1,99 €
Race King, der Spieler und Revolvermann, ist zum Säufer geworden, nachdem seine Gefährtin, die schöne Gina, ihn verlassen hat. Sie ist dem mächtigen Duke Turnslade auf dessen Riesenranch gefolgt, weil er sie heiraten und zur Rinder-Queen machen wollte. Umso erstaunter ist Race, als Gina an seinem Bett steht und ihn um Hilfe bittet. Turnslade ist tot, ermordet von einem heimtückischen Scharfschützen. Die Double T Ranch braucht einen neuen Boss, Gina wird mit den Problemen allein nicht fertig. Race King hat die schöne Frau nie vergessen können. Natürlich wird er ihr helfen. Aber warum hat sich plötzlich alles zwischen ihnen geändert? Warum hat Gina mit einem Mal keine Macht mehr über ihn?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 181
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Double T Ranch
Vorschau
Impressum
Double T Ranch
Als Race King aus seinem Rausch erwacht, wendet er den Kopf erst einmal nach links und blinzelt staunend. Denn dort liegt Rosy. Dann wendet er seinen Kopf im Kissen nach rechts und erkennt Dolly neben sich.
O weia, denkt er, das war wieder einmal eine Nacht der Sünden. Ich werde nie in den Himmel kommen.
Er hält sich die Hände an den Kopf, so als könnte er auf diese Weise das Hämmern lindern. Er kann ein Stöhnen nicht unterdrücken. Sein Mund ist trocken, und er erinnert sich an den alten Cowboy-Spruch, der lautet: Saure Schnauze, brummiger Schädel – und im Bett zwei wildfremde Mädel. Im Herzen eine Menge Sorgen. Was ist das für 'n verdammter Morgen.
Die Tür geht auf.
Was er dann sieht, kann er nicht glauben. Er reißt die Augen auf und schüttelt ungläubig den Kopf, als hätte er vom langen Tauchen Wasser in den Ohren und wollte es herausschütteln.
Aber das Bild bleibt. Er sieht alles richtig, träumt auch nicht und hat auch keine Halluzinationen, also irgendwelche Wahnvorstellungen. Es ist alles echt.
Gina Lockwood ist gekommen.
Aber da fällt ihm in seinem brummenden Schädel ein, dass sie ja nicht mehr Lockwood, sondern Turnslade heißt, Gina Turnslade-Lockwood.
Er wischt sich über das stoppelbärtige Gesicht und fragt dann heiser: »Oh, du wunderschöne Gina, die ich leider nicht bekommen konnte, bist du echt oder ein Geist?«
Sie lacht leise, aber es ist ein grimmiges Lachen.
»Du verdammter Sattelstrolch«, spricht sie dann, »willst du dein Leben als Hurenbock beenden?«
Sie steht, auf den Sohlen ihrer zierlichen Reitstiefel wippend, vor dem Bettende, denn sie kam einige Schritte in das Zimmer herein.
Sie trägt einen geteilten rehledernen Rock, eine grüne Flanellbluse und hat den schwarzen Stetson an der Windschur unter dem Nacken hängen. In der Rechten hält sie eine Reitpeitsche.
Die beiden Mädchen rechts und links neben Race King erwachen nun. Dolly faucht giftig: »Verdammt, was ist das für ein Lärm? Ich will schlafen, nichts anderes als schlafen nach dieser verdammten Nacht.«
Auch Rosy wird wach. »Was ist los?« So fragt sie böse. »Was ist das für ein Lärm mitten in der Nacht?«
»Es ist nicht mehr Nacht, ihr zwei Süßen«, spricht Gina Turnslade und tritt zum Waschtisch, nimmt dort den noch halbgefüllten Krug und leert diesen endgültig über den drei Köpfen aus.
Die beiden Mädchen kreischen böse, fauchen wie wütende Katzen.
Doch Race King verlangt: »Mehr, Gina, mehr! Das tut gut! Hol noch mehr Wasser. Das ist köstlich. Mehr, mehr, mehr!«
Er wischt sich das Wasser aus dem nun nassen Haar und verreibt es im Gesicht. Denn nun spürt er in seinem Brummschädel ein wenig Linderung.
Die beiden Mädchen aber springen wütend aus dem Bett. Und Rosy grollt kehlig: »Los, Dolly, die machen wir klein. Diese Tante hat Locokraut gefressen! Ja, die muss total verrückt sein, sich mit uns anzulegen! Los, Dolly, der geben wir es höllisch!«
Aber Gina Turnslade schlägt nun mit der Reitpeitsche zu – nein, nicht auf die beiden Mädchen, sondern gegen die Hälse der Messingkugeln auf den Bettpfosten. Sie köpft diese Messingkugeln gewissermaßen. Es sind zwei blitzschnelle Schläge.
»Na los, ihr zwei Süßen, dann kommt und versucht es!« Nun faucht sie auch.
Da halten sie inne.
Und Dolly wendet sich an Race King: »He, ist die das, von der du im Rausch ständig geschwärmt hast und die du mit uns vergessen wolltest? Ist die da dein verdammtes Problem?«
Race King hält sich wieder den Brummschädel. Dann aber bittet er: »Oh, ihr süßen Paradiesengelchen, am besten wäre es, wenn ihr uns allein lassen würdet. Ich bitte euch von ganzem Herzen.«
Die beiden Mädchen – sie sind nackt – zögern.
Doch Gina Turnslade klatscht hörbar mit der Peitsche gegen ihren ledernen Reitrock und spricht dann: »Wenn er euch doch von ganzem Herzen bittet...«
Sie zögern immer noch, denn sie sind nicht nur mehr als hübsch, sondern hartgesotten, und sie können biestig werden wie Wildkatzen.
Nun aber spüren sie etwas, was von dieser blonden, blauäugigen und sehr hellhäutigen Frau ausgeht, die gewiss nicht viel älter ist als sie, aber dennoch etwas ausstrahlt, was ihnen selbst fehlt.
Nein, sie halten diese Frau nicht für eine echte Lady, eher für eine zweibeinige Tigerkatze. Und das ist es, was sie von ihnen unterscheidet. Sie sind nur zwei Wildkatzen. Aber diese da...
Dolly stößt plötzlich hervor: »Wie wäre es denn, wenn auch Sie uns bitten, große Schwester?«
»In Ordnung.« Gina Turnslade lächelt. »Bitte lasst mich mit diesem Narren allein, ja? Seid nett.«
Die beiden Mädchen sehen sich an.
»Die ist vielleicht gar nicht so übel«, spricht Rosy.
Sie bewegen sich nun endlich und treten zu den Sesseln, wo sie ihre Kleidungsstücke abgelegt haben. Aber das sind nur wenig mehr als die Morgenmäntel. Denn dies hier ist ein nobles Putahaus.
Rosy schließt dann sogar sachte hinter sich und Dolly die Tür.
Gina Turnslade aber verharrt wieder am Fußende des Bettes, in dem Race King immer noch sitzt.
»Na los, du Kuhtreiber«, verlangt sie, »steh endlich auf, zeig mir deinen Alabasterkörper und zieh dich an. Wir reiten.«
Er schüttelt den Kopf, steckt sich dann die kleinen Finger in die Ohren und rüttelt darin. »Hab' ich richtig gehört?« So fragt er. »Ich soll mit dir diese wunderbare Stadt verlassen, mit dir reiten? Was würde dann der große Duke Turnslade dazu sagen, dieser mächtige Cattleking, den du mir vorgezogen hast? Willst du ihn mit mir betrügen? Dann brauchen wir gar nicht erst zu reiten. Dann brauchst du nur hier in dieses Bett zu steigen. Denn selbst nach solch einer Nacht bin ich immer noch besser als alle anderen Burschen, deinen Duke mit eingeschlossen.«
Sie schüttelt nachsichtig und mit einem deutlichen Ausdruck von Bedauern den Kopf.
»Ich hätte nie geglaubt, dass es dich so sehr mitnehmen würde«, murmelt sie dann. »Aber Duke Turnslade ist tot. Er befindet sich nun in den ewigen Jagdgründen, wie man so sagt. Nur ich bin noch da und habe die große Double T Ranch am Halse. Ich brauche dich, Race.«
Er starrt sie eine Weile an.
Dann nickt er. »Ja, das glaube ich«, grinst er. »Du brauchst mich, um die wilde Mannschaft zu bändigen. Und nicht nur die Mannschaft, sondern auch all die kleinen Nachbarn, damit sie dir nicht die Rinder stehlen. Denn du bist eine Frau. Und jeder zweibeinige Tiger, den du zu deinem Ritter machst, will mit dir ins Bett.«
»Richtig«, erwidert sie. »Und wenn das schon so ist, gebe ich dir den Vorzug. Es war doch damals wunderbar mit uns. Obwohl ich dir nie versprochen hatte, dass wir bis ans Ende unserer Tage ein Paar sein würden. Du hast immer gewusst, dass ich eine Glücksjägerin bin. Duke Turnslade machte mich zu einer Queen. Nun bin ich eine Königswitwe. Ja, ich brauche deine Hilfe und zahle auch den Preis. Steh endlich auf und komm mit. Verdammt, es eilt! Es war schwer, dich zu finden. Und wir haben einen langen Weg vor uns. Steh endlich auf!«
Da grinst er breit und tippt sich gegen die Schläfe.
»Du bist verrückt«, spricht er. »Du glaubst, dass du mich wieder nach dir süchtig machen könntest. Hey, auf diese Weise bekommst du mich nicht – nicht mehr. Damals, als du den Hammeln beim Spiel die Haut abzogst, war ich dein Beschützer. Doch dann...«
»Vergessen wir das«, unterbricht sie ihn. »Ich brauche dich und zahle den Preis. Jeden. Wie also ist dein Preis?«
»Die halbe Ranch«, erwidert er. »Die Hälfte der Herden – von allem die Hälfte. Wir machen nur noch Geschäfte miteinander. Ich werde dein Partner. Und weißt du auch, warum?«
»Du wirst es mir gleich sagen«, murmelt sie, und in ihren dunkelblauen Augen funkelt es. »Ja, du wirst es mir gleich sagen.«
»Richtig.« Er grinst. »Ich will dir zeigen, dass ich – wenn ich nur will – eine ganze Klasse besser bin als dein großer Turnslade, auf den du all deine Chips gesetzt hattest. Und in dein Bett will ich nicht – nicht mehr. Ich kann mich auch mit anderen Frauen amüsieren. Du hast es soeben feststellen können.«
Sie nickt langsam.
»Ich muss dich damals schlimm verletzt haben«, murmelt sie. »Aber ich dachte nie, dass es so schwer für dich sein würde. Es tut mir leid. Doch ich wollte eine Cattlequeen werden. Ja, ja, ja, ich bin eine berechnende, kaltherzige und beutelüsterne Raubkatze. Gut! Doch ich teile mit dir, wenn du Turnslades Kingdom, dieses große Rinderreich, erhalten kannst. Vielleicht wirst du es nicht schaffen und bald tot sein. Du wirst die gleichen Feinde haben wie Turnslade. Und du musst auch erst noch die große Mannschaft unter Kontrolle bekommen. Dein Wort wird in unserem Land Gesetz sein. Doch vielleicht werden sie auch dich bald mit einer weitreichenden Sharps in den Rücken schießen, so wie Duke Turnslade. Du wirst dir die Hälfte der Double T Ranch auf die harte Art verdienen müssen.«
Er nickt nur.
Dann steigt er aus dem Bett, nackt wie er ist, ein großer, hagerer, zäher und zugleich geschmeidiger Bursche von etwa neunzig Kilo Gewicht und dunkel wie ein Indianer, weil er eine indianische Großmutter hatte. Ja, er ist zu einem Viertel ein Comanche.
Sie betrachtet ihn aufmerksam.
»Ja, du wirst es schaffen«, sagt sie dann und nickt. »Ich warte unten auf dich und lasse dein Pferd satteln.«
Nach diesen Worten wendet sie sich mit einer leichten und geschmeidigen Bewegung und verlässt das Zimmer.
Er verharrt noch und starrt eine Weile auf die geschlossene Tür.
Ja, er war ihr verfallen wie einem süßen Gift, von dem man süchtig wird.
Und er verbrachte das letzte Jahr eigentlich nur damit, sie irgendwie vergessen zu können. Doch es gelang ihm nicht. Da halfen keine Ausschweifungen, kein Alkohol, keine anderen Frauen – nichts.
Doch jetzt...
Er denkt: Jetzt ist alles anders. Sie kam, weil sie Hilfe braucht. Und sie glaubte, dass ich ihr sofort wieder verfallen würde. Aber ich bin kein Hampelmann. Ich zeige es ihr, verdammt!
Nun erst beginnt er sich anzukleiden.
Und immer wieder stöhnt er dabei, hält sich auch manchmal den hämmernden Kopf.
Als er sich schließlich im Spiegel betrachtet, da verzerrt er sein Gesicht zu einem Grinsen.
»Ja, ja, ich weiß«, knurrt er. »Ich werde vielleicht der größte Dummkopf und Verlierer auf dieser Erde sein, aber vielleicht auch der große Sieger. Es wurde verdammt Zeit, dass mein Leben ein Ziel bekommt. Wir werden sehen.«
Er schlingt sich nun den Revolvergurt mit dem schweren Colt im Holster um die schmalen Hüften. Er trägt die Waffe links und zieht sie nun mehrmals, so als wollte er seine Reflexe prüfen.
Zuletzt betrachtet er die Waffe in seiner Hand eine Weile, und sein Gesicht ist ausdruckslos. Alles, was er auch fühlen mag – es bleibt tief in seinem Kern verborgen.
Und er weiß, dass er wahrscheinlich wird töten müssen.
Als er die Treppe hinuntergeht, da bewegt er sich schon wieder geschmeidig, so als wäre er ein Leichtgewicht. An seinen Stiefeln klirren melodisch silberne Sporen.
Dieses silberhelle Klingeln täuscht. Vielleicht wäre es ehrlicher, wenn seine Sporen stählern rasseln würden.
Als er unten ist, sieht er Donna Elviera, die Patrona des Freudenhauses, hinter der Bar stehen.
»Sie hat schon alles bezahlt«, spricht Donna Elviera. »Und ich soll dir noch einen Drink einschenken, hat sie gesagt. Damit du wieder richtig munter wirst, mein Freund. Ist sie es, die du nicht vergessen konntest?«
Er nimmt den Drink und kippt ihn herunter.
»Es war schön hier bei dir und deinen Engelchen, Amiga«, sagt er und grinst.
Und dann geht er hinaus. Wieder klingeln seine silbernen Sporen.
Draußen sitzt Gina Turnslade im Sattel eines wunderschönen Rotfuchses.
Neben ihr hockt ein kleiner Mexikaner auf einem verrückt gescheckten Pinto. Dieser kleine Mann wirft Race King die Zügelenden des grauen Wallachs zu, den sie aus dem Mietstall holten, wo Race King ihn vor drei Tagen einstellte.
Gina Turnslade sagt: »Das ist Paco.«
Sie sagt es schlicht, aber es ist dennoch ein besonderer Klang in ihrer Stimme.
Race King betrachtet den kleinen Mann, dessen Alter unbestimmbar ist. Aber wahrscheinlich ist dieser kleine Bursche im fünften Jahrzehnt seines Lebens. Außer seinem großen Hut ist nichts Großes an ihm. Wahrscheinlich wiegt er nicht viel mehr als hundert Pfund.
An seinem Sattelhorn hängt eine zusammengerollte Maultiertreiberpeitsche. Und in einem kurzen Sattelholster steckt eine abgesägte Schrotflinte.
Man könnte diesen Paco für einen Vaquero halten, also einen mexikanischen Cowboy.
Aber als Race King nun in die Augen des kleinen Mannes blickt, da erkennt er den ruhigen Stolz eines Ritters.
»Na gut, reiten wir, damit ich endlich den Tequila ausschwitzen kann«, sagt er heiser.
Sie reiten aus der kleinen Stadt, welche Rosalia heißt und in der das Freudenhaus von Donna Elviera auf hundert Meilen in der Runde die größte Attraktion ist.
Paco übernimmt die Führung.
Nach einer Weile – als sie schon fast zwei Meilen geritten sind und es Race King ein wenig bessergeht –, da fragt er: »Und wer ist dieser Paco?«
Sie lächelt zu Race King hinüber, und sie reiten jetzt fast Steigbügel an Steigbügel.
»Paco...«, beginnt sie, »nun, Paco... Duke besaß seine ganze Treue. Und nun besitze ich diese Treue. Auch du wirst sie besitzen, wenn das für mich und die Double T Ranch nützlich ist. Unterschätze Paco nicht.«
»Nein«, erwidert Race King, »gewiss nicht. Ich spüre, dass er töten kann mit seinem gemeinen Ding, dieser abgesägten Schrotflinte. Dieser Wicht ist so gefährlich wie eine Giftviper, die nicht warnend mit dem Schwanz rasselt wie eine Klapperschlange. Ein Wunder, dass er so alt werden konnte.«
»Er würde für die Double T Ranch sein Leben geben«, spricht sie schlicht.
Da sagt Race King nichts mehr.
Sie reiten den ganzen Tag schweigend, und er schwitzt an diesem heißen Tag eine ganze Menge von dem Feuerwasser der letzten Tage und Nächte aus.
Als es Abend wird, erreichen sie einen Creek, der zum Pecos River fließt.
Hier halten sie an. Race King versorgt wortlos sein Pferd. Dann geht er zum Creek und findet dort in einem Strudelloch hinter einer kleinen Landzunge eine tiefere Stelle. Und wenig später nimmt er dort ein langes Bad.
Im Camp aber fragt Gina Turnslade den kleinen Paco, der inzwischen die Pferde von ihr und sich versorgt hat: »Nun, Paco?«
Dieser sieht sie an und nickt.
»Si, Patrona, er ist ein Mann wie sonst keiner unter zehntausend Hombres. Man kann es spüren, wenn man sich auf diese Sorte versteht. Auch Duke Turnslade war solch ein Hombre. Und für das Wohl der Double T Ranch ist alles recht.«
✰
Am zweiten Tag reiten sie südlich des El Capitan Peak nach Westen und erreichen einen weiteren Tag später die Weidegrenzen der Double T Ranch.
In einem flachen Canyon stoßen sie auf eine kleine Rinderherde, die von vier Reitern getrieben wird. Es handelt sich um etwa fünfzig Rinder, die mit Bullpeitschen hart getrieben werden. Die vier Treiber stoßen immer wieder scharfe Schreie und gellende Pfiffe aus, lassen auch die Bullpeitschen auf die Rinderhäute klatschen.
Keine normale Herde würde so getrieben werden.
Sie versperren den Rindern den Weg, und zwei der Treiber, welche vorne an den Flanken ritten, so dass die Tiere nicht nach rechts oder links ausbrechen konnten, kommen nach vorn. Die beiden anderen Treiber halten die stehengebliebene Herde zusammen, denn die Tiere wollen immer wieder auseinanderlaufen.
Man sieht ihnen an, dass ihnen das scharfe Treiben nicht passt und sie noch gar nicht daran gewöhnt sind wie zum Beispiel eine Treibherde, die schon längere Zeit unterwegs ist.
Die beiden Reiter, die sich also von der Herde lösten, kommen im Schritt herangeritten.
Als sie anhalten, sind sie nahe genug. Einer sagt hart: »Nun, Ma'am, Sie werden sich damit abfinden müssen, dass man Ihnen überall die Double T Rinder stiehlt. Duke Turnslades Rinderreich bricht auseinander. Er ist tot, und das, was er sich wie ein Pirat zusammengeraubt hat, wird nun wieder aufgeteilt. Reiten Sie zur Seite, Ma'am. Wir wollen hier durch.«
Er macht eine wegscheuchende Armbewegung.
Gina Turnslade aber blickt nach rechts auf Race King.
»Das ist es«, spricht sie hart und spröde. »Diese Männer standen bis jetzt auf meiner Lohnliste. Es waren Double T Ranch Cowboys. Nun stehlen sie das Vieh der Ranch, für die sie ritten.«
Nach diesen Worten reitet sie zur Seite, und es ist klar, dass sie zusehen will.
Auch der kleine Paco reitet zur Seite.
Nur Race King verharrt auf seinem grauen, narbigen Wallach und versperrt dieser Herde den Weg.
Der Sprecher von vorhin ruft: »Mann, gib den Weg frei! Sei kein Narr!«
Aber Race King erwidert: »Pferde- und Rinderdiebe hängt man in Texas.«
Der Mann schüttelt den Kopf und sagt hart: »Uns nicht!«
Und dann geben er und sein Komplize ihren Pferden die Sporen, stoßen dabei scharfe Schreie aus und reißen die Colts aus den Holstern.
Ja, es ist unverkennbar ein Angriff.
Bevor sie reitend das Ziel richtig anvisieren können und ihre Revolver zu krachen beginnen, trifft es sie. Denn wie durch Zauberei war plötzlich der Colt in Race Kings Faust. Sein grauer Wallach zuckt kaum mit den Ohren, als der Colt zu krachen beginnt. Denn dieser graue, narbige Wallach ist ein Kriegspferd.
Die beiden Reiter werden von den Kugeln aus den Sätteln gestoßen wie von unsichtbaren Riesenfäusten. Einer bleibt mit seinem Fuß im Steigbügel hängen und wird von seinem Pferd noch ein Stück geschleift.
Die beiden anderen Treiber, welche die kleine Herde noch zusammenhielten, ergreifen die Flucht.
Aber da lässt Paco seinen Pinto anspringen.
Dieser kleine Paco mit dem großen Hut wirkt plötzlich anders, gar nicht mehr so unscheinbar, sondern mit seinem Pferd verwachsen.
Ja, er verfolgt die beiden Excowboys der Double T Ranch mit gnadenloser Verbissenheit. Es ist, als wären Mann und Pferd ein einziger Körper, so wie jene griechischen Fabelgeschöpfe, die man Zentaur nennt.
Gina Turnslade kommt zu Race King geritten.
»Das ist erst der Anfang«, spricht sie spröde.
»Ich weiß«, erwidert er. »Ja, ich weiß, wie hart und böse ich mir die Hälfte verdienen muss, die halbe Ranch und die Hälfte von allem, was dir als Witwe gehört.«
Sie starrt fest in seine Augen.
»Und mich willst du nicht mehr?«
Er grinst. »Vielleicht irgendwann. Gina, ich wollte dich die ganze Zeit mit Alkohol und anderen Frauen vergessen. Es gelang mir nicht. Doch dann wurde plötzlich alles so leicht, weil ich mir und dir beweisen kann, dass ich besser bin, als Duke Turnslade es war. Wo war denn dieser Paco, als man Duke Turnslade von hinten abschoss? Du sagtest doch, dass man ihn von hinten...«
Sie unterbricht ihn mit den Worten: »Sie hatten auch Paco vom Pferd geschossen, ihn jedoch nicht so gut getroffen wie Duke. Paco überlebte es.«
Sie hat alles gesagt.
Beide sehen nach den beiden Rinderdieben.
Aber beide sind tot.
Und in der Ferne vernehmen sie nun das Krachen der Schrotflinte und der Revolver.
»Paco kennt keine Gnade mehr«, spricht Gina Turnslade. »Es geht um die Ranch und um die Herden. Es geht um tausend Pferde, eine Maultierzucht von mehr als fünfhundert Tieren und mehr als zwanzigtausend Rinder. Und es gibt keine Gnade.«
Sie verstummt klirrend.
Er aber betrachtet sie eine Weile ungläubig: »Und diesen Krieg könntest du ertragen, Gina?«
Sie nickt sofort heftig: »Sie haben Duke von hinten abgeschossen. Und ich bin im Recht. Ich lasse mir nichts stehlen. Verdammt, ich bin im Recht. Und weil es in diesem Land kein Gesetz gibt, muss ich mir selbst helfen. Was ist falsch daran?«
Er schüttelt leicht den Kopf, hebt dann die Schultern und lässt sie wieder sinken, so als wäre er ratlos.
»Es ist etwas falsch«, murmelt er dann. »Du bist eine wunderschöne Frau und warst auch für mich eine Weile wie ein Geschenk des Himmels. Und nun frage ich mich, ob du das wirklich wirst ertragen können. Was ist, wenn dein Herz dabei so hart und kalt wie ein Stein werden sollte?«
Sie sieht ihn fest an.
»Du kannst mich haben«, spricht sie spröde. »Dann wirst du spüren, dass ich nicht hart und kalt wie Stein, sondern heiß wie Feuer bin. Für die Double T Ranch werden wir beide einen Weg gehen müssen, der uns zusammenschmieden wird. Ja, du kannst mich haben – jederzeit. Denn wir werden zusammen siegen oder untergehen.«
Sie reitet nach diesen Worten vorwärts und beginnt die Rinder zurückzutreiben.
Er folgt ihr, um ihr zu helfen.
Ja, sie drehen die kleine Herde um und treiben die Tiere auf die Double-T-Weide zurück.
Irgendwann kommt Paco zurück und hilft ihnen.
Sie fragen ihn nicht, ob er die beiden geflüchteten Reiter erwischt hat.
Nein, das halten sie nicht für nötig.
Denn irgendwie spüren sie, dass dieser kleine Mann, der auf seinem Pferd wie ein geschmeidiger Ritter und zu Fuß am Boden wie ein Wicht wirkt, getötet hat. Es geht etwas von ihm aus, was wie ein kalter Hauch wirkt.
In diesen Minuten beginnt Race King zu ahnen, warum dieser Duke Turnslade ein so großer und mächtiger Rancher werden konnte. Es lag gewiss nicht an ihm allein, sondern auch an diesem kleinen Paco.
Und erst als man auch Paco vom Pferd schießen konnte und er seinem Rancher nicht mehr den Rücken decken konnte, konnte man Duke Turnslade vernichten.
Wer mögen seine Feinde sein?
Race King weiß, auch er wird mit ihnen zu tun bekommen.
✰
Es ist spät in der Nacht, als sie die Lichter von Santa Rosa erblicken. Es ist ein kleiner Ort, den schon die Spanier damals gründeten, als sie hier eine Mission errichteten.
Nun liegt der kleine Ort – halbverfallen schon und mit nur wenigen Einwohnern – mitten im Weidegebiet der Double T Ranch.
Sie reiten darauf zu, und längst schon treiben sie nicht mehr die kleine Herde, die sie an einer Wasserstelle der Ranch zurückließen.
Von dem kleinen Ort Santa Rosa bis zur Hauptranch sind es noch etwa sieben Meilen. Sie könnten also weiterreiten und vor Mitternacht die Hauptranch erreichen.