G. F. Unger Sonder-Edition 271 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 271 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Das Longhorn Valley ist ein gigantischer Bergkessel, in dessen weit verzweigten Seitentälern Tausende von Longhorns leben. Die Menschen, die das Tal der herrenlosen Rinder entdeckten, glaubten, das Paradies gefunden zu haben, aber ihre Gier nach Macht und Besitz hatten es längst in eine Hölle verwandelt.
Unter dem Einfluss seiner schönen, aber ehrgeizigen Frau strebt Frank Holliday nach der Alleinherrschaft und lässt einen gefürchteten Revolvermann in das Tal kommen. Er ahnt nicht, dass er dabei genau an den Mann gerät, der seinen wahnwitzigen Plan durchkreuzen wird. Denn Jim Morgan ist der Sohn jenes Mannes, der die riesige Rinderherde ins Longhorn Valley brachte...


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Seitenzahl: 230

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Longhorn Valley

Vorschau

Impressum

Longhorn Valley

Es war im Frühjahr 1866, als von Fort Laramie im Wyoming-Territorium eine Treibherde aufbrach, um das Goldland von Montana zu erreichen. Die Rinder hatten bei Fort Laramie überwintert und waren im vergangenen Jahr von Texas heraufgekommen. Sie waren auch nicht zur Rinderzucht bestimmt, sondern zur Schlachtung. Im Goldland von Montana, dort bei Bozeman, im Gallatin Valley, in der Last Chance Gulch und in all den anderen Tälern und Schluchten, dort gab es nämlich schon zehntausend Goldgräber. Und diese hungrigen Burschen brauchten Fleisch.

Aus diesem Grunde brachte ein Longhorn-Stier dort in Montana den zehnfachen Preis, also etwa hundertzwanzig Dollar.

Deshalb war damals in jenem Frühjahr die Herde unterwegs.

Sie kam etwa zweihundertfünfzig Meilen weit den Bozeman-Weg herauf, der mitten durch das Indianerland führte.

Der Besitzer und Treibboss war Hugh Morgan.

Es waren etwa fünfzehnhundert Longhorns und ein gutes Dutzend Treiber. Es waren Texaner.

Sie wurden von den Indianern getötet. Die Herde aber geriet in Stampede und raste tief in die Sweetwater Mountains hinein.

Die Indianer verfolgten natürlich die »Gefleckten Büffel«, wie sie die Rinder nannten. Doch als sie die Herde dann fanden, kehrten sie schnell wieder um.

Denn der mächtigste Leitstier, der als »Black Captain« bekannt war, hatte die Herde durch ein riesengroßes Felsenloch in ein mächtiges Tal geführt, in dem sich »der Mund und die Nasenlöcher von Wakan Tanka« befanden.

Wakan Tanka? – Nun, so nannten die Sioux den großen Geist. In vielen Indianerbüchern wird er Manitou genannt. – Und der Mund und die Nasenlöcher von Wakan Tanka? Nun, es waren drei warme Geysire, deren Röhrengänge bis tief in die unterirdischen Regionen der Erde reichten und bis zu vulkanisch erhitzten, unterirdischen Quellen. Das durch diese Röhren fließende Wasser erzeugte einen Dampfdruck. Und wenn dieser stark genug war, stieg immer wieder eine gewaltige Wassersäule mit Dampf und Getöse empor, und es hörte sich so an, als würde ein gewaltiger Riese schnarchen. Für die Indianer waren das also Mund und Nasenlöcher des Großen Geistes.

Und weil die Rinder in dieses Tal gelangt waren, waren sie deshalb auch sicher vor den Indianern. Denn in diesem heiligen Tale jagten sie nicht.

Es vergingen dann Jahre. Der große Indianerkrieg ging vorbei. Die Indianer wurden nach und nach besiegt und in Reservate eingesperrt. Das Wyoming-Territorium wurde frei für Rinderzüchter und Farmer.

Und sie kamen in Scharen.

Das heilige Tal der Sioux aber blieb immer noch unentdeckt. Denn es hatte ja nur einen einzigen Ein- und Ausgang, eben jenes große Felsenloch.

Doch dann – es war im Jahre 1882 – wurde das Tal gleich von mehreren Leuten entdeckt, die mit ihren Familien oder auch allein unterwegs waren und nach einem Stück freien Landes suchten.

Diese Leute rissen ihre Augen auf, als sie in dieses gewaltige Tal kamen. Es war nicht nur so gewaltig groß und eingerahmt von steilen Bergketten, nein, es war auch so gewaltig schön, so grün und fruchtbar, mit warmen Bächen, die auch in den Wintern ein milderes Klima erzeugten als anderswo in diesem Lande.

Und es war voller Longhorn-Rinder, voll wilder, gescheckter und kräftiger Rinder.

Zuerst dachte man, dass dieses Tal schon seine Besitzer hätte, dass all diese Rinder zu einer großen Ranch gehörten. Denn es waren ja Zehntausende von Rindern. Jene fünfzehnhundert Longhorns hatten sich in den sechzehn Jahren gewaltig vermehrt.

Doch dann fand man heraus, dass all diese Tiere ohne Besitzer waren, dass es im ganzen Tal keinen Menschen gab. Nur einige ganz alte Tiere trugen ein großes »M« als Brandzeichen.

Nun, all die Leute, die gekommen waren, teilten das Tal und die Rinder unter sich auf. Es entstanden einige Ranches, einige Farmen in den Seitentälern, und es entstand eine kleine Stadt.

Inzwischen hatte man auch durch Sprengung einer Felswand nach Norden zu einen Talausgang geschaffen.

Aus dem Tal des Großen Geistes der Sioux war ein Rinderland geworden.

Man nannte es »Longhorn-Valley«.

Und dies alles wollte ich meiner Geschichte vorausschicken.

G.F. Unger

Jim Morgan erhebt sich schnell aus seiner kauernden Haltung und tritt vom Feuer weg, bis er sich jenseits jener Grenze befindet, die zwischen Dunkelheit und Feuerschein ist.

Der Reiter, den er auf dem Wege hörte, hat nun angehalten. Eine recht angenehme Männerstimme fragt herüber: »Ist dort ein Restaurant? Ich rieche Pfannkuchen, Sirup und Kaffee! Ist es möglich, dass ein hungriger Pilger dort die Töpfe ausräumen kann?«

Jim Morgan nimmt sich mit der Antwort einige Atemzüge lang Zeit. Er denkt noch über diese Stimme nach. Oh, er hat diese Stimme bestimmt noch nie gehört. Und dennoch ist es ihm, als wäre ihr Besitzer ein alter Bekannter von ihm.

Doch das kann nicht sein. Es liegt nur an der Art dieser Stimme. Sie klingt so prächtig. Sie muss einem Goldjungen gehören, der immerzu lachend durch die Welt reitet und mit allen Menschen gut Freund ist.

Ja, genauso klingt die Stimme. Sie ist so angenehm. Sie nimmt einen Fremden sofort für ihren Besitzer ein, ohne ihn überhaupt gesehen zu haben.

Jim Morgan verspürt eine leicht belustigte Neugierde.

Und so erwidert er: »Es ist noch etwas da, Freund!«

Er hört einen zufriedenen Ausruf. Dann kommt der Reiter von der Straße herüber und zwischen die Tannen geritten. Er sitzt auf einem schwarzweiß gefleckten, sehr zäh und ziemlich struppig wirkenden Pferd, welches die kleinen Hufe jedoch so geschickt und leicht wie eine große Katze setzt.

Der Reiter gleitet auf eine Art aus dem Sattel, die allein schon beweist, dass er die meiste Zeit seines Lebens auf Pferden verbrachte. Als er ans Feuer tritt, erweist es sich, dass er dem Klang seiner Stimme entspricht.

Ja, er sieht prächtig aus, wenn auch etwas abgerissen und verhungert. Doch er gehört zu jenen hellblonden, blauäugigen Typen, die schon in der Wiege alle Tanten und Onkel verzauberten, weil sie so süß und so herzig wirken, und aus denen dann hübsche Burschen werden, deren gewinnendem Wesen niemand widerstehen kann und die immer wie lachende und strahlende Sieger wirken.

Jim Morgan schätzt ihn auf etwa zwanzig Jahre, und er tritt aus dem Schatten hervor, kauert sich nach Cowboyart auf die Absätze und holt einen brennenden Span aus dem Feuer, um seine Pfeife anzuzünden.

»Also räume die Töpfe aus, mein Junge«, sagt er.

Der blonde Bursche betrachtet ihn noch zwei Sekunden, und er sah einen großen, hageren Mann, der dunkel und indianerhaft wirkt und der bei aller Hagerkeit gewiss nicht weniger als hundertneunzig Pfund wiegt. Er sah einen Mann aus dem Schatten treten, dem der Revolver tief unter der Hüfte hängt.

Der Feuerschein tastet über ein Gesicht, in dem es einige dunkle Linien gibt, einige Narben und zwei weit auseinanderstehende rauchgraue Augen. Er ist etwa dreißig Jahre alt. Sein dunkles Gesicht ist etwas unregelmäßig, ganz bestimmt nicht hübsch, aber bestimmt männlich.

Der blonde Bursche lächelt blitzend. Er macht sich über die Reste her und sagt entschuldigend: »Ich habe nämlich schon zwei Tage nichts gegessen. Ich musste Laramie ziemlich schnell verlassen und konnte mir keinen Proviant mitnehmen – oha!«

Er kaut dann wieder mit vollen Backen und trinkt den heißen Kaffee wie kaltes Wasser.

»Gab es Schwierigkeiten in Laramie?«, fragt Jim Morgan sanft, denn er verspürt nun eine Neugierde. Er möchte gerne herausfinden, ob er diesen Jungen richtig einschätzte. Denn er glaubt, in diesem Jungen lesen zu können wie in einem offenen Buch.

»Ich bekomme überall Schwierigkeiten – wegen der Mädels«, sagt der Bursche kauend. »Mir fliegen alle Mädchenherzen zu. Und das können die anderen Jungens nie vertragen. – Ja, ich hatte in Laramie eine Schießerei.« Er richtet kauend seinen Blick auf Jim Morgans Revolver.

»Ich habe überall Glück bei den Mädels und bin ziemlich schnell mit dem Revolver. Deshalb bekomme ich immer wieder Verdruss und kann nicht lange an einem Ort bleiben. Vor zwei Jahren bin ich von zu Hause fort. Doch ich war nirgendwo länger als sechs Wochen. – Ich weiß wirklich nicht, wie das weitergehen soll.«

Er sagt die letzten Worte wie ein Bursche, der sich keine Sorgen macht, und der die Dinge zu nehmen gedenkt wie sie kommen.

Oh, er ist ein Großmaul, denkt Jim Morgan. Er ist ein wilder Junge, der bis jetzt überall das Glück hatte, davonkommen zu können. Er ist noch kein Mann, nur ein wilder und leichtsinniger Junge, der eines Tages auf die bittere Art herausfinden wird, dass das Leben kein Spaß ist.

Jim Morgan denkt über sein eigenes Leben nach, und da verspürt er plötzlich Mitleid mit diesem Burschen, denn er weiß zu gut und hat es am eigenen Leibe erfahren, wie schnell ein junger Bursche auf dem besten Wege zur Hölle sein kann, nur einfach deshalb, weil er allein keinen anderen und besseren Weg finden kann und weil ihm auch niemand einen anderen Weg zeigt.

Er hört dann den Burschen fragen: »Sind Sie hier in diesem Lande bekannt? Wohin führt dieser Weg eigentlich? Gibt es hier irgendwo eine Stadt?«

Jim Morgan deutet mit der Schulter nach Norden.

»Etwa zwanzig Meilen weiter liegt die kleine Stadt Longhorn. Sie liegt genau vor einem großen Felsentor, welches in ein mächtiges, wohl fünfzig Meilen langes Tal führt.«

»Aha, das Longhorn Valley mit seinen heißen Geysiren und Creeks! Das Tal mit den hunderttausend Longhorns, die schon sehr zahlreich vorhanden waren, bevor die ersten Weißen ins Tal kamen!«

Der junge Bursche ruft es und fügt hinzu: »Ich habe davon gehört. Doch ich dachte nicht, dass dieser Weg nach Longhorn führt. Nun gut! Ich werde dort gewiss ein warmes Plätzchen finden. – Mein Name ist Scott, Jubal Scott! Wollen Sie auch nach Longhorn, Mister?«

Jim Morgan nickt, und seine Gedanken eilten schnell und arbeiteten präzise. Der Anflug von Mitleid, den er spürte, ist vorbei, und er ist nun wieder ein Mann, der kalt und nüchtern an seine eigenen Ziele denkt und keine Möglichkeit unbeachtet lässt, sich gewisse Vorteile zu verschaffen.

Er sieht nun zu, wie der Bursche, der sich Jubal Scott nannte, das Geschirr säubert. Er hantiert sehr geschickt.

»Welche Art von Job suchst du eigentlich, Jube?«, fragt er knapp. Jubal Scott kniet einige Sekunden unbeweglich, starrt ins Leere und überlegt offensichtlich gründlich. Dann blickt er Jim an, und sein Blick ist vorsichtig und tastend.

»Ich habe schon ziemlich viel gemacht«, sagt er. »Und ich habe herausgefunden, dass zumeist die schwerste Arbeit am schlechtesten bezahlt wird. Ich habe oft genug darüber nachgedacht. – Nun, ich werde also einen leichten, doch gut bezahlten Job immer vorziehen. Und ich bin im Sattel mit dem Lasso kaum zu schlagen. Und ich bin auch ziemlich schnell mit dem Colt. Ich bin überhaupt ein ziemlich tüchtiger Junge, der immer wieder auf die Beine fällt und sein Geld wert ist.«

Jim Morgan betrachtet ihn ernst. »Ich bin Jim Morgan«, sagt er. »Würdest du auch Revolverarbeit annehmen, Jube?«

Der betrachtet ihn nochmals vorsichtig.

»Was wollen Sie, Jim Morgan?«, fragt er merkwürdig rau.

»Ich brauche einen Partner, der mir den Rücken deckt«, erwidert Jim Morgan.

Wieder betrachtet ihn der junge Bursche. »Und Sie halten mich für geeignet?«, fragt er dann.

»Was du taugst, wird sich herausstellen«, erwidert Jim Morgan. »Ich kann zurzeit keinen besseren Mann finden.«

»Um was geht es?«

»Ein Mann erbat von mir Revolverhilfe. Ich werde sie ihm geben.«

»Und Sie sorgen für Rückendeckung. Sie werben einen Burschen wie mich, den Sie nicht kennen, an, damit er Ihnen den Rücken deckt. – Ist das nicht etwas leichtsinnig?«

Nun zeigt sich um Jim Morgans Mundwinkel der Anflug eines Lächelns.

»Ich kenne deine Sorte ziemlich gut«, sagt er. »Ich gehörte selbst einmal dazu. Ich weiß ziemlich genau, was ich von dir erwarten kann. Es genügt mir vorerst.«

Er greift in die Tasche, holt ein Goldstück hervor und wirft es Jubal Scott zu.

»Reite jetzt sofort weiter bis nach Longhorn, damit wir morgen nicht zu gleicher Zeit ankommen. Sieh dich um in Longhorn und achte auf mich, wenn ich eintreffe.«

Jubal Scott betrachtet das Zwanzigdollar-Goldstück.

»Na gut«, – murmelt er. »Wir können es ja mal versuchen. – Kann ich noch eine Zigarette haben? Ich bin vollkommen abgebrannt.«

Jim Morgan wirft ihm seinen Tabaksbeutel zu, und eigentlich bereut er es schon fast, diesen wilden Jungen angeworben zu haben. Er weiß jedoch, dass er es aus einer plötzlichen Eingebung heraus tat. Und er hat es noch nie in seinem Leben bedauern müssen, solch einer instinktiven Eingebung gefolgt zu sein.

Zugleich aber spürt er, dass ihn dieser Bursche auch deshalb interessiert, weil er durch ihn an das erinnert wird, was er selbst einmal vor mehr als zehn Jahren war.

Er denkt noch darüber nach, als Jubal Scott schon fortgeritten ist. Und aus diesem Nachdenken heraus murmelt er: »Nein, ich bin kein Revolvermann mehr, den man sich kommen lassen kann, wenn man in Schwierigkeiten ist. Ich bin es nicht mehr, nein! Ich hätte diesem Ruf niemals Folge geleistet, wenn ich nicht zufällig zuvor erfahren hätte von dem Longhorn Valley und von jener Herde, mit der mein Vater Hugh Morgan vor sechzehn Jahren Fort Laramie verließ und verschollen blieb. – Du lieber Gott, wenn es stimmt, was der alte Indianer mir sagte! Wenn es stimmt, dass jene Reiter damals alle jenen Brand trugen, den mir der alte Indianer wie ein ›M‹ aufzeichnete, nun, dann habe ich die Fährte meines Vaters gefunden, dann sind alle Rinder im Longhorn-Valley Nachkommen einer Stammherde, die mir als Erbe meines Vaters gehörte. Dann gehören all diese Rinder mir. Und wenn es stimmt, was ich vermute, dann gibt es nun wegen dieser Rinder hier Krieg, dann kämpfen die Menschen im Longhorn Valley gegeneinander um meine Rinder.«

Er verstummt nach diesem Selbstgespräch und blickt dann eine Weile stumm ins Feuer.

Er denkt darüber nach, wie seltsam doch manchmal das Schicksal seine Spiele mit den Menschen treibt.

Ein Mann bat ihn um Revolverhilfe. Zuerst wollte er ablehnen. Doch dann erkundigte er sich über das Longhorn Valley, und er geriet dabei an einen alten Indianer, der ihm alles über das Longhorn Valley berichtete. Und mit einem Male hatte er die Fährte seines verschollenen Vaters gefunden.

Es war ein alter und ehrwürdiger Indianer, mit dem er sprach, ein Indianer, der Christ geworden war und die englische Sprache gut sprechen konnte.

Es gab keinen Zweifel mehr für Jim Morgan, dass er die verlorene Fährte seines Vaters gefunden hatte.

Und aus diesem Grunde ist er nun ins Longhorn Valley unterwegs, um sich den Mann anzusehen, der ihn um Revolverhilfe bat.

Er fragt sich immer wieder, wieso dieser Mann gerade auf ihn verfiel und woher er seine Anschrift wusste.

Gewiss, er besitzt einen ziemlichen Ruf als Revolverkämpfer. Doch er hatte sich seit einigen Jahren auf eine kleine Pferderanch zurückgezogen und war jedem Kampf aus dem Wege gegangen. Er hatte nicht mehr für die Interessen anderer Menschen gekämpft, nicht als Revolvermann, nicht als Marshal einer wilden Stadt, nicht als Geldtransportbegleiter, nicht als Scout für die Armee in Arizona gegen die Apachen und auch nicht als Kopfgeldjäger.

Er war friedlich geworden und hatte sich irgendwohin in die Einsamkeit zurückgezogen.

Doch dann kam dieser Brief mit der Bitte um Hilfe.

Und dann fand er durch Zufall heraus, welche Bewandtnis es mit dem Longhorn Valley in den Sweetwater Mountains auf sich hat. Ja, dieser alte Indianer, den er im Reservatsstore aus einer Laune heraus nach dem Longhorn Valley fragte, war gewiss vom Schicksal dazu bestimmt, Bescheid zu wissen und Auskunft geben zu können.

Denn er war vor sechzehn Jahren noch ein wilder Indianer und mit dabei, als die Treibmannschaft jener Herde getötet wurde.

Es ist am anderen Tage gegen Mittag, als Jim Morgan die kleine Stadt Longhorn erreicht, die vor dem großen Felsenloch liegt, welches auf die andere Seite der Bergkette ins Longhorn Valley führt.

Es ist eine recht kleine Stadt, kaum mehr als eine Siedlung. Doch sie ist nicht nur für die Menschen im Longhorn Valley ein Versorgungspunkt. Es gibt hier außerhalb des großen Tales noch mehr als ein Dutzend kleinere Täler, von denen alle Wege zu diesem Hauptweg führen und zur Stadt Longhorn.

Und seitdem es im Norden einen Ausgang aus dem Longhorn Valley gibt, entstand sogar Durchgangsverkehr zum Big Horn River und das lange Big Horn Valley entlang bis zum Big Horn Basin und bis zur Stadt Gray Bull und nach Cody.

Aber das ist ein langer Weg durch die Rattlesnakes, mühsam für die Postkutschen und mühevoll für die Frachtwagen, die von Laramie her das Land mit Waren versorgen.

Jim Morgan bindet sein Pferd im Schatten eines Baumes und beim Tränketrog an. Es ist ein großes, hageres, narbiges graues Pferd, ein Wallach, der oft seine gelben Zähne und das Weiße seiner Augen zeigt.

Als Jim an ihm vorbei zu den Stufen geht, die hinauf zur Veranda des Restaurants führen, schnappt das Tier nach seiner Hutkrempe. Doch Jim bewegt gedankenschnell seinen Kopf, und so schnappen die Zähne des grauen Tieres zusammen, ohne etwas zwischen sich zu bekommen.

»Du wirst es nie schaffen, Calamity«, murmelt Jim und verschwindet im Restaurant. Calamity, der immer und überall andere Wesen in Kalamitäten bringt, schnaubt scharf. Dann beginnt er, die Haltestange anzuknabbern wie ein Biber.

Das Restaurant ist nicht besonders gut besucht. Jim setzt sich in eine Ecke, und er fühlt sich von einigen Gästen scharf beobachtet. Plötzlich werden seine Ohren scharf. Denn er hört das Lachen einer Männerstimme.

Und diese Stimme kennt er.

Das ist unverkennbar Jubal Scotts Stimme. In ihr angenehmes Lachen vermischt sich nun das Gelächter zweier Frauen oder Mädchen. Und das alles klingt durch eine offene Tür aus der Küche.

Immer noch lachend erscheint nun ein dralles Mädchen, dessen Wangen glühen und dessen Augen funkeln. Sie nimmt Jims Bestellung entgegen und verschwindet wieder. Und sofort erklingt in der Küche wieder jenes lustige Lachen zweier weiblicher und jener männlichen Stimme.

Dieser Jube, denkt Jim Morgan, kommt mit den Mädels wirklich gut zurecht. Wie er das nur schaffen mag, schon nach wenigen Stunden als lieber Junge in der Küche zu sitzen? Er muss die Köchin und die Bedienerin vollkommen närrisch gemacht haben. Gewiss sitzt er dort und bekommt die besten Leckerbissen. Und dafür erzählt er Neuigkeiten, gibt einige Witze zum Besten und macht den Weibsbildern den Hof. – Heiliger Rauch, gibt es denn so etwas!

Jim Morgan bekommt nun sein Essen, und noch bevor er fertig ist, kommt Jubal Scott aus der Küche. Die wenigen Gäste, die da waren, gingen hinaus. Jim Morgan ist der letzte Gast. Jubal Scott bemerkt ihn nicht sogleich, denn er ruft über die Schulter in die Küche zurück: »Ich werde diese angenehme Stunde nie vergessen! Und ich schwöre, dass ich euch – sollte ich einmal ein reicher Mann werden – zu einer Reise in den Osten mitnehmen und euch in Samt und Seide hüllen werde wie zwei herrliche Kostbarkeiten – wie zwei herrliche Frauen! Denn das seid ihr! Ich schwöre es und bin froh, dass ich nach Longhorn kam!«

Als er sich umwendet, sieht er Jim Morgan, und er grinst ihn voller Spaß an und kneift ihm ein Auge zu.

Dann geht er hinaus.

Noch bevor er an der Tür ist, erscheint die Köchin im Durchgang zur Küche.

»Komm zum Abendbrot, Jubal! Vergiss nur nicht, zum Abendbrot zu kommen!«

»Mit Vergnügen, wenn ich wieder mit euch plaudern kann!«

So ruft Jubal Scott, und er strahlt die dicke Köchin an, so frisch, so voller Freude und Vergnügen. Oh, er wirkt wahrhaftig so sehr wie ein prächtiger großer Junge, den man einfach gernhaben muss.

Er verschwindet nun.

Und die dicke Köchin, die kaum durch die Tür kann, wirft Jim Morgan nur einen kurzen Blick zu. Doch sie lässt sich dann zu der Frage herab: »Schmeckt es, Fremder?«

»Einfach köstlich!« Jim Morgan ruft es auf eine Art, die verzückt und begeistert klingt. Er führt danach drei Fingerspitzen zum Mund und küsst sie, wie es die Feinschmecker tun, die damit einen besonderen Genuss kündigen.

Die dicke Köchin kneift misstrauisch ihre kleinen Augen zusammen und schnauft durch die Knubbelnase.

»Man tut, was man kann«, sagte sie und verschwindet wieder. Ich habe mit Komplimenten kein Glück bei ihr, denkt Jim Morgan auf eine spöttisch nachsichtige Art.

Doch der goldige Jube, der hat es bestimmt auf eine ähnliche Art geschafft, als Privatgast in die Küche gebeten zu werden. Aber ich sehe ja auch nicht wie Jube aus, eher wie ein Comanche oder ein Sioux. Na ja.

Nach diesen Gedanken erhebt er sich, wirft ein Geldstück auf den Tisch und geht hinaus.

Jubal Scott sitzt ein Stück weiter rechts auf der Hotel-Veranda. Er hat den Stuhl zurück an die Wand gekippt und den Hut tief über die Stirn gezogen. Es sieht so aus, als säße er dort im Schatten, um ein kleines Nickerchen zu machen. Zwischen ihm und Jim Morgan steht ein Mann am Geländer und dreht sich eine Zigarette. Er hält den Kopf gesenkt und scheint seine ganze Aufmerksamkeit dem Zigarettendrehen zu widmen. – Scheint!

Bei Jim Morgans Pferd stehen zwei andere Männer, die wie Rinderleute gekleidet sind, hagere, scharfgesichtige Burschen, und sie tragen Revolver tief unter den Hüften. Als Jim Morgan vor einer knappen Stunde in die Stadt kam, wirkte sie sehr verschlafen. Zwischen all den primitiven Holzbauten regte sich nichts. Es herrschte die typische Ruhe, die um die Mittagszeit im Sommer immer in solchen kleinen Städten ist.

Doch jetzt ist es anders geworden. Drüben vor dem Longhorn-Saloon haben sich mehr als ein Dutzend Männer verteilt. Sie sitzen auf den Stühlen oder lehnen an der Wand und über dem Geländer.

Und sie blicken auf Jim Morgan. Vor dem Store steht eine Gruppe von Bürgern. Die Fenster und Türen einiger Häuser sind mit Beobachtern besetzt, mit Frauen und Kindern sogar, die sich ebenfalls nichts entgehen lassen wollen.

Ja, es hat sich nun eine Menge geändert an diesem Bild einer trägen Rinderstadt in den Bergen. Jim Morgan sieht es, und er wittert dann all jene Dinge, die er so gut kennt. Er fühlt sich wieder zurückversetzt um einige Jahre, in eine Zeit, da er ein hartes Spiel spielte, ein Spiel, welches stets nach einem bestimmten Schema verlief, nach einem unwandelbaren Schema.

Jetzt wird es sich gleich zeigen, ob dieser Jubal Scott etwas taugt, denkt er bitter und geht zu seinem Pferd. Die beiden Männer, die dort an der Haltestange stehen, sehen ihn fest und hart an. Wenn er die Zügel von der Stange lösen will, muss er zwischen sie treten.

Er tut es nicht. Er bleibt stehen, so dass er sie vor sich hat, und er hat die Hotel-Veranda und den Mann, der dort steht, rechts von sich.

Er fragt sanft: »Soll's denn was sein? Kommt nur gleich richtig zur Sache, Freunde. Denn ich kenne dieses Spiel. Und ich bin ziemlich gut informiert über die Sachlage hier.«

Sie geben ihm nicht sofort eine Antwort. Sie betrachten ihn noch, schätzen ihn ab und denken über seine Worte nach. Er hat sie etwas irritiert.

Doch nun sagt einer schleppend: »Na gut, das vereinfacht die Sache sehr. Wir wissen, dass Frank Holliday Revolverschwinger anwirbt. Er will eine kleine Privatarmee aufstellen. Doch wir sind dagegen. Wir sind der Meinung, dass wir im Longhorn Valley jede Art von Streitigkeiten unter uns erledigen können. Wir brauchen keine Fremden, die sich für Geld anwerben lassen und mitmachen wollen, obwohl...«

»Was das Longhorn Valley angeht, so bin ich vielleicht kein Fremder, den die Dinge hier nichts angehen«, unterbricht ihn Jim Morgan ruhig. »Es könnte sein, dass mich die Dinge hier sogar sehr viel angehen, mehr als jeden anderen Menschen im Longhorn Valley. – Wer seid ihr überhaupt, Freunde?«

»Wir sind die Ketshums. Ich bin Jesse Ketshum. Das ist mein Bruder Larry. Und wir sagen Ihnen jetzt, dass Sie den Weg zurückreiten werden, den Sie gekommen sind. Sie kommen hier nicht ins Longhorn Valley hinein. – Auch von Norden her nicht.«

Jim Morgan nickt. Über diese Dinge war er durch den Brief schon informiert. Die Ketshums und deren Freunde und Anhänger bewachen die Zugänge des Longhorn-Tales, und wenn ein Fremder kommt, der wie ein harter Bursche aussieht, der mit dem Revolver gut umgehen kann, dann stellen sie fest, zu wem er will. Und sie lassen ihn nicht ins Tal, wenn er zu Frank Holliday will.

So ist das also. Mit diesen Schwierigkeiten hat Jim Morgan rechnen müssen. Er betrachtet die beiden Männer fest. Sie sind einige Jahre jünger als er, und sie sind zäh, hart und schnell, scharf und von der Sorte, die sich durchsetzen kann. Sie sind beide dunkel und helläugig. Man sieht sofort, dass sie Brüder sind, vielleicht sogar Zwillingsbrüder.

Jim Morgan denkt an den Mann, der auf der Hotel-Veranda steht, und er weiß, dass er sich auf diesen Jubal Scott verlassen muss. Dieser junge Bruder Leichtsinn ist seine Überraschung. Die Ketshums nahmen ihn sicherlich nicht für voll. Sie hielten ihn für einen Satteltramp, der ihnen nicht gefährlich werden kann. Erst als ein Mann wie Jim Morgan auftauchte, traten sie in Aktion, und er selbst kam ihnen gleich zu Anfang mit seiner Frage: »Soll's denn was sein?«, entgegen und gab ihnen sofort zu verstehen, dass er nicht zufällig nach Longhorn kam.

Und nun gaben sie ihm einen Befehl. Sie sagten ihm unmissverständlich, dass er wieder verschwinden soll. Dass es sonst mächtig rau werden wird, brauchen sie ihm nicht zu sagen. Dies weiß er. Denn er sagte ihnen ja auch, dass er sich auskennt mit diesem Spiel.

Er nickt nur, tritt zwischen sie und löst die Zügel seines Pferdes von der Haltestange.

Er müsste sich nun mit den Zügeln in der Hand unter der Haltestange hindurchbücken, um an sein Pferd treten und einen Fuß in den Steigbügel schieben zu können.

Aber er tut es nicht. Er sagt vielmehr: »Wetten, Jungens, dass ich doch ins Longhorn Valley reiten werde?«

Er hört ihre scharfen Atemzüge und wusste schon vorher, dass sie sich gegen ihn werfen werden.

Sie tun es, und er zeigt ihnen, wie gedankenschnell er sich bewegen kann. Anstatt gegen ihn zu prallen, prallen sie gegeneinander, und ihre Fäuste und Arme streifen ihn nur. Was er mit ihnen machte, lässt sie etwas lächerlich wirken. Er glitt wie ein Schatten zurück.

Und nun trifft er sie mit unheimlich harten und präzisen Schlägen, bevor sie sich gegen ihn wenden können.

Die ganze Stadt sieht es. Und sie begreift, dass dieser Fremde, der mit den Ketshums Verdruss bekam, kein typischer Revolverheld sein kann, nein, niemals! Denn ein Revolverheld kämpft nicht mit den Fäusten und meidet die körperliche Auseinandersetzung. Er hat sogar schreckliche Furcht davor, sich bei einem Faustkampf die Hand zu beschädigen.

Doch dieser Fremde, der da kam, kämpft auch mit den Fäusten. Und er wird in einer lächerlich kurzen Zeit mit den beiden Ketshums fertig.

Für die Zuschauer wird es nun spannend. Denn sie glauben, etwas zu wissen, was der Fremde nicht weiß.

Sie sehen, wie der Fremde zurücktritt und sich das Blut von den aufgeschlagenen Handknöcheln leckt. Doch sie beobachten alle nun nicht mehr so sehr den Fremden.

Sie sind daran interessiert, zu sehen, was nun Sego Ringold tun wird. Denn Sego Ringold – nun, dies ist der Mann am Geländer der Hotel-Veranda, der seine Aufmerksamkeit so sehr dem Zigarettendrehen schenkte, als der Fremde zum Pferd ging.

Denn Sego Ringold – nun, dies weiß jeder Mensch in der Stadt und im ganzen Lande! – gehört zu den Ketshums.

Deshalb staunen die Zuschauer gar nicht, als Sego Ringold nun den Revolver zieht und kehlig ruft: »Bewege dich nicht mehr! Dich meine ich, Fremder!«

Jim Morgan wendet seinen Kopf. Er blickt den Mann an, der den Revolver auf ihn gerichtet hat und nun von der Veranda kommt. Am Boden bewegen sich die beiden Ketshums. Sie werden sicher bald wieder auf den Beinen stehen.

Jim sieht den Mann an, der ihn mit dem Colt bedroht. Er weiß, dass dieser Bursche gefährlich ist. Es ist ein dunkellockiger, geschmeidiger und dunkelhäutiger Bursche, wahrscheinlich mexikanischer Abstammung oder zu einem Viertel Indianer. Er zeigt Jim Morgan ein scharfes, blitzendes Lächeln.

»Sie werden es dir gleich zurückzahlen«, sagt er zu Jim, und er meint damit die Ketshums und die Prügel, die diese bekamen.