G. F. Unger Sonder-Edition 281 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 281 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Die Ranchgebäude lagen wie ausgestorben. Von meinem Bruder Jube keine Spur. Suchend blickte ich in die Runde. Dann sah ich den flachen Grabhügel und das Kreuz mit Jubes Namen. Und wenig später fand ich das Strickende, das zu einer Schlinge geknotet war.
Bewegungslos hockte ich im Sattel, starrte abwechselnd auf das Grab und die Henkerschlinge und murmelte: "He, Jube, sollte jemand dich umgebracht haben, ich schwöre dir, er wird es bezahlen!" In dumpfes Brüten versunken, ritt ich davon. Ich war aus dem Krieg heimgekehrt im Glauben, der Hölle entronnen zu sein. Jetzt begann ich zu ahnen, dass die Hölle mir erst noch bevorstand...


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Seitenzahl: 173

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

... das schwöre ich dir!

Vorschau

Impressum

... das schwöre ich dir!

Es war schon ein Jahr nach dem für die Südstaaten verlorenen Krieg, als ich ins Pecos-Land und auf die Heimatweide zurückkam. Dass ich so spät erst heimkehrte, lag daran, dass ich nicht als Tramp zurückkommen wollte wie die meisten entlassenen Kriegsgefangenen damals.

Vor mehr als fünf Jahren war ich stolz davongeritten. Und jetzt kehrte ich stolz zurück, nämlich im Sattel eines guten Pferdes, mit Colt und Gewehr – und ein paar Dollars in der Tasche. So gehörte es sich meiner Meinung nach.

Dass wir besiegt worden waren von den Yanks, dies war schon schlimm genug. Aber als Bettler wollte ich nicht heimkommen.

Ich fragte mich immer wieder während des langen Heimwegs, der ja Wochen dauerte, was wohl inzwischen aus meinem kleinen Bruder geworden war.

Fünf Jahre waren eine lange Zeit. Er musste längst schon ein Mann geworden sein. Unsere Eltern waren tot. Mam war vor drei Jahren gestorben, und unser Vater hatte sie nur ein Jahr überlebt.

Das hatte mir mein Bruder geschrieben – und sein Brief erreichte mich um viele Wochen zu spät.

Doch nun kehrte ich heim.

Verdammt, ich konnte es kaum noch erwarten, den letzten Hügel zu überqueren und freie Sicht zu bekommen auf unsere kleine Ranch am hübschen See, welcher von niemals versiegenden Quellen gespeist wurde und dessen Abfluss einen Creek bildete.

Ich sah da und dort Rinder auf der Weide. Es waren viele Rudel. Diese Rinder mussten sich in den vergangenen Jahren wie Kaninchen vermehrt haben.

Als ich durch eine Hügelkette ritt, tauchten vor mir zwei Reiter auf.

Sie hielten auf dem schmalen Pfade an, versperrten mir also den Weg.

Auch ich hielt an und betrachtete sie.

Ich kannte diese Sorte. Das waren harte Burschen. Nur auf den ersten Blick konnte man sie für Cowboys halten. Aber sie gehörten zu der Sorte, die man Revolverreiter nannte.

Denn sie konnten mit dem Revolver besser umgehen als mit dem Lasso.

Sie hatten auf mich gewartet. Wahrscheinlich sahen sie mich schon vor einer Weile vom Hügel aus kommen.

Einer fragte: »He, was reitest du hier herum? Wer bist du? Und wohin willst du?«

Es waren barsche Fragen.

In mir stieg ein kalter Zorn hoch.

»Ihr versperrt mir den Weg«, sagte ich. »Macht Platz da! Wer seid ihr?«

Aber sie grinsten nur und hatten ihre Hände an den Coltkolben, stellten sich in den Steigbügeln auf, um besser ziehen zu können.

»Auf dieser Weide«, sagte einer, »stellen wir die Fragen. Und hier reitet auch niemand ohne unsere Erlaubnis herum.«

Sie waren bereit. Aus welchen Gründen auch immer, war dies eine raue und gefährliche Weide für jeden Fremden.

Aber es war meine Heimatweide.

Heiliger Rauch, was hatte sich hier verändert?

Und es musste sich eine ganze Menge verändert haben.

Ich war kein Bursche, der viele Worte liebte oder eine Drohung ausstieß.

Das Pferd unter mir war ein altes Kriegspferd, was Kampferfahrung betraf. Sonst war es im besten Pferdealter. Und so ließ ich es anspringen. Die beiden Kerle zauberten ihre Revolver heraus, aber mein Pferd war schneller. Denn als sie ihre Waffen auf mich richten wollten, war ich schon zwischen ihnen. Mein Pferd rammte zwischen die Tiere. Ich stieß den Rebellenschrei aus, um die Tiere noch mehr zu erschrecken, und breitete beide Arme aus, bekam die Kerle zu fassen und riss sie von den Pferden.

Es war ein wilder, explosiver Ausbruch.

Über meinem Sattelhorn knallte ich die strampelnden Kerle mit den Köpfen zusammen und ließ sie dann fallen.

Ich riss mein Tier auf der Hinterhand herum – aber es gab nichts mehr zu tun.

Die beiden soeben noch so stolzen und großspurigen Revolverschwinger lagen am Boden und rührten sich vorerst nicht.

Ich hatte ihre Köpfe wirklich kräftig zusammengestoßen in meinem jäh aufbrechenden Zorn.

Ich wartete, bis sie wieder zu sich kamen, aufsetzten und sich die anschwellenden Beulen vorsichtig mit zitternden Fingerspitzen betasteten.

Dann richteten sie ihre Blicke auf mich.

»Das brummt jetzt wohl ein wenig in euren Bumsköpfen, ja?« So fragte ich nicht unfreundlich. Und dann tröstete ich sie mit den Worten: »Nun, das wird wieder vergehen. Nichts bleibt ewig. Wollt ihr Revanche? Ich gebe sie euch!«

Sie erwiderten nichts – vorerst nichts.

Aber sie tasteten sitzend nach den Colts.

Diese steckten nicht mehr in ihren Holstern. Denn als sie mir den Weg versperrten, waren sie bereit zum Ziehen, und deshalb hatten sie die Halteschlaufen gelöst. Als ich sie aus den Sätteln riss, verloren sie die Waffen.

Doch sie lagen beide in ihrer Reichweite. Sie brauchten nur ihre Hände auszustrecken und zuzugreifen.

Dies war auch fast zu gleicher Zeit einen Sekundenbruchteil lang ihr wilder, böser Impuls. Doch im nächsten Moment holte ihr Verstand sie wieder ein.

Und so ließen sie es und atmeten zitternd aus.

Einer sagte: »Na schön, wir haben dich unterschätzt. Du bist wahrscheinlich eine Nummer zu groß für uns. Wir sind keine Narren. Aber in diesem Lande macht man sich die Reiter der Rankin-Mannschaft nicht zu Feinden.«

»Rankin-Mannschaft?« So fragte ich.

Nun staunten sie. »Er ist offenbar total fremd hier«, sagte der andere Mann. »Der weiß nicht, was hier los ist. Und weil das so ist, wird er sich bald wünschen, niemals in dieses Land gekommen zu sein. Hau ab!«

Die letzten Worte waren an mich gerichtet.

Ich sah zu ihren Pferden hinüber, welche ein Stück zur Seite gesprungen waren und nun an den Gräsern rupften.

An beiden Tieren erkannte ich ein verschnörkeltes R als Brandzeichen.

R, das bedeutete wohl Rankin.

Aber wer war Rankin?

Es hatte früher hier in unserem Lande im großen Rio-Grande-Knie nie einen Rankin gegeben.

Sollte ich diese beiden Kerle nochmals fragen?

Ich ließ es, denn ich würde bald andere Leute treffen, welche mir gewiss genaue Auskunft geben würden, mein Bruder Jubal zum Beispiel.

Wortlos ritt ich weiter.

Es waren ja nur noch wenige Meilen zu unserer Ranch in den Antelope-Hügeln.

Unsere kleine Ranch lag wie verlassen da. Nur in den Korrals regten sich dann und wann einige Tiere, wenn sie zum Wassertrog wollten oder ihre Stellung veränderten.

Menschen waren nicht zu sehen.

Die Ranch wirkte noch so, wie ich sie einst verließ, was die Größe der Gebäude, Stallungen und Korrals betraf.

Aber alles sah älter und verwitterter aus.

Mein Bruder hatte also keine Erweiterungen vorgenommen. Nicht einmal ans Ausbessern gedacht.

Wahrscheinlich hatte ihm das Geld für Arbeitskräfte gefehlt. Die Zeiten nach dem Krieg waren schlecht hier im Südwesten. Niemand hatte Bargeld. Und für die Rinder gab es keine Absatzmärkte.

Wer wollte schon Rinder kaufen?

Nur die Armee brauchte manchmal etwas Fleisch für sich oder die Indianer in den Reservaten. Und auch die Minen-Camps mussten dann und wann Fleisch kaufen.

Doch das alles war wie ein Tropfen Wasser auf einen heißen Stein für alle Rinderzüchter.

Ich wusste das längst, denn ich war ja von Osten her durch ganz Texas geritten. Vorgestern hatte ich den Pecos durchfurtet.

Ich hielt an und sah mich um, hoffte, irgendwo in der weiten Runde vielleicht jemanden zu entdecken. Ich fragte mich, ob ich meinen Bruder Jubal überhaupt wiedererkennen würde. Ein Junge, der zum Mann wird, kann sich in fünf Jahren sehr verändern.

Ich sah also in die Runde.

Und da entdeckte ich das primitive Holzkreuz über einem Grabhügel.

Es steckte schon ein wenig schief im Boden. Rechts davon war ein alter Baum. Sein Schatten reichte aber nicht mehr bis zum Kreuz. An den Baum konnte ich mich noch gut erinnern. Diese steinharte Burreiche hat weit ausladende Äste. An einem dieser Äste hatte mein Bruder – als er noch kleiner war und nicht mithelfen musste bei der Arbeit – seine Schaukel hängen.

Ich ritt auf das Kreuz zu und hielt davor an.

Vom Sattel aus blickte ich darauf nieder. Das Kreuz bestand aus zwei zusammengebundenen Holzstücken.

Aber davor war ein flacher Stein in der Erde, bündig mit der Oberfläche des Erdbodens.

In diesen flachen Stein war eingemeißelt:

Jubal Savage

1845 – 1866

Es war das Grab meines Bruders, meines kleinen Bruders. Er war einundzwanzig Jahre alt geworden. Und er war erst dieses Jahr gestorben.

Das Holzkreuz sah deshalb so alt und verwittert aus, weil man zwei alte Holzstücke nahm.

Vielleicht war mein kleiner Bruder noch gar nicht lange tot. Und wenn er eines gewaltsamen Todes gestorben sein sollte, dann wäre das vielleicht nicht geschehen, wenn ich mit meiner Heimkehr nicht so lange gewartet hätte.

Ich dachte an meinen Zusammenstoß mit den beiden Rankin-Reitern.

Und da konnte ich mir leicht vorstellen, dass mein kleiner Bruder Jube Verdruss bekam und keines natürlichen Todes starb.

Ich saß bewegungslos im Sattel, starrte auf das Grab und murmelte: »Hey, Jube, solltest du umgebracht worden sein – aus welchen Gründen auch immer –, so werden alle, die damit etwas zu tun hatten, dafür bezahlen. Das schwöre ich dir. Oh, verdammt, das schwöre ich dir. Jube Bruder Jed ist hier. Sollte ich zu spät gekommen sein, um dir beizustehen, dann vergib mir. Ich konnte ja nicht wissen, dass alles hier anders wurde.«

Ich zog mein Pferd ein Stück herum und wollte zur Ranch herüberreiten.

Da aber sah ich noch etwas.

An dem ausladenden Ast der Burreiche hing ein Stück Seil. Es war etwa so dick wie mein kleiner Finger. Es war kein Lasso.

Ich ritt unter den Ast und hatte nun das Seil dicht vor meiner Nase.

Unten zwischen den Luftwurzeln des Baumriesen lag das andere Stück.

Es war eine Henkersschlinge mit einem Henkersknoten.

Jemand hatte das Stück abgeschnitten, wahrscheinlich, um den Gehenkten herunterzuholen. Man hatte dann die Schlinge abgenommen und achtlos weggeworfen.

Sollte es mein Bruder gewesen sein, den man hier henkte?

In mir stieg es heiß auf. Ich musste mühsam schlucken.

Aber ich weigerte mich, weiter in diese Richtung zu denken.

Und so ritt ich zur Ranch hinüber.

Als ich um das Haupthaus herum ritt, sah ich auf der Veranda einen Mann sitzen. Er saß in dem bequemen Schaukelstuhl, den mein Vater einst für unsere Mam gekauft hatte. Sie hatte manchmal darin gesessen, um sich auszuruhen, und dabei gestrickt. Immer hatte sie für uns – ihre Männer, wie sie sagte – die Strümpfe gestrickt.

Nun saß dieser Bursche in ihrem Schaukelstuhl. Er hatte ein Bein auf einem Hocker liegen und neben sich in Reichweite einen selbstgefertigten Krückstock an der Hauswand lehnen. Er war also offenbar verletzt.

Als ich vor der Veranda mein Pferd anhielt, fragte er: »Bist du ein Neuer – und schickt Jo Callagher dich?«

Ich nickte nur.

Da sagte er: »Ich wollte diesen Mistbock zureiten, mit dem sie es alle schon versuchten. Auch mich hat er geschafft. Ich glaube nicht, dass mein Bein gebrochen ist. Aber mein Knie wurde irgendwie verdreht. Ich hab' es schon mit der Salbe eingerieben, welche auch für Pferde so gut ist. Du musst also meine Arbeit machen. Am besten wäre, du kochst erst mal ein anständiges Essen für uns beide.«

Ich nickte und saß langsam ab, führte das Pferd zum Wassertrog. Auch ich erfrischte mich dort unter der Pumpe, welche herrliches Quellwasser heraufpumpte.

Dann fragte ich: »Was ist mit dem Grab da drüben? Ich kam da vorbei. Da hängt ja noch der Rest von einem Henkersseil. Was ist dort geschehen?«

Er wollte zuerst nicht antworten.

Aber dann knurrte er widerwillig: »Aaah, das war der Rinder- und Pferdedieb, der hier auf dieser heruntergekommenen Ranch lebte. Zuerst stahl er unsere Rinder. Dann – als wir ihn verfolgten –, da stahl er dem Boss das Pferd. Ja, er stahl Rufus Rankin das Pferd, um entkommen zu können. Er glaubte, dass er auf diesem Vierhundert-Dollar-Pferd nicht einzuholen wäre. Doch der Gaul war als Trickpferd abgerichtet. Der reagierte auf Pfiff. Als der Boss diesen Pfiff...«

Ich hörte einen Moment lang gar nicht mehr richtig zu.

Denn meine Gefühle und Gedanken bildeten einige Sekunden lang ein wildes Durcheinander.

Was geschehen war, dies war nun leicht zu rekonstruieren.

Mein Bruder sollte also Rinder gestohlen haben.

Und dann jagten sie ihn, kreisten ihn wahrscheinlich ein.

Er schlich sich in der Nacht durch den Ring der Feinde und holte sich das beste Pferd, um darauf zu entkommen.

Aber als der Pfiff ertönte, stand dieses Pferd wahrscheinlich fast auf dem Kopf und warf ihn ab. Es gab solche Trickpferde. Pferde waren Gewohnheitstiere. Man konnte sie mit der nötigen Geduld abrichten. So war das also.

Als sie meinen Bruder dann hatten, da hängten sie ihn auf.

»Und da ließ Rankin ihn aufknüpfen?« So fragte ich ihn.

Der Mann auf der Veranda nickte.

»Das macht man doch mit Rinder- und Pferdedieben – oder?« So fragte er knurrig zurück und setzte dann hinzu: »Bist du nur hergekommen, um Fragen zu stellen? Wie ist überhaupt dein Name? Du musst ein Neuer sein. Denn ich kenne dich noch nicht.«

»Ja, ich bin ein Neuer«, erwiderte ich. Dann sah ich in die Richtung, aus der ich gekommen war. Dort tauchten nun zwei Reiter auf. Es waren jene, die ich mit den Köpfen zusammengeknallt hatte. Sie kamen her, um sich hier zu erholen, und sie würden dem Manne hier erzählen, was ich mit ihnen gemacht hatte.

Ich saß wieder auf und ritt wortlos davon.

Der Mann auf der Veranda brüllte mir nach: »Heee, was soll das?! Warum reitest du wieder weg? Verdammt, gib Antwort! Zur Hölle mit dir! Du gehörst wohl gar nicht zur Rankin-Mannschaft?!«

Ich gab ihm immer noch keine Antwort, sondern ritt meines Weges.

Sie hatten meinen Bruder gehängt.

Ich wusste, in unserem Lande westlich des Pecos, welches bis in das Große Rio-Grande-Knie reichte, hatte man noch nie bei Pferdediebstahl Unterschiede gemacht.

Dabei gab es da Unterschiede.

Bekam man in der Wildnis das Pferd gestohlen, so konnte das gleichbedeutend mit Mord sein. Denn in der Wildnis war man ohne Pferd verloren.

Aber in der Nähe von Ortschaften zum Beispiel war die Sache anders anzusehen.

Doch man machte keine Unterschiede. Pferdediebstahl war Pferdediebstahl. Und die Pferdediebe wurden gehängt.

So war das hier.

Ein gewisser Rufus Rankin hatten meinen Bruder hängen lassen.

Und seine Leute lebten hier auf unserer Ranch, so als gehöre sie ihm.

Ich wollte mehr über diesen Rufus Rankin erfahren.

Es war schon Abend, als ich die kleine Stadt erreichte, welche für uns alle hier im Pecos-Land schon immer der »Nabel der Welt« war.

Redalia hatte sich nicht verändert. Es war nur älter geworden, verwitterter.

Aber das war überall im Südwesten so.

Der Aufschwung nach dem Krieg hatte noch nicht begonnen.

Rinder und Pferde gab es genug. Doch die ließen sich noch nicht in blanke Dollars verwandeln.

Dennoch schien mir Redalia im letzten roten Schein der Abendsonne ein Ort der heilen Welt zu sein. Jedenfalls bot die kleine Stadt ein friedliches Bild.

Ich ritt hinein – und ich sah rechts und links die vertrauten Häuser und Geschäfte. Es gab noch die Schmiede, die Futtermittelhandlung, die Sattlerei, den Store, das Redalia-Hotel und den Schneiderladen.

In einigen Häusern und Läden brannten bereits die Lampen. Doch es fielen noch keine Lichtbahnen aus Fenstern und Türen.

Menschen sah ich kaum – und wenn, dann nur kurz. Es war die Stunde, da man Feierabend gemacht hatte und in den Häusern beim Abendbrot saß.

Als ich den Redalia-Saloon erreichte, hielt ich an, saß ab, stellte das Pferd an die Haltestange und ging hinein.

Hinter der Bar stand Sue Williams, und es schien mir, als hätte sie sich in den vergangenen fünf Jahren kaum verändert.

Ihr Haar leuchtete immer noch so gelb wie reifer Weizen.

Als sie mir entgegensah, da erinnerte ich mich, dass ihre Augen auch damals so grün geleuchtet hatten. Sue putzte Gläser.

Als ich an den Schanktisch trat und mit dem Daumen den Hut nach hinten schob, so dass sie mich im Lampenschirm endlich sehen konnte, da entfiel ihr das Glas und zerschellte klirrend.

Denn sie hatte mich erkannt.

»Jed«, sagte sie, »Jedediah Savage.«

Das war mein Name, Savage.

»Du hast mich also nicht vergessen, Sue«, erwiderte ich. »Und ich fragte mich schon seit Wochen, ob ich dich hier wiedersehen würde. Du bist immer noch so schön wie damals – eigentlich noch schöner. Damals warst du ein Mädchen. Jetzt bist du eine Frau. Ja, das steht dir gut.«

Sie sah mich wortlos an – eine ganze Weile.

Dann füllte sie zwei Gläser aus einer besonderen Flasche und schob mir eines hin.

»Auf deine Heimkehr«, murmelte sie, und ihre Stimme klang gepresst, mühsam.

Wir tranken.

Dann fragte ich: »Warum bedienst du hier in diesem Saloon?«

»Er gehört mir«, erwiderte sie. »Ich habe John Clayton geheiratet. Vor mehr als einem Jahr starb er. Ich führe seitdem diesen Saloon.«

Indes sie dies alles sagte und ich mir über die Bedeutung ihrer Worte klar wurde und ungläubig staunte, erkannte ich nun endlich die harten Linien um ihre Mundwinkel und ein paar andere Zeichen in ihrem schönen Gesicht, die mir eine Menge verrieten.

Ich begriff, dass ihr nichts mehr fremd war auf dieser Erde.

»Du bist John Claytons Witwe?«

Ich fragte es staunend, denn ich vermochte nicht zu begreifen, dass Sue Williams einen Mann wie John Clayton geheiratet hatte. Er hätte ihr Vater sein können.

Und er war ein Klotz von einem Mann, ein Bulle wie ein Toro, ein Kampfstier.

Zu der schönen Sue passte er ganz und gar nicht. Ich wusste, es gab Frauen, die hässliche Männer geheiratet hatten und glücklich geworden waren, sich mit ihnen verstanden, weil ein Gleichklang vorhanden war – und weil es sich vielleicht um herzensgute oder gebildete Männer handelte.

Aber John Clayton, das war ein Bursche, der seine eigene Tochter verkuppelt hätte, wenn nur der Preis stimmte.

Sie sah mein Erstaunen, erkannte meine Bestürzung und sagte: »So geht das manchmal im Leben. Auch ich war zwei Jahre fort. Nachdem du verschwunden warst nach unserer letzten Nacht, da ging auch ich fort und in die weite Welt. Ich kam als gerupftes Huhn zurück, hatte sogar Verfolger auf der Fährte. Es war niemand da, der mich hätte beschützen können – nur John Clayton. Ich war krank und elend. Und er beschützte mich und war gut zu mir. Ja, John Clayton war gut zu mir. Und so wurde ich seine Frau. Jetzt gehört mir sein Saloon. Vielleicht sollte ich ihn verkaufen und es draußen noch einmal versuchen. Damals war ich noch ein dummes Ding. Heute würde mir vieles nicht mehr passieren. Doch wer kauft in diesem Lande schon einen Saloon wie diesen?«

Sie sah mich fragend an.

Aber ich erwiderte nichts.

Schließlich murmelte ich: »Ich sah das Grab meines Bruders. Wer hat die Steinplatte mit seinem Namen und den Daten in die Erde gelegt?«

»Das war ich«, murmelte sie. »Denn er kam oft zu mir. Er erinnerte mich an dich. Er war eine jüngere Ausgabe von dir geworden. Wir waren Freunde. Aber er wollte eure Ranch nicht an Rankin verkaufen. Und...«

Sie verstummte.

Dann fragte sie: »Hast du dein Pferd noch draußen? Bringe es in den Mietstall. Wenn du zurück bist, werde ich ein Abendbrot fertig haben. Du bleibst doch bei mir diese Nacht – oder?«

Ich sah sie an und erkannte, was in ihr war.

Sie hatte mich all die Jahre nicht vergessen können – und sie war wie eine wilde Rose in der Wüste.

Ich begriff, dass sie wahrscheinlich schon immer ein Mädchen und später eine Frau war, die sich an einen starken Mann anlehnen wollte.

Jetzt hatte sie hier in dieser Stadt einen Saloon.

Und weil dieses Land sich verändert hatte, war dieser Saloon nichts wert.

Niemand würde ihn haben wollen.

Wenn sie von hier fortgehen wollte, dann würde sie es ziemlich mittellos tun müssen. Und diesen Mut brachte sie nicht mehr auf.

Auf irgendeine Art tat sie mir leid. Sie war jetzt noch schöner als damals, und damals hatte sie in meinen Armen gelegen, bevor ich fortging. Ich hatte ihr von meinem Vorhaben nichts gesagt.

Deshalb fühlte ich mich jetzt irgendwie in ihrer Schuld.

Und so nickte ich.

Dann ging ich, um mein müdes Pferd in den Mietstall zu bringen.

Ich war sicher, dass ich sie diese Nacht nach fünf Jahren wieder in meinen Armen halten würde. Sie war einsam. Und ich war heimgekommen.

Vielleicht glaubte sie sogar, dass dies ein neuer Anfang werden konnte für uns. Nun, auch ich war einsam. Ich war lange geritten. Und vorhin hatte ich am Grab meines Bruders einen Schock erlitten.

Ja, es war ein Schmerz tief in meinem Kern.

Deshalb würde es gut sein, in dieser Nacht nicht allein zu sein.

Mit Sue würde ich reden können.

Wir würden uns beide etwas geben können – zumindest das Gefühl, nicht mehr allein zu sein.

Der Mietstall hatte mal ihrem Vater gehört. Doch der war ein Säufer gewesen. Er verspielte ihn. Das war noch zu meiner Zeit vor fünf Jahren gewesen. Sue arbeitete dann im Store als Verkäuferin und hoffte wahrscheinlich immer auf mich, um als meine Frau zu uns auf die Ranch zu können.

Aber ich ritt fort, um in die Texas-Brigade einzutreten.

An das alles dachte ich, indes ich das Pferd zum Mietstall brachte.