hätte mir übrigens nichts ausgemacht, die sechsspännige Abbot-Kutsche zu fahren. Ich konnte noch etliche Dinge mehr als nur Kartenausteilen.

Einige der Mädchen waren hübsche Chinesinnen. Ihre Chefin hieß Mrs. Ah Chum. Sie gefiel mir gut, obwohl sie gewiss zehn Jahre älter war als ihre Girls.

Aber sie waren alle nicht auf Männerbekanntschaften aus. Wahrscheinlich genossen sie die Reise als wohltuende Unterbrechung ihres Daseins. Sie würden noch genug Ärger mit den wilden und zumeist betrunkenen Burschen bekommen, denn das gehörte zu ihrem Job.

Ich benahm mich also sehr zurückhaltend, doch höflich und hilfsbereit.

Sie wussten das zu schätzen.

Es war irgendwo auf einer schmalen Passstraße, als wir den bewaffneten Begleitmann plötzlich von seinem Sitz fliegen sahen. Schwer schlug er neben der Kutsche in den Staub der Straße. Weil ich auf dieser Seite am Fenster saß, erkannte ich, dass ein langer Apachenpfeil seinen Hals durchschlagen hatte.

Das waren Geronimos oder Victorios Apachen!

Nun hörten wir den Fahrer wie verrückt brüllen. Er trieb die sechs Pferde höllisch an, und so schafften wir das letzte Stück der Steigung bis zur Wasserscheide, bevor sie auch ihn vom Bock hätten schießen können.

Oben ließ er die Kutsche dann abwärts stürzen. Anders kann man es wohl nicht nennen. Es war kein Fahren mehr, eher ein Schleudern um die Biegungen.

Er musste dabei im richtigen Moment die Bremsen einsetzen, und er war ein wahrer Künstler, was das Fahren mit einer sechsspännigen Abbot-Kutsche anging.

Als ich mich aus dem Fenster beugte, sah ich die Apachen. Die Sache hatte nicht so geklappt, wie sie es sich wünschten. Sie hatten nur den Begleitmann vom Bock schießen, jedoch den Fahrer nicht ausschalten können. Deshalb waren wir mit der Kutsche an ihrem Hinterhalt vorbeigekommen. Nun verfolgten sie uns.

Sie machten keinen Lärm, sondern folgten uns lautlos wie erfahrene Wüstenwölfe, die genau wissen, dass es in diesem Land auch noch andere Lebewesen gibt, die ihnen die Beute streitig machen könnten.

Sie mussten hinter uns bleiben, weil die Passstraße mit den vielen Kehren viel zu schmal war, um an dem Wagen vorbeizukommen. Der Fahrer konnte jeden Reiter mit der Kutsche entweder an die Felswand drücken oder in den Abgrund stoßen.

Und er hätte es aus Selbsterhaltungstrieb auch getan.

Sie folgten uns also wie lautlose Wölfe. Die Kutsche machte viel mehr Lärm als die Hufe ihrer kleinen und hageren Pferde. Es waren Grullas, Nachkömmlinge echter spanischer Vollblüter. Sie hatten seit den Zeiten der spanischen Eroberer in der Wildnis gelebt und waren zäh und ausdauernd gewesen. Diese Pferde konnten hundert Meilen laufen, ohne länger verschnaufen zu müssen.

Diese Apachen auf ihren Grullas abzuschütteln war unmöglich.

Ich hatte außer meinem kleinen, doppelläufigen Derringer – der Waffe aller Spieler – auch noch einen langläufigen Navy-Colt bei mir. Und es wurde Zeit, dass ich mit diesem Ding etwas in Gang brachte.

Ich grinste die Mädchen und ihre Chefin an.

»Stört es die Ladys, wenn ich jetzt etwas Krach mache?«, fragte ich höflich.

Sie hörten mir nicht richtig zu, denn sie waren zu sehr damit beschäftigt, nicht durcheinanderzugeraten wie Maikäfer in einem Kästchen.

Nur Mrs. Ah Chum sagte verächtlich: »Sie Witzbold! Wer weiß, ob Sie überhaupt auf drei Schritte einen Büffel treffen können...«

Da beugte ich mich aus dem Fenster und gab es den roten Jungens.

Es war gar nicht so schwer, denn sie ritten auf der engen Passstraße in einem zusammengedrängten Rudel. Ich feuerte in sie hinein, und ihre Pferde überschlugen sich und bildeten mit den Reitern ein wirres Durcheinander. Zwei der Tiere stürzten in den Abgrund, wahrscheinlich auch einer der Reiter.

Als ich den Colt leergeschossen hatte, kamen wir in ein Talstück hinunter, auf dem sie uns mühelos hätten überholen können, wenn ich nur noch ein wenig gewartet hätte.

»Phhh«, machte ich, während ich Patronen aus meinen Westentaschen holte und die Waffe neu zu laden begann.

»Bei mir werden Sie Ihren Whisky stets umsonst trinken«, sagte Mrs. Ah Chum. »Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Sie müssen sich nur ein wenig gedulden, denn es dauert noch ein Weilchen, bis ich das größte und schönste Etablissement von Tombstone haben werde.«

»Sie schaffen es bestimmt schneller als jeder andere Sterbliche«, sagte ich überzeugt.

Dann lehnte ich mich in die Ecke zurück, zog meinen Hut über das Gesicht und dachte an den toten Begleitmann, der mit einem Pfeil im Hals vom Bock gefallen war und in diesem gnadenlosen Land hatte zurückbleiben müssen.

Ich verspürte einen Schauder.

Obwohl ich schon so manche Stadt in einem rauen Lande erlebt hatte, dämmerte mir mit Macht, dass ich jetzt in das raueste Land geraten war und bald in die wildeste Stadt kommen würde.

Vielleicht war es dumm von mir gewesen, mich ausgerechnet nach Tombstone auf den Weg zu machen.

Ich war ja nicht nur wie viele andere Glücksritter nach einem Ort unterwegs, in dem Nacht für Nacht alle Sünden der Menschheit begangen wurden.

Nein, ich wollte zu...

Nun, darauf werde ich noch zurückkommen. Es wird bald klar werden, warum ich nach Tombstone unterwegs war.

Wir fuhren Meile um Meile, und endlich sahen wir in der Nachmittagssonne zwischen den Whetstone-Bergen im Westen und den Chiricahuas im Osten die Mesa auftauchen, die Hochebene, auf der die Stadt Tombstone lag.

Unser Fahrer trieb noch einmal die sechs zähen Pferde an. Aber als wir eine primitive Bohlenbrücke erreichten, die sich über ein tiefeingefressenes Bachbett spannte, durch das keiner der schweren Frachtwagen gekommen wäre, mussten wir schon wieder anhalten.

Ich warf einen Blick durch das Fenster.

Und da wusste ich, dass ich diesmal mit meinem langläufigen Colt wenig Chancen hätte. Auch nicht mit dem Derringer.

Denn die Hombres, die zu Pferde bei der Brücke warteten, waren Profis von der weißhäutigen Sorte.

Ich griff in die Innentasche meines Rockes und holte meine prall gefüllte Brieftasche hervor und warf sie Mrs. Ah Chum in den Schoß. »Schwester«, sagte ich, »schützen Sie das Vermögen Ihres Bruders – bitte!«

Sie kapierte sofort, was ich durch das Fenster gesehen hatte. Bevor ich nur zweimal blinzeln konnte, war meine Brieftasche wie durch Zauberei verschwunden.

Dann hielten wir auch schon an.

Die fünf Hombres im Sattel hatten sich mit Halstüchern maskiert.

Einer von ihnen fragte: »Sammy, wo hast du deinen Begleitmann? Er hat sich doch wohl nicht mit seiner Schrotflinte in der Kutsche versteckt und sitzt dort auf den Lohngeldern der Minen wie eine Henne auf dem Nest?«

»Nein«, erwiderte der Fahrer. »Frank hat einen Apachenpfeil durch den Hals gekriegt und ist im Limestone-Pass runtergefallen. Ich konnte nicht anhalten, weil das unser Tod gewesen wäre, nicht wahr?«

»Sicher, Sammy, sicher. Und wie seid ihr entkommen?«

»Da sitzt ein Hombre in der Kutsche, der im richtigen Moment, grade als die Passstraße besonders eng wurde, zu schießen begann. Jetzt lasst mich weiterfahren, Jungs. Ich hab keine Lohngelder mit. Versucht es vielleicht mal an 'nem anderen Tag.«

Die Banditen lachten, und es war gar kein übles, böses Lachen. Ich begriff, dass diese Burschen zu den Fahrern der Postlinie ein vertrautes Verhältnis hatten. Vielleicht war es sogar so, dass der Fahrer sie schon an den Stimmen erkannte. Das bedeutete jedoch nicht, dass er mit ihnen gemeinsame Sache machte.

Hier herrschten ganz besondere Verhältnisse.

Der Fahrer fuhr auch nicht an. Wahrscheinlich wartete er erst auf die ausdrückliche Erlaubnis.

Und die erhielt er nicht.

Im Gegenteil, der Sprecher sagte: »Halte nur die Bremse fest, Sammy! Und ihr da in der Kutsche kommt raus! Schön der Reihe nach, Ladys und Gentlemen. Und wem es in den Fingern jucken sollte, der soll es lieber jucken lassen. Raus mit euch!«

Ich machte die Tür auf und gehorchte. Neben der Kutsche blieb ich stehen, klappte die Trittstufen aus und half nacheinander Mrs. Ah Chum und ihren sieben Honeybees hinaus.

Die fünf Banditen staunten.

Immer wenn noch eine weitere Schönheit zum Vorschein kam, machten sie »Aaah!«, oder pfiffen beifällig und anerkennend.

Aber danach dachten sie doch wieder ans Geschäft, denn auch sie gehörten zu der Sorte, die erst an die Arbeit und dann an das Vergnügen denkt.

Zwei von ihnen durchsuchten den Wagen und klopften ihn sogar nach Doppelböden oder anderen Verstecken ab.

»Ich sagte euch doch schon, ich habe keine Lohngelder in der Kutsche. Warum glaubt ihr mir eigentlich nicht?«, fragte der Fahrer vorwurfsvoll. »Wo kommen wir denn hin, wenn ihr mir nicht mehr glaubt? Da muss ich wohl bald damit rechnen, dass ihr mich eines Tages vom Bock schießt wie hinterhältige Straßenräuber.«

Sie lachten wieder.

Dann wandten sie sich mir zu.

Drei waren abgesessen. Die beiden anderen blieben im Sattel.

»Ich würde sagen«, meinte einer von ihnen, »dass dieser Hombre wahrscheinlich keine besondere Bereicherung für Tombstone ist. Eigentlich sieht er aus wie ein Halbindianer in der eleganten Schale eines Kartenhais. Wollen wir ihn nach Tombstone reinlassen?«

»Vergesst nicht, dass Tombstone mir Dank schuldet«, sagte ich. »Diese süßen Schwestern hier wären ohne meine Hilfe nie hierhergekommen. Oder ist die Stadt schon voll von so hübschen Mädchen?«

Da grinsten sie unter ihren Halstüchern, über denen man nur ihre funkelnden Augen sah.

Sie waren nicht ohne Humor, und sie dachten über meine Worte nach und nickten schließlich.

»Nein«, sagte der eine, »in Tombstone fehlen noch jede Menge Puppen. Du hast dir wahrhaftig einige Verdienste erworben, Bruder, aber zahlen musst du dennoch. Wir haben nämlich große Unkosten. Und da wir diesmal die Lohngelder der Minen verpasst haben, müssen wir uns eben mühsam wie Eichhörnchen ernähren. Also, raus mit den Flöhen, du Meister mit dem Gebetbuch des Teufels!« Sie meinten das Kartenspiel.

Jetzt wurde es ernst.

Das war kein Spaß mehr.

Sie liebten Spieler von meiner Sorte nicht besonders, weil die ihnen das sauer verdiente Geld immer wieder abnahmen.

Sie waren aber bereit, mich ungeschoren nach Tombstone durchzulassen – nur mein Geld wollten sie haben. Da biss keine Maus einen Faden von ab.

Ich öffnete meine elegante Jacke. Sie konnten mein Schulterholster und den Colt sehen – und auch den kleinen Derringer, der aus der Westentasche ragte.

Dass sie von mir nicht verlangten, die Hände zu heben und die Pistolen fallen zu lassen, konnte mich nicht täuschen. Sie waren nicht harmlos, sie waren sich nur höllisch sicher, mir zuvorzukommen, sollte ich zur Waffe greifen.

Ich sagte: »Wenn ihr bei mir mehr als zwanzig Dollar findet, sollte mich das wundern wie eine Jungfrau, die ein Baby erwartet. Amigos, ich reise nicht nach Tombstone, um dort Geld hinzubringen. Soll ich meine Taschen umdrehen? Oder muss ich mich vor den Ladys gar bis aufs Hemd ausziehen?«

Einer der Banditen knurrte ärgerlich. Er ging langsam um mich herum. Ich spürte, dass es ihm danach war, mir in den Hosenboden zu treten. Aber er ließ es.

Dann wandte er sich an Mrs. Ah Chum und die Mädchen.

»Dieser windige Bursche hat also einer von euch seinen Zaster gegeben«, brummte er. »Heraus damit! Und versucht nicht, uns anzulügen. Dieser Mister da ist kein Streuner, kein drittklassiger Kartenjongleur. Der reist nicht ohne genügend Betriebskapital nach Tombstone. Sollen wir bei euch nachsehen?«

»Versucht das doch mal«, sagte Mrs. Ah Chum lächelnd. Aber in ihren schrägen Augen war ein Funkeln.

Der Mann hob die Hand, verschob seinen alten Hut und kratzte sich am Hinterkopf.

Dann sah er die sieben Mädchen der Reihe nach an. Und auch sie lächelten ihn an und hatten das gleiche Funkeln in den Augen wie ihre Chefin.

»Verderbt es nur nicht mit uns«, sagte Mrs. Ah Chum.

Der Bandit schaute nacheinander seine vier Kumpane an.

Einer schüttelte heftig den Kopf.

Ein zweiter wiegte sich unschlüssig im Sattel.

»Sie werden ihr Paradies vor uns verschlossen halten«, mahnte der dritte.

»Diese erfahrenen Miezen werden uns immer irgendwie erkennen«, sagte der vierte Mann.

Dann schwiegen sie.

Die drei, die abgesessen waren, schwangen sich in die Sättel.

Und alle fünf ritten sie davon, ohne ein einziges Wort zu sagen. Sie tippten nur stumm an ihre Hüte.

Mrs. Ah Chum und ihre Girls lachten ihnen nach.

Dann fuhren wir weiter.

Mrs. Ah Chum reichte mir die Brieftasche.

»Jetzt sind wir quitt«, sagte ich. »Ich werde meine Drinks bei Ihnen bezahlen.«

Sie sah mich an, lächelte – und die Mädchen lachten. Manche hatten Stimmen wie Vögel, so zart und melodisch. Sie waren die hübschesten Chinesinnen, die ich je gesehen hatte.

Sie hätten dem Banditen die Augen ausgekratzt, hätte er gewagt, sie nach seinem Geld zu durchsuchen.

Oh, sie würden sich gewiss unter der Leitung ihrer Chefin in Tombstone behaupten.

Und ich?

Was würde ich erreichen – ich, der Spieler Kisko Lane?

Die Lichter brannten schon, und überall war der Betrieb in vollem Gang, als wir nach Tombstone kamen.

Oh, was war das für eine Stadt!

Eine Minenstadt war es inmitten eines Rinderlandes, das zeitweilig von den Apachen beherrscht und kontrolliert wurde. Hatte die Armee die Rothäute mal wieder in eine andere Gegend oder gar über die Grenze jagen können, so beherrschten weiße Banditen die Straßen und Verbindungswege.

Bevor ich nach Tombstone kam, war ich in fast allen wilden Städten des Westens gewesen.

Ich kannte Abilene und Hays City, natürlich auch Dodge City, Fort Worth und Wichita. Ich war in Deadwood, Last Chance City, in Santa Fé, San Antonio, Laredo und all den anderen Towns gewesen.

Aber Tombstone schlug sie alle.

Ich konnte es schon damals wittern, als wir durch die Allen Street in das Durcheinander hineinrollten, das Wagen, Tiere, Reiter und Fußgänger in der warmen Arizona-Nacht bildeten.

Tombstone war im April 1879 entstanden.

Jetzt, Mitte August, brandete in Tombstone der Verkehr. Denn zu den fünftausend Einwohnern kamen jede Nacht Tausende von durstigen, hungrigen und nach allen Sünden lechzenden Minenarbeitern und Cowboys.

Die Minenarbeiter rollten zu je zwei Dutzend in den Erzwagen in die Stadt und sprangen vor den Saloons brüllend herunter.

Die Cowboys und Viehdiebe kamen in Rudeln johlend und manchmal auch schießend hereingeritten, als wollten sie die Stadt erobern.

Wahrscheinlich gab es in diesem Land mehr Viehdiebe als Cowboys, denn die Grenze nach Mexiko war nicht weit. Ich hatte schon gehört, dass man große Herden herüberholte.

Ich hatte mich von Mrs. Ah Chum und ihren Mädchen verabschiedet, meine große Reisetasche in die Rechte genommen und war nun dabei, die Stadt zu beschnuppern.

Ich spürte ihren Atem, ihren Puls und all die vielen anderen Dinge, die man nur mit einem besonderen Instinkt aufnehmen kann.

Dabei hielt ich meine Augen und Ohren offen, wanderte die Allen Street hinauf und hinunter und blieb manchmal stehen, um zu beobachten.

Die Allen Street wurde von Querstraßen gekreuzt, nämlich der Second Street, der Third Street, der Forth Street, der Fifth Street, der Sixth Street und der Seventh Street. Doch die Allen Street war nicht die einzige Hauptstraße der Stadt. Parallel zu ihr liefen noch die Tough Nut Street und die Fremont Street.

Die Lokale, die schon bald im Lauf der Earp-Clanton-Fehde zu Berühmtheit kommen oder zumindest bekannt werden sollten, gab es bereits – wenn auch nicht alle schon fertig waren.

Ich merkte mir die Lage der Hudson-Bank, kaufte mir in Keys Zigarrengeschäft ein paar Brasil, überlegte, ob ich im Cancan-Restaurant zu Abend essen sollte, und stand staunend vor dem Vogelkäfig-Theater, dessen Plakataushänge einige nicht unbekannte Darsteller nannten, die hier auftraten.

Ich begutachtete den Oriental-Saloon von außen, sah den Crystal Palace und erreichte Champbells und Hatchs Spielhalle.

Ha, es juckte mich, hineinzugehen und einen Spieltisch zu mieten! Ich hätte tausend Dollar Mietvorauszahlung hinlegen können, denn ich war sicher, das Mehrfache pro Nacht herauszuholen. Vor den Spielhallen standen die Pferde reicher Rancher und Minenbesitzer, die dort drinnen kein Limit kannten.

Ich wusste das aus Erfahrung.

Als ich noch so stand, kamen fünf Reiter heran. Ich erkannte sie sofort im Schein der Laternen und der brennenden Teerfässer an den Straßenecken.

Ich erkannte die fünf Hombres nicht an ihren Gesichtern, aber ihre Pferde hatte ich mir genau angesehen. Auch wusste ich, wie sie im Sattel saßen, und hätte ihre Figuren aus dem Gedächtnis aufzeichnen können.

Ich staunte.

Da kamen also diese fünf Straßenräuber wie prächtige und ehrenwerte Cowboys in die Stadt geritten.

Wahrscheinlich kannte man sie als Banditen.

Und bestimmt hatten sie stets ein einwandfreies Alibi, so dass es für sie genügte, ein Tuch vor dem Gesicht zu tragen.

Sie drängten ihre Pferde zwischen die Reihe der abgestellten Tiere, saßen ab, stapften auf den Plankengehsteig und gingen auf den Haupteingang zu.

Dann sah mich einer von ihnen im Halbdunkel, hielt an und zeigte auf mich.

»Kennen wir den?«, fragte er laut.

Sie bildeten eine Gruppe und sahen zu mir herüber. Dann schüttelten sie die Köpfe.

»Nie gesehen«, sagte ein zweiter. »Es gibt ja immer wieder zufällige Ähnlichkeiten unter den Menschen. He, Fremder, wollen Sie ein Spielchen mit uns machen?«

»Nein«, antwortete ich. »Eure Taschen sind leer. Bei euch ist nichts zu holen. Vielleicht später mal, wenn ihr in eurem Geschäft erfolgreich wart.«

Sie schluckten und verschwanden im Saloon.

Ich ging weiter. Schließlich war ich nicht zum Spaß nach Tombstone gekommen.

Bald darauf hatte ich Glück.

Denn hinter Haffords Saloon, schon östlich der Fifth Street, fand ich, was ich suchte.

Unter zwei Laternen sah ich über einer dreistufigen Vortreppe ein prächtiges Schild. Darauf stand:

KILHOE'S BLUE MOON

Es war eines der wenigen wirklich zweistöckigen Häuser, die es nicht nötig hatten, mit einer falschen Fassade zu bluffen. An einer vom Dach weit über die Straße ragenden Fahnenstange hing ein riesiger blauer Lampion.

Das war der »Blaue Mond«, das Zeichen von Johnny Kilhoes Saloon.

Wo Johnny sich befand, da musste auch Nancy sein.

Ich wusste, dass ich am Ziel war.

Deshalb nahm ich meinen Derringer aus der Westentasche und verbarg ihn so im linken Ärmel, dass ich ihn mir mit einer leichten Bewegung in die Hand schütteln konnte.

Denn wenn ich Johnny Kilhoe gegenübertrat, dann konnte es sein, dass er nur den Finger zu bewegen brauchte, um einem seiner Leute ein Zeichen zu geben, das deutlich genug war, mir eine Kugel einzubringen.

Vor Johnny musste ich mich vorsehen.

Dabei hatte ich ihm stets vertraut.

Bis ich dann...

Aber alles der Reihe nach.

Ich ging in den Blue Moon hinein und gab meine Reisetasche an der Garderobe ab. Gleich daneben konnte man sich Spiel-Chips kaufen.

Aber ich war nicht gekommen, um zu spielen.

Dass ich voller Reisestaub, unrasiert und verschwitzt war, fiel mir gar nicht auf. Hier gab es zwischen den glattrasierten und eleganten Burschen, die Maßanzüge trugen, jede Menge Männer, die keinen Wert auf Äußerlichkeiten legten.

Der Blue Moon war eine piekfeine Sache. Es musste eine hübsche Stange Geld gekostet haben, die Einrichtung von der Bahnlinie her in Frachtwagen befördern zu lassen.

Aber Geld, oder zumindest Silber oder gar Gold, gab es in Tombstone sehr reichlich. Und deshalb war in dieser Stadt nichts unmöglich – gar nichts!

Ich bewegte mich durch die Räume des Blue Moon und sah mir alles an. Es gab eine Bühne, eine recht gute Kapelle und reichlich Tanz- und Animiermädchen. Es gab mehrere Spielsäle mit allem, was man sich denken kann – vom Billard bis zum Roulette, vom Faro bis zum Monte.

Und es gab viele Hauspolizisten. Entweder waren sie Schläger oder Revolverhelden. In jedem Raum befand sich ein erhöhter Sitzplatz, auf dem einer dieser Burschen mit einer Schrotflinte saß. Er konnte von seinem Platz aus alles übersehen.

Der Blue Moon war voller Gäste – von jeder Sorte. Wichtig war nur, dass sie genügend Geld ausgeben konnten. Sobald sie blank waren, wurden sie »entfernt«.

Ich spürte schon bald, dass die Hauspolizisten mich nicht aus den Augen ließen. Sie hatten mich als einen fremden, narbigen Wolf erkannt, der dabei war, ein neues Revier zu erkunden.

Ich war nicht so leicht zu übersehen.

Der Bandit, der gemeint hatte, ich sähe aus wie ein »grünäugiger Comanche in der eleganten Schale eines Spielers«, hatte gar nicht so übertrieben.

Nur war ich dann ein besonders großer grünäugiger Comanche. Und ich trug einen Bart über der Oberlippe, so wie er damals im Süden Mode war.

Ich war hager und schnell wie ein Wüstenwolf, der gewohnt ist, in der Not auch Klapperschlangen zu fressen.

Selbst in einem Haufen von hundert haarigen Burschen wäre ich irgendwie aufgefallen.

Dafür konnte ich nichts. Daran war ich schon seit meiner Kindheit gewöhnt. Ich habe stets die Blicke Fremder auf mich gezogen und bin mein Leben lang für harte Männer eine Herausforderung gewesen – und durch viele Kämpfe gegangen.

Sie achteten also auf mich.

Doch das war mir gleich. Nachdem ich meinen Rundgang beendet und mir alles angesehen hatte, ging ich zu der Tür, auf der PRIVAT zu lesen stand.

Sie befand sich halb unter der breiten Treppe nach oben und gleich neben dem Ende der etwa fünfundzwanzig Yard langen Mahagoni-Bar.

Einer der Hauspolizisten – ein noch recht junger und pickelgesichtiger Revolverschwinger mit blassblauen Augen – hielt hier Wache.

Er sah mich kalt an.