G. F. Unger Sonder-Edition 292 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 292 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als der Blizzard losbrach, da wusste ich, dass ich verloren hatte. Dieser Blizzard kam etwa zwei Wochen zu früh. Um volle zwei Wochen konnte mich der einbrechende Winter schlagen. Über den Sunbeam-Pass konnte ich meine siebenundfünfzig Rinder nicht mehr bringen.
Verdammt noch mal, es ging mir wie einem Spieler, der all seine Chips auf ein gar nicht mal schlechtes Blatt setzte - und dessen Gegenspieler dann doch die besseren Karten aufdeckte. Der Winter war mein Gegenspieler gewesen. Nun schlug er mich. Der Blizzard kam aus dem Powder-River-Land, wie alle diese Schneestürme um diese Jahreszeit.
Ich hatte meine kleine Herde vom Wyoming-Territorium aus nach Osten bis dicht an die Black Hills-Kette herangetrieben. Gestern noch konnte ich den Sunbeam-Pass deutlich sehen, über den hinweg ich in das Goldland der Black Hills zu kommen gedachte.

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Seitenzahl: 192

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Ein Revolver für die Rache

Vorschau

Impressum

Ein Revolverfür die Rache

Als der Blizzard losbrach, da wusste ich, dass ich verloren hatte. Dieser Blizzard kam etwa zwei Wochen zu früh. Um volle zwei Wochen konnte mich der einbrechende Winter schlagen. Über den Sunbeam-Pass konnte ich meine siebenundfünfzig Rinder nicht mehr bringen.

Verdammt noch mal, es ging mir wie einem Spieler, der all seine Chips auf ein gar nicht mal schlechtes Blatt setzte – und dessen Gegenspieler dann doch die besseren Karten aufdeckte. Der Winter war mein Gegenspieler gewesen. Nun schlug er mich. Der Blizzard kam aus dem Powder-River-Land, wie alle diese Schneestürme um diese Jahreszeit.

Ich hatte meine kleine Herde vom Wyoming-Territorium aus nach Osten bis dicht an die Black Hills-Kette herangetrieben. Gestern noch konnte ich den Sunbeam-Pass deutlich sehen, über den hinweg ich in das Goldland der Black Hills zu kommen gedachte.

Jetzt aber war alles »im Eimer«, wie man im Volksmund so schön sagte. Über den Pass kam ich nicht mehr, jedenfalls nicht mit meinen Rindern. Die würden im Schnee steckenbleiben und elend umkommen.

Ich konnte sie nicht mal mehr treiben. Denn der Blizzard kam von Norden. Ich musste nach Osten hinauf treiben. Aber das machte kein Rind mit. Rinder drehten einem Blizzard stets die Hinterteile zu und wanderten vor ihm her.

Diese taten es auch ein Stück. Dann aber schwenkte der erfahrene Leitbulle, der mir den ganzen langen Weg so prächtig geholfen hatte, doch nach Osten ein. Aber ich begriff bald schon warum.

Wir gelangten in eine enge Schlucht. Hier war es etwas angenehmer. Es gab sogar in Lee der nördlichen Schluchtwand noch ein paar Gräser und Büsche. Meine siebenundfünfzig Rinder machten sich darüber her, so, als wüssten sie genau, dass dies die letzte Chance war, noch ein paar Blättchen und Halme zu bekommen. Denn bald würde es auch in dieser Schlucht genügend Schnee geben.

Ich hockte im Sattel, verkroch mich tiefer in die Felljacke und presste meine mit Chaps geschützten Beine eng gegen den Pferdeleib, weil dieser so schön wärmte.

Es war gemein kalt, und ich wusste, dass dies nicht einfach nur ein Schneeblizzard war, sondern bald schon das blanke Eis vom Himmel fallen würde.

Das würde sicher zu einem Blaueis-Blizzard ausarten.

Verdammt noch mal, ich konnte hier nicht bleiben.

Solch ein Blizzard konnte eine Woche lang anhalten. Dann war ich hier in der Schlucht nicht gerade bequem untergebracht. Ich musste versuchen, noch über den Pass zu gelangen. Dann stieß ich gewiss bald schon auf die ersten Goldgräber-Camps. Dort konnte ich vielleicht ein warmes Plätzchen finden; es würde zumindest besser sein als hier ein Camp in der Schlucht.

Für meine Rinder konnte ich nichts tun – gar nichts. Die waren jetzt nicht mehr von hier fortzubringen. Und ließ ich sie hier, so konnte ich ziemlich sicher sein, sie auch noch nach Wochen beisammen wiederfinden zu können.

Aber wahrscheinlich würden sie verhungern.

Anstatt von den Goldgräbern gegessen zu werden, würden sie hier an Futtermangel umkommen. Wölfe, Pumas und auch Bären würden sich hier mästen.

Aber so war nun mal diese Welt hier in diesem Lande.

Ich hatte verloren – und damit auch meine Rinder. Es gab keine Gnade. Die ganze Sache war erledigt. Nur ein großer Heuhaufen in der Nähe hätte die Rinder retten können.

Aber wer würde schon einen Heuhaufen für mich und meine Rinder hingesetzt haben?

Das gab es nicht.

Ich hatte mir eine Zigarette gedreht und angezündet.

Nun war sie aufgeraucht, und ich hatte lange genug nachdenken können.

Ich wandte mein Pferd und ritt wieder aus der Schlucht hinaus.

Draußen wollte ich gleich wieder umkehren, denn es traf mich mit unbarmherziger Wucht. Dieser Blizzard kam aus dem eisigsten Keller des Powder-River-Landes, in dem nach Meinung der Indianer der Vater aller Blizzards wohnen sollte, der »Waniyetula«. Nun, mir war es gleich, wie der alte Bursche hieß. Ich wusste nur, dass ich bald erfrieren würde, käme ich nicht in den nächsten zwei Stunden über den Pass oder ritte ich nicht in die Schlucht zu meinen Rindern zurück.

Aber ich wollte nicht in einer Höhle oder einer kümmerlichen Zweighütte bei meinen Rindern in der Schlucht hocken. Wer weiß, ob ich überhaupt genügend Feuerholz gefunden hätte.

Nein, ich musste kämpfen.

Und so machte ich mich auf den Weg.

Ich konnte mich nicht verirren, solange der Blizzard meine linke Seite traf, denn er kam von Norden und ich musste nach Osten. So war alles völlig klar. Ich konnte sozusagen blind reiten.

Der Eingang des Canyons, durch den man hinauf zum Pass gelangte, war breit wie ein Trichter. Auch ihn konnte ich nicht verfehlen.

Also ritt ich los auf meinem braven Pferd. Wir waren längst schneebedeckt. Ich spürte, wie ich allmählich im Sattel festfror. Meine Beine waren zwar durch lederne Chaps geschützt. Doch gegen diese Kälte war das nichts. Langsam verlor ich in den Beinen das Gefühl. Ich wusste, was das zu bedeuten hatte, aber ich konnte nun nicht mehr umkehren. Ich war schon zu weit von der Schlucht fort.

Der Schnee wurde nun immer härter. Bald war er mit Hagel vermischt. Manche Hagelstücke waren so groß wie die Taubeneier. Sie prügelten mich erbarmungslos. Auch mein armes Pferd hatte zu leiden.

Nun, ich weiß nicht, wie lange ich damals durch diesen gnadenlosen Blizzard ritt. Das Zeitgefühl verschwand in mir völlig. Ich wusste nicht mehr, ob ich eine einzige Minute oder anstatt der Minute eine Stunde kämpfte. Aber es waren auf jeden Fall sehr viele Minuten, die sich – wenn ich es zurückblickend überlege – zu mehr als einer Stunde reihten.

Dann endlich gelangte ich in den breiten Trichter der Canyon-Mündung.

Ich hatte sie schon gestern gesehen und wusste, dass dieser Canyon-Eingang fast eine Meile breit war. Der Canyon stieg stetig an zum Pass und verengte sich zunehmend.

Schon am Anfang war etwas Schutz, denn ich ritt dicht an der nördlichen Wand. Mein Pferd hatte uns richtig geführt. Es wurde immer besser und war bald nicht viel anders als zuvor in der Schlucht.

Das Orgeln und Brüllen des Eissturmes war nun mehr über uns. Wir wurden nicht mehr so erbarmungslos geprügelt von dieser elementaren Gewalt.

Aber wir waren schon irgendwie »taub«, gefühllos, wie betrunken. Die eisige Kälte war durch den brüllenden Sturm und die prasselnden Eisstücke noch verstärkt worden.

Ich begriff mit meinem dumpfen Hirn, dass wir Schutz und Wärme nötig hatten und nicht länger mehr versuchen durften, über den Pass zu gelangen.

Es ging nicht.

Wir würden erfrieren. Verdammt noch mal, es war so kalt, dass die Augen zufrieren wollten und der Atem sich schon im Munde und in den Nasenlöchern zu Eis verwandeln wollte.

Ich hatte mir längst das Halstuch über den Hut gebunden, so dass meine Ohren bedeckt waren. Auch der Kragen meiner Felljacke reichte bis über die Ohren.

Aber die Nase war am Erfrieren, desgleichen auch Kinn, Wangen – und die Beine bis zu den Hüften hinauf.

Ich wusste auch, dass mein Gesicht blutete. Die Eisstücke waren wie Steine.

Also, um es kurz zu machen, wir mussten Schutz und Wärme finden, mein braves Pferd und ich. Sonst waren wir bald verloren.

Ich wusste, was die Indianer an meiner Stelle taten. Sie töteten das Pferd, schnitten dem Tier den Bauch auf, holten alles heraus, was da drinnen war, und krochen selbst hinein, stopften den »Eingang« möglichst mit der Satteldecke zu. Und weil dann bald schon ein Schneehaufen auf ihnen und dem Pferd-Schlafsack lag, überstanden sie zumeist auch die Kälte. Wenn sie dann nach Tagen hervorkrochen, glichen sie taumelnden Leichnamen. Ich hatte es schon mal gesehen.

Doch bei mir gab es zwei Schwierigkeiten.

Erstens brachte ich es nicht fertig, meinen Red zu töten, um in seinen Bauch zu kriechen, um es mir dort gemütlich machen zu können.

Und zweitens war ich zu groß. Indianer waren kleiner. Ich hätte mich im Pferdebauch zusammenrollen müssen wie ein ungeborenes Kind.

Aber was sollte ich sonst tun?

Vielleicht fand ich eine Höhle.

Aber ich fand keine. Dafür fand ich etwas, was ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet hätte.

Ein Haus war da. Ich wunderte mich zuerst, warum mein Pferd plötzlich hielt. Dann wunderte ich mich, weil der Blizzard nicht mehr ganz so schlimm tobte.

Aber dann sah ich dicht vor der Nase meines Pferdes die Blockhauswand.

Oha, was hatte ich doch mal wieder Glück gehabt!

Als ich aus dem Sattel stieg, musste ich meinen festgefrorenen Hintern erst losreißen. Und meine Beine wollten mir nicht gehorchen. Ich hatte gar kein Gefühl mehr in ihnen. Die Eiskörner lagen nun fast kniehoch wie grober Sand mit Kieseln am Boden. Ich stapfte auf, so gut es ging.

Und dann dachte ich mir, dass bei einem Blockhaus wohl auch ein Stall sein würde. Ich nahm das Pferd bei den Zügeln. Doch diese konnte ich trotz meiner dicken Handschuhe kaum halten. Dann taumelte und stolperte ich auf gefühllosen Beinen am Haus entlang.

Nun, ich fand den Stall. Er schloss sich canyoneinwärts gleich an das Blockhaus an. Es war Platz in ihm für ein halbes Dutzend Pferde – doch es waren nur zwei in ihm eingestellt worden. Es war ein ziemlich verdreckter Stall, der schon vor längerer Zeit hätte ausgemistet werden müssen.

Wer die Leute hier auch sein mochten, sie waren wahrscheinlich von der Sorte, die nicht viel auf Sauberkeit hält.

Aber mir war ein stinkender Stall lieber als ein sauberer Blizzard. Und auch Pferdemistgestank und der scharfe Geruch von Pferdeharn waren mir jetzt lieber als kalter Ozon.

Auch der feinsten Prinzessin wäre das lieber gewesen.

Ich versorgte mein Pferd, und dabei kam meine Durchblutung wieder in Gang. Ich spürte sogar bald wieder meine Zehen. Darüber war ich froh, wie man sich denken kann, obwohl sie für eine Weile so schlimm »zwiebelten«, dass mir die Tränen in die Augen kamen. Aber auch meine Hände, meine Wangen, die Nase und das Kinn »zwiebelten« schlimm, wie man auch diesmal im Volksmund so treffend sagt, wenn man »zwiebeln« als Schmerzausdruck gebraucht.

Als ich fertig war mit meinem Red, fühlte ich mich wieder einigermaßen wohl. Aber ich hatte mir ja auch Zeit genommen.

Immer wieder hatte ich an die Leute nebenan im Blockhaus gedacht.

Wer mochten sie sein? Zu welchen Menschen war ich gekommen? Zwei Pferde im Stall ließen auf zwei Personen schließen. Würden Sie mir Gastfreundschaft gewähren? Eigentlich war das jetzt selbstverständlich. Doch ich kannte die Menschen inzwischen gut genug, und deshalb war meine Meinung über sie nicht mehr die beste. Bei Menschen war alles möglich.

Es konnte aber auch sein, dass ich auf Geächtete gestoßen war – oder sogar auf Feinde. Ich hatte mir nämlich in den vergangenen Jahren da und dort Feinde gemacht.

Nun, ich würde ja gleich besser Bescheid wissen.

Bevor ich hinüber zum Haus ging, sah ich noch einmal nach meinem Colt.

Und auch den kleinen Derringer im Stiefelschaft überprüfte ich noch einmal genau. Meine ledernen Chaps hatte ich ausgezogen.

Und dann ging ich also noch einmal hinaus in den brüllenden und orgelnden Blizzard, schloss sorgfältig das Stalltor und erreichte nach einem Dutzend Schritten das Blockhaus.

Ich klopfte nicht, denn das hätte man nicht gehört. Ich hätte kräftig wie ein Pferd gegen die Tür treten müssen, und das wollte ich auch nicht. Als ich probierte, ob sie vielleicht von innen verriegelt war, ging sie auch schon auf. Dabei hatte ich nur auf ein Stück Holz gedrückt, welches von innen nach außen durch ein Loch ragte. Es hob wohl drinnen wie eine Balkenschaukel den Riegel hoch.

Ich trat ein mit Schnee- und Eishagel. Der Blizzard orgelte wieder einmal besonders laut.

Mit dem Rücken drückte ich die Tür zu und lehnte mich dagegen.

Es waren drei Menschen im Raum, zwei Männer und eine Frau.

Die Frau stand am Herd. Die Männer saßen am Tisch – das heißt, sie hatten dort gesessen. Denn bei meinem Eintritt sprangen sie hoch, wichen etwas auseinander und griffen nach ihren Revolvern.

Ich wusste sofort Bescheid, zu welcher Sorte sie gehörten. Männer, die während eines Blizzards in einer Hütte ihre Revolver trugen, die konnten nur zu einer Sorte gehören, nämlich jener, die Schatten auf der Fährte hat.

Sie starrten mich an. Ich wusste, dass sie mich zu erkennen hofften und dies noch nicht konnten, weil Schnee und Eis mich tarnten. Ich hatte immer noch mein Halstuch über den Hut gebunden und unter dem Kinn verknotet. Mein Bart war voller Schnee und Eis. Ich trug auch den Kragen meiner Felljacke noch hochgeschlagen.

Nein, sie konnten mit mir noch nichts anfangen, und vielleicht glaubten und hofften sie, dass ich ein Bekannter war, ein Freund oder Gefährte, ein Nachbar.

Ich hatte Zeit, mir die Handschuhe abzustreifen. Ich nahm sie in die Rechte, denn meinen Colt trug ich links. Ich öffnete mit der Linken die Knebelverschlüsse meiner Felljacke und schob sie links weit genug zurück, so dass sie sich hinter dem Colt staute.

Dann sah ich an den beiden Männern vorbei auf die Frau.

Sie war ein paar Jahre jünger als ich, doch sie war schon eine Frau. Nur auf den ersten Blick konnte man sie für ein Mädchen halten.

Sie war schön.

Eine Lampe brannte. Im Lichte dieser Lampe glänzte ihr Haar wie poliertes Kupfer.

Ich hätte sie mir gewiss gerne noch länger angesehen – etwa so wie eine blühende Rose am Nord- oder Südpol, also wie ein Kunstwerk der Natur, dem man ganz unerwartet begegnet.

Doch ich hatte andere Sorgen.

Ich wollte keinen Streit, nur ein warmes Plätzchen.

Doch ich konnte es klar spüren, dass ich den beiden Männern nicht willkommen war und sie mich bald schon hinausbefördern wollten.

Ich sagte zu der schönen Frau: »Ma'am, verzeihen Sie mir, dass ich hier so eindringe. Aber wer täte das nicht an meiner Stelle? Welcher Mensch bliebe draußen im Blizzard?«

»Ich nicht«, sagte sie. »Mir sind Sie willkommen.«

Sie betonte das »Mir« besonders, und auch in ihren Augen erkannte ich genug.

Und so wandte ich mich wieder den beiden Männern zu, die ich für zweibeinige Wölfe hielt, zumindest für Hartgesottene.

Einer sagte auch schon: »Wer bist du? Woher kommst du? Antworte, wenn du schon so plötzlich reinkommst!«

»Ach«, sagte ich, »ich bin nur Mike Brannan, und ich wollte mit einer kleinen Fleischherde für die Goldgräber über den Pass. Dann kam der Blizzard, und ich fand dieses Obdach. Der Ma'am bin ich willkommen. Also seid auch ihr nett zu mir, Freunde.«

Ich gab meiner Stimme einen versöhnlichen und freundlichen Klang, so gut ich das konnte. Meine Hände waren nun warm genug – und auch sonst hatte ich jetzt alles überwunden. Ein Eisenofen strahlte eine Menge Hitze aus.

»Wer seid ihr denn, Freunde?« Dies fragte ich scheinbar sorglos und gemütlich. Aber in Wirklichkeit war ich so wachsam wie ein Wüstenwolf, der sich zum Abendbrot eine Klapperschlange aussuchte, weil nichts anderes sonst zu bekommen war.

Sie zeigten mir ihre Zähne. Doch es war keine Freundlichkeit in diesem Zähnezeigen; man konnte es beim besten Willen nicht für ein Lächeln halten.

Sie tauschten einen kurzen Blick aus. Es war von diesem Moment an ein Einverständnis zwischen ihnen.

Ich spürte instinktiv, dass sie mich töten wollten.

Dieses instinktive Wissen war plötzlich in mir, und es war stark und scharf. Es gab keinen Irrtum.

Ich war hier in eine Sache hineingerannt, bei der es keine Zeugen geben durfte. So etwa musste es sein.

Ich sah schnell zu der rothaarigen Frau hinüber.

Sie stand immer noch am Herd, und sie hatte Furcht. Es war eine heiße Furcht, aber sie behielt sie unter Kontrolle. Sie hatte genügend Klugheit, Erfahrung und auch Lebenskraft, um die Nerven zu behalten. Sie wusste, dass sie nicht vor Furcht hysterisch werden durfte.

Denn dann war sie erst recht verloren.

»Es sind Banditen«, sagte sie. »Ihre Kumpane stahlen meine Rinder und trieben diese über den Pass. Ich wurde hier von diesen beiden Strolchen bewacht. Bis jetzt waren sie zu feige, eine Frau zu töten. Sie schoben es immer wieder auf. Aber jetzt, Fremder...«

Ich konnte nicht mehr länger zuhören.

Denn aus dem Augenwinkel sah ich ihr erstes Zucken.

Ich konnte nicht länger mehr warten. Sie hatten ja schon bei meinem Eintreten die Hände an den Revolvern gehabt, waren bereit zum Ziehen.

Und nun zogen sie.

Das Zucken ihrer Schultern verriet es mir, noch bevor sich ihre Arme bewegten, um die Revolver herauszuschwingen und die Mündungen hochzubringen.

Sie waren schnell, unheimlich schnell.

Und ich war etwas langsamer als sonst. Wahrscheinlich war ich von der Kälte des Blizzards doch noch nicht völlig aufgetaut. Mein Revolverarm und die Hand waren nicht so geschmeidig wie sonst. Der Reflex des Ziehens und Schießens vollzog sich etwas langsamer. Aber ich schoss den links vor mir stehenden Buddy von den Beinen, bevor er auf mich abdrücken konnte.

Dann aber bekam ich es von dem anderen, indes ich auf diesen meinen zweiten Schuss abfeuerte. Wir gaben es uns im selben Sekundenbruchteil.

Doch dann war die Sache beendet.

Ich hatte auch den zweiten Gegner voll getroffen, und er fiel, indes ich immer noch stand, wartete, den Pulverrauch in Nase und Augen bekam, und die ersten Schmerzen in meiner Seite spürte. Dort war seine Kugel bei mir angekommen.

Die Wunde konnte mich jedoch gewiss nicht umbringen, dies erkannte ich schon bald nach dem ersten Schock.

Ja, man bekommt immer einen Schock, wird man angeschossen. Ich war auf meinen Wegen schon mehrmals angeschossen worden, zweimal allein während des vergangenen Krieges, als ich den Konföderierten mehrmals Pferdeherden stahl, um damit die Unionstruppen beritten zu machen.

Nun, ich stand also im mit Pulverrauch gefüllten Raum, lehnte mich mit den Schulterblättern gegen die Tür, spürte die Schmerzen in der Seite – und hörte hinter mir dort draußen das brüllende Orgeln des tobenden Blizzards.

Vor mir lagen die beiden mir noch fremden Männer.

Ich wusste, dass sie tot waren. Denn ich wollte überleben. Und wenn ein Mann wie ich mit zwei solch gefährlichen Kerlen zu kämpfen hatte und überleben wollte, da durfte er keine halben Sachen machen. Jeder dieser Kerle wäre gewiss hart genug gewesen, um auch schwerverwundet noch weiterzumachen, solange er seinen Colt halten und abdrücken konnte.

Jawohl, ich wollte leben.

Deshalb hatte ich voll draufgehalten.

Nun lagen sie also dort.

Und ich sah durch den Pulverrauch die Frau beim Herd stehen. Sie hatte sich nicht bewegt. Nur ihre Hände lagen am Halsansatz, so als hätte sie dort ein Würgen oder klopfte ihr das Herz zu stark bis hinauf in den Hals hinein.

Eine Weile verharrten wir so – und der Blizzard schien draußen noch stärker zu toben als zuvor. Eis fiel nieder, so als würden Wagenladungen von Steinen auf das Haus gekippt.

Ich sagte nach einer Weile heiser: »Ma'am, waren es wirklich Banditen?«

Sie nickte.

»Es waren Mörder. Sie und ihre Kumpane haben meinen Mann und unsere beiden Reiter erschossen, um die Herde bekommen zu können. Das war eine miese Bande, die vor dem Winter noch schnelles Geld machen wollte. Und wir hier waren ihnen gerade recht. Sie hätten gewiss auch mich getötet, um keine Zeugen zu hinterlassen. Sie haben mein Leben gerettet, Mr. Brannan.«

Ich staunte. Sie hatte sogar meinen Namen behalten, den ich nur einmal nannte.

Ja, sie war eine Frau mit starken Nerven.

Und ihren Mann hatte sie erst vor wenigen Tagen verloren, wenn ich ihre Worte richtig verstand.

Oh, sie tat mir leid.

Doch dann murmelte ich: »Diese beiden Toten schaffe ich gleich hinaus, Ma'am. Aber Sie müssen erst mal nach meiner Wunde sehen. Ich möchte nicht zu viel Blut verlieren.«

Sie warf einen Blick auf die beiden Toten. Einer hatte auch den Tisch umgerissen. Sie schluckte würgend und deutete auf eine Tür.

»Dort in die Schlafkammer«, sagte sie. »Legen Sie sich aufs Bett. Ich fülle nur eine Schüssel mit heißem Wasser und suche Verbandszeug zusammen. Dort hinein, Mike Brannan.«

Ich ging, hielt mir die schmerzende Seite.

Aber dann verhielt ich noch einmal: »Wie ist Ihr Name, Ma'am?«

»Nancy Shayne«, sagte sie. »Mein Mann war Buck Shayne.«

»Gun-Shayne?« So fragte ich staunend.

Sie nickte. »Ja, er war jener Shayne, den sie einst Gun-Shayne nannten«, murmelte sie dann. »Doch auch Ihr Name, Mike Brannan, ist nicht unbekannt. Ich glaube sogar, dass Sie einst mit meinem Mann geritten waren – früher, als er noch nicht mein Mann war. Er nannte einmal Ihren Namen. Deshalb merkte ich ihn mir vorhin so leicht. Und als ich Sie ziehen sah, da wusste ich, dass Sie der Revolvermann Mike Brannan waren.«

Ich sagte nichts mehr.

Die Welt war klein. Gewiss, es war schon Jahre her, als ich mit Buck Shannon ritt. Jetzt hatte ich seine Witwe gefunden. Ein Blizzard und die Vorsehung hatten mich hergeführt.

Ich ging in die Schlafkammer hinein, zog meine Kleidung aus, so dass ich den Oberkörper frei bekam.

Die Kugel hatte zwei Fingerbreit über dem Hosengürtel ein Stück Fleisch weggerissen.

Ich hatte Glück gehabt.

Die Wunde würde binnen weniger Tage zusammenwachsen. Und bluten tat sie jetzt schon sehr viel weniger als am Anfang.

II

Sie versorgte meine Wunde mit kundigen Fingern. Sie war eine schöne Frau mit roten Haaren und grünen Augen.

Ich hatte genug Zeit, sie zu betrachten.

Ihr Gesicht war von einer starken, lebendigen und eindringlichen Sorte Schönheit, die zugleich auch etwas herb war. Denn das alles wurde vom Leben geformt, in dem es gewiss Höhen und Tiefen gab, Glück und Enttäuschungen. Von all diesen Dingen gab es Spuren in diesem Gesicht. Sie hatte einen etwas zu großen und vollen Mund. Diese Lippen waren lebendig, und wahrscheinlich konnten sie auch leidenschaftlich und auch hart sein.

Es war das lebendige Gesicht einer Frau, der nichts mehr fremd war auf dieser Erde.

Sie gab mir dann Unterzeug und ein Hemd von ihrem Manne, der einst vor Jahren mein Sattelgefährte war unter vielen anderen.

Das Pflaster, welches meine Wunde nun zusammenhielt, ersetzte ein Nähen.

Ich zog meine Jacke wieder an, setzte meinen Hut auf und machte mich daran, die Toten hinauszuschaffen.

Und da kam sie, mir zu helfen.

Auch sie war nun in einen Mantel gehüllt und trug Stiefel unter den Röcken.

Sie sagte schlicht: »Wenn Sie sich zu sehr anstrengen, hält das Pflaster nicht auf der Wunde. Ich muss Ihnen helfen, Mike. Hinter dem Haus ist eine tiefe Felsspalte in der Canyonwand. Dorthin...«

Sie brauchte mir nicht mehr zu sagen.

Und für ihre Hilfe war ich wirklich dankbar. Denn meine Seite schmerzte schlimm bei jeder kleinen Anstrengung.

Später saßen wir zusammen am Tisch. Sie hatte das Abendessen für sich und die beiden Männer gekocht.

Nun aßen wir es zu zweit.

Ja, wir hatten Hunger – und wir konnten essen, obwohl vor einer knappen Stunde hier in diesem Blockhaus gekämpft wurde, Blut floss und ich töten musste.

Nein, uns würgte es nicht in der Kehle.

Die Kälte dort draußen hatte uns hungrig gemacht. Ich war den ganzen Tag schon hungrig gewesen, weil meine Vorräte zur Neige gingen.

Ich brauchte neue Säfte und Kräfte. Der Hunger war eine ganz natürliche Sache. Wer überleben wollte, musste Nahrung einnehmen. So einfach war das.

Auch Nancy aß aus Hunger und weil man bei dieser Kälte essen musste.

Der eiserne Kanonenofen und auch der Herd gaben zwar eine Menge Wärme ab, doch nur in ihrem Umkreis. Der Fußboden war kalt. Es zog im Blockhaus da und dort kräftig. Dieses Blockhaus war ziemlich primitiv und gewiss nicht von Fachleuten errichtet worden. Wenn die eisige Kälte dort draußen anhielt und der Sturm noch lange daran herumrüttelte, mussten wir ständig eine Menge Holz verfeuern.

Ich fragte mich, ob überhaupt genug Holz draußen vorhanden war.