G. F. Unger Sonder-Edition 270 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 270 E-Book

G. F. Unger

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Truthahn saß irgendwo auf der anderen Seite des Creeks im Gebüsch. Ich griff ins knöcheltiefe Wasser, holte einen Kiesel heraus und hob schon die Hand, um ihn zu werfen. Ich wusste, dass ich den Truthahn damit hochscheuchen und ihn dann mit einer schnellen Kugel erwischen würde.
Aber ich warf dann den Stein doch nicht. Im letzten Moment merkte ich, dass er für seine Größe zu schwer war. Und so vergaß ich den Truthahn und sah mir den vermeintlichen Kiesel an.
Es war keiner. Ich hielt ein Nugget in der Hand.
Ja, es war ein Klumpen Gold, fast doppelt so groß wie eine Walnuss. Und da staunte ich erst einmal, ich, Patrick O'Casey, dessen Vater noch auf Irlands grüner Insel geboren worden war. Verdammt noch mal, ich hielt einen Klumpen Gold in der Hand!


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 213

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Im Tal der flüsternden Winde

Vorschau

Impressum

Im Tal derflüsternden Winde

Der Truthahn saß irgendwo auf der anderen Seite des Creeks im Gebüsch. Ich griff ins knöcheltiefe Wasser, holte einen Kiesel heraus und hob schon die Hand, um ihn zu werfen. Ich wusste, dass ich den Truthahn damit hochscheuchen und ihn dann mit einer schnellen Kugel erwischen würde.

Aber ich warf dann den vermeintlichen Kiesel doch nicht. Im letzten Moment merkte ich, dass er für seine Größe zu schwer war. Und so vergaß ich den Truthahn und sah mir den vermeintlichen Kiesel an.

Es war keiner. Ich hielt ein Nugget in der Hand.

Ja, es war ein Klumpen Gold, fast doppelt so groß wie eine Walnuss. Und da staunte ich erst einmal, ich, Patrick O'Casey, dessen Vater noch auf Irlands grüner Insel geboren worden war. Verdammt noch mal, ich hielt einen Klumpen Gold in der Hand.

Nachdem ich das verdaut hatte, wünschte ich dem Truthahn ein langes Leben. Von mir aus sollte er so alt werden wie meine Tante Mary, die sich mit achtundneunzig noch für ihren leichten Wagen ein Pferd kaufte und darauf Wert legte, dass es nicht älter war als drei Jahre. Denn sie wollte in einigen Jahren nicht noch mal eines kaufen müssen.

Nun, ich wollte den Goldklumpen einstecken und mich daranmachen, unter den Kieseln des Creeks nach weiteren zu suchen.

Doch da merkte ich zum Glück, dass ich nicht allein war in dieser Gegend.

Ich hatte Besuch bekommen. Dieser »Besuch« beobachtete mich schon eine Weile. Und so wurde es höllisch Zeit, den Goldklumpen wie einen wertlosen Kiesel durch die Gegend zu pfeffern.

Ich tat es, und als der Truthahn aufflog, schoss ich daneben.

Absichtlich!

Denn ich hatte ihm ja zuvor ein langes Leben gewünscht.

Dann wandte ich mich um, und ich hatte meine Winchester blitzschnell durchrepetiert. Als ich mich umwandte, hielt ich sie wie zufällig im Hüftanschlag.

Und die Mündung zeigte dann genau auf Red Wolfs Bauch.

Aber er grinste nur, und es sah wahrhaftig fast so aus, als zeigte mir ein richtiger Wolf seinen Fang. Dieser Red Wolf hatte ein verdammt großes Maul. Es reichte bald von einem Ohr zum anderen. Damit konnte er gewiss eine ganze Männerfaust vom Handgelenk beißen.

Aber sonst sah er sehr stattlich und geradezu prächtig aus, denn auch ein Raubtier kann ja prächtig aussehen in seiner ganzen Art, wie es von der Schöpfung auf vollkommenste Weise in seine Umwelt gestellt wurde.

Red Wolf und ich, wir kannten uns gut.

Denn einst waren wir gemeinsam in die Missions-Schule von Pater de Smet gegangen, und wie man den Rauminhalt eines abgestumpften Kegels berechnete, dies hatte er dann sogar schneller begriffen als ich.

Dieser Red Wolf oder Roter Wolf hatte dann herausgefunden, dass er für die Weißen auch dann noch ein etwas höher entwickelter roter Affe blieb, wenn er gebildeter war als die meisten von ihnen.

Und so ging er als junger Mann wieder dorthin zurück, von wo er einmal hergekommen war – zu seinem Volk und in sein Dorf. Und dem prächtigen Pater de Smet sagte er, dass dieser seine Mühe an die falschen Objekte verschwenden würde. Denn er sollte lieber erst einmal die weißen Christen zu wirklichen Christen machen. Denn diese angeblichen Christen wären in Wirklichkeit verdammte Heuchler.

Nach einigen Jahren war Red Wolf dann Häuptling in seinem Dorf.

Inzwischen fand auch der Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten statt, den ich auf der Seite des Nordens mitmachte. Ich kehrte dann heim in meine alten Jagdgründe nördlich von Laramie.

Und in den folgenden Jahren traf ich Red Wolf da und dort, dann und wann. So war es auch jetzt.

Und ich sah ihm gleich an, dass er die alten Zeiten jetzt schon fast völlig vergessen hatte. Er war mehr und mehr zum Weißenhasser geworden. Und das war eigentlich kein Wunder, denn als Indianer konnte man die Weißen einfach nicht mehr lieben.

Er sagte in seinem etwas französisch klingenden Englisch, welches uns damals die belgischen Jesuiten-Pater beigebracht hatten und welches sich auch von meinem irischen Englisch unterschied: »Da sieht man wieder, was aus einem degenerierten Abkömmling irischer Einwanderer werden kann. Nicht mal einen langsamen Vogel trifft er mit seinem schönen Gewehr. – Kann ich es mal haben?«

Er streckte seine Hand aus, und er war ein großer Cheyenne von mehr als sechs Fuß Höhe und nicht weniger als neunzig Kilo. Er wirkte sehr stolz und königlich. Da ich unten am Wasser stand, musste ich zu ihm aufblicken. Er streckte seine Hand aus, damit ich ihm das Gewehr hochwerfen und er es mit einem Griff schnappen konnte.

Aber ich grinste nur und sagte: »Lieber nicht, alter Freund. Das Ding ist gespannt und könnte losgehen. Dann würden deine Jungens rings in den Büschen womöglich glauben, ich hätte es absichtlich gemacht. – Hohahe, wie geht's denn so, Häuptling?«

»Immer besser«, sagte er. »Ich habe stets eine gute Jagd, und manchmal fange ich sogar einen erfahrenen irischen Fuchs. Irre ich mich, oder hatte ich dir nicht schon im vergangenen Frühling gesagt, dass die alten Zeiten vorbei sind und du dich nicht mehr in meinem Gebiet blicken lassen sollst? Hatte ich dir nicht damals die letzte Chance gegeben, dich noch einmal laufenlassen und dir gesagt, dass nichts mehr deinen Skalp retten könnte, würde ich dich noch einmal irgendwo in unserem Jagdgebiet erwischen? Und was hast du gemacht? Du bist ins Tal der flüsternden Winde gegangen, das uns heilig ist, wo selbst wir nicht jagen, weil wir daran glauben, dass hier die Seelen der Verlorenen, die keine Aufnahme fanden in Wanagi Yata, in den Tieren wohnen. – Patrick, du bist diesmal in der Klemme. Du bist schon so gut wie tot – tela nun vela. Schieß dir eine Kugel in den Kopf.«

»In deinen Bauch werde ich sie jagen«, sagte ich.

Und dann wartete ich geduldig.

Ich wusste zwar, dass er die alten Zeiten fast schon vergessen hatte – aber noch nicht völlig, was mich betraf. Denn als Knaben waren wir Freunde.

Aber er hatte herausgefunden, dass man den Weißen nicht trauen durfte. Er hatte in den Jahren nach 1868 – als die Friedensverträge von Laramie immer wieder von den Weißen gebrochen wurden – zu viele dieser »Wasicuns« getötet.

Was einmal zwischen uns in unserer Jugend war, lag tausend Jahre zurück.

Ich murmelte: »Du hast mir im vergangenen Jahr verboten, dort zu jagen, wo ihr jagt. Und daran habe ich mich gehalten. Euer heiliges Tal mag für euch heilig sein. Für mich nicht.«

Er nickte. »Ja, dies ist die Sprache der Weißen«, sagte er. »So legt ihr immer wieder alles in eurem Sinne aus. Das ist typisch. Aber diesmal bist du erledigt. Meine Krieger warten nur darauf, dass ich unser Gespräch beendet habe und mich umwende. Dann...«

Er verstummte, denn er erkannte in meinen hellgrauen irischen Augen den festen Entschluss.

»Bevor du dich umdrehen kannst«, sagte ich, »werde ich dir ein Loch in den Bauch ballern. Und du kannst mir auch gar keine Angst machen. Denn wenn du wirklich die Absicht hättest, mich zu killen, dann hättest du dich nicht dorthin gestellt, um mit mir ein wenig zu plauschen – oder?«

Da grinste er.

»Deine Nerven sind noch gut«, sagte er. »Wenn du auch den auffliegenden Truthahn verfehltest – deine Nerven sind noch recht gut. Du kannst gehen!«

Ich nickte ihm zu.

»Das wollte ich heute ohnehin«, sagte ich. »Mir fehlte nur noch etwas Reiseproviant. Morgen wollte ich das Tal verlassen.«

»Nein«, sagte er. »Jetzt! Du wanderst jetzt auf der Stelle los – oder man wird hier einst dein Gerippe in der Sonne bleichen sehen. Hau ab und komm nie wieder!«

Nun meinte er es ernst. Ich sah es in seinen Augen.

Wahrscheinlich setzte er sich sogar noch einige Läuse in den Pelz, dass er mich laufenließ. Seine Krieger hatten wahrscheinlich wenig Verständnis dafür. Aber er war wohl entschlossen, es noch einmal durchzusetzen.

Ich dachte daran, was ich zurücklassen musste.

Im vergangenen Herbst war ich hergekommen. Und dann hatte ich alle edlen Pelztiere gejagt, die es hier in so großer Fülle gab. Ich hatte einen erstklassigen Jagdwinter hinter mir.

Aber jetzt musste ich gehen – ohne mein Reitpferd und die drei Pack-Maultiere. Ich durfte nicht mal zu meiner Wohnhöhle zurück, deren Eingang ich mit einer soliden Wand aus Baumstämmen geschlossen hatte.

Ich ging ohne ein weiteres Wort.

Mein Weg führte nach Süden, immer am Creek entlang nach Süden.

Wenn ich die Black Mountains hinter mir hatte, würde ich auf die Laramie-Prärie kommen. Dies konnte ich in vier Tagen schaffen.

Und dann waren es nur noch an die hundert Meilen bis Fort Laramie.

Red Wolf sagte noch einmal hinter mir her: »Mehr kann ich nicht für dich tun, alter Freund. Du kommst noch einmal davon.«

Ich hörte es und ging.

Es prickelte überall an meinem Körper, wo mich Pfeile oder Kugeln treffen konnten.

Denn ich wusste, dass sie von allen Seiten auf mich zielten.

Nun, da ich ihren Häuptling nicht mehr vor meiner Gewehrmündung hatte, brauchten sie auch gar kein Risiko eingehen. Jetzt konnten sie mich killen.

Aber sie taten es nicht.

Bald schon dachte ich wütend, dass mir für fast zweitausend Dollar wertvolle Pelze und Felle verlorengingen. Aber dann fiel mir ein, dass ich im Creek den goldenen Kiesel gefunden hatte.

Im Creek war Gold.

Und was waren dagegen schon drei Maultierpacklasten Felle?

Nichts! Gar nichts!

Ich ging ruhig meines Weges – und nach einer Stunde etwa hatte ich das Ende der mächtigen, talartigen Schlucht erreicht.

Ich hielt an und wandte mich noch einmal um. Ich verfolgte den Verlauf des Creeks bis zur Biegung der Gulch.

Es gab reichlich Wald, viel Weide und am Creek Büsche. Es war ein langes, tiefes und sich windendes Tal, wie man es sich schöner kaum vorstellen konnte.

Als ich zu lange stand und starrte, kam ein Pfeil geflogen und fuhr dicht vor meinen Fußspitzen in den Boden.

Ich sah nach links und erkannte zwei von Red Wolfs Kriegern. Sie drohten mir und machten unmissverständliche Handbewegungen, die mich nicht nur zum Weitergehen aufforderten, sondern mir auch klarmachten, dass sie mir die Haut abziehen wollten, sollte ich nicht gehorchen.

Sie saßen auf Pferden, die mir doppelt so gut gefielen wie sonst. Das lag daran, dass ich zu Fuß gehen musste und gerne im Sattel gesessen hätte.

Das jämmerlichste Pferd hätte mir jetzt in Natur besser gefallen als das schönste Exemplar auf einem Bild.

Ich hätte die beiden roten Jungens mit meiner Winchester wegputzen können wie nichts. Doch ich musste immer noch mit einem dritten Beobachter rechnen. Red Wolf kannte mich zu genau. Es konnte wahrhaftig sein, dass er durch einen dritten Krieger beobachten ließ, was ich mit seinen beiden Kriegern machte.

Deshalb konnte ich mich noch beherrschen.

Es war noch Tag. Die Sicht würde sich erst in einer Stunde verschlechtern. Dann musste ich etwas tun.

Denn ewig würden die beiden roten Jungens nicht hinter mir her geritten kommen, nur so lange, bis sie sicher waren, dass ich auch wirklich in Richtung Laramie marschierte.

Ich aber wollte zumindest eines der Pferde.

Denn im Tal der flüsternden Winde lag Gold.

Ein paar von diesen Nuggets musste ich noch holen. Und vor allen Dingen musste ich noch herausfinden, von wo diese goldenen Kiesel kamen. Denn von irgendwoher mussten sie doch im Verlauf der Jahrtausende in den Creek gekommen sein und immer noch kommen.

Es musste also irgendwo am Oberlauf oder gar bei der Creekquelle eine Goldader geben, aus der die goldenen Brocken kamen, bevor sie im Creek wie Kiesel glattgeschliffen wurden.

Ich winkte den beiden Cheyenne-Kriegern zu, und mein Winken enthielt die unverkennbare Einladung, mir doch den Buckel herunter- und meinetwegen auch wieder heraufrutschen.

Aber sie kamen nicht näher. Dafür drohten sie mir.

Ich ging weiter. Ich sah mich um und suchte nach einem geeigneten Platz.

Als die Abenddämmerung kam, da fand ich ihn. Es war ein mächtiger Baum in einem lichten Wald. Diese mächtige Burreiche saß mit den tiefen Wurzeln gewiss über einer unterirdischen Quelle. Ihre mächtigen Äste streckte sie so weit aus, dass eine kleine Siedlung in der Runde Schatten gefunden hätte.

Ich ging unter den ausladenden Ästen durch, sprang dann ins Gebüsch und kehrte im Halbkreis zur Eiche zurück. Es war leicht, sie zu besteigen und oben auf einem der knorrigen, mannsdicken und weit ausladenden Äste Platz zu nehmen. Im Buschwerk gab es gute Deckung.

Unter mir verlief meine Fährte nach Süden.

Jetzt kam es darauf an, ob die beiden roten Burschen schon sorglos genug waren. Vielleicht waren sie inzwischen auch umgekehrt. Aber es konnte auch sein, dass sie mir solch eine Gemeinheit zutrauten. Nun, ich will es kurz machen.

Sie kamen, und sie hatten es sogar eilig, denn die Dämmerung nahm zu. Sie wollten mich wahrscheinlich noch einmal sehen – sozusagen zum Abschied.

Ich sprang zu ihnen hinunter, als sie unter mir vorbei wollten. Denn sie kamen rechts und links von meiner Fährte geritten. Ich sprang zwischen ihren Pferden hindurch zu Boden, und als ich mich zwischen ihnen befand, ergriff ich sie mit einer weit ausholenden Bewegung.

Sie kippten nach innen. Vor meiner Brust knallten ihre Köpfe zusammen wie zwei hohle Kürbisse.

Dann fiel ich auf die beiden roten Jungens. Doch sie konnten nicht mehr kämpfen. Sie seufzten nur noch und streckten sich für eine Weile aus.

Ihre Pferde waren natürlich sehr erschrocken. Doch ich sprach die Sprache ihrer Herren auf die gleiche Art. Überdies waren es echte Kriegs- oder Jagdpferde, denen ihre Herren als erste Lektion beibrachten, nicht wegzulaufen, wenn der Reiter aus dem Sattel fiel.

Ich bekam die beiden Tiere deshalb schnell in meinen Besitz und band sie nebeneinander an. Ihre roten Herren hatte ich gefesselt, bevor sie wieder richtig bei Sinnen waren.

Dann aber sagten sie mir, was sie von mir hielten. Sie wurden sehr unfein, und dass ich der Sohn einer pestkranken Ratte und eines Skunks war, gehörte noch zu den nettesten Behauptungen. Ich ließ sie schimpfen.

Aber als ich zum Abritt fertig war und im erbeuteten Armeesattel des einen Pferdes saß und das andere Tier an der langen Leine hielt, da sagte ich zu ihnen: »Ihr roten Jungens seid aber keine guten Verlierer. Wenn ihr richtig bedenkt, wie dumm ihr seid, so solltet ihr jubeln und frohlocken, dass ihr noch am Leben seid. Jeden Tag solltet ihr das tun. Habt ihr wahrhaftig geglaubt, ich würde zu Fuß bis nach Laramie marschieren?«

Sie sagten, dass sie mich schon noch eines Tages einsalzen würden.

Und dann ritt ich davon. Zuerst hielt ich südliche Richtung ein, bis ich sicher war, dass sie mich nicht mehr hören konnten.

Dann hielt ich an, band die Tiere an und lief zurück.

Es war nun dunkle Nacht. Und ich kam gerade noch zurecht, wie der dritte Mann, der die beiden ersten überwachen sollte, bei ihnen angelangt war.

Er sagte: »Weint nur nicht zu sehr über eure Dummheit, meine lieben Vettern. Red Wolf hat mich ja nachgeschickt, mich, Gelbvogel. Ich konnte zwar nicht verhindern, dass To-ke-ya euch wie zwei dumme Hammel übertölpelte, doch ich kann euch wenigstens losbinden. Und wenn ihr mich schön bittet, so lasse ich abwechselnd einen von euch hinter mir auf meinem Pferd reiten. Ich kann aber auch schon zum Dorf vorausreiten und euch von dort mit zwei Pferden entgegenkommen. Wie wollt ihr es haben?«

Sie entschieden sich für die letztere Möglichkeit. Und dann machten sie sich auf den Weg. Der Reiter ritt schnell davon. Seine beiden roten Vettern folgten ihm zu Fuß.

Und ich wusste, dass sie nicht ins Tal der flüsternden Winde zurückkehren würden. Auch Red Wolf würde nicht mehr mit seinen anderen Kriegern dort sein.

Ich konnte zurück zum Goldcreek.

Ich brauchte zwei Tage, um mir einen Beutel voll Nuggets aus dem Creek zu sammeln und am oberen Creek die Goldader zu finden. Sie befand sich unter einem kleinen Wasserfall und zog sich nach allen Richtungen wie ein erstarrter und sehr verästelter Blitz in die Berg-Terrasse.

Aber wahrscheinlich gab es hier noch weitere Goldvorkommen. Ich hatte es bisher nur noch nicht erkannt. Anstatt hier in dem heiligen Tal nach Pelzen zu jagen, hätte ich lieber nach Gold suchen sollen.

Nun hatte ich zwar die ganze Ausbeute eines langen Winters verloren – doch gewiss dafür hundertfachen Ersatz gefunden.

Der Beutel voller Nuggets aus dem Creek war erst ein bescheidener Anfang.

Ich wusste genau, wie es nun weitergehen musste.

Es hatte wenig Sinn, sich die Nuggets aus dem Creek zu suchen, solange die Goldader nicht ausgebeutet war. Denn das Gold im Creek war ja nur gewissermaßen »Abfall«.

Oha, ich musste eine ganze Menge in Gang bringen.

Nicht nur, dass ich Werkzeuge, Arbeitskräfte und noch eine ganze Menge mehr brauchte und dass Red Wolf – wenn er mich noch einmal hier erwischen würde – mir keine Chance mehr geben konnte – nein, da war noch eine andere Sache.

Nach dem Friedensvertrag von 1868, der damals in Laramie zwischen den Indianern und der Union geschlossen wurde, gehörte dieses Gebiet hier den Indianern.

Hier durfte niemand siedeln, jagen, nach Gold oder anderen Bodenschätzen suchen oder sonst noch was tun.

Dies hier war den Indianern garantiertes Land.

Die Armee hatte sogar die Forts am Bozeman-Weg – zum Beispiel Fort Phil Kearny – wieder aufgegeben, und die Indianer hatten nach Abzug der Truppen diese Forts wieder zerstört.

Wenn ich hier im großen Stil nach Gold suchen und eine richtige Mine in Gang bringen wollte, dann konnte mich sogar die Armee verjagen. So war das.

Ich ritt am zweiten Tage aus dem Tal, und ich hatte immer noch das zweite Indianerpferd bei mir.

Das war gut.

Denn als ich aus dem breiten Taleingang hinaus auf die von Hügelketten durchzogene Hochebene kam, da sah ich meinen alten Freund Red Wolf wieder.

Er kam von rechts, also von Westen her, aus der Richtung seines Dorfes am Medicine Creek. Gewiss war er viele Stunden scharf geritten, nachdem er von Gelbvogel erfahren hatte, was ich mit seinen Kriegern für einen Spaß getrieben hatte.

Nun kam er also mit einem Dutzend Krieger.

Sie wollten mir den Weg verlegen, mich zurück ins Tal treiben, aus dem es nur diesen einzigen Südausgang gab, wollte man nicht zu Fuß über die Berge klettern.

Ich wusste, dass es nun kein Herumtändeln mehr gab.

Diesmal musste ich um meinen Skalp kämpfen.

Und so ritt ich los, behielt die lange Leine des Ersatzpferdes in der Rechten und nahm meinen Colt in die Linke.

Mit diesem Vierundvierziger konnte ich so gut umgehen wie meine Großtante Mary mit ihren Stricknadeln – und die konnte in dunkler Nacht damit unwahrscheinlich schnell die schönsten Muster stricken.

Es ist gar nicht so leicht, mit einem schweren Colt ein stehendes Ziel zu treffen. Schwerer ist es schon, wenn dieses Ziel sich bewegt.

Aber besonders schwer ist es, wenn man selbst auf einem galoppierenden Pferd hockt, sich nur mit den Schenkeln darauf festgeklemmt hat und mit der anderen Hand an einer Leine zerrt, um das Reservetier nicht zu verlieren.

Aber ich machte meine Sache dennoch ganz gut.

Zuerst traf ich Red Wolfs Schecken, so dass Red Wolf mit ausgebreiteten Armen eine längere Luftreise antrat, als der Gaul unter ihm so plötzlich zusammenbrach.

Natürlich tat mir das arme Tier leid. Doch ich selbst hätte mir noch sehr viel mehr leidgetan. Red Wolf machte am Boden einen Überschlag und blieb dann am Boden liegen wie festgeklebt.

Seine Jungens wurden nun vorsichtiger. Ich schoss einen aus dem Sattel und traf zwei weitere Pferde. Dann war ich an ihnen vorbei und verschwand in den Hügeln. Sie verfolgten mich nicht. Denn ihnen war zu klar, dass sie mit ihren müden und schweißbedeckten Mustangs gegen einen Mann, der sein Pferd immer wieder wechseln konnte, keine Chance hatten.

Ich war ihnen entkommen.

Aber ich wusste, dass Red Wolf herausbekommen würde, warum ich noch einmal zurückgekommen war und was ich dann im Tal getrieben hatte.

Ja, er würde es herausfinden. Meine Spuren hatte ich nicht so gut verwischen können.

Zu Pferde war der Weg nach Laramie nicht so lang, wie er mir zu Fuß geworden wäre. Ich brauchte vier Tage, bis ich aus den Bergen heraus und auf die Laramie-Prärie gelangt war. Und dann waren es noch einmal fünfeinhalb Tage.

Laramie war ganz zuerst ein Handelsort, und mein Vater hatte es damals in den ersten vierziger Jahren mit aufbauen und vergrößern helfen.

Im Jahre 1849 erwarb dann die Armee das Fort; es wurde also militärischer Vorposten.

Als man dann in den ersten sechziger Jahren in Montana Gold fand, wurde im Jahre 1863 von Laramie her der Bozeman Trail angelegt. Er versorgte die zehntausend und mehr Goldsucher in Montana mit dem nötigen Nachschub.

Im Jahre 1867 kam dann die Union Pacific-Eisenbahn ins Land.

Neben dem Armee-Fort entstand eine wilde Stadt. Sie war so wild und hektisch, wie zuvor Cheyenne gewesen war. Aber mit dem weiteren Vordringen der Bahnlinie wurde Laramie wieder etwas zahmer.

Im Jahre 1868 wurde dann der Friedensvertrag mit den Indianern geschlossen.

Und im Jahre 1870 waren die großen Sioux-Häuptlinge sogar zu Besuch in Washington.

Jetzt aber schrieben wir das Jahr 1872, und ich hatte in den Black Mountains Gold entdeckt. Es lag ein schönes Stück näher als das Gold in Montana, und es war sicher, dass man in Laramie verrückt werden würde. Denn das neue Fundgebiet lag keine zehn Tagesritte von Laramie entfernt.

So war das also, als ich in der beginnenden Nacht die Lichter von Laramie entdeckte. Eine Lok fuhr soeben mit einer Reihe von Wagen nach Westen weiter.

Vielleicht würde sie bald in eine Büffelherde geraten, die zu beiden Seiten des Schienenstranges graste. Oder vielleicht würden Indianer oder Banditen den Zug überfallen.

Es war alles möglich.

Aber was ging mich das an?

Ich war dabei, mir meine erste Million zu erobern. Oder besser gesagt: Ich fing damit an.

Und so ritt ich auf Laramie zu, passierte das Armee-Fort auf der anderen Seite des Laramie Fork und ritt in die Stadt hinein.

Gleich vor dem Laramie-Saloon sah ich Ringo Bannhanna stehen. Er kaute an einer Tabakspfeife, und sein Gaul machte einen Eindruck, als wenn er schon lange keinen Platz mehr im Mietstall bekommen hätte und er sich an Hafer nicht mehr erinnern könnte.

Ringo Bannhanna sah ebenfalls sehr mager und nicht so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte.

Als er mich erkannte, fragte er vom Rande des Plankengehsteigs herüber, vor dem auch sein Gaul angebunden war: »He, Rotbart, bist du Pat O'Casey, der im vergangenen Herbst losritt, um ein paar Biberfelle zu ergattern?«

Ich hatte zuvor schon angehalten.

Nun grinste ich unter meinem Vollbart.

»Du siehst so verhungert aus, Ringo«, sagte ich.

»Bin ich auch«, sagte er. »Ich habe am Neujahrstag mit den drei Slaters Ärger bekommen. Sie hörten nicht eher auf, als bis ich sie von den Beinen geschossen hatte. Aber sie verpassten auch mir ein paar Dinger, an denen ich lange zu verdauen hatte. Meine ganzen Ersparnisse gingen dabei drauf. Weißt du, in Laramie ist es nicht mehr so wie früher. Jetzt bekommst du nicht mal mehr umsonst von einem Esel in die Hand...« Er gebrauchte ein Wort, welches ich lieber nicht hinschreiben möchte, obwohl es sehr menschlich ist und allein schon in Laramie jeden Tag oft gesprochen wurde.

»Ich bin heute erst den dritten Tag richtig auf den Beinen«, sagte er. »Vor einer Woche haben sie mich aus dem Hotel geworfen. Willst du mich zum Abendessen einladen? Oder kannst du mir hundert Dollar borgen? Weißt du, ich habe sogar meine Revolver verpfändet. Sonst hätte ich es ja etwas leichter.« Das glaubte ich ihm.

Denn er war gewiss nicht nur ein Revolvermann. Er hätte sein Glück als Straßenräuber versuchen können. Vielleicht hätte er auch versucht, im Postwagen der Union Pacific Beute zu machen.

Ich griff in die Tasche und holte ein Nugget hervor. Es war etwa hundert Dollar wert. Ringo Bannhanna fing es geschickt auf, obwohl ich es ziemlich unerwartet und fast heimtückisch nach seiner Nase warf. Seine Reflexe waren also wieder in Ordnung.

Als er es in der Hand hatte, sah er es erst gar nicht an. Er fühlte schon am Gewicht, was er da von mir bekommen hatte.

»Du hast aber mächtig Glück«, sagte ich.

»Wie eine reine Jungfrau, welche plötzlich ein Baby bekommt«, sagte er. Nun kam er vom Gehsteig, trat dicht an mein Pferd und legte seine Hände gegen mein Bein.

»Mann«, sagte er, »das ist doch kein Blei.«

»Nein«, sagte ich. »Aber dort, wo es noch mehr davon gibt, wartet Red Wolf mit seinen lieben Jungens. Und deshalb brauche ich eine harte Mannschaft. Ich reite jetzt zum Land- und Claimbüro der Regierung und trage mich ein. Du kannst den besten Nachbar-Claim haben. Doch weil die Goldader in diesem Claim verläuft und ich das Recht habe, ihr auf alle Nachbar-Claims zu folgen, wirst du nur die Hälfte bekommen. Ist dir das recht?«

Er schluckte und nickte, denn er wusste genau, was ich ihm da anbot.

»Und ich schwöre dir ewige Treue«, sagte er dankbar. »Ich weiß genau, Pat, was wir da knacken müssen. Aber...«

Ich winkte ab.

»Lass nur«, sagte ich. »Reiten wir, bevor der Regierungsagent sein Büro schließt.«

Er kletterte auf sein mager gewordenes Pferd, das gewiss die letzten Wochen nur halbe Rationen erhalten hatte. Aber er hatte zuerst seine Colts verpfändet und sein Pferd nicht verkauft.

Dieser Revolvermann Ringo Bannhanna war ein Bursche, der lebendigen Dingen die Treue hielt. Ich kannte ihn. Deshalb wusste ich das. Und aus diesem Grunde hatte er auch das Nugget bekommen und war von mir in mein Spiel hereingenommen worden.

Aber ich musste noch mehr Helfer seines Schlages haben.

Nur dann würde ich meine Goldader gegen den ganzen Abschaum der Grenze verteidigen können. Nicht nur gegen Red Wolf. Oh, der würde noch mein harmlosester Feind sein, denn bei ihm wusste ich, woran ich war.

Ich würde die weiße wilde Horde gegen mich haben.

Denn ich hatte Gold.

Und weil es in diesem Lande nur Fressen und Gefressenwerden gab, würden mich all die gierigen Fresser auf die verschiedensten Arten zu fressen versuchen.