G. F. Unger Sonder-Edition 277 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 277 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Mit schnellen Colts und eisernen Fäusten erkämpfen sich Ray Starr und Bob O’Hara das Erbe ihres toten Freundes: Big Valley, ein riesiges Tal mit bester Longhorn-Weide.
Ray und Bob halten zusammen wie Pech und Schwefel, und das ist gut so. Denn für das Tal und die Menschen darin wäre es der Untergang, wenn diese beiden stahlharten Männer Feinde würden.
Doch genau das geschieht, als die verführerisch schöne Shirley Overmile im Big Valley auftaucht und sich als dessen rechtmäßige Erbin ausgibt...


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Seitenzahl: 220

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Longhorn-Weide

Vorschau

Impressum

Longhorn-Weide

James Drummond erwacht aus seinem schönen Traum, weil jemand ihm die Nase zuhält. Instinktiv fasst er unter das Kopfkissen nach seinem Colt, doch er findet die Waffe nicht. Jetzt wird er richtig wach, denn trotz aller Müdigkeit und Erschöpfung, die ihn in einen betäubungsähnlichen Schlaf fallen ließen, begreift er nun, dass dies kein Scherz sein kann.

Niemand scherzt mit einem Mann wie James Drummond, denn er ist Steuereintreiber der Unionsregierung. Hier in Texas nennt man sie nur »Yankee-Blutsauger«. Deshalb ist es völlig sicher, dass niemand ihm aus Scherz die Nase zuhält.

Er beginnt wütend um sich zu schlagen, denn er ist ein kräftiger Mann, knapp über dreißig Jahre, der keinem Kampf aus dem Wege zu gehen braucht und sich durchaus unter rauen Burschen behaupten kann. Sonst hätte man ihn auch nicht nach Texas geschickt, um hier Steuern einzutreiben.

Er schlägt also um sich, doch der Mann, der ihn an der Nase packte, weicht von seinem Bett zurück und lacht leise. Es ist ein amüsiertes und kehliges Lachen.

Dann wird es still. Im Hotelzimmer, in dem sie sich befinden, brennt die Lampe. James Drummond hat sich im Bett aufgesetzt, und der Eindringling hat rittlings auf einem Stuhl Platz genommen und kratzt sich mit dem Revolverlauf in dem dichten Vollbart.

Solche Vollbärte ließen sich die Kriegsgefangenen der Südarmee in den Gefangenenlagern wachsen, und auch sonst glaubt der Steuereintreiber sofort, dass er Besuch von einem Rebellen aus dem Süden bekommen hat.

Der Mann trägt die grauen Uniformhosen mit den goldenen Biesen, dazu ein ausgewaschenes Reithemd und einen Feldhut der Rebellenarmee, von dem alle Abzeichen entfernt wurden.

Aber diese Kleidung ist nicht ungewöhnlich. So laufen, reiten oder fahren jetzt in Texas Tausende von Ex-Soldaten herum, denen das Geld fehlt, sich andere Kleidung zu kaufen.

Dieser Vollbart ist wie eine Maske, denkt der Steuereintreiber bitter, schiebt die Beine über die Bettkante und sitzt nun im Unterzeug auf dem Bettrand.

»Was soll das?«, fragt er mürrisch. Indes denkt er: Wo sind meine Leute? Ich habe vier Leute bei mir, auf die ich mich als Leibwache bisher immer gut verlassen konnte. Einer dieser Männer muss doch vor meiner Tür Wache halten. Warum...

Sein Gedankengang bricht ab, denn er wird sich darüber klar, dass sein Besucher gewiss durch die Tür hereingekommen ist und zuvor mit dem Wächter draußen fertigwerden musste.

Der bärtige Besucher lacht wieder leise. Als er dann zu sprechen beginnt, erweist es sich, dass er einen Stein oder einen ähnlichen Gegenstand im Mund hat, sodass seine Stimme völlig anders klingt als normal. Der Vollbart und dieser Stein im Mund dienen ihm zur Tarnung, damit man ihn später nicht mit solch einer Sicherheit wiedererkennt, dass man einen Eid darauf schwören könnte.

Überdies trägt er Handschuhe, sodass man seine Hände, an denen vielleicht Narben oder ähnliche Kennzeichen sein könnten, nicht sehen kann.

Er sagt nun zu James Drummond: »Mir ist es gleich, wie Sie mit mir zur Bank hinübergehen – im Unterzeug oder angekleidet. Wie wollen Sie es haben? Ich gebe Ihnen zwei Minuten, Mr. Drummond.«

Sie kennen also meinen Namen, denkt dieser. Das bedeutet, dass sie mich schon seit längerer Zeit beobachtet haben und ihren Coup genau planten. Ich glaube nicht, dass dieser Bursche blufft oder scherzt. Also ist es wohl besser, wenn ich mich ankleide.

Er erhebt sich ohne zu zögern und langt nach seinen Kleidungsstücken, die auf einem Stuhl liegen. Dabei denkt er an seinen kleinen Colt-Derringer, den er in der Hosentasche hat. Aber der Bandit in seinem Zimmer – ja, es kann nur ein Bandit sein! – grinst so, dass seine weißen Zahnreihen im Lampenlicht blitzen.

»Das kleine Ding habe ich schon«, sagt er. »Danach brauchen Sie nicht zu suchen.«

In seiner Stimme ist ein kalter Klang, und das Grinsen war nicht freundlich, sondern scharf, ja gefährlich.

Er sieht dann gelassen zu, wie der Steuereintreiber sich ankleidet, aber er hat immer den Colt in der Hand.

»Wenn Sie glauben, dass Sie mich um die Steuergelder berauben können, die ich in meinem Bezirk eingetrieben habe, um sie nach Fort Worth zu transportieren, dann täuschen Sie sich. Das Geld ist für diese Nacht in der Bank, und nichts wird mich dazu bewegen können, dem Bankier zu sagen...«

»Dies wird Sie dazu bewegen«, unterbricht der Bandit und lässt ihn in die Revolvermündung blicken.

»Sie bluffen«, lacht James Drummond nicht überzeugend. »Sie verteufelter Rebell und Buschräuber bluffen nur! Überdies war ich Offizier im Krieg! Ich würde mich lieber von Ihnen erschießen lassen, als einem Banditen die Steuergelder der Union zu übergeben.«

»Dann werde ich Sie erschießen, Mr. Drummond«, erklärt der Bandit ungerührt.

»Sie bluffen!«

»Das werden Sie sehen. Doch zuvor möchte ich Ihnen etwas zu bedenken geben, Mister. Ich halte Sie nicht für einen Gentleman oder gar einen ehrenwerten Beamten. Sie sind einer der größten Schurken, die jemals aus dem Norden nach Texas kamen, und Sie arbeiten mit schmutzigen Geschäftemachern zusammen. Sie setzen nicht nur die Steuern zu hoch an, die zu zahlen sind, Sie treiben das Geld rücksichtslos ein, lassen wertvolle Ranches für ein Spottgeld versteigern. Jene schmutzigen Geschäftemacher können mit Ihrer Hilfe wertvollen Besitz für den Bruchteil seines wirklichen Wertes ersteigern. Mit Ihrer Hilfe, Drummond, kaufen die Yankees Texas für wenige Dollars auf. Und ich möchte gerne wissen, was für Anteile man Ihnen dafür auf ein Geheimkonto überweist. – Drummond, ich kenne einige Leute, die nahmen sich, nachdem sie durch Ihre schurkische Art ruiniert wurden, das Leben. Deshalb brächte ich es, ohne mit der Wimper zu zucken, fertig, Sie einfach abzuschießen wie einen Coyoten. In meinen Augen sind Sie ein ganz besonderer Schurke! Verstehen wir uns jetzt besser?«

Die leise, harte Stimme klingt zwar durch den Stein im Mund des Sprechers anders als sonst, doch der Steuereintreiber James Drummond spürt nun deutlich, dass er hier in eine harte Sache hineingeraten ist, die ihm nur eine einzige Chance lässt.

Ihm ist plötzlich heiß, und dabei ist er ein Mann, der sich sonst nicht fürchtet, ein Mann, der nach Texas kam, um die Texaner auszupressen bis auf den letzten Tropfen, ein Mann, der sich vier Revolvermänner als Leibwache hält, sie von Staatsgeldern bezahlt – und ihnen offiziell gewiss noch mehr zukommen lässt, damit sie ihm treu ergeben sind.

Jetzt fürchtet er sich.

»Gehen wir!«, sagt der Bandit zu ihm. »Und hoffen Sie nicht auf Ihre vier Leute. Den Wächter vor Ihrer Tür erwischten wir, als er gerade für einen Moment eingenickt war. Die beiden anderen Männer weckten wir im Nebenzimmer genauso wie Sie. Jetzt sind sie gut verschnürt und stören uns nicht. Ihren vierten Mann, den Sie im Mietstall bei den Pferden und der Kutsche ließen, hatten wir uns vorher schon geholt. In dieser texanischen Stadt hier gibt es sonst bestimmt keine Hilfe für einen Steuereintreiber der Yankees, selbst dann nicht, wenn es sich um einen redlichen Menschen handeln würde, der als Beamter seine Pflicht täte. – Gehen wir!«

Er geht nun zur Tür, öffnet diese und sagt leise: »Wir kommen jetzt heraus. Geh schon auf die Straße hinunter!« Der Mann, der draußen war, entfernt sich den Gang entlang zur Treppe. Sie folgen ihm, doch James Drummond kann nicht viel von diesem Mann sehen, nur einmal seinen Rücken und draußen auf der dunklen Straße seine Silhouette.

Beide Banditen sind groß und schwergewichtig, dabei aber hager und sehnig. Der Mann, von dem Drummond aus dem Bett geholt wurde, hinkt leicht mit dem linken Bein. Doch dies kann Verstellung sein, damit es später auf dem Steckbrief steht und jeden nicht auf diese Art hinkenden Mann unverdächtig macht.

Drummond ist sich längst darüber klar, dass er es mit zwei erfahrenen und mit allen Wassern gewaschenen Burschen zu tun hat.

Sie gehen schräg über die Straße zum Bankgebäude. Dort muss Drummond an dem Türklopfer ziehen, einem Draht, der zum oberen Stockwerk geht. Man hört es in den oberen Räumen durch das geschlossene Fenster bimmeln, und so erweist sich der vermeintliche Türklopfer als eine Zugklingel.

Das Fenster oben öffnet sich merkwürdig rasch, ganz so, als wäre der Bankier noch nicht im Bett. Dabei ist es fast zwei Stunden nach Mitternacht. Die kleine Stadt River Bend am Brazos River schläft längst und ist so ruhig, wie eine kleine Stadt mitten in der Woche um diese Nachtzeit nur sein kann. Selbst der einzige Saloon hat schon um Mitternacht geschlossen.

In der Hotelhalle war der Nachtportier nicht zu sehen.

Diese texanischen Hundesöhne halten alle zusammen, denkt James Drummond bitter, während er den Bankier von oben fragen hört: »Wer ist dort unten so spät in der Nacht? Das ist doch verrückt, mich zu wecken!«

James Drummond möchte um Hilfe brüllen. Er möchte etwas tun, was ihn retten und die Banditen erledigen könnte.

Doch er spürt den Revolver in seiner Seite. Der Mann, der dicht bei ihm steht, drückt ihm die Mündung gegen die Rippen, und es ist so dunkel, dass der Bankier von oben nichts davon erkennen kann und wahrhaftig darauf schwören könnte, nichts Auffälliges bemerkt zu haben.

James Drummond ist der Meinung, dass sein Leben am seidenen Faden hängt und es besser wäre, nachzugeben. Deshalb sagt er heiser: »Ich bin es, James Drummond – Regierungsinspektor Drummond. Bitte lassen Sie uns ein. Es ist notwendig, dass ich mein Depot bei Ihnen auflöse.«

»Das ging aber schnell«, brummt der Bankier von oben und zieht sich aus dem Fenster wieder ins Haus zurück.

Als er dann unten öffnet, kommt es James Drummond abermals so vor, als ginge es schneller, als man es erwarten konnte.

Sie treten ein. Drinnen brennt eine Lampe. Doch dies konnte man von draußen nicht sehen, da die Fensterläden geschlossen sind und überdies auch noch Vorhänge von innen vor die Fenster gezogen wurden.

Der Bankier erkennt nun, dass einer der beiden Männer den schussbereiten Revolver in der Hand trägt. Wenn sein Erschrecken echt ist, so ist es gut gespielt. Er fragt bestürzt: »Was ist das?«

»Nichts gegen die Bank«, sagt der bärtige Bandit. »Nur der Steuereintreiber muss seine Beute herausgeben – seine Beute, die er guten texanischen Bürgern herauspresste. Diese Bank hat nichts zu befürchten. Würden wir sie ausrauben, so könnten ja viele Texaner keine Kredite mehr bekommen und würden abermals von Steuereintreibern ruiniert werden. Geben Sie diesem Geier das bei Ihnen deponierte Geld!«

Der Bankier blickt den Banditen starr an.

»Das kann und darf ich nicht«, sagt er fast würdig. »Nur wenn mir Mr. Drummond den Befehl gibt, werde ich das tun.«

Da lacht der Bandit leise. Es ist ein hartes und kaltes Lachen.

Er zielt auf Drummond. »Nun, Drummond« sagt er scharf, mehr nicht.

James Drummond zögert nur drei Sekunden.

Dann erinnert er sich daran, wie sehr er in Texas gehasst wird. Viele Männer schworen ihm, dass sie ihn eines Tages umbringen würden. Durch seine harte und unnachsichtige Art, Steuern einzutreiben und Versteigerungen stattfinden zu lassen, hat er eine Menge Leute ruiniert, und es ist wahrhaftig so, dass es dadurch zu Selbstmorden kam. Es wäre gut möglich, dass dieser Bandit dadurch die Eltern, Brüder oder andere nahe Verwandte verlor.

James Drummond konnte sich schon immer auf seinen Instinkt verlassen. Jetzt sagt ihm dieser Instinkt, dass er keine Schonung erwarten kann. Der texanische Bandit blufft nicht. Und so sagt James Drummond zum Bankier: »Ja, öffnen Sie den Tresor und...«

Mehr kann er nicht sagen, denn die Stimme versagt ihm. Er war sein ganzes Leben lang ein stolzer und manchmal auch heißblütiger Mann. Er gab noch nie in seinem Leben auf eine solch beschämende Art nach und fürchtete sich.

Jetzt tut er beides, und deshalb schnürt es ihm die Kehle zu. Tief in seinem Kern ist eine heiße Wut, und er weiß jetzt schon, dass er diese beiden Banditen suchen wird, bis er sie gefunden hat. Er wird diese Niederlage nicht so einfach hinnehmen. Ihn und seine vier Revolvermänner, die den Rang von Hilfssheriffs haben, hat man reingelegt wie dumme Jungens. Aber dies alles hängt wohl damit zusammen, dass sie nun schon einige Tage unterwegs waren und gewaltige Strecken zurücklegen mussten. Sie waren erschöpft und ausgebrannt. Zum späten Abendessen erhielten sie schweren Wein. Das alles trägt die Schuld.

Der Bankier gehorcht nun willig. Er hat sehr schnell mit einem Schlüssel, den er an einer Kette trägt, das Schloss aufgesperrt und dann die Zahlenkombination des zweiten Schlosses eingestellt. Die dicke Tür des großen Tresors öffnet sich mit einem quietschenden Geräusch.

Nun holt er zwei derbe Leinensäcke und eine Ledertasche hervor. Diese drei Behälter sind prall gefüllt und recht schwer. Man kann jedoch die Summe nicht abschätzen, weil man nicht weiß, von welchem Wert die Goldstücke und Geldscheine sind.

Nur der Steuereintreiber weiß, dass es sich um siebenundfünfzigtausend Dollar handelt – eine riesige Menge Geld für das durch den Krieg völlig verarmte Texas, in dem man zur Zeit einen Stier für weniger als einen Dollar bekommen kann, nämlich nur für den Preis der Haut. Und für diesen Preis wiederum lohnt es sich nicht, einen Stier abzuhäuten und die Haut zu transportieren.

So arm ist Texas! Für siebenundfünfzigtausend Dollar kann man jetzt kaufen, was in normalen Zeiten viele Millionen wert ist.

Der zweite Bandit kommt nun von draußen herein, nimmt die drei Gepäckstücke und geht damit hinaus. Er hat schwer daran zu tragen.

Der bärtige Mann, der den Steuereintreiber bisher mit dem Revolver bedrohte, steckt diesen weg und sagt: »Nun, Mister, wenn Sie Lust haben, dann...«

James Drummond stößt ein Knurren aus und beweist nun, dass er kein Feigling ist und bisher nur aus Klugheit gehorchte.

Er wirft sich vorwärts und versucht es mit den Fäusten.

Er ist ein Mann, der bei sechs Fuß Größe fast zweihundert Pfund wiegt und dem bärtigen Banditen an Größe und Gewicht ebenbürtig ist.

Aber er bekommt es. Es ist ihm, als würde ihn ein Maultier in den Magen treten. Dann trifft ihn die harte Linke unter dem Kinn. Er taumelt zurück und rudert mit den Armen, will sich fangen. Doch der Bandit springt ihm nach und gibt es ihm abermals mit zwei Schwingern.

Es ist fast unglaublich, wie ein Mann von James Drummonds Größe und Gewicht von einem anderen Mann so einfach von den Beinen gefegt werden kann. Aber dieser bärtige Bandit ist sicherlich doch von einer ganz anderen Art und hat es im Krieg gelernt, mit solchen Männern blitzschnell fertigzuwerden.

Als Drummond am Boden liegt, sieht der Bandit den Bankier an und deutet auf Drummond: »Sie brauchen nichts zu bedauern, Mister«, sagt er. »Dies ist ein Schurke. Irgendwann wird es auch die Regierung erkennen – aber so lange konnten wir nicht warten. Wir müssen den Menschen, die durch seine Härte ruiniert wurden und nun bitterste Not leiden, rasche Hilfe bringen.«

Nach diesen Worten geht er zur Tür. »Schlagen Sie nur laut Alarm«, sagt er von dort.

Und dann ist er verschwunden.

Draußen wartet sein Partner mit drei Pferden. Eines der Tiere ist ein Packpferd, auf dem die drei vollen Geldtaschen schon festgeschnürt sind.

Die beiden Banditen reiten zum Fluss hinunter und durchfurten ihn sofort, während es hinter ihnen in der Stadt laut wird. Sie wenden sich noch im Wasser des Flusses stromauf und umreiten so den Innenbogen der Flussbiegung. Hinter dieser Biegung überqueren sie nochmals den Fluss. Die Pferde müssen diesmal schwimmen, es gibt hier keine Furt. Doch die Strömung wirft sie bald schon an Land, denn sie stößt kräftig gegen den Außenbogen.

Die beiden Banditen befinden sich also jetzt oberhalb von River Bend, jener kleinen Stadt, die sie durch die Furt, die flussabwärts liegt, verlassen hatten. Sie vollendeten also gewissermaßen nach zweimaliger Flussdurchquerung einen Kreis.

Sie biegen gleich beim ersten Haus ein und reiten in eine Scheune, die ihnen wie von Geisterhand geöffnet wird.

Dann lachen die beiden Banditen leise, und auch der Mann, der ihnen die Scheune öffnete, lacht mit. Er sagt: »Also, Jungens, das ist ein feiner Spaß! Der Steuereintreiber James Drummond und dessen vier Leibwächter sind vor mehr als einer halben Stunde aus der Stadt gesaust. Es hätte nicht viel gefehlt, dann hätte Drummond Feuer gespuckt. Wird er eure Fährte finden?«

Die letzten Worte klingen nicht ängstlich, aber doch ernsthaft forschend.

»Wir sind im Fluss stromauf und nach der Durchquerung dort an Land geritten, wo die Pferdetränke ist«, erwidert einer der Banditen. »Dazu kommt noch«, fügt er hinzu, »dass Drummond gewiss nicht annimmt, wir würden frech genug sein, an den Ort unserer Untaten zu flüchten.«

Er lacht abermals leise, und die beiden anderen Männer fallen in dieses Lachen ein. Sie satteln in der Scheune die Pferde ab, verbergen die Geldsäcke und gehen dann zum Wohnhaus hinüber.

Es ist immer noch nicht Tag, doch im Osten zeigt sich das erste hellere Grau am Himmel.

»Ich werde mir jetzt den Vollbart abrasieren«, sagt Bob O'Hara drinnen im Hause.

»Und ich werde mir meine Haare waschen, dass sie wieder so rot werden, wie der Schöpfer sie bei mir haben wollte«, spricht Ray Starr.

Der dritte Mann lacht leise und brummt: »Aber die Hauptarbeit habe jetzt ich. Ich muss das Geld zählen, muss es aufteilen und an all die vielen Adressen schicken, die ihr mir aufgeschrieben habt. Ihr seid mir zwei merkwürdige Banditen. Ihr stehlt drei Säcke voll Geld und verschenkt es sofort wieder an Leute, die...«

»... die von diesem schurkischen Steuereintreiber ruiniert wurden und nicht wissen, wie sie sich mit ihren Familien durchbringen sollen«, unterbricht ihn Ray Starr trocken.

Bob O'Hara fügt hinzu: »All diese Leute waren unsere guten Nachbarn und Freunde. Als wir nach dem Kriege heimkehrten, konnten wir es einfach nicht länger ansehen, wie redliche und fleißige Familien von einem Yankee-Steuereintreiber ruiniert wurden. Was wir taten, war gar nichts. Für ganz Texas bedeutet dies nicht mehr als einen Tropfen Wasser auf einen heißen Stein. Wir werden wohl besser nicht heimkehren. Vielleicht kann Drummond sich irgendwie ausrechnen, woher die beiden Banditen kamen. Nun gut, Bill, du hast also die Hauptarbeit. Aber es gibt immer einen Dummen, der die Hauptarbeit machen muss.«

Wieder lachen sie. Sie alle sind noch recht jung, zwischen fünfundzwanzig und dreißig.

»Habt ihr denn keine Angst, dass ich euch und jene Leute, denen ihr das Geld zukommen lassen wollt, betrüge?«, fragt Bill Sander, nachdem sie wieder ernst wurden.

Ray Starr und Bob O'Hara betrachten ihren alten Kriegskameraden, der hier in dieser kleinen Stadt wohnt. Dann schütteln sie den Kopf.

»Nein, du nicht, Bill«, murmelte Ray Starr nachdenklich. »Wir waren zu lange im Krieg beisammen. Wir kennen uns wie Brüder. Du nicht, Bill Sander!«

Bob O'Hara nickt zu diesen Worten.

Sie sind sich beide, was ihre Größe und Figur angeht, sehr ähnlich, dieser Ray Starr und Bob O'Hara. Vielleicht ist O'Hara zehn Pfund schwerer, doch sonst könnte man in der Dunkelheit ihre Silhouetten verwechseln. Bei Tageslicht jedoch wirken sie sehr verschieden.

Ray Starrs Haare sind rot. Dennoch ist er ein Typ, der von der Sonne braun wird. Das ist selten. Sein Gesicht ist schmal, etwas hohlwangig, mit einer kurzen Nase und einem festen, männlichen Mund. Seine rauchgrauen Augen stehen weit auseinander. In diesem Gesicht sind einige Narben – Zeichen eines kämpferischen Lebens und vielleicht auch dafür, dass Ray Starr gewisse Lektionen hinnehmen musste.

Bob O'Hara wirkt voller im Gesicht; es ist breitflächiger, indianerhafter. Aber auch er hat die gleichen grauen Augen.

Sein Gesicht drückt manchmal eine wilde Verwegenheit aus. Dann wieder ist es ausdruckslos und verbirgt alles unter seiner Oberfläche.

Diese Männer sind Freunde.

Als sie aus der Kriegsgefangenschaft heimkamen, waren ihre Pflegeeltern tot und ihr Besitz versteigert. Vielen ihrer Nachbarn ging es mehr als schlecht, weil der Steuereintreiber James Drummond kein Erbarmen kannte.

Nun haben sie ihm wieder abgenommen, was er daheim bei ihnen durch Versteigerungen eintreiben konnte. Das Geld stammt mehr oder weniger von Yankees, die aus dem Norden kamen und als einzige Interessenten in der Lage waren, bei den Versteigerungen bares Geld zu zahlen.

Ray Starr und Bob O'Hara wollen nicht wieder heimkehren.

Sie besitzen dort nichts mehr.

Aber was werden sie tun?

Werden sie am Ende Banditen bleiben? Denn vor dem Gesetz sind sie Banditen geworden. Sie können sich nicht damit entschuldigen, dass sie sich gewissermaßen als Rächer der Betrogenen und Unterdrückten fühlten.

Das stand ihnen nicht zu.

Texas gehört zu den Staaten, die den Krieg gegen die Union verloren haben und nun dafür bezahlen müssen.

Washington ist weit. Hier in Texas regieren so kurz nach dem Krieg allein die Besatzungsmacht und die zivilen Vertreter der Union, wie zum Beispiel der Steuereintreiber James Drummond.

Ray Starr und Bob O'Hara haben leicht und schnell eine riesige Summe erbeutet – diesmal für andere Menschen.

Werden sie es nun für sich selbst auf ähnliche Art versuchen?

Das ist die Frage.

Sie halten sich noch drei Tage in River Bend auf, denn sie gelten als Bill Sanders einstige Kriegskameraden. Sie tragen auch nicht mehr das alte Zeug, in dem sie James Drummond sah. Sie wirken überhaupt sehr viel anders: frisch rasiert, mit gestutzten Haaren und in Weidekleidung. Auch das Hinken, an das sich James Drummond bei einem von ihnen erinnerte, ist nicht mehr zu sehen. Keiner von ihnen hinkt; es war nur ein Trick.

James Drummond und dessen vier Gehilfen und Leibwächter bekommen sie nicht mehr zusehen. Offenbar verfolgen diese fünf Männer eine Fährte, von der sie glauben, dass sie von den Banditen stammt. Vielleicht aber haben sich die fünf Männer auch getrennt und sind so rasch wie möglich zu den nächsten Orten geritten, um dort nach Anhaltspunkten zu suchen.

Ray Starr und Bob O'Hara kümmern sich nicht mehr darum. Sie benehmen sich ganz normal und so, als hätten sie nichts mit dem Geldraub zu tun.

Doch wer weiß, was James Drummond in Gang gebracht hat? Es ist sogar damit zu rechnen, dass er die Besatzungstruppe alarmieren ließ und nun überall Patrouillen nach zwei Banditen suchen, die drei Säcke voller Geld bei sich haben.

Am Morgen des vierten Tages verlassen sie River Bend, und sie tun dies nicht im Sattel und auch nicht in einem Wagen. Sie sitzen beide in einem flachen Boot, das sie für ihre Pferde eintauschten. Sie haben ihre Sättel und eine Menge anderes Zeug bei sich, wie es Männer brauchen, die ausziehen, um sich ein Stück Land zu suchen.

Und sie wissen schon, wo sie dieses Land finden können.

Man kommt bequemer und schneller auf dem Flusswege dahin – wenn man mutig genug ist, auf einem recht kleinen und flachen Boot den Brazos abwärts zu fahren.

Man muss auch kräftig genug sein, das Boot auf dem Landwege um die Stromschnellen herumtragen zu können.

Ray Starr und Bob O'Hara haben zweitausendsiebenhundertsiebenundfünfzig Dollar bei sich. Das ist ihr ganzer Anteil an der »Beute«. Denn für genau diese Summe wurde der Besitz ihrer Eltern an einen Yankee versteigert. Mehr wollte James Drummond nicht an Steuergeldern haben.

Nun wird man fragen, ob Ray Starr und Bob O'Hara die gleichen Eltern hatten.

Das hatten sie – nämlich Pflegeeltern. Ihre eigenen Eltern waren damals, als sie alle mit einem Wagenzug nach Texas kamen, von Comanchen getötet worden. So nahm sie ein Ehepaar wie eigene Söhne zu sich. Sie wuchsen also wie Brüder auf, und wenn sie an ihre Eltern denken, dann erinnern sie sich nur an die Pflegeeltern. Die eigenen Eltern vergaßen sie längst. Sie waren damals, als der Wagenzug überfallen wurde, noch zu klein. Bill Sanders ist an jenem grauen Morgen, da sie mit ihrem Boot auf dem Fluss rudern und sich dann von der Strömung flussabwärts tragen lassen, der einzige Mensch, der ihnen nachwinkt.

Bill Sanders hat in den vergangenen Tagen schon einige Pakete mit der Überlandpostkutsche abgesandt, und er wird es auch in den nächsten Tagen immer wieder tun. Und jedes Mal werden sich die Empfänger der Sendungen über die unverhofften Geldgeschenke freuen. Überall wird dieses Geld wirkliche Rettung aus tiefer Not sein.

Vielleicht sollte man die Banditen Ray Starr und Bob O'Hara nicht so verurteilen wie wirkliche Banditen, die aus eigennütziger Gewinnsucht rauben.

Es sieht an diesem grauen Morgen auf dem Fluss so aus, als würde für sie nach einem Abenteuer ein völlig neues Leben beginnen.

Aber sie werden irgendwann noch einmal mit James Drummond zu tun bekommen. Der Raub der Steuergelder war nur der Auftakt einer harten Auseinandersetzung.

Ray Starr und Bob O'Hara geraten mit James Drummond noch einmal aneinander. Irgendwann.

Doch dies alles liegt noch in der Zukunft.

Der Fluss ist schlimm. Wären die beiden Freunde noch das, was sie vor dem Kriege waren, nämlich Cowboys, so könnten sie ihn gewiss nicht mit solch einem Boot befahren.

Doch sie waren von Kriegsbeginn an in der Texas-Brigade. In diesen harten Jahren lernten sie so manche Dinge, ja, sie lernten mehr als in ihren zwanzig Lebensjahren zuvor.

Deshalb wagen sie es auch, den wilden Fluss hinunterzufahren. Es ist ein Kampf, und dennoch sieht es so aus, als mache ihnen dieser Kampf Freude, als genössen sie es, sich wieder zu bewähren und zu behaupten.

Manchmal müssen sie ihr Boot um die Stromschnellen tragen, müssen damit über felsige Uferstellen klettern. Obwohl es ein kleines und flaches Boot ist, wurde es doch stabil und solide gebaut. Es wiegt sicher an die vierhundert Pfund, aber diese beiden Männer schleppen die Last über die unwegsamen Uferstellen und holen dann das Gepäck nach.

Wem es bis jetzt noch nicht klargeworden wäre, der würde es nun erkennen können: Ray Starr und Bob O'Hara sind zu außergewöhnlichen Leistungen fähig und scheuen kein Wagnis.

So sind sie von River Bend aus drei Tage unterwegs und legen jeden Tag gewiss mehr als fünfzig Flussmeilen zurück.

Die Nächte verbringen sie an Land, unterhalten ein Feuer und braten die Fische, die sie aus dem Flusse fingen.

Sie sprechen nicht viel, denn sie kennen sich gut. Aber wenn sie in ihren Decken liegen und zu den Sternen blicken, dann ist es ziemlich sicher, dass sie sehr ähnliche Wünsche haben, Träume, denen sie nachhängen. Als sie den vierten Tag unterwegs sind, sagt Ray Starr knapp: »Hier muss es bald sein, Bob. Wenn uns Steve Rudledge die Gegend damals richtig beschrieb, dann beginnt hinter der nächsten Stromschnelle jenes mächtige Tal, das die beste Longhorn-Weide der Welt sein soll. Der gute Steve! Warum hat er uns nicht selber hinführen können? Warum musste er in der letzten Schlacht bei Appomattox noch fallen? Schließlich war er es doch, der vor mehr als fünf Jahren eine Herde durch das Felsentor in jenes Tal trieb. Alle Rinder dort müssen Nachkommen seiner Herde sein.«

»Und sie gehören uns, weil wir Steves Freunde waren und er uns alles vermachte. Sie gehören uns, Ray! Das dürfen wir vor allen Dingen nicht vergessen.«

Bob O'Hara betont diese Worte auf besondere Art.