G. F. Unger Sonder-Edition 272 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 272 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Die Spur der Younger-Bande, die in der Stadt, in der ich Sheriff war, die Bank ausgeraubt hatte, führte ins Mesaland. Pech, dachte ich, denn das Mesaland war ein riesiger Irrgarten mit seinen unzähligen Canyons und tausend verborgenen Winkeln. Sollte es mir mit der Younger-Bande so ergehen wie den Wildpferdjägern mit Silver King, einem Wildhengst, der ihnen immer wieder entwischte und dessen Versteck niemand kannte?
Verdammt, ich hatte nicht viel Hoffnung! Wie hätte ich auch ahnen können, dass es Silver King sein würde, der mir bei der Jagd nach den Bankräubern helfen sollte!


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Seitenzahl: 181

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Silver Kings Mesaland

Vorschau

Impressum

Silver Kings Mesaland

Es war schon Abend, als ich Mesa Station erreichte. Ein rotgoldener Vollmond würde bald am Himmel leuchten; ich wusste es, denn ich ritt schon lange in diesem Land.

Mesa Station – das wusste ich ebenfalls – war keine Stadt. Eigentlich war es nicht mal eine Siedlung, sondern nur ein Store mit einem Saloon – oder besser und genauer gesagt, einer Mischung aus Saloon und mexikanischer Cantina, Bodega oder Fonda.

Dieses Land hatte ja einst den Spaniern gehört, dann den Mexikanern – und erst ab 1850 lebten dann auch zunehmend Angloamerikaner hier. Es war also alles noch etwas Spanisch-Mexikanisch, und die spanische Sprache war hier der englischen als Umgangssprache ebenbürtig.

Nun, ich ritt also in der beginnenden Nacht auf die gelben Lichter zu und saß bei einigen Corrals ab, die einen großen Stall und einige halboffene Schuppen umgaben.

Ein kleiner krummbeiniger Mexikaner kam und fragte, ob ich bleiben würde und er sich um mein Pferd kümmern solle.

»Si, Señor«, erwiderte ich höflich, »das würde meinem Pferd guttun.«

Und nach diesen Worten saß ich ab.

»Wo kann man hier schlafen, Señor?« So fragte ich, als ich ihm die Zügelenden meines Pferdes übergab.

»Im Heu«, erwiderte er. »Und weil Sie ein höflicher Mann sind, der zu einem Pferdeburschen Señor sagt, werde ich Ihnen einen besonderen Platz reservieren, also Ihren Sattel und Gepäck dorthin legen.«

»Dafür danke ich, Señor«, erwiderte ich und blickte auf das langgestreckte Gebäude, das aus Adobeziegeln gemauert wurde – vielleicht damals schon, als die spanischen Soldaten noch zur Garnison in Santa Fé unterwegs waren.

Ich gab ihm zwei Silberdollar und machte mich auf den Weg. In den Corrals hatte ich eine Menge Pferde gesehen. Auch vor dem langen Gebäude waren noch Sattelpferde angebunden. Schon allein an der Anzahl der Pferde konnte ich mir ausrechnen, dass hier einige Dutzend Gäste versammelt waren. Als ich eintrat, empfing mich Stimmengewirr in einem rauchgeschwängerten Raume. Nach links ging es in den Store, nach rechts gab es eine lange Bar, viele Tische und Bänke, auch einige Stühle.

Ich trat zuerst an die Bar und ließ mir einen Drink geben. Der Tequila war scharf, aber er spülte mir den Staub aus der Kehle.

An einem langen Tisch, dicht hinter dem Barende, wo sich auch der Durchgang zur Küche befand, saßen einige Gäste und aßen von verbeulten Blechtellern. Sie mampften so gierig, dass ihnen die Ohren wackelten. Ich kannte ihre Sorte. Es waren Wildpferdjäger, die nach langen Wochen mal wieder an einem Tisch saßen und ein gutes Essen vor sich stehen hatten.

Ein Mann steckte seinen Oberkörper aus der Küchentür und fragte: »Will noch jemand etwas? Sonst lass' ich den Herd ausgehen.«

Ich hob meinen Zeigefinger.

»Es riecht gut«, sagte ich. »Eine große Portion, was es auch ist.«

»Hammelbraten«, erwiderte er und zog sich in die Küche zurück.

»Es schmeckt wirklich gut.« Mein Nachbar grinste. »Besser jedenfalls als Klapperschlange.«

Ich grinste zurück und erwiderte: »Es kommt darauf an, wie man die Klapperschlange zubereitet.«

Nun mischten sich auch die anderen Esser ein. Und so entspann sich ein längeres Expertengespräch über die Zubereitung von Klapperschlangen. Es stellte sich heraus, dass man diese auf indianische und mexikanische Art zubereiten konnte – also in Kräutersud kochen, aber auch mit verschiedenen Gewürzen und Zutaten braten konnte.

Endlich bekam ich meinen Hammelbraten.

Er war wirklich gut.

Bald saß ich allein am Tisch, denn die anderen Esser standen entweder an der Bar oder waren zu einem der Spieltische umgezogen.

Ein alter Bursche trat zu mir an den Tisch. Er musste wahrhaftig schon uralt sein. Und ganz gewiss hatte er eine Menge indianisches Blut in den Adern. Er fragte: »Kennen Sie die Geschichte von Silver King, Señor? Ich bin Pancho Sanches. Es ist eine sehr spannende und wichtige Geschichte für alle, die ins Mesaland kommen. Für einige Gläser Mescal oder Tequila erzähle ich Ihnen die uralte Sage von Silver King, dem weißen Hengst, der immer wieder aufersteht. Wollen Sie diese Geschichte hören? Darf ich mich zu Ihnen setzen, Señor? Oder sind Sie nicht zum ersten Mal hier und kennen die alte Sage schon?«

Er fragte es zuletzt sehr besorgt, so als würde er eine Enttäuschung kaum verkraften können.

Aber ich grinste, warf zwei Dollar auf den Tisch und sagte: »Dann holen Sie uns erst mal eine Flasche von der Bar, Abuelo.«

Abuelo, dies bedeutete so viel wie Großvater, und er nahm es dankbar zur Kenntnis, griff die zwei Dollar und kam wenig später mit einer Flasche und zwei Gläsern zurück.

Er schenkte ein. Seine Hände zitterten leicht. Doch als wir getrunken hatten und er die Gläser nochmals einschenkte, da zitterten seine Hände nicht mehr.

Dieser Agavenschnaps schien für ihn wirklich eine Medizin zu sein.

Eine Weile saßen wir da und tranken. Uns umgab das Gemurmel der anderen Gäste. Doch es kümmerte sich niemand um uns. Er deutete mit seinem Daumen über die Schulter und grinste, wobei er braune Zahnstummel zeigte.

»Alle hier kennen die Geschichte schon«, sprach er. »Ich freue mich deshalb immer, wenn wieder einmal jemand kommt, dem ich sie erzählen kann.«

Er hatte eine gute Ausdrucksweise, und ich begann zu begreifen, dass er früher wohl zu der gebildeten Klasse gehört hatte.

Doch jetzt war er ein Säufer und bettelte Drinks für eine Geschichte, die viele Gäste nicht mehr hören wollten.

Ich aber war neu am Eingang des Mesalandes.

Wir nahmen nun den zweiten Drink. Ich sah, wie in die Augen des alten Mannes ein Feuer trat, und ich begriff, dass er innerlich irgendwie begeistert war von der Geschichte, die er nun zu erzählen begann:

»Damals, als Coronado überall mit seinen eisengepanzerten Soldaten und einem großen Tross von indianischen Begleitern und Sklaven umherzog und nach den sagenhaften sieben goldenen Städten von Cibola suchte, da hatten sie einen weißen Hengst bei sich, der irgendwo ein Locokraut fraß und verrückt wurde. Er ergriff mit einigen Stuten die Flucht, verschwand im Mesaland und war dort einige Jahre verschwunden.«

Nach dieser Einleitung machte Pancho Sanches eine Pause und füllte die Gläser abermals. Wir tranken uns zu. Dann sprach ich: »Pancho, mein Name ist Jim, Jim McCrow. Ich glaube, es wird wirklich eine spannende Geschichte. Doch ich möchte sie gerne hören, bevor Sie zu betrunken sind. Deshalb sollten wir diese Flasche wohl etwas langsamer leeren, nicht wahr?«

Er grinste wieder mit seinen braunen Zahnstummeln.

»Ich werde niemals betrunken«, sprach er dann würdig und mit einem Beiklang von vorwurfsvoller Entrüstung.

»Gut.« Ich grinste zurück. »Was mich betrifft, ich habe gut gegessen.«

Und dann wartete ich. Er ließ mich auch nicht lange warten, sondern sprach weiter mit einer Stimme, so als würde er mir ein riesengroßes Geheimnis mitteilen:

»Einige Jahre sah man nichts mehr von diesem weißen Hengst und dessen Stuten. Obwohl die Spanier ständig durchs Land zogen auf der Suche nach den goldenen Städten von Cibola – aber auch nach Gold im Boden, in Höhlen, in den Flüssen – überall. Und man fand auch Gold. Jahre vergingen, und je mehr man hier im Mesaland Gold fand, umso zahlreicher wurden die Conquistadores, all diese Hidalgos mit ihren Reitern und Soldaten. Sie mussten auch gegen die Apachen kämpfen und viele Gefahren bestehen. Doch das Gold lockte sie immer wieder an.«

Pancho machte abermals eine Pause und füllte die Gläser.

Nachdem wir getrunken hatten, erzählte er weiter.

»Und obwohl viele Jahre vergingen, lebte dieser weiße Hengst immer noch. Längst hätte er tot sein müssen, denn kein Pferd lebt in diesem Land länger als zwanzig Jahre. Man sah ihn dann und wann. Und immer, wenn die Spanier Gold fanden oder gar eine Goldader entdeckten, tauchte er plötzlich auf wie ein Geist und stahl ihnen die Pferde. Und nicht nur die Stuten liefen mit ihm weg, nein, auch die Hengste und Wallache. Sie alle folgten ihm, wenn er sie mit seinem trompetenhaften Wiehern aus den Corrals holte. Er zerschmetterte die Stangen oder zerriss die ausgespannten Seile. Er machte alle Pferde irgendwie verrückt, versetzte sie in einen Zustand der Wildheit. Und manchmal griff er auch die Spanier an, die sich ihm in den Weg stellten. Er wurde mehr und mehr zu einer Legende. Und die Geschichten über ihn wurden von einer Generation zur anderen weitergegeben. Es vergingen mehr als hundert Jahre, dann zweihundert – und fast dreihundert. Und immer noch sieht man manchmal Silver King dann und wann in seinem Reich, dem Mesaland. Viele Wildpferdjäger jagten ihn schon. Denn seine Herde besteht aus den wunderbarsten Tieren. Sie alle sind ihm ebenbürtig. Manche Wildpferdjäger behaupten, dass es nur ein Geist mit einer Geisterherde wäre – aber andere, die er angriff und die erleben mussten, dass er einige von ihnen tötete, halten ihn für ein Ungeheuer, welches einen Schatz bewacht – eine reiche Goldader zum Beispiel. Sie läge versteckt irgendwo in den Schluchten, bei einer geheimen Wasserstelle, die er ebenso bewachen würde wie den Schatz. Und wer ihm und diesem Schatz zu nahe käme, der wäre des Todes.«

Pancho verstummte nun heiser, und ich sah ihm an, dass er seiner Geschichte wahrhaftig Glauben schenkte.

Abermals füllte er die Gläser. Wieder tranken wir.

Ich begann den scharfen Tequila zu spüren.

Und Pancho sprach weiter: »Er lebt immer noch und tötet jeden Menschen, der seinem Geheimnis zu nahe kommt. Man hat schon oft auf ihn geschossen, ihn jedoch niemals getroffen. Denn einen Geist kann man nicht erschießen. Und dennoch ist er kein Geist, denn er stiehlt den Reitern die Pferde. Und wenn die Reiter dann zu Fuß erschöpft und halb verdurstet sind, dann kommt er, um sie mit seinen Hufen zu töten.

Deshalb, Señor McCrow: Wenn Sie in Silver Kings Mesaland reiten, dann passen sie gut auf sich auf. Suchen Sie nicht nach Schätzen – und schon gar nicht nach dem Geheimnis des weißen Hengstes. Denn sonst...«

Er erhob sich und griff nach der Flasche.

»Die darf ich wohl mitnehmen?«, fragte er und setzte hinzu: »Ich werde mit dieser noch halbvollen Flasche schlafen gehen wie mit einer feurigen Puta.«

Er ging.

Und er schwankte nicht. Nein, er war nicht betrunken.

Ich aber spürte die Trunkenheit in meinem Kopf. Dieser Tequila hatte es in sich.

Und so saß ich noch eine Weile am Tisch und dachte über die Geschichte nach, so gut ich das noch vermochte.

Aber wahrscheinlich war es eine verdammte Lügengeschichte. Kein Pferd konnte an die dreihundert Jahre leben. Das gab es nicht.

Oder hatte dieser erste weiße Hengst, der damals Francisco Coronados Schar weglief, für einen Nachkommen gesorgt, der ihm völlig glich – und hatte sich diese Kette von Nachkommen immerzu fortgesetzt.

Gab es viele weiße Hengste, deren Urvater er war?

Aber was war das dann für eine ungeheure Erbmasse, die da weitergegeben wurde von Vater zu Sohn?

Oder gab es da wirklich ein Geheimnis?

Was konnte es sein? Ein besonderes Wasser? Irgendwelche Mineralien im Gras?

Es war verrückt.

Ja, das Ganze konnte nur die verdammte Lügengeschichte eines Säufers sein, der mit einer Flasche Tequila schlafen gehen wollte wie mit einer Señorita.

Ich saß noch lange da und dachte nach.

Dann zahlte ich und ging zur Scheune, wo mein Lager auf mich wartete.

Als ich dann schlief, träumte ich bald von einem weißen Hengst. Ich sah mich im Traum auf seinem sattellosen Rücken. Ja, ich ritt auf ihm, und er war nicht böse zu mir.

Doch ich konnte diesen Traum kein einziges Mal bis zum Ende erleben. Denn stets erwachte ich vorher und wurde mir bewusst, dass ich im Heu einer Scheune lag und außer mir gewiss noch ein Dutzend andere Männer. Manche schnarchten laut, und die meisten waren gewiss betrunkener als ich. Sie rülpsten und furzten. Einer stöhnte fürchterlich und übergab sich.

Es war keine gute Nacht.

Schließlich blieb ich längere Zeit wach und wurde mir wieder bewusst, aus welchen Gründen ich in dieses Land gekommen war.

Die Geschichte vom weißen Hengst hatte mich eine Weile abgelenkt. Denn da war plötzlich ein Gefühl in mir, als gäbe es zwischen dem Hengst und mir irgendeine geheimnisvolle Verbindung.

Dabei hatte ich ihn noch nie gesehen und bis zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas von ihm gehört.

Dieser Pancho Sanches hatte mir irgendwie mit dieser Geschichte etwas eingeimpft. Ich dachte deshalb immerzu an Silver King, wie sie ihn hier nannten. Und so gab es wohl deshalb eine nicht zu erklärende Verbindung zu ihm.

Verdammt, was war das?

Dies fragte ich mich.

Was ging mich dieser weiße Hengst an?

Ich war hergekommen, um die Younger-Bande auszurotten.

Ihre Fährte führte ins Mesaland. Und hier in Mesa Station war der Eingang zum Mesaland von Süden her. Ich wusste, man musste von Mesa Station nur den Canyon hinauf, dann gelangte man auf das gewaltige Plateau, auf dem sich die riesigen roten Mesas erhoben. Und dazwischen waren Schluchten, Täler, Canyons, Hügelketten, viel Grün.

Es war ein gewaltiges, schönes, aber auch unübersichtliches Land mit tausend verborgenen Winkeln. Es gab nur wenige Wasserstellen.

Dies alles wusste ich schon vom Hörensagen.

Und nun wusste ich auch die Geschichte vom weißen Hengst, dem König dieses Landes.

Irgendwie ahnte ich damals schon in jener Nacht, als ich wach lag und die Trunkenheit allmählich aus meinem Kopfe wich, dass ich mit diesem Hengst noch zu tun bekommen würde, nicht nur mit der Younger-Bande.

Es gab ein prächtiges Frühstück. Danach kaufte ich mir ein zweites Pferd, welches ich vorerst als Packpferd benutzen würde. Auch einen Packsattel erstand ich. Er war schon gebraucht, doch er würde mir noch eine Zeitlang gute Dienste verrichten. Im Store kaufte ich dann alles, was ich für die nächsten Wochen benötigen würde.

Einige andere Männer, die ich für Wildpferdjäger hielt, kauften ebenfalls ein und beluden dann wie ich vor dem Store ihre Packpferde.

Jener Pancho Sanches, der mir gestern die Geschichte vom weißen Hengst erzählt hatte, kam herbei und ging von Mann zu Mann, indes wir noch mit den Packtieren beschäftigt waren. Alle bettelte er der Reihe nach an.

Und ich sah, dass sie ihm alle etwas gaben. Wahrscheinlich hatte er jedem von ihnen schon mal die Geschichte von Mesa King erzählt, sodass sie sich ihm irgendwie verpflichtet fühlten.

Zuletzt kam er zu mir.

»Ay, Señor«, grinste er mit seinen braunen Zahnstummeln. »Ist Ihnen der Tequila gut bekommen?«

»Prächtig«, erwiderte ich, ließ ihn nicht erst betteln, sondern gab ihm einen halben Dollar. Da er von den anderen Männern ebenfalls etwas erhalten hatte, war sein »Tagesverdienst« gewiss höher als der eines guten Handwerkers, also zum Beispiel eines Schmieds oder Sattlers.

»Sie sind ein nobler Caballero«, sprach er. »Und ich wünsche Ihnen Glück im Mesaland – was Sie darin auch tun wollen. Ich möchte Ihnen aber noch etwas sagen. Gestern vergaß ich es – oder wollte es nicht, wie es auch sei.«

Er machte eine kleine Pause und hob achtungsheischend seinen Zeigefinger, verlangte also vollste Aufmerksamkeit.

Ich sah ihn erwartungsvoll an.

Da sprach er: »Man sagt, dass Mesa King genau dort eine geheime Wasserstelle hätte, wo damals die Spanier die Goldader gefunden haben. Alle Wildpferdjäger sind deshalb hinter Silver King her. Sie denken, dass er als ihr Gefangener, wenn sie ihn lange genug dürsten ließen, zu dieser verborgenen Quelle und damit auch zum Gold führen würde. Und wenn jemand diesen Silver King wahrhaftig einfangen und in seine Gewalt bekommen sollte, dann müsste er gegen fast alle anderen Wildpferdjäger kämpfen oder mit ihnen gemeinsame Sache machen. Es ist ein gefährliches Land für alle, die nach Silver King suchen. Passen Sie gut auf sich auf, Señor. Denn ich möchte, dass Sie mir wieder eine Flasche Tequila spendieren, wenn Sie nach Mesa Station zurückkommen.«

Noch einmal grinste er. Dann ging er. Ich wusste, er hatte genug eingenommen, um sich mehr als nur einen schönen Tag machen zu können.

Nun, ich gönnte es ihm, denn er war ein alter Mann und lebte als Geschichtenerzähler. Oder war er mehr?

Ich war der letzte Reiter, der mit seinem Packtier Mesa Station verließ und den mächtigen Canyon hinaufzureiten begann.

Es war ein überaus breiter Canyon, in dem es Hügel, einen Creek, Waldstücke und rote Felsen zwischen dem Grün gab. Eingesäumt oder begrenzt wurde er von Bergketten der Zuni Mountains.

Ich wusste, weiter im Norden gab es die gewaltige Enchanted Mesa, hinter der sich die Mateo Mountains erhoben.

Als ich nach etwa vier Meilen in diesem Canyon zwischen einigen Felsen hindurchritt, sah ich mich plötzlich drei Reitern gegenüber, deren Packpferde etwas seitlich hinter ihnen standen.

Nun versperrten sie mir den Weg.

Ich erkannte sie wieder. Wir hatten gestern zusammen im Saloon gesessen, gegessen, getrunken – und dann hatte ich mit dem alten Pancho Sanches geredet. Heute früh hatten wir zusammen mit vielen anderen Reitern vor dem Store unsere Packtiere beladen. Ich war der letzte Kunde im Store gewesen und deshalb auch zuletzt losgeritten. Ich hielt an und sah wortlos zu ihnen hinüber. Es trennten uns keine zehn Yard. Unsere Pferde schnaubten etwas unruhig, so als spürten sie die jäh vorhandene Spannung zwischen den drei Reitern und mir.

»Was soll's denn sein?« So fragte ich schließlich kühl.

»Mann«, erwiderte einer, »es gibt schon genug Wildpferdjäger im Mesaland. Du bist neu hier, nicht wahr? Und der alte Pancho hat dir gestern mit seiner Geschichte gewiss etwas in den Kopf gesetzt, so wie uns allen. Doch wir waren zuerst hier. Du kommst zu spät. Hau wieder ab!«

Das war es also.

Sie wollten keine Konkurrenz. Vielleicht waren wirklich schon zu viele Jäger im Mesaland hinter den Wildpferden im Allgemeinen und hinter Mesa King ganz besonders her.

Ein anderer der drei Reiter fügte den Worten des ersten Sprechers hinzu: »Dieser Pancho macht sie alle verrückt. Man sollte ihn totschlagen, dieses Quatschmaul. Hau also ab, Mann!«

Ja, es waren Drohungen. Für sie war ich ein Fremder in ihrem Jagdrevier.

Dabei war das Mesaland riesengroß, mehr als dreihundert Quadratmeilen. Und selbst wenn es einige Dutzend Wildjäger-Mannschaften und auch Einzelgänger gab, so verloren sich diese gewiss völlig in dem unübersichtlichen Land, über dem nur die roten Mesas emporragten wie gewaltige Kathedralen aus einer Zeit, da hier noch die Riesen lebten.

Ich begriff, dass ich umkehren oder kämpfen musste.

Sie waren drei – ich war allein.

Und dennoch waren sie Narren. Denn ich hatte mich ja nur als Wildpferdjäger getarnt. Ich war ein ganz anderer Typ und gehörte zu einer völlig anderen Gilde. Aber das durfte und konnte ich ihnen nicht sagen. Und so sprach ich mit freundlicher Nachsicht zu ihnen: »Freunde, legt euch nicht mit mir an. Ich will keinen Ärger mit euch, aber dies ist ein freies Land. Geht mir aus dem Wege. Vorwärts!«

Aber sie bewegten ihre Pferde nicht, sondern versperrten mir weiterhin den Weg.

Der dritte Mann wollte nun ebenfalls etwas sagen. Und so hob er seine Hand und sprach langsam: »Ich glaube, wir müssen ihm das noch mal richtig erklären. Also mein Freund – Amigo – es verhält sich hier so, dass wir zu drei verschiedenen Mannschaften gehören, die ihre Gebiete aufgeteilt haben. Wir waren nur zufällig zu gleicher Zeit in Mesa Station, um einzukaufen. Es gibt noch einige andere Mannschaften da und dort. Aber alle jagen sie die Einzelgänger zum Teufel. Da sind sich alle einig. Also – zum letzten Mal, Freund! – Hau ab! Schleich dich!«

Nun war alles klar.

Sie waren Narren, hielten sich für harte und zähe Burschen. Wahrscheinlich waren sie das auch als Wildpferdjäger.

Aber ich war ein texanischer Revolvermann, verdammt!

Ja, verdammt, denn irgendwie taten sie mir leid. Sie glichen drei verwilderten Hunden, die sich mit einem Wolf anlegten.

Nun, ich zeigte es ihnen.

Die Leine meines Packtieres war noch an meinem Sattelhorn befestigt. Das Tier würde also nicht weglaufen können, nur tanzen und auskeilen sicherlich. Doch dann würde es schnell wieder ruhig werden, weil das Tier, auf dem ich saß, meinen alten Trick längst kannte. Denn ich hatte es darauf dressiert.

Und so konnte ich also wagen, den wilden, markerschütternden Schrei eines angreifenden Pumaweibchens auszustoßen, welches seine Jungen verteidigen zu müssen glaubt. Ich hatte diesen Schrei von den Comanchen gelernt.

Und richtig, die Pferde der drei Burschen explodierten vor Schreck. Sie standen fast kopf, keilten nach hinten aus, wirbelten herum und keilten abermals aus. Dann sausten sie davon. Denn ich stieß den Schrei noch zwei weitere Male aus.

Die drei Wildpferdjäger – sie waren gewiss gute Reiter und konnten wilde Mustangs zureiten – lagen am Boden. Es kam zu überraschend für sie.

Mein Pferd stand ruhig unter mir. Nur das Packtier tanzte an der Leine, beruhigte sich aber bald wieder.

Ich hielt zur Vorsicht den Revolver in der Hand, als die drei harten Jungs sich fluchend erhoben. Sie wandten sich mir böse zu. Einer fauchte: »Du bist ja ein ganz besonders schlitzohriger Hurensohn, verdammt! Was für ein gemeiner Trick!«

Er stand vor mir und klatschte mit der Hand gegen den Revolverkolben. Die beiden anderen traten rechts und links neben ihn.

Aber ich zeigte ihnen meinen Revolver und sagte freundlich: »Wenn ihr darauf besteht, dann steige ich ab, stecke den Revolver ins Holster – und dann tragen wir es aus. Wollt ihr? Oder lasst ihr mich in Frieden reiten?«

Nun endlich wussten sie Bescheid und begriffen, dass meine Pumaschreie für sie das kleinere Übel waren.

Und so starrten sie mich böse und voll Bitterkeit an. Denn sie waren zu dritt und begriffen sich als Verlierer.

Einer murrte: »Der ist gar kein Wildpferdjäger wie wir. Ich wette, er ist ein Kopfgeldjäger mit Steckbriefen in der Satteltasche.«

Er sprach es verächtlich.

Sein Nachbar aber sagte: »Dann müssen wir alle hier im Mesaland vor ihm warnen, denke ich.«

Der dritte Mann nickte nur heftig.

Und dann machten sie sich auf den Weg, um ihre davongesprungenen Pferde zu holen.

Ich aber ritt weiter den Canyon hinauf.

Nein, ich war nicht zufrieden mit meinem Einstand hier. Nun waren vielleicht auch bald die Kerle der Younger-Bande vor einem Kopfgeldjäger gewarnt.

Aber das war ich nicht.

Ich war der Sheriff von Kelso. Das war eine kleine Stadt im Brazosland, eine hübsche, kleine, freundliche Stadt.

Und zu einer friedlichen Stadt hatte ich sie gemacht.

Aber dann war die Younger-Bande gekommen, hatte die Bank überfallen und einige Tote zurückgelassen.