G. F. Unger Sonder-Edition 273 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 273 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Er und seine vier Freunde waren der Schrecken der Unionsarmee. Hätte der Süden den Krieg gewonnen, wären sie als Helden gefeiert worden, so aber wurden sie Outlaws, gehetzt von einer gnadenlosen Verfolgermeute.
Noch einmal ist das Glück auf ihrer Seite, als sie im Gewirr der San-Catalina-Berge ein Versteck finden: eine Höhle, in der sie auf eine riesige Goldader stoßen. Doch dann kommt der Tag, an dem ihre Vorräte aufgezehrt sind und ihr Werkzeug unbrauchbar geworden ist. Latimer verlässt den sicheren Schlupfwinkel, um nach Mesa zu reiten. Und er weiß, dass seine Überlebenschancen eins zu tausend stehen...


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Seitenzahl: 186

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Latimer

Vorschau

Impressum

Latimer

Als Ty Latimer ihnen die Pfannkuchen mit Speck bringt – denn er ist heute an der Reihe als Koch und Geschirrspüler –, sagt er trocken: »Von morgen an gibt es nur noch mexikanische Bohnen, nichts als Bohnen. Warum hat denn keiner von euch gesagt, dass unsere Vorräte alle sind? Ihr alle wart doch vor mir an der Reihe mit dem Pfannenschwenken – na?«

Er wartet eine Weile auf Antwort. Aber sie nicken nur missmutig, und man sieht ihnen an, dass sie sich gar nicht wohl in ihrer Haut fühlen. Sie greifen sich jeder einen Pfannkuchen vom Stapel, rollen ihn zusammen zu einer Wurst und beißen diese Pfannkuchenwürste wie auf Kommando zeitgleich an. Ja, es sieht so aus wie einstudiert.

Doch sie sind sich dieser Komik gar nicht bewusst. Sie starren vor sich hin.

Schließlich sagt Frank O'Tole missmutig: »Ja, wir stecken wohl ziemlich in der Klemme. Jetzt müssen wir uns doch aus dem Loch wagen, in welches wir uns verkrochen haben, nicht wahr? Und ich wette, unsere lieben Freunde warten schon auf uns, um uns in Empfang zu nehmen.«

Nach diesen Worten beißt er ein neues Stück ab, kaut verdrossen und wirkt sehr sorgenvoll, obwohl er doch eigentlich ein verwegen wirkender, geschmeidiger und sehr selbstsicherer Bursche ist, bei dessen Anblick man unwillkürlich an einen schwarzen Panther zu denken beginnt.

Doch jetzt hat er Sorgen, wirkliche Sorgen.

Die anderen Männer nicken missmutig und wirken nicht weniger sorgenvoll als er.

Außer Ty Latimer, der sich einen Sack als Schürze umgebunden hat, und Frank O'Tole, sind es noch drei, nämlich Bac Cashire, Cäsar Johns und Jed Stonewood.

»Auch der Kaffee ist alle«, sagt Ty Latimer nach einer Weile, und es klingt, als wollte er sie wieder anstacheln und ihnen den Ernst ihrer Lage neu vor Augen führen. »Kein Kaffee, kein Maismehl, kein Zucker, kein Speck, k-«

»Kein, kein, kein«, fauchte da Frank O'Tole. »Das wissen wir selbst, Amigo. Und wenn du nur ein wenig ruhiger sein würdest, dann könntest du unsere Gehirne knirschen hören, so sehr strengen wir sie an, um uns was auszudenken. Also sei endlich still und lass es auch bei dir mal knirschen.«

Ty Latimer sieht ihn etwas schräg an. Dann tippt er wortlos mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe, sagt jedoch nichts.

Sie essen nun schweigend und trinken den Kaffee, bis nichts mehr vorhanden ist.

Dann sagt Cäsar Johns: »Also muss es wohl sein. Einer muss hinaus aus dem Loch und seinen Skalp riskieren – einer von uns, den das Los entscheiden soll. Denn wir haben hier noch eine Weile zu tun. Und jeder Tag, den wir hier verbringen, macht jeden von uns hundert Dollar reicher. Zumindest hundert Dollar! Ich würde gern noch zwei oder drei Monate hier durchhalten. Ihr nicht?«

Sie sehen ihn an und nicken.

»Na, dann losen wir also«, sagt Jed Stonewood und bewegt ungeduldig seinen mächtigen Körper, der aus zweihundert Pfund Muskeln und Knochen besteht.

»Wir können nicht ewig hier herumsitzen«, fügt er hinzu. »Wir müssen wieder in das Loch dort hinein. Und wenn schon jemand von uns in eine Stadt reitet, um für Proviant zu sorgen, dann soll er auch gleich ein paar vernünftige Hacken und Schaufeln mitbringen und all das andere notwendige Werkzeug, welches uns hier so sehr fehlt.«

Sie alle nicken.

Dann holt Bac Cashire sein abgegriffenes Kartenspiel hervor.

Aber Jed Stonewood protestiert sofort. »Du verdammter Kartenhai«, sagt er, »aus diesem Spiel könntest du in finsterer Nacht die Asse herausfinden.«

Bac Cashire grinst nur zu Jeds Worten. »Dafür hab' ich Pech in der Liebe«, sagt er und lässt sein Kartenspiel wieder verschwinden. »Also gut«, fügt er hinzu, »dann gehe ich freiwillig. Ihr könnt gar keinen besseren Mann schicken als mich.«

Sie betrachten ihn prüfend, und sie kennen ihn gut genug, denn sie ritten mit ihm zusammen durch den ganzen Krieg als Guerillas, die der Unions-Armee so manchen Schaden zufügten und die Truppen der Konföderation mit gestohlenen Pferden und Rindern versorgten. Hätte der Süden den Krieg gewonnen, so würde man sie als Helden gefeiert haben. Doch nun sind sie Gejagte.

Bac Cashire ist vergleichbar mit einem sandfarbenen und sehr mageren Wolf, der in der Wüste leben muss. Er ist schlau, zäh und erfahren. Und er kann gefährlich sein, sehr gefährlich.

An seiner Freundschaft und der Treue zu ihnen aber ist kaum zu zweifeln.

Aber schließlich schüttelt Frank O'Tole den Kopf.

»Nein, du nicht«, sagt er. »Du verlierst den Verstand, sobald du in die Nähe von Whisky, Weibern und Karten kommst. Du würdest dich besaufen, mit dem ersten besten Flittchen ins Bett gehen und...«

Er spricht nicht weiter, winkt nur müde ab, denn es ist ja so sicher, dass sich alle anderen Männer vorstellen können, was er meint.

»Ich kann auch nicht gehen«, spricht er nach einer Weile. »Denn von mir gibt es zu viele Steckbriefe. Ich bin zu bekannt und zu leicht nach Beschreibungen zu erkennen. Diese Narbe hier verrät mich immer.« Er deutet bei den letzten Worten gegen seine linke Wange.

Dann blickt er auf Jed Stonewood. »Du kannst es auch nicht wagen. Denn du bist der Bulle, den man noch leichter nach Beschreibungen erkennen kann. Es kommen nur Cäsar und Ty in die engere Wahl. Die unterscheiden sich kaum von tausend anderen Tramps, und sie sind beide schlau genug. Aber Ty Latimer hat gegenüber Cäsar noch einen Vorteil, nicht wahr? Er kennt das Land besser. Er wurde hier geboren. Durch ihn fanden wir dieses Versteck und entkamen so unseren Verfolgern. Wir werden abstimmen, wer für uns den Skalp riskieren soll. Und ich stimme für Ty Latimer.«

Nach dieser Rede hat er alles gesagt.

Für die anderen Männer waren seine Worte einleuchtend. Sie nicken nacheinander.

Dann sehen sie Ty Latimer an.

Noch einmal prüfen sie ihn, obwohl sie nun schon länger als fünf Jahre mit ihm reiten und ihn so gut kennen wie einen Bruder.

»Hau schon ab, Ty«, sagt Cäsar Johns.

»Viel Glück, Ty«, nickt Jed Stonewood.

»Verlauf dich nur nicht, Junge«, grinste Frank O'Tole und gibt sich gewollt väterlich, obwohl er nur zwei oder drei Jahre älter ist als Ty Latimer.

Bac Cashire aber sagt: »Und denke immer daran, dass du verdammt allein bist und nicht zu uns flüchten darfst, sollten sie dich jagen. Denn dann würdest du unser Versteck verraten. Wir halten es lieber hier bei mexikanischen Bohnen aus, anstatt als Pferdediebe zu hängen.«

Ty Latimer steht still da und begreift, dass sie ihn als den für diese Aufgabe besten Mann ausgewählt haben, dass sie ihm vertrauen und sich auf ihn verlassen werden.

Ty ist etwas mehr als mittelgroß, dunkelhaarig, mit einem etwas hohlwangigen indianerhaften, scharfen Gesicht, hellgrauen Augen und einem sichelförmigen Bart. Er mag etwa achtzig Kilo wiegen.

Seinen alten Colt trägt er links. Die Kleidung ist ziemlich abgerissen.

Er nickt und sagt ruhig: »Ich werde tun, was ich kann.«

Mehr sagt er nicht, aber sie wissen, weil sie ihn kennen, dass er sieben Leben hergeben würde, besäße er sie. Er würde sie opfern bis zum letzten Atemzug.

Bac Cashire sagt noch warnend: »Wenn sie dich erwischen sollten – und wenn sie das Gold bei dir finden, mit dem du wirst bezahlen müssen – nun, dann werden sie dir vielleicht sogar die Füße in ein Feuer legen. Bereite dich nur darauf vor, Ty. Innerlich, meine ich. Denn wenn sie dich zerbrechen können, kommen wir an die Reihe. Verrate uns nur nicht.«

»Gewiss nicht«, murmelt Ty Latimer. »Vergesst nur nicht, dass ich zu einem Viertel ein Comanche bin. Die halten was aus.«

Er bindet den Sack los.

»Nun wird wohl jemand von euch das Geschirr spülen müssen«, grinst er. »Denn ich muss mein Pferd satteln.«

Sie begleiten ihn bis zu der Felsspalte, die in den Talkessel führt. Es gibt nur diesen Zugang. Wenn man ihren Schlupfwinkel entdeckt, sitzen sie in der Falle. Denn selbst zu Fuß könnten sie niemals aus diesem Kessel entkommen. Doch die alten Spanier, die einst diesen Talkessel entdeckten und auch den Hauptstrang der Goldader aus der Basis des Steilhanges schlugen, hatten damals schon diese Felsspalte gut getarnt. Man kann sie von draußen kaum noch erkennen, denn sie wird durch vorgelagerte Felsblöcke, welche scheinbar von der Natur aufgetürmt wurden, gut gedeckt.

Es ist schon recht dunkel, als die vier Männer hinter Ty Latimer noch eine Weile in die Schlucht lauschen.

Der Hufschlag des Pferdes verklingt allmählich.

»Na, er wird es schon schaffen«, murmelt Bac Cashire. »Ich glaube, er ist der beste Mann von uns – nur er weiß es selbst noch nicht. Er war immer sehr bescheiden, dieser Junge aus dem Mesa-Land.«

Die anderen sagen nichts, doch sie nicken in der zunehmenden Dunkelheit. Dann kehren sie zu ihrem Camp zurück, welches sich der alten Spanier-Mine gegenüber befindet, nur einen Steinwurf weit weg von ihr.

Sie stehen dann eine Weile schweigend in der Dunkelheit – und sie wittern den steilen Geröllhang empor, der sich über dem Stolleneingang befindet.

Frank O'Tole sagt plötzlich grimmig: »Dieser verdammte Geröllhang wird eines Tages herunterkommen und den ganzen Talkessel zuschütten. Wir höhlen seine Basis ja immer mehr aus. Eines Tages kommt der ganze Dreck ins Rutschen.«

»Eines Tages«, murmelt Jed Stonewood, »sind wir alle tot. Aber wann ist eines Tages...«

Indes reitet Ty Latimer durch die Nacht. Er hält immer wieder an, um zu lauschen und zu wittern.

Ja, es ist bei ihm auch ein Wittern wie das eines Wolfes. Latimer ist ein Sohn dieses Landes, obwohl seine Eltern einst aus Texas ins Arizona-Territorium kamen. Er musste sich schon von Kindheit an einfügen in einen Kreis von Lebewesen und Naturkräften, der hier anders ist als sonst wo, nämlich intensiver, gnadenloser, ehrlicher. In diesem Land ist alles stärker. Die Sonne brennt heißer und die Nächte sind kälter. Und so ist es auch mit der Liebe und dem Hass.

In diesem Land ernähren sich die Wölfe manchmal von Klapperschlangen.

Und die Menschen töten hier leichter als anderswo.

Ty Latimer kann also wahrhaftig wittern wie ein Wolf. Sein Instinkt wurde geschärft in all den Jahren. Und zu seinem Instinkt gehört auch noch die Klugheit des erfahrenen Jägers.

Am Ende der Schlucht hält Latimer an und gleitet aus dem Sattel; es ist ein Sattel, der nur wenig knarrt. Es gibt daran auch keine Metallteile.

Latimer beobachtet die Ohren seines grauen Pferdes. Es ist ein narbiger Wallach, mit dem er sich so gut versteht wie mit einem Hund.

Die Ohren von Gray verraten ihm viel – ja, fast alles schon. Er lässt ihn dicht bei einigen Felsen, die wie versteinerte Elefanten in der Nacht stehen und macht sich zu Fuß auf den Weg.

Bald schon riecht er das kleine Kochfeuer, das zwischen großen Steinen und Mesquitebüschen in einer Mulde brennt. Er riecht auch den gebratenen Speck und den Kaffee.

Als er dann die Männer sieht, die sich zu so später Stunde hier noch ein Abendessen bereitet haben, weiß er schnell Bescheid.

Es sind nicht irgendwelche Reiter, die hier ihr Camp aufschlugen – nein, es sind Männer, die nun schon wochenlang nach seinen vier Partnern und ihm suchen – und die auch noch weitere Wochen nach ihnen suchen werden, weil der Mann, der sie suchen lässt, ein beharrlicher Mann ist.

Latimer sieht vier Männer.

Zwei tragen die blauen Uniformen der Besatzungstruppe, die hier im Süden noch vor wenigen Wochen die letzten Rebellen jagte und immer wieder von den Steuereintreibern der Union zu Hilfe gerufen wird.

Die beiden anderen Männer sind Zivilisten. Einer trägt einen Deputy-Stern, der andere ist ein Halbblut, offenbar der Scout dieses Suchtrupps.

Sie hatten gewiss bis zum Anbruch der Dämmerung nach Fährten gesucht, dann ein Camp aufgeschlagen und erst einmal eine Weile ruhig gewartet, ob sich in ihrer Umgebung etwas rührte. Sie sind nur einer von vielen Suchtrupps.

Und da sie nun schon viele Tage und Wochen unter freiem Himmel leben, wollten sie auch mal wieder eine warme Mahlzeit haben.

Deshalb das Feuer – und deshalb der Duft von Kaffee und gebratenem Speck.

Ihren Campplatz aber wählten sie gut.

Wer nicht wie Latimer überaus vorsichtig aus der Schlucht kommen würde, den könnten sie wahrscheinlich kommen hören, denn er müsste dicht genug an ihnen vorbei. Sicherlich würde sich zumindest einer von ihnen nach dem Essen auf die Lauer legen außerhalb ihres Camps.

Latimer hätte nicht viel früher und auch nicht viel später kommen dürfen.

Er hat Glück, dass sie gerade jetzt essen.

Er kehrt zurück zu seinem grauen Wallach und führt ihn vorsichtig um das Camp herum. Er legt ihm die Hand auf die Nüstern und achtet darauf, dass sie kein Geräusch machen. Dies ist ein fast unmögliches Unterfangen, doch es gelingt ihm dennoch einigermaßen. Denn Gray scheint kein Pferd, sondern eine riesenhafte Katze zu sein. Einige Male hält er an und lauscht auf eine witternde Art.

Doch es rührt sich nichts. Nur ganz leise hört er die Stimmen der Männer, und auch ihre Pferde machen einige wenige Geräusche. Die Tiere können ihn und den Wallach nicht wittern. Denn der leichte Nachtwind – es ist nur ein sanfter Luftzug, ein Aufwind – zieht in die Schlucht hinein, aus der er kam.

Als er weit genug zu sein glaubt, sitzt er auf und reitet weiter.

Er ist nun wachsamer und lauernder als zuvor, denn er weiß jetzt mit Sicherheit, dass man noch nach ihnen sucht.

Ihr großer Feind hat noch nicht aufgegeben.

Und dieser Feind heißt Pernell Scottbreaker.

Indes er seinen Weg fortsetzt und seinen Gray zeitweilig traben lässt, denkt er noch einmal darüber nach, wie es dazu kam, dass man sie jetzt nach Kriegsende immer noch hetzt und jagt, dass es Belohnungen auf ihr Ergreifen gibt und schon allein aufgrund dieser Belohnungen eine Menge Kopfgeldjäger hinter ihnen her sind wie eiskalte Teufel hinter armen Seelen.

Pernell Scottbreaker war der Mann, auf den sie als Guerillas des Südens immer wieder stießen. Pernell Scottbreaker war Bevollmächtigter der Union. Er kaufte während des Krieges alle Pferde und Rinder, die er hier im Südwesten bekommen konnte, sammelte sie in Herden und ließ diese von Mannschaften zu den Armeen der Union treiben.

Dass dies nicht immer glückte, daran hatten sie sehr starken Anteil. Denn sie nahmen Pernell Scottbreaker so manche Pferde- und Rinderherde weg und brachten sie zur Konföderierten-Truppe.

Nach dem Krieg dann arbeitete Pernell Scottbreaker mit den Steuereintreibern der Union zusammen. Es war ihm oft sehr leicht, bei Versteigerungen erstklassige Ranches und Farmen für wenig Geld zu ersteigern. Aber einige Male stahlen sie ihm das Geld und gaben es jenen Leuten, deren Besitz versteigert werden sollte.

Sie fügten Pernell Scottbreaker eine Menge geschäftlichen Schaden zu, und das alles artete zu einem Privatkrieg zwischen ihm und ihnen aus. Eines Tages endlich hatte er erkannt, dass sie immer wieder großen Schaden zufügen und seine zweifelhaften Geschäfte hier im Südwesten unentwegt behindern würden. Da begann er mit der ganz großen Jagd auf sie. Und er hatte die Besatzungstruppe, die von der Union eingesetzten Sheriffs und all die Kopfgeldjäger auf seiner Seite, die sich die ausgesetzten Belohnungen verdienen wollten.

Die große Jagd begann, nachdem er ihnen einen Geldtransport als Köder schmackhaft machte. Das Geld sollte zu den Versteigerungen im McDonald County. Sie wollten es rauben, damit Pernell Scottbreaker – denn auch er musste bei den Versteigerungen bares Geld auf den Tisch legen – nicht würde mitbieten können. Er war ohnehin nur immer der einzige Bieter. Denn niemand sonst besaß genug Bargeld.

Nun, sie schafften diesmal den Coup nicht. Zwei von ihnen wurden von Scottbreakers Männern getötet. Die anderen – von ihm, Latimer, geführt – konnten im wilden Land entkommen und das Versteck finden.

Indes sie hier warteten und ihre mehr oder weniger bösen Wunden ausheilten, fanden sie das Gold in der alten spanischen Mine.

Und dann ging ihnen der Proviant aus.

Und er, Ty, ist nun unterwegs, welchen zu beschaffen.

Ty reitet die ganze Nacht, und er hält sich fern von allen Wegen und Pfaden. Sein Gray trabt stetig und ist so zäh wie ein Wolf, für den vierzig Meilen zur nächsten Wasserstelle ein Spaziergang sind.

Dabei gibt es für ihn in diesem Land noch andere Feinde, als nur Pernell Scottbreakers Männer und die von ihm in diesem Gebiet korrumpierte Besatzungstruppe, die einem Zivil-Kommissar untersteht, der Scottbreakers Freund und Partner ist.

Es gibt hier noch andere Gefahren für jeden Reiter.

Apachen! Ja, Apachen! Sie beherrschen mehr oder weniger das Land und die Städte und Ortschaften, die Siedlungen und Ranches, die sind zu vergleichen mit Inseln in einem mit Haien verseuchten Ozean.

Sie streifen Wölfen gleich in kleinen Rudeln durch das Land und suchen sich Beute und Opfer. Stoßen sie auf größeres oder stärkeres »Wild«, so holen sie sich ein zweites oder drittes Rudel zu Hilfe – oder sie lassen das zu starke »Wild« in Ruhe.

So kann es geschehen, dass eine Mannschaft ungehindert durch das Land reitet, während ein einzelner Reiter sich in großer Gefahr befindet.

Als der Morgen graut, hält Latimer an, um seinen Wallach verschnaufen zu lassen.

Er will sich eine Zigarette drehen – doch dann erinnert er sich daran, dass der Griff zum Tabaksbeutel sinnlos ist. Denn der Beutel ist längst leer.

Er steht neben dem Pferd und trinkt aus der Wasserflasche. Der Graue hat seinen Kopf gesenkt und leckt an einem Stein, wahrscheinlich, weil dieser salzig schmeckt.

Latimer gießt etwas Wasser in die Hutkrone. Sein Grauer weiß, was dies zu bedeuten hat. Er hebt den Kopf und schlürft das Wasser vorsichtig aus der Hutkrone.

Als Latimer den Hut wieder aufsetzt, hört er die Schüsse.

Es ist nun grauer Tag.

Und die Schrotflinte kracht zweimal kurz hintereinander.

Ty steht still da und lauscht, zählt die Sekunden.

Als die Schrotflinte wieder kracht, weiß er, dass es ein ziemlich altes Ding sein muss, welches von vorne geladen wird und dem man hinten Zündhütchen aufsetzen muss. Aber es ist immerhin ein doppelläufiges Monstrum. Es wurde ziemlich schnell geladen.

Es ist Ty klar, dass niemand in diesem Land zum Spaß oder auf der Jagd viermal eine Schrotflinte abfeuert.

Langsam reitet er weiter, kommt aus einem Canyon heraus zum Creek und verhält dort zwischen einigen Cottonwoods.

Nun kann er alles sehen.

Drüben am Fluss eines Hügels, vor dem der Creek sich nach Norden wendet, steht eine Hütte. Es gibt dicht am Creek einige Korrals, einen halboffenen Schuppen und so etwas wie einen Gemüsegarten. Ein Maisfeld und ein Acker beweisen, dass hier ein Farmer sein Glück versucht – oder versuchte. Denn dieses Glück ging wohl vor wenigen Minuten zu Ende.

Der Mann war wohl vorhin aus der Hütte gekommen und hatte mit zwei Holzeimern den Creek schon fast erreicht, um dort Wasser zu holen.

Und da war es plötzlich vorbei mit ihm.

Er liegt jetzt auf dem Rücken, und aus seiner Brust ragt ein Pfeil. Wahrscheinlich steckt dieser Pfeil in seinem Herzen.

Latimer weiß, dass die Apachen auch gute Gewehre haben. Dass sie damit nicht schossen, ist wohl damit zu erklären, dass sie den Mann lautlos erledigen wollten, um nicht jemand, der noch in der Hütte war, zu warnen.

Doch dieser Jemand hatte dennoch die Gefahr bemerkt und mit der Schrotflinte den ersten Angriff abgeschlagen.

Einer der Apachen liegt dicht vor der Tür und bewegt sich nicht mehr. Ihn hat es offenbar voll erwischt, und dem Knallen nach, schoss die Flinte keinen Vogel-‍, sondern Indianerschrot.

Der Apache ist tot.

Latimer flucht bitter.

Was soll er tun?

Einfach weiterreiten, sich um nichts kümmern, sondern nur allein sein Ziel verfolgen und seine Aufgabe nicht vergessen?

Oder dem Mann in der Hütte zu Hilfe kommen?

Aber ist es überhaupt ein Mann?

Könnte es nicht sein, dass es sich um eine Frau handelt?

Es durchfährt in heiß – und er murmelt abermals einen Fluch.

Wenn eine Frau in der Hütte sein sollte...

Er denkt nicht weiter. Oha, wie sehr fühlt er sich doch mit einem Male hilflos!

Er wischt sich über sein stoppelbärtiges Gesicht und kaut dann an einem Ende eines sichelförmigen Schnurrbartes.

Dabei starrt er scharfäugig hinüber, und er ist so einem Vollblut-Comanchen sehr, sehr ähnlich, der sich als Weißer verkleidete.

Er sieht nun zwischen den Cottonwoods hervor die anderen Apachen.

Einer von ihnen steht an der Ecke der Hütte.

Ein zweiter lehnt dicht neben der Tür. Er presst sich ganz flach gegen die Lehmwand. Ein dritter Apache aber erscheint nun oben auf dem Dach. Er muss von hinten irgendwie hinaufgeklettert sein. Er balanciert auf dem Rand entlang, dort, wo die Dachsparren aufliegen. Das Dach ist mit Maisstroh gedeckt. Der Apache könnte es sehr leicht in Brand stecken.

Warum die Indianer das noch nicht versuchten, ist klar. Sie wollen ihre Beute nicht verbrennen. Und vielleicht ist auch wirklich eine Frau in der Hütte.

Und eine junge Frau ist auch für Apachen keine schlechte Beute.

Der Apache auf dem Dach beginnt nun die Maisstrohbündel zu lockern. Es ist ganz offensichtlich, dass er eine Öffnung schaffen will, durch die er in die Hütte sehen und vielleicht auch hineinspringen kann.

Aber dann kracht die Schrotflinte wieder.

Der Apache auf dem Dach wird getroffen. Er lässt sich rückwärts vom Dach fallen, landet jedoch wie eine Katze am Boden. Aber dann hinkt er zur Seite. Er wurde also doch durch das Stroh getroffen.

Latimer sieht nach den Pferden der Apachen.

Er zählt vier. Also handelt es sich wirklich nur um einen kleinen Streiftrupp einer stärkeren Bande, welche ausgeschwärmt ist, um Beute zu machen.

Latimer überlegt noch einmal kurz. Er weiß, dass er ein großes Wagnis auf sich nimmt. Denn wenn er hier getötet wird, warten seine vier Partner vergeblich auf ihn, und er versprach ihnen doch, sein Bestes zu geben.

Doch jetzt will er sein Leben für eine Fremde oder einen Fremden riskieren.

Vielleicht ist das ein Verrat an seiner Aufgabe?

Er tut es dennoch.

Mit dem Colt in der Hand reitet er aus der Deckung hervor – ganz ruhig und im Schritt. Er lenkt sein Pferd so, dass er den Apachen den Weg zu ihren Pferden abschneiden wird, sollten sich die beiden noch übrigen Krieger nicht sehr beeilen, dorthin zu kommen.

Sie sehen ihn gleichzeitig, kaum dass sein Pferd zehn Schritte machte. Und sie beeilen sich.

Erst als sie schon fast bei ihren Pferden sind, die neben dem Schuppen gut gedeckt gegen die Hütte stehen, begreifen sie, dass er allein ist.

Und da sie nicht feige sind und überdies auch nicht ihren Toten und den Verwundeten zurücklassen wollen, wenden sie sich plötzlich gegen ihn. Sie greifen ihn entschlossen an, und dies ist keine kleine Sache.

Apachen müssen oft in deckungslosem Gelände angreifen. Ihre Bewegungstechnik- und -abläufe sind deshalb schwer auszurechnen. Selbst ein erstklassiger Revolvermann kann sie nur sehr schwer treffen. Sie sind so schnell wie Wildkatzen. Ein angreifender Apache bietet selbst auf fünf Schritt Entfernung ein nur sehr schwer zu treffendes Ziel.