1,99 €
Ich war hinter der Jenkins-Bande her, die meine Familie ausgerottet hatte. In Gunnison westlich des Pecos endete die Spur. Gunnison lebte von den Gesetzlosen - und von Alvah Gannaway, dem Cattle King, der gemeinsame Sache mit ihnen machte, damit sie ihm die Siedler vom Hals hielten.
Zum Glück hatte mein Pferd ein Hufeisen verloren, und so begegnete ich der schönen Pat Lane, die einen Mann für ihre verwaiste Schmiede suchte. Ich griff zu, denn so konnte ich mir in Ruhe einen Plan gegen Jenkins und seine Galgenvögel ausdenken. Allerdings, wohl war mir nicht in meiner Haut. Irgendwie kam ich mir vor wie ein Narr, der mit dem Knüppel auf ein Hornissennest einschlagen will...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 174
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Der Schmied von Gunnison
Vorschau
Impressum
Der Schmied von Gunnison
Es war eine lange Zickzackfährte, der ich seit mehr als sieben Monaten folgte. Diese Fährte war zugleich auch eine Blutspur, denn die Bande ließ überall Tote zurück, Beraubte zumindest. Es war eine üble Bande.
Die Zickzackfährte führte mich nach Südwesten zum Pecos River. Und der Pecos war nach Süden hin die Grenze der Ordnung und des Gesetzes. Jenseits des Pecos gab es kein Gesetz mehr. Und in dieses Land flüchtete die Bande, die ich mir holen wollte, Mann für Mann.
Ich würde es allein tun müssen, denn über den Pecos hinweg wagte sich kein Aufgebot – selbst die berühmten Texas Rangers »passten« am Pecos wie Spieler mit schlechten Karten.
An diesem Nachmittag – es war der siebzehnte Oktober 1865 – erreichte ich eine kleine Siedlung am Wagenweg nach Mexiko und zum Rio Grande.
Vor dem Saloon standen einige Sattelpferde.
Eines der Tiere kannte ich schon als Fohlen. Später dann hatte es unser Brandzeichen bekommen. Und dieses Brandzeichen trug es immer noch.
Es war der Coltrane-Brand.
Coltrane, das war mein Name, Ben Coltrane.
Das Pferd, auf dem ich ritt, trug diesen Brand nicht. Denn auf diesem Pferd war ich aus dem Krieg heimgekehrt – und hatte nur noch die verkohlten Reste unserer Ranch vorgefunden.
Ich band mein Tier in einiger Entfernung des Coltrane-Pferds an die Haltestange. Dann klopfte ich mir mit dem Hut den Staub aus der Kleidung und ging hinein.
Drinnen war es kühl.
Zwei Mann spielten Billard. Ein dritter Gast würfelte mit dem Barmann.
Doch wo war der vierte Mann?
Es standen vier Sattelpferde draußen. Wo also war der vierte Mann?
Ich trat an den Schanktisch und verlangte ein Bier.
Die drei Gäste hatten mich angesehen und abgeschätzt. Die beiden Billardspieler hielt ich für Cowboys.
Der Mann, welcher mit dem Barmann gewürfelt hatte und nun wartete, bis ich das Bier bekam, betrachtete mich vorsichtig. Wahrscheinlich gehörte er zu den beiden Cowboys.
Er fragte: »Kommen Sie von Osten her?«
Ich nickte und nahm das Bier, trank einige Schlucke.
»Gibt es Neuigkeiten im Osten?«, fragte der Mann weiter und fügte hinzu: »Man hört jetzt immer wieder, dass die Steuereintreiber der Yankees gnadenlos sind und mit den Versteigerungen nicht zögern, wenn jemand nicht sofort zahlen kann. Sie sollen mit verdammten Aufkäufern zusammenarbeiten, die mit viel Geld aus dem Osten kamen. So wird Texas bald den Yankees gehören. Und alles geschieht unter dem Schutze der Besatzungstruppen. Verdammt, man sollte über den Pecos gehen. Sonst keine Neuigkeiten, Fremder?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein, ich weiß nichts«, sagte ich. »Texas ist arm wie eine Kirchenmaus und wird ausgeplündert, weil es mit der Konföderation den Krieg verloren hat. Und diese Ausplünderung wird noch eine Weile so weitergehen.«
Nach diesen Worten leerte ich das Bierglas.
Oben auf der Treppe klangen nun sporenklingelnde Schritte.
Dann kam ein Mann herunter, der zufrieden grinste.
Eine Frauenstimme sagte hinter ihm her: »Komm bald wieder, Curly-Bill.«
»Sicher, meine Engel, sicher«, erwiderte der Bursche über die Schulter hinweg nach oben. Dann sah er uns herausfordernd an und ging durch die Schwingtür hinaus.
Einer der Billardspieler sagte: »Jetzt bin ich an der Reihe«, legte den Stock hin und ging zur Treppe und diese hinauf. Oben lachte bald die Frauenstimme.
Ich zahlte mein Bier und ging ebenfalls hinaus.
Draußen saß der Mann gerade auf. Ich hatte mich in meiner Erwartung nicht getäuscht.
Das Pferd unter ihm war jenes Tier mit dem Coltrane-Brand.
In mir war eine grimmige Zufriedenheit.
Ich hatte wahrscheinlich den ersten der Mordbrenner gefunden, eingeholt, aufgespürt – oder wie man es auch nennen mochte.
Und wahrscheinlich hatte das Schicksal dies so gewollt.
Denn an Zufälle glaubte ich nicht.
Ich machte mir an meinem Pferd noch etwas zu schaffen, sah über den Sattel hinweg, wie der Bursche aufsaß und fortritt. Er schlug die Richtung zum Pecos im Westen ein, der etwa noch zwanzig Meilen entfernt war.
Als er eine Viertelmeile weg war, saß auch ich auf und folgte ihm.
Ich folgte ihm ganz offen. Nachdem wir etwa fünf Meilen geritten waren, hielt er an und wartete auf mich.
Wir befanden uns nicht mehr auf dem radfurchigen Weg, sondern auf einem schmalen Reitpfad, der sich durch die immer grüner werdenden Hügel des Pecos-Landes schlängelte.
Denn es gab hier einige Creeks, welche offenbar von unterirdischen Quellen gespeist wurden, also stets Wasser führten und nicht auf Regenfälle angewiesen waren.
Der Mann erwartete mich wachsam.
Er fragte, nachdem ich vor ihm verhielt: »He, haben wir zufällig den gleichen Weg oder reitest du mir nach?«
Ich erwiderte nichts, sondern sah nur auf die braune Stute.
Das Tier erinnerte sich an mich. Es spitzte die Ohren fast wie ein Hund und schnaubte leise. Ja, es erinnerte sich an meine Witterung und an den Klang meiner Stimme.
»Ich bin dir nachgeritten«, sagte ich.
»Und warum?« Er fragte es misstrauisch und warnend zugleich, denn ich wusste, dass er explodieren würde, sobald ich mich zu erkennen gab.
Ich fragte: »Wo sind denn die anderen? Sind sie schon jenseits des Pecos? Hast du dich wegen dieser Puta da hinter uns im Saloon verspätet? Du gehörst doch zu Jerry Jenkins' rauen Burschen – oder?«
Er hatte seine Hand am Colt, und er stand in den Steigbügeln, um schnell ziehen zu können.
Sein Instinkt sagte ihm, dass ihn irgendwas eingeholt hatte.
Warnend zischte er zwischen den blanken Zähnen hervor: »Was willst du von mir? Und wer bist du?«
Ich grinste zurück. »Oh, ich bin die gleiche Zickzackfährte wie ihr geritten«, erwiderte ich. »Und ich bin aus dem Brazos-Land. Das Pferd, auf dem du sitzt, trägt den Coltrane-Brand. Mein Name ist Coltrane.«
Nun wusste er Bescheid, und er zog deshalb sofort, ohne auch nur noch einmal mit der Wimper zu zucken.
Er war ein schneller Revolverschwinger, ein Bursche, der sofort zog und schoss, wenn ihm etwas nicht geheuer war. Jetzt hatte er einen Schrecken bekommen. Denn dass ich ihm so offen entgegentrat – wenn auch auf einem Pferd –, dies hatte ihn gewarnt.
Aber ich schlug ihn glatt.
Denn ich konnte es mit jedem Revolverschwinger aufnehmen, von seiner Sorte sogar mit zweien. Und ich hatte auch keine Gewissensbisse. Denn mit ihm hier hatte ich den ersten der Mörder und Brandstifter eingeholt.
Nein, ich kannte keine Schonung.
Und so schoss ich ihn vom Pferd, bevor er überhaupt den Colt richtig freibekam und die Mündung auf mich richten konnte.
Als er dann am Boden lag, lebte er noch.
Ich kniete neben ihm, und er sah zu mir empor und verfluchte mich mit seinem letzten Atem.
»Du bist nur der erste Bursche eurer Bande«, sagte ich. »Du wirst die anderen bald in der Hölle wiedersehen.«
✰
Am nächsten Tag kam ich nach Gunnison Hill.
Die Stadt lag am Fuße eines Hügels, den man Gunnison Hill nannte und der nach einem Landvermesser genannt worden war.
Es war eine hübsche, kleine Stadt am Pecos River.
Ein Wagenweg lief am Fluss entlang von Nord nach Süd, ein anderer kam von Osten und führte durch die Furt hinüber in das Banditenland.
Ich hatte das Pferd des Banditen, welches eigentlich mein Tier war, nicht bei mir. Es hätte mich verraten. Deshalb hatte ich es sattellos laufengelassen.
Mein Tier, welches ich ritt, musste neue Eisen haben.
Deshalb sah ich mich, indes ich in die Stadt ritt, sofort nach der Schmiede um. Zuvor war ich durch die Furt geritten, denn die Stadt lag auf der Westseite des Pecos River. Die Furt war flach. Das Wasser reichte meinem Pferd knapp bis zu den Knien.
Etwas unterhalb, wo es tiefer war, sah ich einen Angler in einer kleinen Bucht. Dort in dieser Bucht drehte bei Hochwasser die Strömung, und der Strudel baggerte dort immer wieder das tiefe Loch aus. In solchen tiefen Löchern standen fast immer große Fische. Ich wusste das, weil ich am Brazos River großgeworden war.
Die Schmiede war gleich bei den ersten Häusern der kleinen Stadt. Sie gehörte zu einem Wagenhof. Aber es arbeitete niemand.
Es brannte kein Schmiedefeuer unter der Esse. Es klangen keine Hammerschläge auf dem Amboss. Und niemand betätigte den Blasebalg.
Diese Schmiede war nicht in Betrieb.
Aber mein Pferd brauchte neue Eisen.
Und so ritt ich auf den Hof und hielt vor dem Wohnhaus, welches der halboffenen Schmiede gegenüber auf der anderen Seite des Hofes stand.
»Hallo!«, rief ich vom Sattel aus zur Tür hin.
Ein Fenster stand leicht offen, wahrscheinlich war es das Küchenfenster.
Es wurde ganz geöffnet – und dann traf es mich wie ein Blitz. Ja, man konnte es nicht anders nennen.
Denn ich sah das Gesicht und den Oberkörper einer jungen Frau, die genau jenem Bild glich, welches ich mir manchmal vorstellte, wenn ich darüber nachdachte, wie meine Wunschfrau aussehen müsste.
An einsamen Campfeuern, unter Sternen – oder in meinen Träumen –, da entstanden manchmal solche Bilder. Denn ein Mann musste sich dann und wann Hoffnungen machen, an die Zukunft denken und sich schönere und bessere Zeiten wünschen, besonders dann, wenn er so wie ich fünf Jahre durch den Krieg ritt und immer wieder den Glauben an die Menschen zu verlieren drohte.
Ich saß also im Sattel und starrte das Bild dort im offenen Fenster an.
Heiliger Rauch, da war die zur Wirklichkeit gewordene Vorstellung meiner Wünsche und Träume.
Ich nahm endlich meinen alten Hut ab. Es war noch ein Hut der Konföderierten-Armee, ein Rebellenhut also. Und ich sagte: »Ma'am, ich wollte nicht stören, ich meine, ich wollte Sie nicht stören. Ich möchte nur zum Schmied. Denn mein Pferd muss neue Eisen haben.«
Sie lächelte freundlich und doch irgendwie ernst. Bei aller Schönheit wirkte sie sehr lebendig. Ihre Ausstrahlung traf mich nun voll. Sie war nun kein schönes Bild mehr, sondern pulsierende Lebendigkeit.
Sie sagte: »Es gibt keinen Schmied mehr, Mister. Tut mir leid für Ihr Pferd. Aber...«
»Verzeihen Sie, Ma'am«, unterbrach ich sie. »Bitte vergeben Sie mir, weil ich Sie unterbreche. Doch ich könnte mein Pferd selbst beschlagen.«
Nun betrachtet sie mich sehr kritisch.
Dann verschwand sie aus dem Fenster und erschien bald darauf in der sich öffnenden Tür.
Nun sah ich sie von Kopf bis zu den Fußspitzen. Letztere lugten unter ihren Röcken hervor. Es waren sehr zierliche Schuhspitzen.
Und überhaupt war alles sehr vollendet an ihr.
Heiliger Rauch, dachte ich, die ist ja ein Weltwunder. Und wie kommt solch ein zauberhaftes Wesen in eine Stadt westlich des Pecos?
»Sind Sie Schmied?«, fragte sie geradeheraus und trat näher.
Ich beeilte mich, aus dem Sattel zu kommen, um nicht auf sie hinabsprechen zu müssen. Und überdies wollte ich aus nächster Nähe in ihre grünen Augen sehen.
Das tat ich dann wenig später, indes ich mich sagen hörte: »Ich habe als junger Bursche drei Jahre bei einem Schmied gearbeitet und eine Menge gelernt. Und später dann – während des Kriegs –, da habe ich oft genug als Schmied einspringen müssen, weil kein anderer da war. Ich habe immer gern geschmiedet. Es gefiel mir, Eisen und Stahl in warmem Zustand mit dem Hammer zu formen, also zu ziehen, zu strecken, zu stauchen, zu spalten – und Feuerschweißen zu machen. Es ist ein schöner Beruf. Darf ich also dort drüben in der Schmiede mein Pferd beschlagen?«
Sie sah fest zu mir auf. Obwohl sie mehr als einen Kopf kleiner war als ich, konnten wir uns in die Augen sehen, weil sie den Kopf weit genug in den Nacken legte.
»Wenn Sie die Schmiede in Gang bringen«, sagte sie, »werden aus der ganzen Stadt die Leute kommen, weil sie glauben, sie bekämen etwas gemacht. Ich glaube, Sie hätten für einige Wochen Arbeit, Mister. Sind Sie daran interessiert? Oder wollen Sie nur das Pferd beschlagen, um weiter nach Westen reiten zu können?«
In ihrer letzten Frage lag gewissermaßen eine Falle.
Würde ich weiter nach Westen wollen, so konnte sie annehmen, dass auch ich wahrscheinlich einer dieser Reiter war, die dem Gesetz entkommen wollten, ja eigentlich schon entkommen waren, weil sie den Pecos durchfurtet hatten.
Sie musste dann annehmen, dass ich Schatten auf der Fährte hatte, ein Verfolgter war, ein Geächteter.
Denn ich trug meinen Colt recht tief, zu tief für einen Schmied.
Auch sah man mir an, dass ich schon Monate im Sattel lebte und Zickzackfährten ritt.
Wenn ich jedoch Interesse hatte, ihre Schmiede zu mieten und hier eine Weile als Schmied zu arbeiten, dann konnte sie annehmen, dass ich nicht auf der Flucht war vor irgendwelchen Dingen.
In mir war plötzlich das Bestreben, sie nicht zu enttäuschen. Denn ihre Ausstrahlung traf mich jetzt aus nächster Nähe gewaltig.
Und überdies begriff ich in diesen Sekunden des Überlegens die große Chance. Ich war hinter dem einstigen Guerilla-Führer Jerry Jenkins und dessen Reitern her, die zu Mördern, Mordbrennern und Banditen geworden waren. Ich war allein gegen eine ganze Bande. Und wenn diese Bande dort in den Hügeln westlich des Pecos lebte, dann war Gunnison Hill die Stadt, zu der sie kommen mussten, wollten sie sich versorgen mit allen Dingen des Lebens.
Und dann würden sie auch zum Schmied kommen. Denn alle Pferde brauchten dann und wann neue Eisen. Es erschien mir plötzlich eine gute Idee, hier als Schmied getarnt zu warten. Und noch ein dritter Vorteil wäre vorhanden, nämlich die Möglichkeit, ein paar Dollars verdienen zu können.
Denn ich war fast schon völlig blank.
Ich hatte also drei triftige Gründe zum Zugreifen.
Und so sagte ich: »Mein Name ist Ben Miller. Mir wäre es recht, wenn ich hier in Gunnison Hill für eine Weile der Schmied sein könnte. Sind Sie die Besitzerin dieser Schmiede?«
Sie nickte.
»Ich bin Patricia Lane«, sagte sie. »Mein Mann wurde von einem betrunkenen Mistkerl erschossen, als er mir zu Hilfe kam, weil der Strolch durch die Hintertür ins Haus gekommen war, um mich...«
Sie verstummte. Und ihre grünen Augen waren plötzlich wie leer.
Dann murmelte sie: »Wenn ich nicht um Hilfe gerufen hätte, würde mein Mann noch leben. Er hatte mit einem Hammer in der Hand keine Chance gegen einen Revolverschwinger mit einem Colt. Wenn Sie genug Geld hätten, könnten Sie alles hier günstig kaufen. Sollten Sie die Schmiede mieten wollen, müssen Sie mir ein Viertel Ihrer Einnahmen geben. Dafür versorge ich Sie auch, koche und wasche also für Sie. Und Sie könnten in der Kammer unseres einstigen Gehilfen wohnen. Gut so?«
In ihren Augen war nun wieder Leben.
Ich begriff, dass ihr das »Wasser bis zum Halse stand«, wie man im Volksmund so treffend sagt, wenn jemand kurz vor der völligen Pleite war.
Wenn ich die Schmiede übernahm, war ich für sie ein Glücksfall. Denn durch mich hatte sie wieder Einkünfte.
Ich streckte ihr meine Hand hin.
»Auf gute Partnerschaft, Mrs. Lane«, sagte ich.
Sie nahm meine Hand. Ihr Händedruck war fest, so fest wie ihr Blick.
Ich spürte ihre Lebenskraft.
»Sagen Sie einfach Pat zu mir«, verlangte sie.
✰
Ich machte mich sofort an die Arbeit, denn ich wusste, sie wollte sehen, ob ich als Schmied was taugte oder meinen Mund zu voll genommen hatte, wie es ja viele Menschen tun.
Ich nahm meinem Pferd Sattel und Gepäck ab.
Dann machte ich Feuer in der Schmiedeesse, betätigte den Blasebalg und sah dann nach dem Werkzeug. Es gab noch genügend Rohlinge für Hufeisen, auch noch Hufnägel und überhaupt das notwendige Werkzeug.
Ich machte mich an die Arbeit.
Und schon bald klangen die Hammerschläge durch die Stadt.
Überall konnte man jetzt hören, dass in der Schmiede wieder gearbeitet wurde. Und jeder halbwegs Kundige hörte schon an den Hammerschlägen, dass da ein richtiger Schmied hämmerte.
Ich hatte mein Pferd schon einige Male beschlagen. Es war ein gutes Tier. Ich musste es nicht mal festbinden.
Die Arbeit machte mir Freude. Es war eine einfache Sache, weil ich ja die vier abgelaufenen Eisen als Muster zur Verfügung hatte. Ich riss sie nacheinander von den Hufen, fertigte neue Eisen und schlug sie an die Hufe.
Es ging recht schnell und glatt.
Als ich fertig war, rief Pat aus dem Küchenfenster über den Hof: »Das Essen ist fertig, Ben Miller.«
Ich wusch mich am Wassertrog, brachte das Pferd in den Stall und ging hinüber. Es gab Pfannkuchen mit Ahornsirup und Kaffee.
»Ich habe kein Geld, um Fleisch im Haus zu haben«, sagte Patricia Lane schlicht. »Sobald wir etwas eingenommen haben und ich über Wirtschaftsgeld verfüge, kann ich besseres Essen auf den Tisch bringen.«
Ich nickte kauend.
Aber dann legte ich drei Dollar auf den Tisch.
»Als Anzahlung«, sagte ich.
Wir betrachteten uns immer wieder. Ich sah ihr an, dass sie mir gerne einige Fragen gestellt hätte. Doch sie wusste längst, dass Männer, die über den Pecos kamen, Fragen nicht so gern beantworteten, wenn sich diese Fragen mit ihrer Person beschäftigten.
Aber wir kamen nicht zu weiteren Worten miteinander.
Denn es klopfte an der Tür.
Patricia öffnete das Fenster. Vom Küchentisch, an dem wir saßen und aßen, konnten wir die Leute stehen sehen.
Einer der Männer sagte: »Mrs. Lane, wir hörten Hammerschläge in der Schmiede. Ist die Schmiede wieder in Betrieb?«
Patricia sah mich lächelnd an.
»Kundschaft«, sagte sie.
Ich erhob mich kauend und ging zur Tür.
Draußen sahen mich die Männer erwartungsvoll an.
»Sind Sie der neue Schmied?«, fragte der Wortführer.
Ich nickte. »Vorerst beschlug ich nur das Pferd, auf dem ich kam«, sagte ich. »Doch morgen fange ich richtig an – Haben Sie Arbeit für einen Schmied?«
Sie grinsten, lachten erleichtert. Und dann redeten sie durcheinander.
Sie alle hatten eine Menge Arbeit.
Einer wollte Torgehänge für seine neue Scheune.
Ein anderer brauchte zwei Wagenachsen. Auch sollten neue Eisenreifen über neue Räder gezogen werden. Ein Pumpengestänge war zerbrochen und, und, und...
Ich würde Arbeit bekommen bis über beide Ohren.
Wenig später brachte jemand vier Pferde zum Beschlagen.
Und in einer Schubkarre wurden Spitzhacken herbeigefahren, deren Spitzen ich neu ausziehen und wieder härten sollte.
Es riss in der nächsten Stunde gar nicht mehr ab.
Ich war jetzt der Schmied von Gunnison Hill.
Als es dann dunkel wurde, waren wir allein.
Wir saßen vor dem Haus an der Wand auf der Bank.
Ich fragte: »Wann ist es passiert – ich meine, das mit Ihrem Mann, Pat?«
»Vor sieben Monaten«, erwiderte sie ruhig. Und sie fügte hinzu: »Sehen Sie sich vor in dieser Stadt, Ben Gunnison Hill lebt im Schatten der Gesetzlosen. Sie tun uns zwar nichts, weil diese Stadt sonst sterben würde, weil wir sonst alle fortziehen würden. Und sie brauchen diese Stadt, um sich zu versorgen und ihren Spaß zu haben. Nicht wenige Bürger von Gunnison Hill leben von den Gesetzlosen. Es geht uns also nicht schlecht in ihrem Schatten. Dennoch wird es manchmal gefährlich, besonders dann, wenn sie sich schlimm betrunken haben. Und dann ist auch noch Alvah Gannaway im Lande.«
»Und wer ist Alvah Gannaway?«
»Ein Rancher, ein Cattle-King. Die Gesetzlosen aus den verborgenen Camps in den Hügeln sind seine Verbündeten. Sie halten auch für ihn die Farmer und Siedler aus dem Lande. Er und die Gesetzlosen sind Verbündete mit den gleichen Interessen. Alvah Gannaways Reiter sind harte Burschen. Er könnte mit seiner rauen Mannschaft alle Banditen zum Teufel jagen. Doch dann müsste er seine Reiter selbst die raue Arbeit machen lassen. Verstehen Sie, Ben?«
O ja, ich verstand alles gut.
Ich war in ein böses Stück Land gekommen.
Eine Stadt, ein Cattle-King mit rauer Mannschaft – und die Gesetzlosen, sie alle waren mit Interessen einander verbunden.
Ich war hergekommen, um die Jerry-Jenkins-Bande zu erledigen.
Aber es konnte mir dabei ergehen wie einem Narren, der mit einem Knüppel auf ein Hornissennest schlägt.
Ich erhob mich.
»Jetzt will ich mir mal die Stadt ansehen«, sagte ich.
Auch Patricia Lane erhob sich von der Bank.
»Sicher«, sagte sie. »Das muss wohl sein. Ich habe mich schon gefragt, wann Sie in den Saloon gehen werden. – Bis morgen, Ben. Ich werde bei Sonnenaufgang das Frühstück fertig haben. Und von meinem Mann habe ich Arbeitskleidung herausgesucht und bereits in die Kammer gelegt. Viel Vergnügen, Ben.«
Sie verschwand im Haus. Ich hörte, wie sie innen den Riegel zuschob.
Die kleine Kammer, in der früher ein Gehilfe schlief und die ich jetzt bezogen hatte, befand sich in einem Anbau.
Ich ging aus der Einfahrt des Hofes auf die staubige Straße von Gunnison Hill. Es gab nur diese einzige Hauptstraße. Sie wurde von einem halben Dutzend Quergassen durchbrochen.
In der Mitte gab es einen kleinen Platz mit einem Brunnen. Aus dem Saloon tönten Musikklänge. An den Haltestangen standen ein Dutzend Sattelpferde. Auch zwei leichte Wagen waren abgestellt.
Als ich eintrat, lachte ein Mädchen.
Aber dann sahen sie alle auf mich.
»Aaaaah, da ist ja der neue Schmied von Gunnison Hill«, sagte jemand.
»Hallo, Leute«, sagte ich, winkte leicht und trat zum Schanktisch.
Die Musik war schon bei meinem Eintreten verklungen.
Ich sah den Mann hinter der Bar an. Er hatte ein faltiges Gesicht, in denen es noch Spuren der Härte gab.
Ich hielt ihn sofort für einen ehemaligen Berufsspieler, der zu alt geworden war für dieses Leben. Mit seinem letzten Geld hatte er diesen Saloon übernommen. Ja, so ähnlich war es gewiss.
Ich fragte ihn: »Habe ich hier Kredit?«
Er nickte und schenkte mir ein.
»Aah«, sagte er dabei, »ich brauche Gitter vor die unteren Fenster. Sie können den Preis von mir aus schon heute verjubeln.«