G. F. Unger Sonder-Edition 278 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 278 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Morgan Quaid, der Mann, dem die kleine Stadt Amity gehörte, ist tot, und Big Kelly Woodbridge wittert Morgenluft. Gegen Quaid hatte der machtgierige Rancher nie eine Chance, aber nun wird er sich die Stadt und das fruchtbare Canyon Valley unter den Nagel reißen.
Doch Quaid hinterließ ein Testament, und vier schöne Frauen sind seine Erbinnen. Gegen Frauen kann Woodbridge keinen Krieg führen wie gegen Männer. Er muss mit großen Schwierigkeiten rechnen, sobald die vier in Amity sind. Aber noch ist es nicht so weit. Noch reitet Town-Marshal Al McGill, der Freund des Toten, durch den Westen, um die Frauen ausfindig zu machen und sie zu bewegen, Quaids tödliches Erbe anzutreten...


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Seitenzahl: 180

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

McGill und die Ladys

Vorschau

Impressum

McGill und die Ladys

Als Betty Callaghan ihre Darbietung auf der Bühne des Chrystal Palace beendet hat, da brandet der Beifall aus dem Saal gewaltig zu ihr empor. Die Amüsierhalle ist bis auf den letzten Platz gefüllt, und an der langen Bar stehen die durstigen Kehlen drei Glieder tief und werden von einem knappen Dutzend Barkeepern bedient.

Doch als Betty Callaghan ihre Lieder sang, da verharrte alles still, so als wären all die rauen Kerle der Silberstadt zur Salzsäule erstarrt, gebannt und verzaubert.

Zweimal musste Betty Callaghan Zugaben machen.

Doch nun verlässt sie endgültig die Bühne und kommt nicht mehr zum Vorschein. Und so ebbt das Trampeln, Klatschen, Pfeifen und Brüllen endlich ab.

Man besinnt sich wieder darauf, dass es auch noch andere Vergnügungen in der großen Halle gibt, in der ein Dutzend Kristallleuchter hängen und das Licht funkeln lassen.

Betty Callaghan strebt ihrer kleinen Garderobe zu, und als sie den Raum betritt, sitzt dort ein Mann auf der Fensterbank und lehnt mit dem Rücken am geschlossenen Fensterladen. Einen Fuß hat er auf dem Boden stehen. Mit dem anderen Fuß und Unterschenkel schlenkert er lässig. Betty Callaghan hält inne und spricht spröde: »Raus hier! Ich mag das nicht! Raus hier!«

Betty Callaghan ist mehr als nur hübsch. Auf eine eigenwillig wirkende Art ist sie schön. Ihr Haar leuchtet wie Rotgold, und ihre Augen sind türkisfarben. Auch sonst ist alles nicht nur richtig, sondern vollkommen an ihr.

Der Mann auf der Fensterbank schüttelt leicht den Kopf und deutet auf den einzigen Stuhl im Raum.

»Nehmen Sie erst mal Platz, Lady«, sagt er und grinst. »Und hören Sie sich an, was ich zu sagen habe. Ich bin nicht hier, um Sie ins Bett zu bekommen, obwohl mir dies gewiss mächtig Spaß machen würde. Ich bin sozusagen geschäftlich hier.«

Er hat kaum ausgesprochen, als die Tür aufgerissen wird. Big Bull, der Rauswerfer der Amüsierhalle, erscheint.

»He«, beginnt er, »ich hörte, dass sich jemand hier eingeschlichen hat. Soll ich ihn rauswerfen, Betty?«

»Im hohen Bogen, Bully«, erwidert sie spröde. »Der hat sich mit einem ganz miesen Trick an mich ranzumachen versucht. Ja, wirf ihn raus!«

Der riesige Bursche lässt ein zufriedenes Grollen hören, das tief aus seiner Brust kommt. Und in seinen kleinen Augen glitzert es gierig.

Wahrscheinlich trifft auf ihn zu, was Lucius Annaeus Seneca, der Erzieher des Kaisers Nero, einst sagte: »Die Lust zu schlagen ist vielen dicken Männern eigen. Und schlagen sie, so wird ihr kleines Hirn noch kleiner als ihre Faust.«

Er kommt brummend und grollend wie ein Bär in den kleinen Raum und will nach dem Fremden greifen.

Doch bevor er ihm nahe genug gekommen ist, tritt ihm der Fremde dorthin, wo bei jedem Mann die wahrscheinlich empfindlichste Stelle ist. Und als der grollende Bulle sich vor Schmerz verbeugt, sich dabei aber vorwirft, um dem Eindringling mit beiden Armen in Hüfthöhe zu umklammern, reißt der Fremde sein Knie hoch und trifft damit Big Bulls Kinn.

Und das ist dann doch zu viel für den Rauswerfer.

Er taumelt rückwärts durch das noch offene Türachteck.

Der Fremde aber folgt ihm bis zu dieser Tür und schließt sie, schiebt den Riegel vor und wendet sich wieder an Betty Callaghan.

»Schwester«, spricht er, »ich glaube, nun weiß ich, warum Morgan Oates Quaid damals vor Ihnen die Flucht ergriffen hat wie ein Wolf vor einer giftigen Viper. Aber ich habe nun mal ein Vermächtnis, einen Auftrag und eine Pflicht zu erfüllen und ein gegebenes Wort zu halten. Und nun setzen Sie sich endlich und hören mir zu, Sie kratzbürstiges Weibsstück.«

Sie starrt ihn böse an, und es ist ersichtlich, dass sie irgendwie gegen fremde Männer eine misstrauische Abneigung hegt. Wahrscheinlich ist sie das, was man »ein gebranntes Kind« nennt.

Aber sie gehorcht, setzt sich und spricht: »Mann, Sie haben sich jetzt einen gewaltigen Ärger mit Big Bull Hammer eingehandelt. Aber gut, ich höre. Und wie Sie herauskommen aus dieser Halle, das soll Ihre Sorge sein.«

Er nickt und geht wieder zur Fensterbank, nimmt dort seinen vorherigen Sitz wieder ein, schlenkert abermals mit einem Fuß.

»Mein Name ist McGill«, spricht er ruhig, »Al McGill. Ich bin der Marshal von Amity. Ein gewisser Morgan Oates Quaid hat Sie zu einer seiner vier Erbinnen eingesetzt. Ja, er ist tot. Und er wollte in seiner letzten Stunde an Ihnen und den drei anderen Ladys etwas gutmachen. Wenn Sie aber das Erbe nicht antreten wollen, dann unterschreiben Sie dieses Papier. Und dann gehe ich und belästige Sie nicht länger. Also?«

Er holt ein zusammengefaltetes Papier aus der Innentasche seiner Jacke und beugt sich vor, reicht es ihr hinüber.

Sie nimmt und entfaltet es.

Nach einer Weile hebt sie den Kopf und fragt: »Was ist das für ein Hotel? Vielleicht eine verlauste Hütte mit drei Zimmern?«

Er grinst, und er ist ein blonder, blauäugiger Bursche, in dessen gebräuntem Gesicht einige harte Linien sind, auch kaum erkennbare Narben, besonders auf der Nase. Es ist ein sehr männlich wirkendes Gesicht.

»Es ist ein hübsches Hotel in einer hübschen Stadt«, erwidert er. »Ein Restaurant gehört dazu, ein eigener Hotelstall, eine Badeanstalt und ein Barbierladen. Das Personal besteht aus acht Personen. Und der Gewinn lässt sich sehen. Wann können wir uns auf den Weg machen?«

Nach dieser knappen Frage zuletzt sieht man ihm an, dass er alles gesagt hat.

Sie sieht ihn im Lampenschein fest an, starrt in seine Augen.

»Und es gibt noch drei andere Erbinnen außer mir? Was erben die denn?«

Sie fragt es mit sprödem Misstrauen.

Wieder grinst er, und immer dann, wenn er so grinst und seine blinkenden Zahnreihen zeigt, wirkt er verwegen und jungenhafter.

»Das werden Sie sehen, Miss Callaghan«, erwidert er. »Können wir die Mitternachtspostkutsche nehmen? Sie fährt in einer halben Stunde.«

»Nach Amity?« So fragt sie. »He, wo liegt Amity überhaupt? Ich habe nie etwas von diesem Nest gehört. Es muss ein kleines jämmerliches Nest sein – oder?«

»Es ist eine hübsche Stadt. Und sie gehörte Morgan Oates Quaid«, erwidert er. »Nun wird sie unter vier Ladys aufgeteilt als Wiedergutmachung, weil er euch alle nacheinander sitzen ließ aus Angst, jeder von euch bis ans Ende seines Lebens mit Haut und Haaren gehören zu müssen. Er wollte stets frei sein, war auf der Suche nach der großen Herausforderung. Er fand sie in Amity. Das ist ein hübscher Name für eine Stadt, nicht wahr? Amity, dies heißt Freundschaft. Also, kommen Sie mit, oder unterschreiben Sie die Verzichtserklärung.«

Sie hebt ihr Kinn und starrt ihn mit sprühenden Augen an.

»Ich würde schon mitkommen«, spricht sie. »Aber es ist nicht sicher, dass Sie diese Stadt lebend verlassen werden. Sie haben sich mit Big Bull Hammer angelegt.«

Er grinst, rutscht von der Fensterbank, wendet sich, öffnet den Fensterladen und klettert hinaus in den dunklen Hof.

Wie ein Schatten verschwindet er, aber sie hörte noch seine Worte: »In einer halben Stunde in der Postkutsche.«

Sie verharrt einige Atemzüge lang.

Dann geht sie zur Tür und öffnet diese.

Im gleichen Sekundenbruchteil wollte sich Big Bull Hammer von draußen mit Anlauf gegen diese Tür werfen. Doch weil er keinen Widerstand mehr findet, stürmt er brüllend durch das Zimmer und wird von seinem Schwung mit dem Oberkörper bis zum offenen Fenster getragen, ja, er fällt mit dem Oberkörper weit über die Fensterbank.

»Du verdammter Hurensohn, wo bist du? Komm her und kämpfe!« So brüllt er böse.

Aber da taucht im herausfallenden Lichtschein McGills geschmeidige Gestalt bei ihm auf. Big Bull Hammer hört ihn sagen: »Hier bin ich, mein Freund.«

Und dann bekommt Big Bull Hammer was auf seine Rübe, dass er auf der Fensterbank liegenbleibt, halb im Zimmer und halb außerhalb.

Betty Callaghan hat es nun eilig.

Sie muss noch ins Hotel, um dort ihre Siebensachen zu packen und Reisekleidung anzuziehen.

Und immer noch weiß sie nicht, wo die Stadt Amity liegt.

Als sie in die Expresspost nach Süden geklettert ist, fährt die Kutsche auch schon mit einem Ruck an und wirft sie mit dem Rücken gegen die Lehne der hinteren Bank. Neben ihr sitzt McGill. Sie hört durch das Hufgetrommel, das Peitschenknallen und die Rufe des Fahrers sein leises Lachen. Dann lehnt er sich etwas zu ihr herüber und spricht in ihr Ohr: »Sie sind doch ein kluges Mädchen, Betty Callaghan.«

»Das werde ich erst in Amity wissen«, erwidert sie. »Wo liegt dieses Nest eigentlich? Wie viele Meilen müssen wir fahren?«

»Viele Meilen«, erwidert er. »Und auch einige Umwege müssen wir machen und mehrmals die Postlinien wechseln. Denn wir müssen erst noch die drei anderen Ladys abholen. Ich muss mit euch vier Süßen zugleich in Amity ankommen. Wir sind jetzt unterwegs zu Jane Quincy. Die ist zwar keine Künstlerin wie Sie, Betty, soll aber irgendwo am Cimarron eine Post- und Frachtstation der Santa-Fé-Linie leiten. Sie ist nach Ihnen, Betty, die zweite Schöne, der Morg Quaid weggelaufen ist.«

»Und was wird oder soll sie erben?« Betty Callaghan fragt es fast gierig.

»Eine Frachtlinie, den Store und den Mietstall«, erwidert McGill. »Und ich denke, dass ihr alle euch so ähnlich seid wie Schwestern. Denn Morg Quaid liebte stets den gleichen Typ von Frauen, groß, schlank, vollbusig, langbeinig, blond und grünäugig. Und er bekam ja stets, was er wollte. Er war ja auch ein besonderer Bursche, nicht wahr?«

Sie erwidert nichts. Erst nach einer Weile fragt sie: »Und warum ist er nun tot? Hat ihn ein gehörnter Ehemann abgeschossen? Oder hat ihm eine verlassene Geliebte ein Messer ins Herz gestoßen?«

»Nein«, erwidert McGill durch die Geräusche der Kutsche und das Hufgetrommel des Sechsergespanns. »Es war ein rostiger Nagel in einer Silbermine, in den er trat. Der Nagel ging glatt durch die Stiefelsohle. Dann kam die Blutvergiftung. Sie nahmen ihm zwar noch das Bein ab, aber das war zu spät. Er starb gewissermaßen an einem rostigen Nagel. Und dabei gab es nicht mal mehr Silber in der alten Mine.«

Sie schweigen nun eine Weile.

Dann spricht Betty Callaghan ruhig: »Das hatte er davon. Frei sein wollte er und machte sich dünn. Es war seine ganz persönliche Freiheit, dass er in einen rostigen Nagel trat. Und wie standen Sie zu ihm, McGill?«

»Oh, nennen Sie mich einfach nur Al«, bietet er ihr an. »Wissen Sie, Betty, wir alle werden in Amity eine Gemeinschaft sein müssen, eine Crew, ein Team. Ich bin der Marshal dieser Stadt. Ich werde euch beschützen müssen. Und so wird es wohl gut sein, wenn wir uns alle mögen und einander freundlich gesinnt sind.«

»Dann sollen wir wohl alle abwechselnd mit Ihnen ins Bett?« Sie fragt es herausfordernd.

Da lacht er leise.

»Oh, Süße«, spricht er dann, »ich musste bisher noch niemals eine Frau zwingen, sich von mir ins Paradies führen zu lassen. Im Gegenteil, ich musste manchmal...«

»Hören Sie auf«, unterbricht sie ihn. »Ich glaube fast, dass Sie ein verdammter, eingebildeter, unerträglicher Angeber sind – vielleicht sogar ein richtiger Kotzbrocken, was Frauen betrifft. Na, wir werden ja sehen. Ich bin jetzt sehr neugierig. Und froh sein können Sie, dass Sie unbeschadet aus der Stadt kamen. Big Bill Hammer hätte...«

»Ah, der hätte gar nichts«, unterbricht er sie. »Mit solchen Narren habe ich es in Amity ständig zu tun.«

Nun schweigen sie beide. Die Kutsche rollt durch die Nacht und wird alle dreißig Meilen ihr Gespann wechseln.

Und irgendwann werden sie eine Station erreichen, wo es diese Jane Quincy geben soll, welche ebenfalls von Morg Quaid mal verlassen wurde und nun eine der Erbinnen werden soll.

Die Stunden vergehen. Es wird Tag, und dann geht auch dieser Tag seinem Ende zu. Die Kutsche rollt und rollt.

Als es wieder Nacht geworden ist, erreichen sie die Raton Creek Station. Der Raton Creek kommt vom Raton-Pass herunter, über den man Taos und auch Santa Fé erreichen kann.

Aus dem Stationshaus dringt Lärm. Zur Station gehören auch ein großer Gastraum und ein zweiter Raum, der ein kleiner Store ist.

Im Gastraum grölen trunkene Stimmen. Am Haltebalken stehen einige Sattelpferde.

Ein alter und ein junger Mexikaner kommen mit dem frischen Gespann, um es gegen das erschöpfte auszutauschen. Denn die sechs Pferde sind dreißig Meilen stetig getrabt und nun ziemlich erschöpft.

Der Fahrer fragt noch vom hohen Bock hernieder: »He, Pablo, was ist dort drinnen für eine Affenbande am Grölen?«

Der ältere Mexikaner verharrt beim rechten Vorderrad und blickt empor.

»Das sind die Bad Brothers«, spricht er dann. »Sie sind übel betrunken. Sie bedrängen die Patrona schon eine ganze Weile. Heute sind sie besonders wild, böse und verrückt. Und gefährlich sind sie, sehr gefährlich.«

Der Fahrer und dessen Begleitmann verharren unschlüssig auf dem hohen Bock.

»Ich habe sieben Passagiere in der Kutsche«, murrt der Fahrer dann. »Wenn ich die zum Abendbrot aussteigen lasse, indes das Gespann gewechselt wird, bekommen sie sicherlich Ärger mit den wilden Cassedy-Brüdern. Verdammt, ich hätte Lust, einfach weiterzufahren.«

Doch da meldet sich McGill, welcher inzwischen ausgestiegen ist und neben den Mexikaner trat. McGill spricht empor: »Das geht nicht. Ich habe hier eine geschäftliche Angelegenheit zu regeln. Das dauert etwa eine halbe Stunde. Und so lange bleibt die Kutsche hier stehen.«

Als er verstummt, knurrt der Fahrer vom hohen Bock nieder. »Und wer sind Sie, Mann, dass Sie hier so große Töne spucken? He, wer sind Sie?«

»Der Marshal von Amity«, erwidert McGill. »Und was die Brüllaffen dort drinnen betrifft, mein Freund, die werde ich schon beruhigen.«

Nachdem er dies gesagt hat, setzt er sich in Bewegung.

Der Fahrer aber sagt zu seinem Begleitmann fast jauchzend: »Oho, das will ich mir ansehen! Komm, Jube, das sehen wir uns an!«

Sie springen eilig vom Bock und folgen McGill.

Aus der Kutsche klettern die Fahrgäste. Doch bis auf Betty Callaghan verharren sie im Hof. Nur Betty folgt den Männern hinein.

Al McGill weiß ziemlich sicher, was ihn dort drinnen erwartet. Aber diese Station ist jene, die von Jane Quincy geleitet wird. Er weiß es längst, denn in Morgan Oates Quaids Aufzeichnungen konnte er es als Testamentsvollstrecker lesen. Morg Oates Quaid wusste stets, wo sich seine früheren vier Geliebten aufhielten und zu finden waren. Dies musste ihn nicht wenig Geld gekostet haben, denn zum Beispiel Betty Callaghan war viel herumgezogen. Wahrscheinlich fühlte sich Morg Quaid so sehr in der Schuld seiner einstigen Geliebten, dass er stets die Möglichkeit haben wollte, eingreifen zu können, sollten sie mal in echte Not geraten.

McGill tritt mit einer gleitenden Bewegung von der Veranda des Stationshauses in den großen Gastraum, weicht etwas zur Seite und verharrt einige Sekunden. Seine Augen müssen sich erst an das Licht im Raum gewöhnen. Denn er kam ja aus dem Dunkel der Nacht.

Doch dann sieht er alles.

Hinter dem Schanktisch steht eine junge Frau, blond, grünäugig und mehr als nur hübsch. Und davor lümmeln sich drei Kerle, die wie Weidereiter gekleidet sind, aber ihre Revolver zu tief und zu herausfordernd in ihren Holstern tragen, um Weidereiter zu sein.

Ein vierter, älterer und vollbärtiger Mann sitzt in der Ecke an einem Tisch hinter einer Flasche. Ein Glas ist nicht zu sehen. Wahrscheinlich trinkt er ohne alle Umwege.

Diese vier nehmen nun den eingetretenen McGill wahr und betrachten ihn.

Und von den drei wild und verwegen wirkenden Burschen am Schanktisch wird er sofort als ungebetener Eindringling empfunden.

Einer sagt: »He, wer ist der denn?«

Die beiden anderen lachen wie wild und verrückt. Dann spricht einer: »Oh, der da ist irgendein Arsch, der hier nur stört. He, du Arsch, schleich dich! Hau wieder ab, bevor wir dir Beine machen! Wir losen hier gerade aus, wer von uns die schöne Jane zuerst vernaschen wird. Hau ab!«

Sie sind wirklich schwer betrunken und deshalb völlig enthemmt. Wahrscheinlich wissen sie nicht mehr, was sie da reden.

McGill erwidert nichts. Aber er setzt sich in Bewegung und tritt nach einigen Schritten an das Ende des Schanktisches, in dessen Nähe auch die Frau verharrt.

Er greift höflich an die Hutkrempe und fragt: »Ma'am, sind Sie Jane Quincy?«

»Die bin ich«, erwidert diese.

Er nickt zufrieden. »Dann habe ich mit Ihnen wegen einer Erbangelegenheit zu reden«, spricht er weiter. »Können wir in einen anderen Raum gehen, wo wir uns ungestört unterhalten können?«

»Sicher«, erwidert sie, und man sieht ihr an, dass sie erleichtert und zugleich besorgt ist, also einen Wechsel von Gefühlen spürt.

Die drei betrunkenen Burschen am Schanktisch verharrten still und lauschten.

Nun aber machen sie sich wieder bemerkbar.

»Die geht mit dir nirgendwohin, höchstens nacheinander mit uns«, grollt einer und nähert sich McGill drohend. Als er nahe genug zu sein glaubt, schlägt er einen Schwinger nach McGills Kopf – und stolpert vom Schwung seines Fehlschlages zur Seite. Denn McGill nahm seinen Kopf weg. Der Kerl brüllt.

Und dann bekommt er es mit zwei Schlägen, wird herumgewirbelt und gegen seine beiden Brüder gestoßen.

Sie fallen um, und da sie nicht zur gleichen Zeit hochkommen, McGill es also stets nur mit einem zu tun hat, werden sie von ihm nacheinander immer wieder von den Beinen geschlagen, bis keiner mehr aufsteht.

Doch da ist noch der ältere, vollbärtige Mann am Tisch in der Ecke.

Er hält in der einen Hand die Flasche – und in der anderen Hand den Revolver, den zu ziehen er ja eine Menge Zeit hatte.

Nun spricht er mit tiefer Bassstimme: »Freund, das war gute Arbeit, aber wenn man bedenkt, dass diese drei Jungs schon ziemlich betrunken sind, dann war das auch wieder nicht ganz so gut. Weißt du, mein Freund, dein Pech ist es, dass sie meine Neffen sind. Ich bin ihr Onkel Hogjaw. Wohin soll ich dich zuerst mit heißem Blei schießen – he, wohin zuerst?«

Er fragt es mit einem Klang in der Stimme, welcher verrät, dass er zu jenen Burschen gehört, die Freude an Gewalttaten haben, weil sie sonst ohne jedes Erfolgserlebnis wären.

Einige Sekunden lang bleibt es still.

Betty Callaghan, die durch die offene Tür in den Gastraum trat, verhielt dort und sah zu, wie McGill die drei wilden Burschen kleinmachte.

Nun aber spricht sie ruhig: »He, Mister Schwarzbart, daraus wird wohl nichts. Denn dann bekommen Sie es mit mir.«

Hogjaw Cassedy – so heißt der Onkel der Bad Brothers – wendet seinen Kopf, blickt auf die schöne Frau und sieht den kleinen Colt-Derringer in deren Hand. Es ist eine zwar kleine und nur zweischüssige, doch aber auf kurze Entfernung recht gefährliche Waffe.

Er will etwas sagen, doch in diesem Sekundenbruchteil zeigt McGill sein Zauberkunststück. Sein schwerer Colt befindet sich plötzlich in seiner Faust und spuckt Feuer. Auch Hogjaw Cassedy drückt zwar noch ab, aber er war für einige Sekundenbruchteile von Betty Callaghan abgelenkt, blickte auf diese, obwohl er seine Waffe auf McGill gerichtet hielt.

Seine Kugel trifft nicht. Er aber wird von McGills Kugel mitsamt dem Stuhl umgestoßen und landet in der Ecke. Man hört sein schmerzvolles Stöhnen.

Der Fahrer und dessen Begleitmann sowie zwei männliche Fahrgäste kommen herein.

»Die Bad Brothers und deren Onkel machen überall immer wieder Ärger«, spricht der Fahrer bitter. »Warum eigentlich hat sie noch niemand in einer Stadt an diesem Wagenweg an den Hälsen aufgehängt?«

Er erhält keine Antwort. Doch er macht sich daran, die Waffen der Cassedys einzusammeln.

Indes kommt Hogjaw Cassedy stöhnend aus der Ecke unter dem Tisch hervorgekrochen und setzt sich auf. Seine Linke drückt er auf das Einschussloch in der rechten Schulter. Schnaufend und stöhnend spricht er: »Immer diese verdammten Weiber... Sie hat dir geholfen, verdammt! Ohne ihre Hilfe hättest du mich nicht schaffen können. Diese verdammte Katze hat dir geholfen.«

Er verstummt vorwurfsvoll, holt Luft und knirscht dann: »Na los, versorgt meine Wunde! Wollt ihr mich verbluten lassen? Das Ausschussloch in meinem Rücken muss riesengroß sein. Ich laufe aus, verdammt, ich laufe aus! Seid ihr denn hier keine Christenmenschen? Helft mir, verdammt!«

Sie alle staunen.

Dann beginnen der Fahrer und dessen Begleitmann wie wild zu lachen. Sie können sich gar nicht beruhigen.

Dann endlich, nachdem sie wieder einigermaßen zu sich kamen, fragt der Fahrer in die Runde: »Man könnte ihn fast für einen Komiker halten, nicht wahr? Er fragt uns, ob wir keine Christenmenschen wären, oho. Ich...«

»Legt ihn auf den großen Tisch dort«, unterbricht ihn Betty Callaghans Stimme. »Und dann brauche ich Verbandszeug. Ja, ich will seine Wunde versorgen. He, McGill, erledigen Sie Ihre Geschäfte, damit wir so schnell wie möglich weiterkommen.«

Sie wirft einen Blick auf Jane Quincy, die noch hinter dem Schanktisch verharrt.

»Er wird Ihnen ein prächtiges Angebot machen, Schwester. Nehmen Sie es an und kommen Sie mit in eine Stadt, die Morgan Oates Quaids Stadt gewesen sein soll. Ich bin sehr neugierig auf alles, was uns dort erwartet. Lassen Sie hier einfach alles stehen und liegen und kommen Sie mit...«

Jane Quincy verharrt noch einige Atemzüge lang neben dem offenen Kutschenschlag, und es ist gewiss ein letztes Zögern in ihr.

Doch dann wendet sie sich entschlossen an ihre beiden Stationshelfer und sagt zu ihnen: »Ihr macht also hier weiter. Ich sage dem Hauptagenten in Santa Fé Bescheid, dass er jemanden herschickt, und empfehle dich als meinen Nachfolger, Pablo. Du hättest es verdient. Aber ich kann nicht mehr bleiben. Ich muss zu jener Stadt, die...«

Sie spricht nicht weiter, sondern klettert in die Kutsche. Diese ruckt an, und der Ruck lässt Jane Quincy zurückfallen in den Sitz. So war es auch schon bei Betty Callaghan. Nun sitzen sie nebeneinander. Und bei Tageslicht könnte jeder Mensch sehen, dass sie sich gleichen wie Schwestern.

Denn Morgan Oates Quaid liebte stets den gleichen Frauentyp.

Einer der anderen Fahrgäste sagt: »Das war eine üble Bande. Werden diese Kerle nicht ihre Wut an den beiden Stationshelfern oder gar an der Station auslassen?«

»Nein, so dumm sind sie auch wieder nicht«, erwidert Jane Quincy. »Die Post- und Frachtlinie ist mächtig genug, Kopfpreise auf sie auszusetzen. Dann haben sie Killer – Kopfpreisjäger – auf ihrer Fährte, wohin sie auch reiten. Nein, mit der Postlinie legt sich keiner der Cassedys an.«