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Auf der Anhöhe zügelt Morg Sheridan sein Pferd. Langsam lässt er den Blick über das weite grüne Tal zu seinen Füßen wandern. Dann wendet er sich an seine beiden Begleiter. "Dies ist mein Land", sagt er mit feierlichem Ernst und macht dabei eine umfassende Handbewegung.
Die Männer nicken, und einer von ihnen sagt nach kurzem Schweigen: "Ja, Morgan, bis es dir jemand streitig macht."
Morg Sheridan blickt den anderen durchdringend an, und die Worte, die er spricht, klingen wie ein Schwur: "Niemand wird es mir streitig machen, Freund! Es sei denn, er will, dass in diesem friedlichen Tal die Hölle ausbricht..."
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Seitenzahl: 192
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Dies ist mein Land
Vorschau
Impressum
Dies ist mein Land
Morg Sheridan wartet auf der Wasserscheide, bis der Wagen neben ihm hält und auch Mike McLowry vom Fahrersitz aus einen weiten Überblick hat. Mike McLowry staunt. Seine blauen irischen Augen werden weit, dann aber sehr schmal und scharf prüfend. Als dritter Mann treibt dann Paco Juarez die Pferde herbei, lässt sie im losen Rudel verhalten.
Auch er späht staunend über das Land. Man kann fünfzig und noch mehr Meilen weit in das Rund eines gewaltigen Blickwinkels sehen, der in der Ferne von Bergen begrenzt wird, durch welche Schluchten oder mächtige Canyons führen. Ein Fluss mit einigen Creekzuläufen windet sich zwischen sanften Hügeln hindurch.
Morg Sheridan wendet sich im Sattel und sieht seine beiden Begleiter an. »Dies ist mein Land«, sagt er und macht eine alles umfassende Armbewegung.
Sie betrachten ihn ernst.
Und obwohl sie ihn gut genug kennen, wissen sie, dass er sie immer wieder überrascht.
Sie sehen einen großen, hageren, indianerhaft wirkenden Mann auf einem großen, grauen, zähen Pferd. Und weil sie mit ihm durch den Krieg ritten, ihn in allen nur denkbaren Situationen erlebten, glauben sie an ihn.
Nur der Krieg hat ihn daran gehindert, jetzt schon ein ganz Großer zu sein.
Und nochmals hören sie ihn sagen: »Seht es euch genau an. Dies ist mein Land!«
»Bis es dir jemand streitig macht, Major Morgan Sheridan«, sagt Mike McLowry trocken.
Und Paco Juarez, der zwar einen mexikanischen Vater hatte, doch aber bei seiner angloamerikanischen Mutter aufwuchs und deshalb ein gutes Englisch spricht – besser als die meisten Leute hier im Südwesten –, nickt beipflichtend.
»Es ist ein schönes Land«, spricht er schließlich, »ein Paradies für einen Rindermann und Pferdezüchter. Das kann man schon von hier oben sehen. Aber es wird auch noch andere Leute geben, die solch ein Land für sich haben möchten. Das ist immer so. Schon die Hunde beißen sich um einen Knochen. Und dies hier... Oooooh!«
Sein letzter Ausruf, in Zusammenhang mit seinen Armbewegungen, sagt alles.
Dann blicken sie beide auf Morg Sheridan, der zwar Major in der Rebellenarmee des Südens war, doch nicht verwandt ist mit General Sheridan.
Und Morg Sheridan zeigt seine blinkend weißen Zahnreihen. Es ist ein scharfes, blitzendes Lächeln, ein Zähnezeigen, wie man es bei Männern sehen kann, die sich durch Kühnheit behaupten.
»Wenn ich mir dieses Land wegnehmen lasse«, sagt er, »bin ich auch nicht wert, es zu besitzen. So einfach ist das, meine Freunde!«
Nach diesen Worten blickt er noch einmal über das schöne Land zu seinen Füßen, und es ist, als würde er es endgültig mit seinen Blicken in Besitz nehmen.
Dann reitet er vorwärts.
Sie folgen ihm: Mike McLowry mit dem schweren Wagen, Paco Juarez mit der Pferde-Remuda.
✰
Als es dunkel wird, erreichen sie die von Hügelketten durchzogene Ebene, folgen dem Verlauf eines Creeks – und dann erblicken sie ein Feuer in der Nacht.
Morg Sheridan reitet sofort darauf zu.
Sie folgen ihm mit Wagen und Remuda.
Am Feuer hört man sie schon bald, und es tönt ihnen ein Ruf entgegen: »Hoooiii, wer kommt da?«
Aber Morg Sheridan gibt keine Antwort. Er reitet bis auf ein halbes Dutzend Schritte an das Feuer heran und betrachtet die fünf Männer mit einem schnellen Blick.
Von diesen fünf Männern strömt ihm Unwillen entgegen, Abneigung – ja, sogar bereits so etwas wie drohender Zorn.
Denn es ist nicht üblich, dass jemand einfach an ein Feuer geritten kommt, ohne vorher zu rufen, sich vorher zu erkennen zu geben. Es ist zumindest unhöflich, es sei denn, man wäre hier der Boss, der Besitzer dieses Landes, sozusagen der »Hausherr«.
Einer der fünf Männer übernimmt nun das Reden.
»Mister«, sagt er, »Sie haben nicht die besten Manieren. Was wollen Sie? Und wer ist dort bei Ihnen?«
Morg Sheridan gibt keine Antwort.
Er sieht sich um. Es gibt einen Seil-Corral, in dem sich außer einigen Reitpferden auch Packtiere befinden, wie einige Packsättel erkennen lassen.
In der Nähe hat der Creek einen kleinen See gebildet. Von dort her tönt das Muhen und Brüllen von Rindern.
Wahrscheinlich ist dieser kleine See eine bevorzugte Wasserstelle der vielen Wildrinder, die sich in den vergangenen Jahren während des Krieges wie Kaninchen vermehrten.
Am Feuer liegen zwei Brandeisen.
Auf diese Brandeisen richtet sich Morg Sheridans Blick.
Er gleitet plötzlich mit einer geschmeidigen Bewegung aus dem Sattel. Es sieht gar nicht besonders schnell aus, ist es aber. So etwa – so lässig und scheinbar träge – erhebt sich zum Beispiel ein Wolf auf einem Felsen, der ihm als Sonnenplatz diente.
Die fünf Männer aber haben schon vorher begriffen, dass da kein unwichtiger Bursche in ihr Camp kam. Sie warten lauernd, wachsam – aber noch ohne besondere Besorgnis und gewiss mit zunehmendem Unmut.
Sie sehen, wie er zu den Brandeisen am Feuer tritt. Dann bückt er sich und hebt eines auf.
Er drückt das Eisen neben dem Feuer in den Boden.
Eine Fünf ist erkennbar, eine etwas verschnörkelte Fünf.
Er lässt das Eisen fallen und ruft: »Mike, bringe mir eines meiner Brandzeichen aus dem Wagen!«
Mikes Stimme antwortete zustimmend.
Und bald kommt er. Nun sieht man, dass er links leicht hinkt.
Er reicht Morg Sheridan das Brandeisen, will neben Sheridan verharren. Doch dieser sagt ruhig: »Geh wieder zum Wagen, Mike.«
Und Mike gehorcht auch, aber er schnauft unwillig durch die Nase. Als er auf den Wagen klettert und dort das Gewehr in die Hände nimmt – was man am Feuer nicht sehen kann, weil der Wagen außerhalb des Feuerlichtkreises hält –, brummt er bitter: »Alles will er allein machen, einfach alles, verdammt!«
Indes wirft Morg Sheridan dem Sprecher der Männer quer das Brandeisen zu.
Dabei sagt er scharf: »Fang auf!«
Der Mann fängt es mit schnellem Reflex.
»Was soll das?« Er fragt es ärgerlich, schon böse und gereizt fast.
»In diesem Lande«, erklärt ihm Morg Sheridan, »gibt es nur ein einziges Brandzeichen – dieses da. Nur dieses! Denn dies hier ist mein Land!«
Nun hat er diesen Satz abermals gesprochen.
Dies ist mein Land! – Es klingt stets gleich. Und es klingt wie ein Schwur, wie ein Versprechen – oder vielleicht sogar wie das Amen nach dem Vaterunser.
Ist dieses »Dies ist mein Land!«, vielleicht eine Art Formel für ihn, mit der er glaubt, alle Probleme lösen zu können?
Indes betrachtete der Mann das aufgefangene Brandeisen.
Und dann tritt er vor und drückt es neben der immer noch deutlich erkennbaren Fünf dicht beim Feuer in den Boden.
Es ist ein Stern.
Ja, es ist der fünfzackige Lone-Star, der Einzel-Stern von Texas, so wie er auf der Fahne zu sehen ist, weiß auf dem blauen Grunde, mit Weiß und Rot daneben quer zum blauen Rechteck.
»Der Lone-Star«, sagt der Mann. »Von diesem Brandzeichen haben wir noch nie gehört. Dieses Land ist voller ungebrannter Rinder. Mister, wenn Sie ein Maverickjäger sind wie wir, dann halten Sie nur Abstand zu uns, damit wir uns einander nicht in die Quere kommen. Es sind hier genug Rinder für alle da. Hunderttausend vielleicht – oder noch mehr! Hier!«
Er wirft das Brandeisen quer zurück, stößt es gewissermaßen von sich und Morg Sheridan entgegen.
Aber dieser fängt es nicht auf, hält ihm nur mit ausgestrecktem Arm die Handfläche entgegen. Das Eisen prallt quer gegen diese Handfläche und fliegt ein Stück zurück, fällt dann zwischen Sheridan und dem Manne zu Boden.
Und abermals sagt Morg Sheridan: »Das ist mein Land. Und weil das so ist, gehören mir auch alle Rinder in diesem Land. Sie alle bekommen nur ein einziges Brandzeichen – dieses da, den Lone-Star. Verstanden?«
Ja, nun endlich verstehen und begreifen sie alles, was sie zuvor einfach nicht glauben wollten, obwohl sie es bald schon ahnten.
Jetzt begreifen sie, dass da ein Mann vor ihnen steht, der Anspruch erhebt auf alles.
Sie sind verwegene und erfahrene Burschen, Ex-Cowboys und nun Kriegsveteranen, die nach einer Chance suchten – und diese hier als Maverickjäger zu finden glaubten.
Sie sind Männer, die sich so schnell nicht fürchten.
Deshalb können sie noch gar nicht glauben, was dieser Mann ihnen klargemacht hat.
Sie betrachten ihn nochmals im Feuerschein – und diesmal noch gründlicher. Nun lassen sie sich auch nicht mehr durch ihre Überzahl zu Sorglosigkeit verleiten. Auch ihren erfahrenen Instinkt lassen sie gegen diesen Mann prallen.
Und da endlich wird ihnen einiges klar.
Dieser Fremde mit dem Lone-Star-Brand unterscheidet sich von ihrer Sorte.
Er ist ein Boss.
Er strömt etwas aus, was nur schwer erklärbar ist. Aber es ist vorhanden. Sie spüren es. Diese Autorität haben sie dann und wann schon mal während des Krieges gespürt, wenn sie einen wirklichen Anführer zum Offizier hatten und es galt, größte Schwierigkeiten zu überwinden.
Aber ihr Sprecher schüttelt den Kopf.
»Nein«, sagt er, »wir haben unseren eigenen Brand. Und die Weide ist frei. Mister, wollen Sie Streit mit uns?«
Morg Sheridan gibt darauf keine Antwort.
Aber er spricht: »In diesem Lande reitet man entweder für mich – oder man verschwindet wieder. Und wer für mich reitet, dem geht es gewiss nicht schlecht. Also, mein Freund, heb das Brandeisen auf! Heb es auf, sage ich dir!«
Da greift der Mann fluchend nach der Waffe, und sein Fluchen ist auch das Zeichen für die anderen. Denn sie haben während des Krieges und danach oft schon gekämpft und alle Probleme mit dem Colt zu lösen versucht. Das war ihnen zumeist sogar geglückt. Warum also nicht auch hier?
Denn da ist ein Mann, der ihr Boss sein und ihnen die Rinder streitig machen will.
Ja, sie schnappen nach den Waffen und wollen es auskämpfen.
Und da zeigt er es ihnen!
Noch niemals sahen sie einen Mann so schnell ziehen. Der Colt erscheint ganz plötzlich wie durch Zauberei in seiner Linken.
Sie blicken im Feuerschein die Revolvermündung.
Und sie selbst haben noch nicht mal richtig die Läufe aus den Holstern.
Oh, sie hielten sich bisher für Burschen, die man im Ziehen und Schießen nicht so schnell schlagen konnte.
Aber jetzt kommen sie sich wie Stümper vor, wie lahme Greise.
Und sie erstarren, halten ihren Atem an.
Denn sie wissen, dass in der nächsten Sekunde zwei oder drei von ihnen von heißem Blei getroffen werden, machen sie weiter, halten sie nicht augenblicklich inne.
Einige Sekunden vergehen.
Dann sagt Morg Sheridan ruhig: »Oh, ich weiß, dass ihr stolze Burschen seid. Und deshalb liegt es mir fern, euch zu demütigen. Aber es ist so auf dieser Erde, dass es immer einen besseren Mann gibt, der das Sagen hat.* Und da gibt es für Männer wie euch nur zwei Möglichkeiten. Entweder ihr reitet für mich – oder ihr verschwindet. Ihr könnt euch das bis morgen überlegen. Wir schlagen in der Nähe unser Camp auf. Einer von euch kann mir Bescheid geben. Entweder bringt er mir morgen mein Brandeisen zurück – oder ihr behaltet es und brändet für mich die Rinder.«
Nach diesen Worten lässt er seinen Colt im Holster verschwinden.
Er wendet sich ab und schwingt sich wieder in den Sattel.
Dann reitet er ein Stück am Creek entlang.
Mike McLowry mit dem Wagen und Paco Juarez mit der Remuda folgen ihm.
Und die fünf Maverickjäger am Feuer atmen jetzt erst wieder normal.
Dann sagt einer: »Ja, sind wir denn verrückt? Träumen wir denn? Ist das alles soeben Wirklichkeit gewesen?«
»Doch, Larry«, sagt ein anderer. »Ein Boss ist in dieses Land gekommen. Er hat es in Besitz genommen. Vielleicht hat er sogar einen Rechtsanspruch darauf aufgrund einer alten spanischen Schenkungsurkunde. Und wenn nicht, dann unterstreicht er seinen Anspruch eben nur mit seinem Colt. Und was dies für ein Argument ist, haben wir ja erlebt soeben. Der hat seine beiden Begleiter gar nicht mitmachen lassen, sondern sich ganz allein gegen uns fünf gestellt. Jungens, wie wir uns auch entscheiden mögen, er ist ein Boss, ein Mann also, der gewöhnt ist, solchen Burschen wie uns Befehle zu geben.«
Nach dieser eigentlich recht langen Rede verstummt der zweite Sprecher.
Und dann blicken sie zu viert auf den fünften Mann.
Dieser fünfte Mann heißt Steve Bondel, und er hatte vorhin das Sprechen übernommen, als Morg Sheridan gekommen war.
Eigentlich war er schon immer ihr Anführer, wenn es letzte Entscheidungen zu fällen gab. Nun erwarten sie von ihm abermals die beste Entscheidung.
Er starrt dorthin, wo sie alle noch in der Mond- und Sternennacht den Wagen, die Reiter und die Pferde erkennen können.
»Er hätte wenigstens zwei von uns erschossen«, murmelt Steve Bondel nach einer Weile. »Sie haben einen großen Wagen mit Vorräten bei sich. Wir selbst sind nur dürftig ausgerüstet – und wir haben keinen einzigen Cent mehr in den Taschen. Selbst wenn wir eine Herde von tausend Stück mit unserem Brand zeichnen und zum Verkauf treiben würden – es dauerte Monate, bis sich die Rinder in blanke Dollars verwandeln könnten. Denn Rinder kann man nur im fernen Kansas an der Kansasbahn verkaufen, wo man sie nach den Fleisch- und Konservenfabriken des Ostens verfrachtet. Hier ist ein Mann, der Helfer braucht, um sich ein Kingdom zu schaffen. Und wir wären hier sozusagen ›Männer der ersten Stunde‹, versteht ihr? Wenn er ein Cattleking ist, müsste er uns unsere Treue belohnen wie ein König seinen treuen Rittern. Das könnte uns mehr einbringen als tausend Rinder, die wir erst nach Kansas treiben müssten.«
»Aber wenn er uns eines Tages nicht belohnt wie ein König seine treuen Ritter?«
Hal Hacket fragt es scheinbar lässig, wie es so seine Art ist, wenn er es besonders ernst meint.
»Dann wird er ein schlechter König sein, der die Treue von uns nicht verdient«, erwidert Steve Bondel ruhig.
Und als er geendet hat, nicken sie alle.
✰
Am nächsten Morgen kommt Steve Bondel zum Camp herübergeritten.
»Also«, sagt er ruhig, »wir reiten für Sie, Mister. Aber...«
»Mein Name ist Morgan Sheridan. Das sind Mike McLowry und Paco Juarez. Und nun euer Aber. Aber was also?«
Steve Bondel sieht Morg Sheridan fest an.
»Mr. Sheridan«, sagt er ganz ruhig und präzise, »Sie wollen sich ein Kingdom schaffen. Dazu brauchen Sie treue Reiter. Richtig?«
»Richtig«, nickt Morg Sheridan. »Und eure Namen werden ganz oben auf meiner Lohnliste stehen. Sag sie mir, damit ich sie aufschreiben kann. Mike, bringe mir das Buch aus dem Kasten.«
»Ich bin Steve Bondel«, spricht dieser. »Die anderen sind Hal Hacket, Jim Tucker, Hogan Mannen und Larry King. Boss, wir haben beschlossen, Ihnen treu zu sein. Und nun zu meinem Aber vorhin. Ich wollte vorhin sagen: Aber wenn Sie uns unsere Treue schäbig belohnen, dann sind Sie in unseren Augen ein Betrüger. Und dann werden Sie unsere Treue so schnell verlieren, wie ein skalpierter Mann seine Haare. Ist Ihnen das richtig klar, Mr. Sheridan?«
»Du kannst auch Major oder Boss zu ihm sagen«, mischt sich Mike McLowry aus dem Hintergrund ein. »Und ich will dir noch etwas sagen, Steve Bondel. Wir ritten mit ihm durch den ganzen verdammten Krieg. Er war immer nobel zu uns. Auch der letzte Soldat konnte sich auf ihn verlassen.«
»Wir werden sehen«, erwidert Steve Bondel, ohne sich umzusehen, denn sein Blick ist fest auf Morg Sheridan gerichtet.
»Wir brennen also möglichst viele Rinder mit dem Lone-Star-Brand«, spricht er weiter. »Sonst noch Befehle?«
»Vorerst keine«, erwidert Sheridan. »Wie seid ihr ausgerüstet? Braucht ihr Proviant?«
»Wir haben nur Rindfleisch und Bohnen, kaum noch Mehl, Kaffee und Zucker.«
»Ihr bekommt alles reichlich«, nickt Morg Sheridan. »Mike wird es euch geben.«
Steve Bondel nickt. Aber er hat noch eine Frage auf dem Herzen. Man sieht es ihm an.
»Nun?« Morg Sheridan fragt es wie ein Mann, der genau weiß, was kommen wird.
Steve Bondel macht im Sattel eine weite Armbewegung.
»Dieses Land«, sagt er, »ist nicht so leer und einsam, wie es zuerst den Anschein hat. Dort hinter den Hügeln liegt ein altes Mexikanerdorf um eine halbverfallene Missionskirche. In diesem Dorf machen manchmal Banditen Rast, lassen sich für ein paar Stunden verwöhnen. Es gibt einige verborgene Camps da und dort, und auf geheimen Pfaden reiten Geächtete, die im beständigen Hass gegen die menschliche Gemeinschaft leben. Manchmal streifen wilde Apachentrupps durch dieses Land, suchen nach Beute. Wissen Sie das alles, Mr. Sheridan?«
Dieser nickt.
»Ich war vor dem Kriege schon mal hier«, sagt er. »Ja, ich weiß Bescheid.«
Steve Bondel nickt.
Dann stellt er die Frage: »Erwarten Sie, Major, dass wir für Sie kämpfen?«
Es ist eine harte Frage.
Morg Sheridan sieht ihn an.
»Sicher, das erwarte ich. Und ihr kämpft nicht nur für mich – nein, so ist es wohl nicht zu sehen. Ihr kämpft für den Lone-Star-Brand, für dieses Land für euren festen Platz. Ja, ich erwarte, dass ihr für das Brandzeichen kämpft. Wie sonst könnten wir uns hier behaupten?«
Steve Bondel sieht ihn immer noch fest an – und es vergehen viele Sekunden.
»Sie verlangen viel, Boss«, murmelt er schließlich. »Doch man muss für alles seinen Preis zahlen. Wir werden ihn zahlen, Boss, wir ja! Vergessen Sie eines Tages nur nicht den vollen Gegenwert. Ich sage das jetzt, damit alles klar ist. Denn wir sind keine Cowboys, die froh wären, wenn sie für zwanzig Dollar einen Job haben.«
»Ich weiß«, nickt Morg Sheridan, »ich weiß es genau. Ihr wolltet eine Herde sammeln und nach Kansas treiben. Ihr hättet tausend Rinder vorwärtsbringen können mit fünf Mann. Tausend Rinder wären in Kansas etwa dreizehntausend Dollar wert. Und das ist euer Preis. Richtig so?«
»Richtig«, nickt Steve Bondel. »Ich sehe, Sie wissen Bescheid, Boss.« Nach diesen Worten zieht er sein Pferd herum und reitet wieder zum anderen Camp zurück.
Morg Sheridan und dessen zwei Paladine – also Gefolgsleute – sehen ihm nach.
Dann spürt Morg Sheridan die Blicke von Paco Juarez und Mike McLowry.
Er erwidert diese Blicke.
»Wir haben Glück gehabt«, sagt er zu ihnen, »dass wir auf diese Maverickjäger stießen. Sie sind zu stolz, um für zwanzig Dollar als Cowboys zu reiten. Und sie wollten auch keine Banditen werden, weil dies ein noch mieseres Leben wäre. Also wollten sie eine Herde sammeln und nach Kansas treiben. Das bezeugt ein großes Selbstvertrauen und Mut. Ja, sie sind stolz und mutig. Wir haben Glück gehabt mit ihnen.«
Mike und Paco nicken langsam.
Aber Mike McLowry spricht dann wie warnend: »Und dennoch gibt es einen großen Unterschied zwischen ihnen und uns, Morg – nämlich den, dass du dir ihre Treue kaufen musst. Unsere Treue hast du umsonst. Das ist es, was du nicht vergessen solltest.«
»Nein«, sagt Morg Sheridan schlicht. Mehr nicht.
✰
Als sie mit dem Wagen aufbrechen, nachdem sie noch einige Vorräte für die Reiter ausluden, fahren sie genau auf die Hügelkette zu, hinter welcher sich das alte mexikanische Dorf befinden soll.
Sie stoßen auf einen schwach erkennbaren Weg, und an den Spuren erkennen sie, dass erst in der Nacht noch hier Reiter ritten in ihrer Richtung, also durch die Hügel zu dem Dorf.
Es wird aber dann später Mittag, als sie die Hügel endlich hinter sich lassen und das kleine Dorf – umgeben von einigen Äckern und Feldern – vor sich zwischen alten Cottonwoods liegen sehen.
Die alte Missionskirche wurde gewiss schon von den Spaniern mit Hilfe der Sklaven erbaut. Auch viele Häuser des Dorfes sind erkennbar schon alt; sie wurden nur immer wieder ausgebessert und durch Anbauten vergrößert.
Aber es ist ein altes Dorf, in dem die Zeit stillzustehen scheint seit vielen, vielen Jahrzehnten.
Morg Sheridan zögert keinen Augenblick. Er reitet weiter auf das Dorf zu, so als wäre dies die selbstverständlichste Sache der Welt oder als wäre dies sein Dorf.
Aber er kann unmöglich wissen, was hier auf sie wartet.
Er reitet dem Wagen mehr als zwei Dutzend Schritte voraus.
Hinter dem Wagen treibt Placo die Pferde.
Und eigentlich sieht das alles nicht besonders imposant aus. Sie sind ja nur drei Männer mit einem Wagen und einer Pferde-Remuda. Allerdings – die Pferde sind erstklassig. Keines ist weniger wert als hundert Dollar. Und wenn man bedenkt, dass man zurzeit hier in diesem Lande schon für zwanzig Dollar ein recht gutes Pferd bekommen kann, dann weiß man, was die Pferde von Sheridans Remuda für Tiere sind.
Das Dorf wirkt träge, ohne Leben, fast wie ausgestorben. Nur einige Hunde liegen da und dort herum. Irgendwo kräht ein Hahn in einem Hof.
Die Mittagshitze ist schon vorbei. Eigentlich hätte dieses Dorf jetzt wieder zu Leben erwachen müssen. In den Gärten und auf den Feldern harrt gewiss eine Menge Arbeit.
Doch es bewegt sich nichts.
Aus einem kleinen Haus tönt nun das Weinen eines Kleinkindes.
Und die Stimme einer Frau tönt beruhigend.
Als der Wagen zwischen den ersten Hütten und Häusern rollt und auch der Hufschlag der Tiere dumpf im Staube der Fahrbahn trommelt, werden in einigen Fenstern und sich spaltbreit öffnenden Türen Gesichter erkennbar, forschende, ernste Augen.
Der vorausreitende Morg Sheridan registriert das alles.
Und er denkt: Angst! Sie haben sich verkrochen – aber nicht mehr vor der Mittagshitze. Nein, sie halten keine Siesta mehr. Die haben sich verkrochen und warten wie Mäuse in ihren Löchern. Warum? Hängt das mit den Reitern zusammen, deren Fährten ich auf dem Wagenwege sah?
Die schmale Dorfstraße führt auf einen Platz. In der Mitte dieses Platzes ist ein mächtiger, aus Bruchsteinen gemauerter Brunnen. Daneben steht eine mächtige Burreiche, deren Wurzeln gewiss bis zu den unterirdischen Wasseradern reichen. Sonst könnte sie nicht so mächtig sein, dass ihre gewaltigen Äste fast den ganzen Platz überdachen. Diese Burreiche stand schon hier, bevor die ersten Spanier kamen, um mit ihren eisengepanzerten Rittern und Soldaten nach den goldenen Städten zu suchen, vor denen ihnen eine Sage etwas vorgegaukelt hatte.
Einige Bänke stehen im Schatten.
Und auf der anderen Seite ist eine Bodega oder Fonda, ein Gasthaus jedenfalls, vor dem fast ein Dutzend Sattelpferde stehen.
Aus dieser Fonda tönt Lärm, Lachen, Kreischen, Gitarrenklang, Gesang. Es wird dort drinnen gefeiert. Die Reiter, deren Sattelpferde vor der Fonda stehen, machen sich offenbar mit einigen Mädchen einen schönen Nachmittag, aus dem wahrscheinlich auch ein schöner Abend und eine wilde Nacht werden könnte.
Morg Sheridan hielt sein Pferd an.
Nun bringt Mike McLowry den Wagen neben ihm zum Halten.
»Wenn das Banditen sind...«, sagt Mike knapp aus dem Mundwinkel zur Seite.
Morg Sheridan nickt.
»Wahrscheinlich«, sagt er. »Doch dies ist mein Land. Das Dorf hier gehört dazu, denn es liegt mitten darin. Wenn ich erst damit anfange, einigen Banditen aus dem Wege zu gehen, dann hätten wir gar nicht herkommen sollen. Mike, wir müssen uns allen Dingen stellen – einfach allen. Ihr könnt die Pferde tränken.«
Als er die letzten Worte spricht, deutet er auf einige steinerne Wassertröge dicht beim Brunnen.
Dann reitet er wieder vorwärts.
Denn von Anfang an schon hat er etwas gesehen, was ihn unaufhörlich interessiert. Es ist eine Frau.
Sie sitzt auf der obersten Verandastufe der Fonda, dreht dem Eingang ihren Rücken. Und sie sitzt dort wie erschöpft und mit deutlich erkennbarer Resignation. Man sieht ihr einen langen Ritt an.
Ihr grünäugiger Blick aber ist schon die ganze Zeit quer über den Platz auf Morg Sheridan gerichtet – unverwandt. Und es scheint eine bittere Verachtung oder Resignation in diesem Blick zu liegen.
Er reitet bis auf ein halbes Dutzend Schritte heran, und je näher er kommt, umso deutlicher erkennt er die rassige und etwas herbe wirkende Schönheit dieser Frau.
Ja, sie ist gewiss schon eine Frau, die das Leben kennt, kein junges Ding mehr.
✰
Er schätzt ihr Alter auf etwa sechsundzwanzig. In diesem Lande haben Frauen dieses Alters oft schon ein halbes Dutzend Kinder.
Sie ist nicht wie eine Reiterin gekleidet, eher wie eine Reisende, die man aus einer Postkutsche holte und zum Reiten veranlasste.