G. F. Unger Sonder-Edition 283 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 283 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Beim Kampf um die Alleinherrschaft im Smoky Hill County unterläuft Loyal MacKenzie ein verhängnisvoller Fehler. Er hetzt seine Schießer auf den falschen Mann. Statt Johnny Freeman schlagen sie Cass Bovard zusammen und berauben ihn.
Aber Cass Bovard ist ein Mann, der die Hölle aus den Angeln hebt, wenn man sich mit ihm anlegt. Er ist einen rauchigen Trail geritten auf der Flucht vor seinem Revolverruhm und auf der Suche nach einem neuen Ziel. Im Kampf für die unterdrückten Kleinrancher und Siedler des Smoky Hill Countys hat er dieses Ziel gefunden - nach endlosen Meilen...


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Seitenzahl: 213

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Ein Mann kommt geritten

Vorschau

Impressum

Ein Mann kommt geritten

Hundert Yards vor den ersten Häusern des Ortes wendet Matt Wagoner das Pferd, hält mitten auf der staubigen Poststraße an und schaut nach Süden.

Er ist den ganzen Tag ständig leicht bergan geritten, und deshalb kann er nun über die weite Ebene blicken, fünfzig lange Meilen weit bis zu den Bergketten im Süden hin.

Matt Wagoner lächelt skeptisch. Es ist das Lächeln eines Mannes, der sich nie irgendwelche Illusionen macht. Und er weiß, dass er in den letzten zwei Wochen seiner Vergangenheit einen tüchtigen Vorsprung abgewonnen hat. Er ist ihr nun weit voraus.

Aber sie wird ihn eines Tages wieder einholen.

Sie kommt ihm nachgekrochen. Das ist gewiss.

Eines Tages wird man auch hier in den großen Tälern vor den Sweet Water Mountains wissen, wer Matt Wagoner ist. Er ist sich darüber klar, denn er weiß schon einiges über dieses Land, in das er nun geritten kommt. Er weiß, dass sich dann einige Dinge, die er schon oft erlebte und immer wieder hinter sich ließ, wiederholen werden.

Das weiß er genau.

Aber er wird nicht mehr vor seiner Vergangenheit flüchten. Diesmal will er aushalten und seine Vergangenheit besiegen. Für jeden Mann kommt einmal der Tag, da er des langen Reitens überdrüssig wird und sich einen festen Platz sucht, ein Land, in dem er Wurzeln schlagen will. Und wenn solch ein Mann von Matt Wagoners Art ist, dann bleibt er bei diesem Entschluss, mag da kommen, was da wolle.

Er wendet seine rotbraune, stämmige Grulla-Stute wieder in die alte Richtung und reitet in den Ort hinein. Mit einem raschen Blick erkennt er die Bedeutung der Häuser. Es sind nicht sehr viele Bauten, und sie alle sind aus Holz.

Da ist das Büro der Indianeragentur. Daneben reihen sich die Gebäude der Handelscompany aneinander. Es gibt einen großen Store, mit Scheunen- und Magazingebäuden. Auf der anderen Straßenseite stehen ein Saloon, ein Hotel, die Station der Postlinie und der Frachtwagenhof. Überdies gibt es noch einige kleinere Holzhäuser, Korrals und Scheunen oder Werkstätten.

Das ist alles.

Es sind nur wenige Menschen zu sehen, sofern es sich um Weiße handelt. Aber eine ganze Anzahl »zahmer« Reservationsindianer hocken an der Hauswand des Handelsstores.

Vor der Agentur stehen einige staubbedeckte Sattelpferde, und im Schatten der überdachten Veranda lungern einige Männer herum.

Das ist alles.

Es ist später Nachmittag, und es ist der 5. Juli 1874 in Wyoming.

Matt Wagoner hält sein Pferd an, wirft einen scharfen Blick auf die Männer im Schatten des Vordaches und sitzt dann ab. Als er sein Pferd zum Tränktrog führt, ihm den Sattelgurt lockert und die Steigbügel ans Sattelhorn hängt, da sieht man, dass er ein sehr großer Mann ist. Seine langen Beine sind leicht gekrümmt wie die eines Indianers. Er setzt seine Füße auch mit den Außenkanten auf. Seine Taille ist sehr schmal, fast zu schmal für die massigen Schultern. Er ist ein hagerer und sehniger Mann, aber seine Schultern sind sehr kompakt. Dort bewegen sich die Muskeln unter dem verwaschenen Hemd. Er hat den flachen Stetsonhut weit aus dem Gesicht geschoben. Sein Kopf wirkt auf diesen breiten Schultern etwas zu klein. Aber das Gesicht ist festgefügt, mit harten Winkeln und dunklen Linien. Die Nase ist kurz und gerade. Seine Unterlippe ist etwas zu voll. Aber es ist ein männlicher Mund.

Matt Wagoners Augen sind grau, und sein kräftiger Hals besitzt Muskelstränge, die im offenen Hemdkragen verschwinden. Er ist ein harter Mann von knapp sechseinhalb Fuß.

Als das Pferd das Maul in den Wassertrog steckt, verlässt er das Tier und sieht zum Saloon hinüber. Aber dann geht er zum Fuß der Verandatreppe des Indianerbüros und hält vor dem schwarzen Brett inne, das hier an einen der Stützpfosten genagelt ist. Zwei Steckbriefe, die Einladung eines Missionars zur Predigt und einige andere Bekanntmachungen hängen hier.

Und eine dieser Bekanntmachungen lautet:

Betrifft: Versteigerung des Clearwater Valley.

Die Versteigerung des Regierungstals findet am 5. Juli 1874 um 17 Uhr statt.

Bentley

Indianeragent und Landkommissar.

Als Matt Wagoner diese Bekanntmachung gelesen hat, hört er die sporenklirrenden Schritte eines Mannes näher kommen.

Er wendet den Kopf, und weil er am Fuße der Treppe steht, muss er zu Jim Tucker aufsehen, denn dieser bleibt auf der obersten Stufe stehen, hakt die Daumen in den Kreuzgurt und beginnt zu grinsen.

Es ist ein böses, kaltes und mitleidloses Grinsen.

Jim Tucker kann nicht anders grinsen, denn er ist das, was man einen Killer nennt. Irgendetwas fehlt ihm so völlig, dass er sich dieses Mangels gar nicht bewusst ist.

Jim Tucker ist schlimm.

Und er kennt Matt Wagoner aus früheren Zeiten.

Ja, sie kennen sich. Und ihre Bekanntschaft damals vor sechs Jahren in Kansas City war so gründlich, dass sie sich beide ein Stück Blei entfernen lassen und einige Zeit in einem Bett liegen mussten.

Aber das ist schon lange her.

Damals waren sie junge Burschen, schon halbe Verlorene, die auf dem Weg des Abenteuers ritten. Sie waren damals beide wilde Jungen, die nirgendwo eine Heimat hatten und nach einer Chance suchten, rasch zu Geld zu kommen.

Aus Jim Tucker wurde ein Killer.

Aus Matt Wagoner ein Kämpfer.

Das ist ein großer Unterschied.

Und jetzt sehen sie sich wieder.

Matt Wagoner betrachtet und studiert den Revolverhelden ernst und nachdenklich. Sein Gesichtsausdruck bleibt unbeweglich. Er hat dann und wann etwas über Jim Tucker gehört und weiß genau, wie schlimm dieser Bursche geworden ist. Tucker war damals in Kansas City nur ein junger, streunender Wolf.

Aber jetzt ist er ein eiskalter Tiger.

Und er grinst immer noch, als er zu Matt Wagoner sagt: »Die Welt ist klein, mein Freund, nicht wahr? Und auch du hast ja inzwischen im Süden einen großen Namen bekommen. Es wäre ein reizvolles Spielchen für mich, es mit dir noch einmal zu versuchen.«

Er greift mit der Linken lässig an seine protzige Uhrkette, die aus purem Gold ist und an der ein seltsamer Anhänger baumelt.

»Das ist dein Stück Blei, Mister«, grinst er. »Ich habe es in Gold fassen lassen, weil es das erste Stück Blei war, das ich auffangen musste. Ich möchte mein Glück an dir wahrhaftig noch mal versuchen, Bruderherz.«

Er grinst wieder kalt und grausam. In seinen Augen tanzen kalte Lichter.

Matt Wagoner tritt langsam drei Schritte zurück, so dass er nicht mehr so steil zu dem Manne oben auf der Treppe aufsehen muss. Seine Revolverhand hängt bewegungslos hinter dem Walnusskolben seines großen Colts.

Es ist ein einfacher Colt.

Jim Tuckers Waffen haben Griffe aus Elfenbein.

Matt Wagoner sieht den Revolverhelden ausdruckslos an, aber in sich verspürt er jenen bitteren und grimmigen Humor, der immer dann in einem Manne aufsteigt, wenn das Schicksal sich einen seiner Späße erlaubt und dem Manne dann nur die Wahl zwischen tierischem Ernst und bitterem Galgenhumor bleibt.

Er sagt sanft – und es ist eine stählerne und tödliche Sanftheit und Lässigkeit: »Nun gut, Mister! Dann versuche dein Glück!«

Es ist eine Herausforderung. Auch die anderen Männer, die sich auf der Veranda der Agentur befinden, spüren plötzlich die Gefahr. Sie weichen zur Seite. Einer der Männer sagt drängend.

»Jim, lasse dich nicht in eine andere Sache ein. Schiebe es auf, Jim!«

Auch Matt Wagoner hört diese Worte. Aber er nimmt seinen Blick nicht von Jim Tucker. Er behält ihn im Auge.

Und der Atem von Gefahr und Gewalttätigkeit breitet sich aus wie die Kreise eines ins Wasser fallenden Steines. In Matt Wagoner sind viele Gedanken.

Oh, er wollte hier in ein neues Land kommen, in dem man ihn noch nicht kennt. Er wollte seine Vergangenheit für eine Weile hinter sich zurücklassen. Er wollte hier etwas Neues anfangen und schon Wurzeln in den Boden geschlagen haben, bevor man ihn hier richtig kannte.

Aber nun begreift er, dass seine Vergangenheit schon vor ihm hier war. Jim Tucker ist hier. Und das genügt.

Indes ihm dies alles mit Bitterkeit bewusst wird, sieht er hart und zwingend in Jim Tuckers Augen. Und nach einigen Sekunden erkennt er darin den Ausdruck einer tiefen Nachdenklichkeit. Jim Tucker ist also auch nicht mehr jener wilde und höllische Bursche, der sich nur von Instinkten und Wünschen leiten lässt. Tucker ist nun ebenfalls ein Mann, der es gelernt hat, stets über eine Sache nachzudenken.

Und deshalb verschränkt Tucker jetzt seine Arme über der Brust und drückt damit aus, dass er nicht kämpfen will.

Er fragt: »Matt, was führt dich in dieses Land?«

»Ich wollte schon immer mal nach Wyoming«, erwidert Matt sanft.

Jim Tucker betrachtet ihn mit anwachsender Nachdenklichkeit. Dann schüttelt er jedoch leicht den Kopf und murmelt.

»Well, lassen wir alles ruhen. Es war wohl nur ein Zufall, dass du gerade jetzt in diesen Ort geritten kamst. Oder nicht?«

»Das Schicksal denkt sich immer einen Spaß aus.« Matt Wagoner lächelt. Er wendet sich plötzlich um, dreht Jim Tucker den Rücken und geht über die Poststraße zum Saloon hinüber.

Er hört hinter sich einen der Männer fragen.

»Jim, wer ist dieser stolze Heldensohn?«

Und er hört Jim Tuckers bissige Antwort: »Das geht dich einen Dreck an, Lefty!«

Dann ist Matt Wagoner außer Hörweite. Er stößt die Schwingtür des Saloons auf. Bis auf den Mann hinter der Bar ist der Raum leer. Matt Wagoner späht noch einmal über die Schulter, bevor er die Türflügel hinter sich zuschwingen lässt.

Jim Tucker steht immer noch unbeweglich auf der Veranda der Agentur. Rechts und links von ihm stehen je zwei schwergewichtige Burschen. Matt tritt vollends ein.

Der Barmann betrachtet ihn vorsichtig und abschätzend. Dann erwidert er Matts Gruß mit einem Nicken und stellt eine Flasche und ein Glas auf den Schanktisch.

»Das ist guter Whisky«, sagt er. »Kein Handelswhisky.«

»Dann stellen Sie auch für sich selbst ein Glas auf den Tisch«, Matt grinst, und sein sonst so kantiges und hart wirkendes Gesicht verändert sich durch dieses Grinsen seltsam. Es wirkt irgendwie jungenhaft und verrät eine Menge trockenen Humor.

Er blickt auf die Uhr hinter dem Schanktisch.

Es ist zehn Minuten vor siebzehn Uhr. In zehn Minuten also findet drüben in der Agentur die Versteigerung des Clearwater Valley statt.

Die beiden Männer trinken. Und dann nickt Matt zufrieden.

»Es ist wirklich guter Whisky«, sagt er. Er deutet mit dem Daumen über seine Schulter hinweg zur Tür.

»Dort drüben sah ich Jim Tucker. Für wen arbeitet er? Und warum ist er hier?«

Der Barmann betrachtet Matt abermals vorsichtig. Er zögert unmerklich, aber dann sagt er: »Jim Tucker ist Wego McKeenzies großer Tiger. Er ist vor einer Stunde mit vier Schwergewichten hier angekommen. Wahrscheinlich wird er für McKeenzie das Regierungstal kaufen wollen.«

Matt Wagoner nickt. Dann schenkt er beide Gläser wieder voll. Und er fragt wieder: »Und sonst ist niemand hier im Lande an diesem Tal interessiert?«

Der Barmann trinkt erst sein Glas leer. Dann zögert er wieder und murmelt widerstrebend: »Es gibt genügend Interessenten. Aber die meisten besitzen nicht die notwendigen Geldmittel. Überdies ist es hier im Land so, dass sich niemand um Dinge bemüht, die Wego McKeenzie haben möchte. Nur einer würde es vielleicht versuchen, aber...«

Er bricht ab. Von draußen hört man das Räderrollen eines leichten und schnellen Wagens. Das Gespann muss sehr schnell und feurig sein.

»Da kommt Oven Harris«, schnauft der Barmann. »Zum Teufel, das Mädel hat ihn wirklich nicht von der Idee abbringen können. Aaah, dieser furchtlose Junge wird jetzt...«

Der Barmann läuft eilig hinter dem Schanktisch hervor und zur Tür, Matt Wagoner folgt ihm. Sie treten hinaus.

Ein leichter Zweispänner hält soeben vor der Agentur, aber der Fahrer fährt plötzlich wieder an, wendet das Gefährt auf der Straße und hält vor dem Saloon an.

»Du wirst hier warten, Caroline«, sagt er zu dem Mädchen neben sich.

»Yeah, Oven«, sagt das Mädchen ernst.

Matt Wagoner und der Barmann können alles gut hören. Es sind ja nur drei lange Schritte bis zum Wagen. Matt betrachtet das Paar aufmerksam. Der Mann ist so groß wie er, aber blond, blauäugig und muskulöser. Er hat ein kühn geschnittenes Profil. Er ist einige Jahre jünger als Matt, und obwohl er äußerlich ruhig, beherrscht und selbstsicher wirkt, entgeht Matt nicht, dass seine Backenmuskeln verkrampft sind und er auch sehr oft schlucken muss, als säße ihm ein Kloß im Halse.

Er klettert aus dem Wagen, wendet sich nach den beiden Männern um und starrt Matt scharf an. Dann sagt er zu dem Barmann: »Pat, ich möchte einen Whisky.«

»Die Flasche steht auf dem Tisch, Oven«, murmelt der Barmann. »Aber ich würde keinen Whisky trinken, Oven. Ich würde mich höllisch schnell verdrücken. Du siehst doch Jim Tucker und seine vier Bullen genauso gut wie ich, nicht wahr? Was für eine Chance hast du dir eigentlich ausgerechnet?«

»Sie werden es nicht wagen«, flüstert der junge Mann heftig und verschwindet im Saloon.

Der Barmann und Matt Wagoner betrachten nun das Mädchen, das gerade und aufrecht im Wagen sitzt. Sie blickt eine Weile zur Agentur hinüber. Jim Tucker lehnt oben am Geländer. Seine vier schwergewichtigen Reiter haben sich nebeneinander auf die oberste Treppenstufe gesetzt. Sie füllen die Treppenbreite voll aus.

Matt Wagoner sieht, wie das Mädchen innerlich erschaudert.

Das muss Angst sein.

Dann wendet sie den Kopf und sieht ihn und den Barmann an.

»Helfen Sie mir, Gentlemen«, sagt sie schnell. »Verhindern Sie bitte, dass Oven Harris diesen Saloon verlässt.«

»Oven würde mich in Stücke reißen, wenn ich das versuchte«, murmelt der Barmann.

Das Mädchen sieht nun fest in Matt Wagoners Augen.

Matt hält unwillkürlich den Atem an.

Denn das Mädchen gefällt ihm. Sie ist nicht schön, aber auf eine besondere Art hübsch. Ihr Gesicht ist vielleicht sogar etwas unregelmäßig, aber sie ist dennoch hübsch, frisch und prächtig gewachsen. Die Art, wie sie den Kopf trägt und sich bewegt, verrät Stolz und Rasse.

Und Matt Wagoner, der fest in ihre Augen blickt, kommt zu der Erkenntnis, dass ihm noch nie ein Mädchen auf den ersten Blick so sehr gefallen hat.

Es ist etwas Besonderes an ihr. Ihr Haar ist weißblond, aber ihre Hautfarbe ist von der Sonne gebräunt. Ihre geschwungenen Augenbrauen sind viel dunkler als ihr im Nacken mit einem schwarzen Samtband zusammengehaltenes Haar.

Und die Augen sind so braun wie Haselnüsse. Es ist ein seltsamer Kontrast an ihr. Wenn ihre Nase nicht zu klein und ihr Mund nicht etwas zu breit wären, dann wäre sie eine Schönheit. Matt Wagoner greift an die Hutkrempe und verbeugt sich leicht.

Und er hört sie sagen: »Gehören Sie zu Jim Tucker, Fremder?«

»Nein, Madam.«

»Würden Sie dafür sorgen, dass Oven Harris im Saloon bleibt, bis alles vorbei ist?«

»Nein, Madam.«

»Wenn ich Sie von ganzem Herzen darum bitte?«

»Es tut mir leid, Madam.«

»Haben Sie Furcht?«

»Vielleicht, Lady.«

Sie starrt ihn nun sehr aufmerksam an und prüft ihn nochmals. Dann seufzt sie und schüttelt den Kopf. Aber sie sagt nichts mehr. Sie bittet nicht mehr, sondern wendet wieder den Kopf und blickt zu Jim Tucker und seinen Männern hinüber.

Die Schwingtür des Saloons wird aufgestoßen. Oven Harris kommt heraus. Er nickt dem Mädchen zu und sagt etwas heiser.

»Es wird nicht lange dauern, Caroline. Mache dir nur keine Sorgen. Ich lasse mich nicht bluffen, und wenn Tucker das erst erkennt, wird er aufhören. Schließlich kann der Agent ja auch nicht tatenlos zusehen, wie dieser Revolverheld alle anderen Interessenten mit Gewalt der Versteigerung fernhält, nicht wahr?«

Oven Harris rückt seinen Colt zurecht und betritt hinter dem Wagen die Straße. Er geht mit langen Schritten zur Agentur hinüber.

Der Barmann steht unbeweglich neben Matt Wagoner. Und er seufzt heiser und flüstert bitter.

»Dieser Junge hat Mut, aber sie werden ihn jetzt zerbrechen. Schade um ihn.«

Matt Wagoner bewegt sich plötzlich. Er tritt neben den Wagen und blickt zur Agentur hinüber.

Oven Harris hat jetzt den Fuß der Treppe erreicht, auf deren oberster Stufe die vier schwergewichtigen Cowboys sitzen. Alle vier sind gewiss schlimme Schläger.

Es ist still im kleinen Ort.

Der Agent ist irgendwo in seinem Büro verborgen und lässt sich nicht blicken. Und doch muss dieser Agent und Landkommissar die Worte der Männer genauso hören wie Matt Wagoner hier auf der anderen Straßenseite. Denn Oven Harris sagt laut und scharf zu den vier Burschen: »Gebt die Treppe frei! Ich will zur Versteigerung!«

Aber die vier Muskelmänner grinsen ihn nur an und sagen kein Wort. Sie haben sicherlich von Jim Tucker, der auf der Veranda etwas seitlich von ihnen steht und sich an einen Stützbalken des Daches lehnt, genaue Anweisungen bekommen.

Oven Harris' Hand klatscht plötzlich hörbar gegen den Coltkolben. Und seine scharfe Stimme klingt nun etwas schrill.

»Den Weg zur Tür frei, vorwärts!«

Aber die vier Burschen bewegen sich nicht. Sie grinsen nur, und es ist, als wären sie der Landessprache gar nicht mächtig und hielten Oven Harris' Worte für einen freundlichen Gruß.

Es wird wieder sehr still. Nur irgendwo hinter den Holzhäusern gackert ein erschrecktes Huhn. Sogar die Sattelpferde, die drüben an der Haltestange stehen, verhalten sich vollkommen unbeweglich.

Matt Wagoner sieht nur Oven Harris' Rücken. Aber er kann erkennen, wie Harris leicht erschaudert und wie sich seine gestrafften Schultern für einige Sekunden senken. Aber er resigniert doch noch nicht ganz. Er strafft sich wieder und wendet sich an Jim Tucker.

»Du willst einen Kampf?«

»Nein, mein Junge«, sagt Tuckers präzise und kalte Stimme langsam und laut. »Ich will keinen Kampf. Du willst ihn, mein Junge, nur du willst Verdruss. Ich will dir etwas sagen, mein Freund: Setz dich wieder in den Wagen und verschwinde. Du hast 'ne prächtige Freundin, und du solltest nicht noch mehr vom Leben verlangen. Du möchtest gerne ein großer Mann werden, aber das schaffst du nicht. Du musst schon in deinen Hosen bleiben, sonst platzen sie. Lass dich von dem Mädel trösten. Verschwinde!«

Ganz zuletzt klingt Jim Tuckers Stimme kalt und mitleidlos. Es ist die unbarmherzige Stimme eines Revolverhelden, der sich für den Herrn über Leben und Tod hält.

Das Mädchen im Wagen bewegt sich plötzlich hastig. Matt Wagoner wirft einen schnellen Blick auf sie. Und er sieht, wie sie ein Gewehr unter dem Sitz hervorholen will.

»Lassen Sie diese Dummheit!«, sagt er leise, scharf und trocken. »Ihr Freund wird gleich kneifen. Es hat keinen Zweck, dass Sie ihm helfen.«

»Er wird nicht kneifen«, flüstert das Mädchen scharf und lässt die Waffe wieder los. »Das ist ja das Schlimme! Er wird nicht kneifen. Gleich ist er tot. Warum helfen Sie ihm nicht, Fremder?«

»Er hat mich nicht darum gebeten, Lady. Er würde mich hassen, wenn ich ihm helfen würde. Haben Sie denn noch nicht begriffen, Mädel, dass er Ihnen nur imponieren will? Er hat Jim Tuckers Vorbereitungen für einen Bluff gehalten und glaubte, dass dieser Bluff zusammenbrechen würde. Aber er kennt Jim Tucker nicht richtig. Der blufft nämlich nicht und lässt sich auch nicht von anderen Männern bluffen. Oven Harris muss jetzt kämpfen oder aufgeben.«

»Und er bekommt von nirgendwo Hilfe, weil diese Welt nur aus Feiglingen besteht«, flüstert das Mädchen bitter.

»Er wird gleich aufgeben und das ist besser für ihn«, murmelt Matt nachdenklich. »Er hat nicht das richtige Format für Jim Tucker. Wenn ich mir die Sache richtig zusammensetze, so läuft es wohl darauf hinaus, dass Oven Harris das Regierungstal kaufen möchte. Nun, dieser Kauf wäre zwecklos, wenn er mit Jim Tucker und diesen Bullen dort nicht schon jetzt fertigwerden kann. Er muss diese Sache jetzt schon hinter sich bringen. Sonst ist es schade um das viele Geld, das er für das Tal ausgeben würde.«

Das Mädchen sieht ihn an.

In ihren Augen sind Angst und Sorge, Furcht und Empörung.

Aber er erwidert ihren Blick nicht, denn er beobachtet die Dinge dort drüben.

Er hört sie jedoch sagen: »Sicher. Sie haben ebenfalls Furcht vor Jim Tucker. Und Sie gehören auch nicht zu jenen Männern, die überall und an jedem Ort für eine gerechte Sache eintreten.«

»Nein«, murmelt er, »ich trete nicht für Narren ein, die es mit einem Bluff versuchen und sich vorher im Saloon Mut antrinken müssen. Miss, Ihr Freund ist sicherlich ein netter Junge. Aber mehr ist er nicht.«

»Aber Sie... Sie sind ein Mann, nicht wahr?«

»Ich bin ein ziemlich harter Bursche«, murmelt Matt Wagoner.

Inzwischen sind einige Minuten vergangen – lange, bange Minuten, in denen Oven Harris mit sich kämpfte und einsam und allein seine Entscheidung treffen musste.

Jim Tucker sprach die ganze Zeit kein Wort mehr. Er wartete nur grinsend und beobachtete den jungen Rancher auf eine kalte und mitleidlose Art.

Und die vier muskelbepackten Burschen auf der Treppe bewegten sich ebenfalls nicht, sondern starrten Oven Harris nur grinsend an.

Und Oven Harris musste sich entscheiden.

Ganz plötzlich lässt er den Kopf sinken. Seine gestrafften Schultern senken sich. Sein Seufzen ist überall zu hören.

Dann wendet er sich um und kommt zum Wagen zurück. Sein Blick ist auf den Boden gerichtet, und sein Gesicht ist sehr blass und nass vor Schweiß.

Er ist zerbrochen.

Sein Bluff hatte keine Wirkung – und was übrig blieb, das ist nicht mehr stolz, selbstbewusst und kühn. Was übrig blieb, ist nur ein netter Junge, der eine Lektion bekommen hat und eben erkennen musste, dass er doch kein harter und furchtloser Mann ist.

Auch das Mädchen im Wagen seufzt – aber es ist ein befreites und erlöstes Seufzen.

Sie sagt: »All right, Oven! Nur ein Narr hätte sich totschießen lassen! Es ist keine Schande, denn du bist nun einmal kein Revolvermann, der für Geld Menschen ermordet.«

Oven Harris hat angehalten. Er starrt zu dem Mädchen hoch. Er hebt schon den Fuß, um in den Wagen zu klettern. Aber dann wird er plötzlich tiefrot im Gesicht. Er wendet sich ab, läuft mit schnellen Schritten um den Wagen herum und verschwindet im Saloon.

Schon in der Tür ruft er über die Schulter.

»Warte nicht auf mich, Caroline!«

Caroline Kelland will vom Wagen herunter. Sie will dem jungen Manne folgen.

Aber da sieht sie, wie der Fremde sich in Bewegung setzt und über die Straße geht. Matt Wagoner tritt fast genau in Oven Harris' Fußspuren, die im Straßenstaub zu sehen sind.

Drüben hält er an, wendet sich an Jim Tucker und sagt trocken, so trocken, wie es ein harter Texaner nur sagen kann: »Jetzt bin ich an der Reihe, Jim Tucker. Sage diesen vier Mondgesichtern, dass sie die Treppe räumen sollen!«

Die Worte klingen deutlich über die Straße.

Das Mädchen, der Barmann, einige andere Leute und die zahmen Indianer, die vor dem Handelsstore sitzen, hören sie genau.

Aber niemand bewegt sich oder mischt sich ein.

Oven Harris kommt aus dem Saloon. Auch er muss etwas gehört haben. Er hält eine Whiskyflasche in den Händen.

Jim Tucker stößt sich langsam vom Stützpfosten ab. Er hat lange, sehnige und leicht gekrümmte Beine, die in sehr engen Hosen stecken, die wiederum in sehr schmiegsamen und engen Stiefelschäften verschwinden.

»Verschwindet«, sagt Jim Tucker mit plötzlicher Heftigkeit zu den vier Burschen auf der Treppe.

Und die vier Kerle gehorchen sofort.

Sie erheben sich und weichen bis zum äußersten Ende der Veranda aus. Dort bilden sie eine aufmerksame Gruppe.

Jim Tucker tritt an ihre Stelle auf die oberste Treppenstufe.

»All right«, sagte er, »jetzt weiß ich ganz genau, Mister, warum du hergekommen bist. Und ich weiß auch, dass du dir nicht in die Hosen machen wirst, so wie eben der kleine Bluffer. Well, machen wir es also kurz:

Du willst das Tal kaufen? Für dich selbst?«

»Yeah, mein Bester. Ich will endlich sesshaft werden.«

»Dann musst du aber eine Menge Geld besitzen, Matt.«

»Genug für meine Zwecke!«

Jim Tucker nickt nachdenklich.

Dann beugt er sich leicht vor, spreizt die Beine und öffnet seine Hände hinter den Coltkolben.

»Well«, sagt er.

Und dann schnappen seine langen und geschmeidigen Hände nach den Waffen und reißen sie heraus. Er schwingt die Mündungen hoch und drückt ab.

Aber während des Abdrückens wird er von Matt Wagoners Kugel zurückgestoßen.

Er fällt die Treppe herunter und landet vor Matt Wagoners Füßen.

Matt wendet sich den vier Kerlen zu. Sein Colt raucht noch.

Heiser sagt er: »Legt ihn auf sein Pferd und bringt ihn zu seinem Boss. Habt ihr mich verstanden?«

Die vier Kerle zögern.

Aber dann gehorchen sie.

Matt Wagoner aber steckt den Colt ins Holster. Er betastet seinen blutenden Arm, und er fühlt, dass es nur eine Fleischwunde ist.

Langsam geht er die Treppe hinauf, öffnet die Tür und tritt in das Büro des Landkommissars ein.

Er sieht ein kleines, vertrocknetes und glatzköpfiges Männlein, dem ein lächerlicher Kneifer auf der Nase sitzt. Das Männlein hat jedoch listige Augen und einen kalten Blick.

»Die Versteigerung des Clearwater Valley kann beginnen«, sagt Matt zu dem Männlein. »Wie viel fordert die Regierung der Vereinigten Staaten?«

Der Mann starrt ihn eine halbe Minute schweigend an. Dann deutet er auf die Tür.

»Was war da draußen?«

»Ich habe soeben in Notwehr einen Revolverhelden erschossen, auf dessen Kopf dreitausend Dollar Belohnung ausgesetzt sind«, erwidert Matt Wagoner knapp. Und er fährt sanfter und bitterer zugleich fort: »Wenn es in diesem Land keinen Sheriff gibt, Mister, so sind Sie hier wohl der einzige Gesetzesvertreter, nicht wahr? Machen Sie einen Bericht, dass der gesuchte Jim Tucker hier...«

»Das geht mich alles nichts an«, unterbricht ihn der Agent. »Das Reservat wird aufgelöst. Wenn das Tal verkauft ist, ist meine Mission hier beendet. Ich will mit den Dingen hier im Land nichts zu tun haben. Zwanzig Meilen von hier liegt die Stadt Rimson. Sie wird jetzt der Sitz der noch zu wählenden Countybehörde. Ich eröffne jetzt die Versteigerung. Die Regierung verlangt dreißigtausend Dollar für das Tal. Haben Sie das Geld bei sich?«

»Draußen in meinen Satteltaschen«, sagt Matt Wagoner.

»Dann erhalten Sie den Zuschlag, da keine weiteren Gebote gemacht werden.«

Der Agent nimmt einen kleinen Hammer und klopft dreimal auf den Tisch. Und er sagt: »Dreißigtausend Dollar zum ersten – zum zweiten – und zum dritten! Holen Sie Ihr Geld herein, Mister...«

»Matt Wagoner ist mein Name!«