G. F. Unger Sonder-Edition 265 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 265 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Am Rio Grande nimmt Ty Shannon fünf Rinderdieben die gestohlene Herde ab. Noch ist er allein, ein Mann mit einer rauchigen Vergangenheit, der aus einem verlorenen Krieg auf diese Weide kam, um sich ein Rinderreich aus dem Boden zu stampfen.
Ty Shannon, der ehemalige Major der Südstaatenarmee, hat es satt, ein Verlierer zu sein. Er will auf der Seite der Sieger stehen, dazu ist ihm jedes Mittel recht. Und so geht er seinen blutigen Weg, kalt und ohne Skrupel. Sein Gewissen meldet sich erst, als es zu spät ist. Da hat er sich seine Riesenherde längst zusammengeraubt - und wieder verloren...


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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Shannons Herde

Vorschau

Impressum

Shannons Herde

Als die Herde – es sind etwa tausend Longhorns – die Furt des Rio Grande hinter sich gelassen hat, da jubeln die fünf Treiber. Denn es ist eine gestohlene Herde. Und der Rio Grande bildet die Grenze zwischen Mexiko und Texas.

Die ganze Sache scheint für die Rinderdiebe jetzt recht einfach zu sein. Sie fühlen sich in Sicherheit, denn sie glauben nicht, dass die Mexikaner sie auch noch über den Rio Grande hinweg verfolgen werden.

Bud und Roy Spade und deren drei mexikanischen Kumpane halten die Herde dennoch nicht an, sondern treiben die Rinder weiter auf die Vorberge der Davis Mountains zu, die sich zwischen dem El Capitan Peak und dem Großen Knie des Rio Grande erheben und nach Osten hin zum Pecos Valley abfallen.

Sie wollen die Herde in den Schutz der Hügel bringen, wo es gute Weide mit reichlich Wasser gibt, und so treiben sie die schon ziemlich erschöpften Rinder gnadenlos vorwärts, lassen die Bullpeitschen klatschen, brüllen und stoßen gellende Pfiffe aus.

Schon allein an der Eile kann man erkennen, dass diese Herde gestohlen sein muss. Denn niemand würde sonst Rinder so erbarmungslos treiben, sodass sie an Gewicht verlieren und gewiss eine lange Ruhepause benötigen, bis sie sich wieder etwas Fleisch angefressen haben.

Es ist dann schon fast Abend, als die Herde in ein wunderschönes Tal trottet, in dessen Mitte sich ein See befindet, der von zwei Creeks gespeist wird und einen Abfluss nach Südosten hat.

»Das ist es!« So brüllt Bud Spade begeistert, »ja, das ist es! Hier ist alles, was wir brauchen! Hier bleiben wir eine ganze Woche oder noch länger!«

Die anderen vier Reiter brüllen Zustimmung über die gehörnten Köpfe und knochigen Rücken der so arg gejagten Herde hinweg.

Und so geben sie die Herde gewissermaßen frei, sodass die Rinder auseinanderlaufen, sich verteilen und an den Rändern des Sees und der Creeks das frische Gras zu rupfen beginnen, indes im Westen die Sonne versinkt und im Osten die ersten Schatten der Nacht herangekrochen kommen.

Eine Stunde später haben sie am Creek ein Camp aufgeschlagen und sich auch schon einige Antilope-Steaks gebraten, dazu Kaffee gekocht. Nun hocken sie zufrieden um das Feuer und rauchen.

»Morgen werden wir uns eine Menge Forellen fangen«, verspricht Roy Spade, Buds Bruder. Sie grinsen ihn an, und der Feuerschein beleuchtet ihre bärtigen Gesichter. Sie alle sind ziemlich erledigt, denn das harte Treiben dauerte eine ganze Woche. Deshalb sind ja auch die Rinder in einem so erbärmlichen Zustand.

Paco, einer der drei mexikanischen Ex-Vaqueros, sagt zufrieden: »Es fehlen uns eigentlich nur einige feurige Putas. Dann hätten wir es gut in diesem Tal, bis die Rinder wieder Fleisch angesetzt haben.«

Bud Spade lacht. »Du kannst bald in El Paso ein ganzes Puta-Haus mieten, Paco, wenn wir die Herde erst verkauft haben. Dann kannst du eine ganze Woche lang von einer Puta auf die andere hüpfen, hahahaha!«

Nun lachen sie alle wild, denn sie haben schon sehr lange keine Frauen gehabt. Jetzt aber wird sich dies bald ändern – wenn, ja wenn sie die Herde erst einmal verkauft haben weiter im Norden.

Doch dann merken sie plötzlich, dass sie nicht mehr allein sind.

Ein Mann trat in den Kreis des Feuerscheins, und obwohl er so leise wie ein Schatten kam, spürten sie ihn, so als träfe sie seine Ausstrahlung wie eine körperliche Berührung – oder wie ein Atem. Wie auf Kommando wenden sie alle ihre Köpfe zu ihm.

Da steht er am Rande des Feuerscheins – groß, hager. In der Rechten hält er ein Gewehr, hält es am Kolbenhals umfasst, sodass er einhändig wie mit einem Revolver damit schießen könnte.

Seine Linke aber hängt hinter einem Revolverkolben, den er tief unter der Hüfte trägt. Über seinem hartlippigen Mund und an den Mundwinkeln nieder hängt ein sichelförmiger Schnurrbart.

Die fünf Viehdiebe am Feuer, die soeben noch so zufrieden waren, erheben sich wie auf ein unhörbares Kommando.

Doch dann spricht Bud Spade: »Hey, wir haben also Besuch. Aber warum haben Sie sich so angeschlichen, Mann? Gehört es nicht zur guten Sitte überall in diesem Lande, dass man ein Feuer anruft, bevor man sich nähert?«

Bud Spade ist ein harter Bursche, gefährlich schnell mit seinem Revolver und deshalb auch entsprechend stolz.

Überhaupt gehen die beiden Spade-Brüder keinem Streit aus dem Weg und sind an der Grenze zwischen El Paso und Nogales berüchtigt.

Sie hören den Besucher leise lachen. Es ist ein amüsiertes und ungeheuer selbstsicher wirkendes Lachen.

Dann hören sie ihn erwidern: »Ich bin hier gewissermaßen der Hausherr. Dies ist mein Tal, mein Land, meine Weide, mein Wasser. Mein Name ist Shannon, Tyrone Shannon, und ich sage euch jetzt und hier: Packt euch! Haut ab! Ich will euch hier nicht haben. Also verschwindet!«

Sie wollen es nicht glauben.

Und dennoch ist es so klar. Einfacher und klarer hat er es ihnen nicht sagen können.

Plötzlich blicken sie sich nach allen Seiten um, versuchen über den Kreis des Feuerscheins hinaus tiefer in die Nacht zu blicken, die ihr Camp umgibt, dessen Mittelpunkt das rote Feuerauge ist.

Aber sie sehen keine weiteren Besucher – nur diesen einen Mann dort, der sich Tyrone Shannon nennt.

»Verdammt«, grollt Roy Spane, »wie reden Sie mit uns? Haben Sie eine starke Mannschaft mitgebracht?«

Wieder vernehmen sie das leise, amüsiert klingende Lachen, in dem sich eine Menge Härte nur unvollkommen verbirgt. Dann hören sie ihn sagen: »Ich bin allein.«

»Dann sind Sie ein Narr«, spricht Bud Spade. »Aber selbst wenn wir uns von Ihnen verjagen ließen, selbst wenn wir ängstliche Pfeifen wären – unsere Rinder müssen sich zumindest eine Woche ausruhen und das gute Gras fressen. Wir können schon wegen unserer Herde vorerst nicht weg. Kapiert?«

Und abermals klingt dieses Lachen, welches sie nun schon hassen.

Dann spricht Shannon: »Ihr habt keine Herde mehr. Diese Herde steht auf meiner Weide und gehört nun mir. Kapiert?«

Ja, er benutzt auch dieses Wort, spricht es wie Bud Spade im gleichen scharfen Tonfall, der wie eine Herausforderung ist.

Und die beiden Spade-Brüder nehmen diese Herausforderung sofort an.

Bud Spade stößt ein Zischen aus. Dieses Zischen ist ihr Zeichen.

Sie zaubern ihre Revolver heraus, so wie sie es schon mehr als einmal taten, wenn sie auf Schwierigkeiten stießen, sich den Weg freischießen mussten und sich mit Härte und verwegener Kühnheit behaupten wollten.

Diesmal haben sie Pech.

Shannon schießt mit dem Gewehr und dem Revolver zugleich. Das Gewehr musste er mit dem Lauf nur anheben. Und der Revolver tauchte ganz plötzlich in seiner linken Faust auf. So schnell die Spade-Brüder auch sind und so sehr sie bisher auch stets die Sieger bleiben – nun verlieren sie. Noch bevor sie selbst abdrücken können, treffen sie die Kugeln von Shannon. Sie drücken zwar selbst noch ab, aber sie bekamen die Revolverläufe nicht mehr hoch. Ihre Kugeln fahren in den Boden.

Auch die drei Vaqueros wollten nach den Revolvern schnappen. Doch sie hielten inne, weil ihnen klar wird, dass sie zu langsam wären.

Und so halten sie ihren Atem an, verharren selbst starr und steif.

Einer von ihnen flüstert heiser: »Heilige Jungfrau, was für ein Pistolero...«

Die beiden Spade-Brüder aber gingen zu Boden. Dort hockten sie nun. Bud Spade will nach dem entfallenen Colt greifen. Doch Shannon sagt schnell: »Nimm ihn und du stirbst!«

Da lässt er es und stöhnt.

Sie sind angeschossen. Sie stöhnen und fluchen.

»Sollen wir jetzt verbluten?« So fragt Roy Spade heiser.

»Nein, eure Compadres können euch versorgen. Und wenn ihr bei Sonnenaufgang noch hier seid, dann mache ich euch richtig Beine. Habt ihr das verstanden? Antwortet! Ich will wissen, ob ihr das auch wirklich verstanden habt.«

»Ja, das haben wir«, knirscht Bud Spade. »Aber du kannst darauf wetten, dass wir wiederkommen werden. So kann man nicht mit den Spade-Brüdern umgehen, so nicht!« Die beiden letzten Worte bellt er mit seiner ganzen Wut heraus.

Doch Shannon erwidert nichts. Er zieht sich zurück und ist bald in der Nacht verschwunden.

Als der Morgen heraufgezogen kommt, da sieht Ty Shannon sie in Richtung Talausgang davonreiten. Die Spade-Brüder hocken schief und krumm auf ihren Pferden. Gewiss haben sie starke Schmerzen. Vielleicht stecken die Kugeln sogar noch in ihren Schultern.

Ihre drei mexikanischen Kumpane stützen sie.

Zurück bleibt die Herde. Die Rinder haben sich überall am See und auch an den Zu- und Abläufen verteilt. Diese gute Weide werden sie freiwillig gewiss nicht verlassen.

Shannon verfolgt die fünf Reiter mit seinen Blicken, bis sie außerhalb des Tales verschwunden sind. Von seinem Platz aus auf einem Hügel hat er meilenweite Sicht.

Er beobachtet lange all die Rinder.

O ja, er ist ziemlich sicher, dass es gestohlene Rinder sind, welche aus Mexiko über den Rio Grande getrieben wurden. Nun hat er den Viehdieben diese Herde abgenommen.

Es ist meine Herde, denkt er. Und sie wird die Stammherde einer viel größeren Herde sein. Fünfzigtausend Rinder will ich haben – fünfzigtausend, jawohl! Man soll von Shannons Riesenherde sprechen in ganz Texas und New Mexico. Shannons Herde soll ein Begriff werden im ganzen Südwesten bis nach Arizona hinüber. Diese Rinder da unten am See sind der Anfang.

Er sieht in die weite Runde.

Noch ist er allein, ein Mann mit einer rauchigen Vergangenheit, der aus dem Krieg auf diese Weide kam und beschlossen hatte, sesshaft zu werden, etwas aufzubauen. Denn irgendwann sollte ein Mann nicht länger mehr umherreiten und immer nur hinter den nächsten Hügel blicken wollen, nach Herausforderungen suchen und für andere kämpfen.

Nun hat er das Ziel anvisiert. Eine große Herde soll es sein, eine gewaltig große Herde. Ein Cattleking will er werden.

In diesem Land hier gibt es nur das Gesetz des Stärkeren. Hier kann ein Mann sich noch ein Königreich erobern, ein Kingdom schaffen. Er muss nur hart und stark genug sein. Daran glaubt er.

Und deshalb hat er den Viehdieben die Herde weggenommen.

Aber er weiß, diese Spade-Brüder werden wiederkommen. Er hätte sie töten sollen. Doch das vermochte er nicht – noch nicht. Er ahnt schon jetzt, dass er sich sein Kingdom nicht durch Schonung und Duldung wird schaffen können. Hart und rücksichtslos wird er sein müssen.

Wird er das können?

Er war fünf Jahre im Krieg, kämpfte in der Texas-Brigade wie fast alle Texaner. Und dieser Krieg war auch hart und gnadenlos. Dennoch verlor der Süden. Er aber will eines Tages ein Sieger sein.

Er wendet sein Pferd, um wieder durch das Land zu streifen.

Denn er kennt es noch nicht gut genug. Erst vor zwei Wochen kam er her mit zwei getreuen Begleitern, die ihn immer noch Major nennen, obwohl er kein Soldat mehr ist.

Immer wieder reitet er auf die Hügelkämme, welche das Tal durchziehen. In weiter Runde erheben sich die Davis Mountains gen Himmel. Und oben kreisen die Jagdfalken. Er hört ihre schrillen Pfiffe.

Wieder denkt er: Es gibt nur Jäger und Gejagte, Fresser und Gefressene. Und solange das Schaf vom Wolf gefressen wird, muss man danach trachten, kein Schaf zu sein.

Es ist dann fast schon Abend, als er den Platz erreicht, wo seine beiden Männer die Hütte errichten, aus der eines Tages die große Ranch werden soll.

Woody Duff war mal sein Master-Sergeant.

Und Fess Johnno wurde zuletzt wegen außergewöhnlicher Tapferkeit vom General auf dem Schlachtfeld zum Lieutenant befördert.

Sie haben an diesem Tag schon eine Menge geschafft und blicken ihm erwartungsvoll entgegen.

Er hält an und grinst vom Sattel aus auf sie nieder.

»Glaubt nur nicht, ich hätte nichts getan«, spricht er. »Wir haben eine Herde von etwa tausend Longhorns. – Ich musste sie fünf Viehdieben abnehmen, die mit ihr über den Rio Grande kamen.«

Sie sehen ihn forschend an, so als glaubten sie zuerst an einen Scherz.

Aber dann nicken sie gleichmäßig, und sein Exsergeant Woody Duff sagt ruhig: »Das sieht dir ähnlich, Major. – Immer alles alleine machen. – Tausend Rinder also haben wir nun. – Na gut.«

Und sein Ex-Lieutenant kratzt sich nachdenklich hinter dem Ohr und spricht: »Fünf Viehdiebe nur für eine Herde von tausend Stück? Das müssen erstklassige Treiber gewesen sein, richtige Experten. Und die ließen sich so einfach die Herde abnehmen? Wie viele hast du erschießen müssen, Major?«

»Ihr sollt mich nicht immer noch mit Major anreden«, spricht Shannon. »Der Krieg ist vorbei. Und überdies war ich nur Major auf Kriegszeit. Verdammt noch mal, hört auf damit.«

Sie grinsen wieder. Dann stehen sie plötzlich stramm und salutieren.

»Yes, Sir«, sagen sie zweistimmig.

Er aber schwingt ein Bein über das Sattelhorn.

»Wenn ihr mich verarschen wollt, dann werde ich euch verprügeln müssen«, droht er.

Doch dann wird er wieder ernst und spricht weiter: »Ich musste zwei der Viehdiebe anschießen. Es waren Brüder. Sie nannten sich Spade. Offenbar sind sie zwei sehr böse Finger. Die könnten irgendwann wiederkommen. Sie hatten drei mexikanische Vaqueros bei sich, aber die kämpften nicht.«

Sie verharren nun alle drei einige Atemzüge lang bewegungslos. Ihre Gedanken aber gleichen sich gewiss nur sehr.

Schließlich sagt Woody Duff ruhig: »Für tausend Rinder muss man wohl einen Verdruss in Kauf nehmen, nicht wahr? Was gibt es denn schon geschenkt auf dieser Erde?«

»Richtig«, nickt Fess Johnno. »Bis wir eine große Ranch mit fünfzigtausend Rindern haben, werden nicht nur Jahre vergehen – nein, wir werden immer wieder Verdruss bekommen. Nichts ist umsonst.«

Als sie später nach Anbruch der Nacht am Feuer sitzen und das Abendbrot essen, da kommt der Exsergeant Allan Woody Duff bald zur Sache. Er wirkt ja stets etwas hölzern und bekam bei der Armee deshalb den Spitznamen.

Nun aber versucht er sehr eindringlich zu wirken.

Denn er sagt: »Wir kamen mit einem Wagen und einem halben Dutzend Pferden her. Wir besitzen so gut wie nichts an Werkzeug und Proviant. Es fehlt uns bald an allen notwendigen Dingen – besonders an Geld. Letzteres fehlt uns jetzt schon. Wenn wir hier vorankommen wollen, dann müssen zwei von uns irgendwo eine Postkutsche überfallen – am besten einen Geldtransport – oder sonst wie etwas unternehmen. Nicht wahr? Also sollten wir auslosen, wer Geld beschafft. Und dann müssen zumindest zwei Wagenladungen hergeschafft werden – angefangen mit der Feldschmiede bis zum Hefetopf. Sonst wird dies hier keine Ranch werden, sondern ewig ein armseliges Camp bleiben. Ja, wir werden Banditen sein müssen. Oder wie kämen wir sonst auf die Schnelle zu Betriebskapital?«

Sie starren ihn über das Feuer hinweg an.

Und sie wissen, dass er jetzt etwas zur Sprache brachte, was sie alle längst begriffen haben. Nun sind sie an einem Punkt angekommen, da sie sich entscheiden müssen.

Sie fanden Land und nahmen nach Squatter-Recht die Wasserstellen in Besitz. Wenn sie die Weide mit Rindern besetzen, kann niemand sie vertreiben.

Tausend Rinder besitzen sie bereits.

Aber sonst fehlt es ihnen an allen.

Ty Shannon spricht dann – und in seiner Stimme ist ein Klang, der keinen Widerspruch dulden würde: »Das übernehme ich. Ihr bleibt hier und baut diese Hütte fertig. Auch einige Korrals und Weidekoppeln müssen gebaut werden bis zum Creek hinüber. Ich sah einige Wildpferd-Rudel in den Hügeln. Also fangt einige Mustangs und reitet sie zu. Ihr habt höllisch viel zu tun, indes ich alles besorge und heranschaffe, was wir hier haben müssen. Vielleicht bleibe ich vier Wochen weg oder gar noch länger. Aber ich werde zurückkommen und alles herbringen.«

»Der Tabak ist jetzt schon alle«, murmelt Woody Duff.

Und Fess Johnno grinst: »He, Woody, er ist immer noch der Major. Er sagt uns immer noch, was wir zu tun haben.«

»Ja, der ändert sich nie«, pflichtet Woody ihm bei. »Meine Großmutter war auch so. Die sagte stets der ganzen Familie, was gemacht werden musste, und zeigte ihr, wo es langzugehen hatte.«

Er verstummt und wird dann sehr ernst, beugt sich vor und starrt Shannon über das Feuer hinweg an.

»Lass dich nur nicht hängen«, spricht er schließlich. »Wohin willst du reiten, Mr. Shannon?«

»Zuerst nach El Paso. Dort kommt der Wagenweg von Mexiko herüber und führt nach Santa Fé. Ich weiß noch nicht, was ich finden werde. Doch ich werde mit offenen Augen reiten und jede Chance erkennen. Vielleicht muss ich bis nach Nogales hinüber. Am liebsten wäre mir ein Steuereintreiber der Yankees. Den würde ich gerne um seine Yankee-Dollars erleichtern. Wir werden sehen.«

Sie sagen nichts mehr.

Was sollten sie auch sagen?

Sie wollen eine Riesenranch aufbauen mit fünfzigtausend Rindern. Also müssen sie sich wie Eroberer fühlen, denen jedes Mittel recht ist, um zum Ziel zu kommen.

Es gibt ja hier in diesem Land westlich des Pecos kein Gesetz, und auch bis zum Rio Grande und weiter westlich von diesem bis zum San Pedro ist es nicht anders. Das Land ist noch leer bis auf Apachenbanden, Gold- und Silbersucher und einige Mustangjäger.

Es gibt da und dort verborgene Camps, in denen Verfolgte oder Geächtete leben. Die Städte wurden damals fast alle von den Spaniern gegründet, deren Padres Missionen errichteten. Die Mexikaner übernahmen dann auch die alten Garnisonen.

Und dann wurde alles amerikanisches Territorium, alles, was sich damals Lousiana nannte – also vom jetzigen Mexiko bis Kansas.

Die Grenzen sind oft vage. Alles ist unklar.

Texas wurde 1845 Republik. Dort herrschte bald einige Ordnung. Es gab dann auch die Texas-Rangers.

Aber westlich des Pecos ist alles anders.

Es ist etwa eine Woche später, als Ty Shannon in El Paso auftaucht, ziemlich abgerissen, staubig und auf einem hinkenden Pferd, dem ein Hufeisen fehlt.

Er bringt den Wallach zum Schmied, der ihn beschlagen, versorgen und auch einstellen wird im Mietstall, zu dem die Schmiede gehört.

Als Ty Shannon sich auf den Weg in die Stadt macht, hat er fünf Dollar und einige Cents in der Tasche, und es ist später Mittag. El Paso hält noch Mittagsruhe. Die Hitze flimmert über dem Staub der Straßen.

Aber bald wird El Paso wieder lebendig werden.

Ty Shannon geht in eine Badeanstalt und lässt sich dort die Haare schneiden und auch rasieren. Als er in seinen ausgebürsteten Kleidungsstücken die Badeanstalt verlässt, hat er nur noch vier Dollar. Der Hunger in seinem Magen knurrt immer wieder, doch er achtet nicht darauf und schlendert durch die Stadt, deren Name ja nichts anderes als »Der Durchgang« bedeutet.

Drüben liegen Mexiko und Texas. Diesseits ist New Mexico. Und von allen Seiten kommen die Menschen in die Stadt, die zumindest noch zur Hälfte mexikanisch ist mit ihren Einwohnern.

Damals, zu den Zeiten der Spanier, gab es überall reiche Haziendas, für die oft Hunderte von indianischen Sklaven arbeiteten.

Im Jahre 1823 wurde Mexiko selbstständig – und von da an ging es abwärts.

Nun sind viele Missionen und deren Ortschaften verfallen, auch die reichen Haziendas wurden aufgegeben. El Paso ist nur noch eine wichtige Stadt am Wagenweg nach Santa Fé, was ja so viel wie »Heiliger Glaube« bedeutet.

Doch in den kommenden Jahren wird sich alles wieder ändern.

Denn Landsucher drängen nach Westen. Es wird Gold und Silber gefunden.

Und Männer wie Ty Shannon wollen sich Riesenranches aufbauen.

Er streicht also bis zum Abend wie ein hungriger Wolf durch El Paso, besucht alle Stadtteile und sucht nach irgendwelchen Chancen. Dabei trifft er da und dort, als die Stadt endlich wieder nach der Mittagsruhe zum Leben erwacht, auf andere zweibeinige und hungrige Wölfe von seiner Sorte.

Als er wieder einmal an einer Ecke im Schatten eines vorgebauten Daches verharrt und sich an die Hauswand lehnt, da denkt er: Warum kam ich her? Verdammt, ich bin ziemlich weit geritten und habe wie ein hungriger Wolf nach Beute gesucht. Aber bis jetzt konnte ich keine Chance erkennen. Ist das Schicksal vielleicht gegen mich? Zumindest tausend Dollar müsste ich haben, besser zweitausend. Aber wie und wo kann ich sie hier beschaffen?

Ein Mann tritt zu ihm, lehnt sich neben ihn an die Hauswand und holt einen Tabaksbeutel hervor.

»In dieser Stadt«, murmelt er, »suchen schon eine Menge von unserer Sorte nach Beute, nicht wahr?«

Er dreht sich eine Zigarette und hält dann Shannon den Beutel und die Blättchen hin.

»Auch eine drehen?« So fragt er.

Shannon bedient sich dankend. Und als sie beide rauchen, da sagt der Mann: »Es ist beschissen hier. Texas wurde arm wie eine Kirchenmaus, und drüben auf der anderen Seite ist es nicht anders. Man sollte nach Norden reiten?«