G. F. Unger Sonder-Edition 296 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 296 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es ist eine Pokerpartie wie viele andere in Canyon City. Matt Ballangher war bei Sonnenuntergang in die Goldgräber- und Minenstadt gekommen. Und nun, keine drei Stunden später, sitzt er am Spieltisch und verdient sich seinen "Unterhalt".
Eigentlich hat er in den vergangenen Monaten immer nur auf diese Weise seinen Unterhalt verdient, zumeist in wilden Camps und Städten wie Canyon City.
Es ist kein großes Spiel. Die drei anderen Mitspieler sind von verschiedener Art. Einer ist wahrscheinlich ein Minen-Ingenieur. Der zweite Mann scheint ein Goldgräber zu sein, der auf seinem Claim nicht ganz glücklos ist. Der dritte Mann sieht aus wie ein Frachtfahrer, der es zu etwas gebracht hat.

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Seitenzahl: 190

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Ballanghers Stolz

Vorschau

Impressum

Ballanghers Stolz

Es ist eine Pokerpartie wie viele andere in Canyon City. Matt Ballangher war bei Sonnenuntergang in die Goldgräber- und Minenstadt gekommen. Und nun, keine drei Stunden später, sitzt er am Spieltisch und verdient sich seinen »Unterhalt«.

Eigentlich hat er in den vergangenen Monaten immer nur auf diese Weise seinen Unterhalt verdient, zumeist in wilden Camps und Städten wie Canyon City.

Es ist kein großes Spiel. Die drei anderen Mitspieler sind von verschiedener Art. Einer ist wahrscheinlich ein Minen-Ingenieur. Der zweite Mann scheint ein Goldgräber zu sein, der auf seinem Claim nicht ganz glücklos ist. Der dritte Mann sieht aus wie ein Frachtfahrer, der es zu etwas gebracht hat.

Sie spielen mit Limit von fünf Dollar. Das ist Matt Ballangher recht, denn er ist kein berufsmäßiger Spieler. Sein Spielkapital ist nicht groß. In einer scharfen Pokerrunde könnte man ihn schnell aus dem Spiel bieten.

Aber dieses Spiel ist relativ harmlos. Und dennoch konnte Matt Ballangher schon zwanzig Dollar gewinnen. Von solch kleinen Beträgen bestreitet er schon seit Monaten seinen Unterhalt.

Zuerst musste er dies nach seiner Verwundung und der nur langsamen und zögernden Gesundung tun. Er war für körperliche Arbeit zu schwach und konnte sich auch nicht im Sattel halten. Die Kugel damals löschte fast sein Leben aus.

Doch dann fand er allmählich Gefallen an dieser leichten Art, den Unterhalt zu verdienen. Vielleicht ist er auf dem besten Wege, ein Spieler zu werden.

Zwanzig Dollar pro Nacht, damit kann man gut auskommen. Ein Minenarbeiter verdient hier in Canyon City vier Dollar pro Schicht. Nicht anders ist es mit den vielen Fracht- und Erzfahrern, den Maultiertreibern und Handwerkern.

Hier im Spielraum geht es ziemlich leise zu. Doch im benachbarten Tingeltangel ist es laut. Durch die dünne Wand klingt Musik. Auf der Bühne tanzen jetzt wahrscheinlich Mädchen. Man hört es an der Musik, am Stampfen der Füße. Und dann singen sie sogar noch.

Matt Ballangher hört sie singen:

»Wir sind die Honeybees von Canyon City!

Wir sind Mary, Lou, Daisy, Fee und Kitty!

Wir singen und tanzen nur für Gen‍tlemen!

Wir...«

Matt Ballanger hört nicht weiter zu, denn es tritt nun ein Mann an ihren Tisch, ein Mann, der etwas zu hastig atmet und in dessen blauen Augen kaum verborgene Unruhe flackert.

»Kann ich mitspielen, Gents?«, fragte er etwas heiser – und dann sitzt er auch schon.

Der Frachtfahrer sagt jetzt erst: »Sicher, Sie können mitspielen. Die Gentlemen werden nichts dagegen haben. Ich kenne Sie, Mister. Sie sind doch Steve Quade von der Bridge Station, nicht wahr?«

»Der bin ich«, sagte der Mann und musterte die anderen Spieler der Reihe nach. Sie nicken zum Einverständnis, auch Matt Ballangher tut es. Denn ihm ist der neue Mitspieler sympathisch. Der Mann ist in seinem Alter, also um dreißig, blond, blauäugig, groß und geschmeidig. Er ist ein sehr männlich und hart aussehender Bursche, dem man verwegene Kühnheit zutraut.

Aber dennoch geht jetzt eine ständige Unruhe von ihm aus. Es scheint fast so, dass er sich wie ein Gejagter fühlte dort draußen, der jetzt froh ist, mit anderen Männern hier an einem Pokertisch sitzen zu können.

Matt Ballangher weiß nicht, warum er plötzlich dieses Gefühl hat. Doch sein Instinkt hat ihn selten getäuscht.

Dieser Steve Quade legt Geld auf den Tisch, lässt sich vom Chinajungen ein Glas Whisky bringen und beginnt mitzuspielen. Er spielt unkonzentriert und beobachtet ständig die Tür.

Er spielt ziemlich leichtsinnig. Es dauert keine Stunde – und er hat fast hundert Dollar verloren.

Matt Ballangher und den drei anderen Spielern ist das natürlich recht, denn sie spielen schließlich, um zu gewinnen.

Matt Ballangher hat nun an die fünfzig Dollar gewonnen, und er denkt jetzt gar nicht mehr ans Aufhören, obwohl er sehr müde ist von dem langen Trail nach Canyon City und eigentlich nur bis Mitternacht spielen wollte.

Aber kurz nach Mitternacht wollen der Frachtfahrer und der Goldgräber aufhören. Sie trauen ihrer Glückssträhne wahrscheinlich nicht.

Jener Steve Quade aber sagt zu ihnen: »Nein, Gentlemen, so können Sie nicht davonschleichen. Sie müssen mir Revanche geben. Ich muss eine Chance bekommen, meine Verluste wieder ausgleichen zu können. Und damit Sie meinen guten Willen sehen, Gents, bestelle ich jetzt eine ganze Flasche für uns. Wir wollen ein richtig schönes, solides und gemütliches Pokerspiel aufziehen. Machen Sie es sich nur bequem, Gentlemen. Und wenn jemand was essen will, der ist eingeladen von mir.«

Die Stimme von Steve Quade klingt gepresst. Und in seinen Augen ist die Unruhe stärker geworden.

Plötzlich wissen alle am Pokertisch, dass dieser Steve Quade sich davor fürchtet, allein zu sein. Für diesen Quade ist die Pokerrunde ein Hort der Sicherheit.

Ja, nicht anders kann es sein!

Sie starren ihn an.

Der Frachtfahrer fragt plötzlich: »Steve, was ist los?«

»Oh, nichts«, sagte dieser. »Ich habe mit meiner Braut gestritten. Es wird keine Hochzeit geben. Aber das ist meine Sache. Spielen wir! Wenn man Pech in der Liebe hat, muss man doch beim Spiel ein Glückspilz sein – oder? Ich will es probieren.«

Sie starren ihn an – neugierig, wachsam, etwas misstrauisch.

Dann nicken sie. Auch Matt Ballangher nickt. Warum auch nicht?

Er war immer der Meinung, dass ein Mann sein eigener Hüter sein muss. Und wenn dieser Steve Quade spielen will, dann soll er es doch. Die Hauptsache ist, dass das Spiel ehrlich verläuft. Nur das allein ist seiner Meinung nach wichtig.

Sie lassen sich aus der Flasche die Gläser füllen, trinken und nehmen das Spiel wieder auf.

Im Spielraum des Canyon-Saloons sind alle Tische belegt. Und um die Roulette-Tische, bei den Würfeln und auch beim Faro stehen die Gäste dichtgedrängt. Manchmal schieben sich Männer der verschiedensten Sorten an ihrem Tisch vorbei.

Dann wirkt Steve Quade sehr lauernd, angespannt, und er scheint sogar bleich unter der gebräunten Gesichtshaut zu werden.

Sein Spiel wird immer leichtsinniger. Das Limit der Einsätze ist längst erhöht. Es ist vorauszusehen, wann Steve Quade nicht mehr mitspielen kann, weil ihm das Geld ausgegangen ist, es sei denn, er hätte noch welches in seinen Taschen.

Nach drei weiteren Runden ist es dann soweit.

Er verliert den letzten Dollar, als der »Topf« an Matt Ballangher geht.

»Na, dann können wir ja aufhören«, sagt der Goldgräber, der mehr als fünfzig Dollar gewann. Er sagt es mit einem erleichterten Seufzen.

»Nein – nein«, widerspricht ihm Steve Quade. Nun sieht man die Schweißperlen auf seiner Stirn im Lampenschein glitzern. »Nein, Gentlemen! Jetzt geht es erst richtig los. Ich bin noch längst nicht blank. Ich habe noch 'ne Menge zu bieten. Hier!«

Er nimmt seinen Hut ab, den er bisher weit aus der Stirn geschoben hatte. Aus diesem Hut bringt er ein zusammengefaltetes Papier zum Vorschein. Wahrscheinlich befand es sich dort hinter dem Schweißband.

Er faltete es auseinander. Seine langen, geschmeidigen Finger sind dabei etwas zu unruhig, fast schon zittrig.

»Hier«, sagte er. »Das ist unter Brüdern dreitausend Dollar wert, wahrscheinlich sogar noch mehr. Gebt mir Kredit. Ich habe doch Kredit für die Bridge Station bei euch? Lasst mich nicht hängen. Ich will weiterspielen.«

»Nein«, sagt da der Minen-Ingenieur und erhebt sich.

Der Frachtfahrer und der Goldgräber sehen sich an und blicken dann wieder auf Steve Quade.

»Die Bridge Station«, sagt der Frachtfahrer, »he, die Bridge Station wollen Sie aufs Spiel setzen? Holla, das würde ich aber nicht, Steve Quade. Niemals! Sind Sie denn verrückt? Da mache ich nicht mehr mit!« Nach diesen Worten erhebt auch er sich und geht.

Der Goldgräber folgt seinem Beispiel, wobei er murmelt: »Ich bin doch nicht verrückt.«

Matt Ballangher mischt langsam und lässig die Karten.

Aber dabei sieht er Steve Quade fest an.

»Was ist mit der Bridge Station? Warum bekamen sie alle plötzlich kalte Füße?«

Steve Quade sitzt nun ausgebrannt da, kraftlos und erschöpft.

»Ach«, sagt er, »mir gehört die einzige Brücke weit und breit, die über eine Schlucht weiter hinauf ins Goldland führt, ins ›Five-Finger-Canyon-Land‹. Es ist die einzige Stelle, an der man eine Brücke bauen konnte. Ich habe sie gebaut und zugleich eine Station für Frachtwagen und Postkutschen errichtet, dazu einen Store und ein kleines Gasthaus. Das alles ist wahrhaftig dreitausend Dollar unter Brüdern wert.«

Matt Ballangher nickt langsam. »Ins Five-Finger-Canyon-Land führt also nur der Weg über diese Brücke?«, fragte er langsam.

Steve Quade nickt.

»Allein. Bei mir müssen sie alle hinein und auch wieder heraus.«

»Dann ist sie dreißigtausend Dollar wert«, murmelt Matt Ballangher.

»Mir nicht – wenn ich mit dreitausend hier wegkommen könnte. Mir nicht. Ich will nur mit dreitausend weg. Und ich möchte in Gesellschaft bleiben, bis die Morgenpost abfährt. Das ist es.«

»Das ist es«, wiederholt Matt Ballangher.

Er nimmt das Papier und sieht, dass es sich um eine Urkunde handelt.

Das Land zu beiden Seiten der Brücke ist als Claim eingetragen, und diese Claims reichen über den Schluchtrand hinunter bis zur Mitte der Schluchtsohle, wo sie sich treffen.

Es ist eine einwandfreie Sache. Diese Brücke verbindet zwei durch eine Schlucht getrennte Claims miteinander.

Die Sache ist völlig klar.

»Wer will es haben?«, fragt Ballangher pulvertrocken. »Wer ist der Bursche, vor dem Sie sich die ganze Zeit fürchteten und davonlaufen wollen?«

»Das weiß fast jeder im Goldland«, murmelt Steve Quade. »John McClusky ist hier der liebe Gott. Sind Sie so neu im Lande?«

Matt Ballangher nickt. »Neu in Canyon City – aber vom Five-Finger-Canyon-Land hab ich schon gehört. Das soll ein gutes Versteck sein. Doch zugleich auch eine Mausefalle, nicht wahr?«

Steve Quade nickt.

»Die Brücke«, murmelt er, »kann dreißigtausend Dollar wert sein, wenn sie einem Mann gehört, der sie halten kann. John McClusky will sie haben. Gegen ihn kann ich sie nicht halten. Aber er soll sie nicht bekommen. Ich wollte meine Reisekasse auffüllen und verschwinden. Es war meine Absicht, die Brücke einer großen Minen- und Bodenverwertungsgesellschaft in Denver anzubieten, einer Gesellschaft, die groß genug gewesen wäre, um sich nicht vor John McClusky zu ducken. Verstehen Sie, Freund? Aber jetzt hab ich sogar mein Reisegeld verloren. Wollen wir noch einmal spielen, Mister? Ich setze diese Besitzurkunde gegen Ihr ganzes Geld. Wollen Sie, Fremder?«

»Ich bin Ballangher, Matt Ballangher«, murmelt dieser und nimmt die Urkunde nochmal zur Hand, vertieft sich darin.

Aber er kann nur noch einmal feststellen, dass dieses Dokument astrein ist. Ursprünglich waren es vier Claims, die von vier verschiedenen Besitzern angemeldet worden waren. Einer der vier Besitzer war Steve Quade. Er kaufte den anderen Männern die Claims ab. Zwei der Claims befinden sich diesseits und zwei jenseits der Schlucht. Nach der Urkunde ist die Brücke eine reine Brücke auf einem privaten Claim.

Alles ist vom Claimbüro und dem Regierungsbeauftragten bestätigt. Die Claimnummern sind registriert.

Es ist alles astrein.

Matt Ballangher entschließt sich.

»Ja, spielen wir. Ich habe etwas über tausend Dollar. Es ist mein ganzes Geld. Spielen wir. Bruderherz, du hast die Chance, mich völlig blank zu machen. Und das gleiche kann auch ich bei dir tun. Also?«

»Die höchste Karte gewinnt«, sagt Steve Quade. »Und wenn ich gewinne, dann leistest du mir Gesellschaft bis zur Abfahrt der Postkutsche, ja?«

Matt Ballangher nickt.

Er möchte noch etwas sagen. Eine ganze Menge gäbe es da zu sagen, zum Beispiel, dass die Brücke über die Schlucht eigentlich gar nichts wert ist, wenn ihr Besitzer aus Angst die Flucht ergreift. Aber er lässt es bleiben.

Er wendet sich um, entdeckt einen der Hauspolizisten, der nicht weit entfernt an der Wand lehnt und fortwährend die Spieltische beobachtet. Er begegnet dem Blick des Mannes und winkt ihn heran.

»Ist was?«, fragt der Bursche mürrisch, denn es passt ihm nicht, dass er so herangewinkt worden ist.

»Bitte, helfen Sie uns, Freund«, sagt Matt Ballangher. »Mischen Sie die Karten für uns. Eine Wette, wissen Sie?«

Der Mann zögert. »Sie sind doch Steve Quade – der von der Brücke?«, fragt er.

»Na und?«

Der Mann sagt nichts. Er starrt auf die zusammengefaltete Urkunde, so, als wüsste er genau, um was es ging.

Dann blickt er auf das Geld, versucht den Betrag abzuschätzen.

Und dann blickt er Matt Ballangher an.

Er sieht einen großen, hageren, dunklen Burschen, von dem eine indianerhafte Kühnheit ausgeht. Er sieht einen Mann mit hellen, kühlen Augen, in dessen dunklem Gesicht ein paar Narben sind.

»Na schön«, sagt er, nimmt die Karten, mischt sie und legt das Häufchen dann auf den Tisch.

»Das ist es«, sagt er. »Und nun will ich sehen, wer gewinnt.«

»Das geht schnell«, murmelt Steve Quade. Er wischt mit der Hand über das Kartenhäufchen, sodass die Karten sich ausbreiten. Dann ergreift er eine und wirft sie mit dem Bild nach oben auf den Tisch.

Es ist eine Karo-Dame.

Matt Ballangher zögert nicht. Er hat noch niemals in seinem Leben gezögert, wenn es darum ging, eine angefangene Sache zu beenden. Überdies hat er ein gutes Gefühl, und schon immer konnte er sich auf seinen Instinkt verlassen.

Die Karte, welche er umdreht, ist ein Joker.

Der Hauspolizist grinst und sagt: »Na schön.«

Er will sich abwenden. Doch Steve Quade hält ihn noch mit den Worten zurück: »Moment – Sie müssen noch als Zeuge meine Überschreibung unterschreiben, mein Freund. Moment, es dauert nicht lange.«

Nach diesen Worten holt er einen Tintenstift hervor, befeuchtet ihm mit der Zunge und schreibt recht flüssig und sicher:

Mit dem heutigen Tag geht dieser Besitztitel mit allen Eigentumsrechten an Mr. Matt Ballangher über.

Canyon City, den 17. Juli 1867

Steve Quade

Er schiebt die Urkunde dem Hauspolizisten zu.

Dann sieht er Matt Ballangher an und sagt: »Wir werden ein halbes Dutzend Zeugen unterschreiben lassen. Ich sehe da drüben am Spieltisch in der Ecke ein paar wichtige Leute, darunter auch den Regierungsagenten vom Claimbüro. Ballangher, Sie bekommen diese Urkunde unantastbar auf Ihren Namen überschrieben.« Nach diesen Worten lacht er sogar.

Und er wirkt jetzt erleichtert, ja geradezu glücklich, ganz wie ein Mann, dem eine schwere Last abgenommen ist.

Matt Ballangher weiß, was das zu bedeuten hat.

Steve Quades Angst ist fort.

Vielleicht sollte nun er, Matt Ballangher, Angst haben.

Als Matt erwacht, ist es später Nachmittag – und es ist nur verständlich, dass er so lange schlief. Schließlich kam er ja auch erst nach Sonnenaufgang ins Bett, nachdem er Steve Quade in die Postkutsche steigen sah.

Nun, da er erwacht, stellt er schnell fest, dass er nicht mehr allein in seinem Zimmer ist.

Er hat Besuch. Es sind drei Mann, und sie füllen das kleine Zimmer fast aus.

Er muss tief und fest geschlafen haben, dass er sie nicht hereinkommen hörte. Die Tür war abgeschlossen und zugeriegelt.

Dass sie so glatt hereinkommen konnten, verrät, wie gut einer von ihnen als Einsteigdieb sein muss. Eine Tür mit einem Nachschlüssel zu öffnen, dazu gehört nicht viel. Manches Schloss bekommt man schon mit einem zum Haken gebogenen Draht auf. Selbst ein Schloss mit zwei oder drei Zuhaltungen macht einem Fachmann wenig Mühe.

Doch um einen Riegel zu öffnen, wenn man sich auf der anderen Seite befindet, dazu gehört schon einiges Geschick.

»Deinen Colt haben wir schon«, sagt einer der Männer. »Du hast geschlafen wie ein Murmeltier. Bist du immer so ein Pennbruder?«

»Nur manchmal«, sagt Matt Ballangher und gähnt. Er setzt sich auf und schiebt seine Füße aus dem Bett. Er ist barfuß und trägt nur eine Unterhose.

An seinem Oberkörper sind einige Narben – und eine Narbe links über den mittleren Rippen ist kaum sechs Monate alt.

Die Eindringlinge betrachten ihn mit einem Ausdruck von Neugierde und grimmiger Härte. Er wird sich darüber klar, dass er den Besuch von harten Nummern hat, Burschen, die für Geld zu kaufen sind. Das sind Schläger und Revolverschwinger, Townwölfe und Sattelpiraten.

Solche Burschen gibt es überall dort, wo hungrige Burschen große Schritte machen.

John McClusky, denkt Matt Ballangher, lässt mich nicht mal ausschlafen. Und dies also sind seine harten Jungens. Gleich werde ich herausfinden, wie hart sie wirklich sind. Gleich...

Er sagt: »Ich bin sonst eigentlich keine Schlafmütze. Doch ich war lange unterwegs nach Canyon City. Und anstatt mich langzulegen, schlug ich mir auch noch eine Nacht um die Ohren. Aber wenn ihr geklopft hättet, würde ich euch aufgemacht haben.«

»Ach, wir wollten eigentlich gar nicht stören«, erwidert der Sprecher der drei Eindringlinge. »Wir wollen nur die Urkunde, die du dir in der Nacht von Steve Quade geben ließest. Gib sie uns. Du bekommst alle Unkosten ersetzt und noch eine gute Prämie. Und dann überschreibst du alles an...«

Er macht eine Pause, so, als hoffte er, dass Ballangher den Namen erraten wird.

Doch der stellt sich dumm.

»Ja, wem denn?«

»Mir«, sagt der Mann und grinst breit. »Mir, mein Bester. Ich bin Ben Wood. Meine Freunde nennen mich Curly Ben. Und wenn du mir die Brücke erst überschrieben hast, werden wir Freunde sein. Na, wo hast du den Wisch?«

Das ist es also, denkt Matt Ballangher. Nun bekomme ich auf den Hals, was Steve Quade so gefürchtet hat. Bin ich denn so viel härter als Steve Quade? War er denn nicht auch ein harter Bursche, dem man so schnell keine Furcht einjagen konnte? Er erwidert das breite Grinsen des Mannes, der sich Curly Ben Wood nannte.

Dann fragt er scheinbar ratlos: »Ja, wo hab ich den Wisch? Eijeijei, wo hab ich ihn nur? Er lag doch heute früh noch auf diesem Tisch. Eijeijei, ich würde dir gern einen Gefallen tun, lieber Freund. Es drängt mich mit ganzer Kraft danach, dir die Brücke zu schenken. Doch es geht nicht. Es geht wirklich nicht. Nimm es nicht so schwer. Wie heißt dein Boss? John McClusky, ja? Bestell ihm einen Gruß, ja? Und nun schleicht euch aus meinem Zimmer, Freunde. Ihr stinkt mir.«

Als er es gesagt hat, wartet er erst gar nicht mehr darauf, dass sie sich auf ihn werfen. Denn dies ist völlig sicher. Sie haben sich hier bei ihm eingeschlichen und auch schon seinen Colt an sich gebracht.

Dass es in dem kleinen Hotelzimmer so eng ist, verschafft ihm einen kleinen Vorteil, denn die drei harten Burschen behindern sich gegenseitig.

Überdies sind es bald nicht mehr drei.

Denn da er um jenen wichtigen Sekundenbruchteil vor ihnen reagiert, verschafft er sich einen gewaltigen Vorteil.

Geduckt schnellt er von der Bettkante vorwärts. Er rammt Curly Ben Wood den Kopf in den Leib, umfasst ihn zugleich mit seinen langen und unwahrscheinlich kräftigen Armen und kommt mächtig in Schwung. Er stößt den aufbrüllenden Mann quer durch das Zimmer und über die Fensterbank hinweg nach draußen. Das ganze Fenster geht dabei zum Teufel – es fällt mit dem brüllenden Mann hinaus.

Geduckt wirbelt Ballangher herum, wirft sich gegen die Beine der beiden anderen Männer, bringt sie zu Fall.

Wie ein Berglöwe inmitten einer Hundemeute, so wütet Ballangher in seinem Zimmer zwischen den Eindringlingen.

Sie kämpfen knurrend, fluchend, ächzend. Sie teilen harte Schläge aus und wenden jeden üblen Trick an. Ja, sie sind erfahren in wilden Grenzkämpfen.

Sicherlich hätten die Eindringlinge zu dritt die Sache für sich entscheiden können. Doch sie waren ja schon nach ein oder zwei Sekunden nur noch zu zweit.

Diese beiden Hartgesottenen kämpfen, als ginge es ums Leben. Matt Ballangher muss eine ganze Menge einstecken, auch Tritte und üble Schläge, die einen anderen Mann kampfunfähig gemacht hätten.

Doch er scheint aus einer besonderen Substanz gemacht zu sein. Seine Härte lässt ihn nicht aufgeben.

Und dann hat er das Glück, einen zweiten Mann durch das Fenster aus dem Zimmer stoßen zu können.

Der andere Bursche zieht den Weg über die Treppe vor – das heißt, er ergreift eilig die Flucht, stolpert aus dem Zimmer und den Gang entlang zur Treppe. Er fliegt sie halb hinunter. Man hört es an dem Lärm.

Matt Ballangher verfolgt ihn nicht. Er geht auch nicht ans Fenster, um nach den beiden anderen Gegnern zu sehen.

Nein, er sucht seinen Colt. Er findet die Waffe unter dem umgekippten und völlig ruinierten Tisch.

Mit der Waffe in der Hand hinkt er keuchend und ächzend zum Bett und setzt sich. Er lehnt sich gegen die Wand und kann von seinem Platz aus die offene Tür und das Fenster beobachten.

Er scheint zu erschlaffen. Ja, er hat sich völlig verausgabt. Er hätte es keine einzige Minute länger durchhalten können. Nun erst spürt er die Schmerzen am ganzen Körper, den Luftmangel. Ihm wird schwarz vor Augen.

Oha, was war das für ein Kampf. Diese drei Burschen waren harte und erfahrene Nummern. Sie hatten ihn unterschätzt. In Zukunft werden sie das nicht mehr tun.

Einen Moment will ihn tiefe Mutlosigkeit überfallen.

Hält er sich denn für eine Nummer größer als Steve Quade?

Aber er kam ja nicht zufällig in diese Stadt. Er kam her, weil er irgendwo an einem Spieltisch von dem Mann hörte, den er nun schon so lange sucht.

Und dieser Mann soll sich im Five-Finger-Canyon-Land aufhalten.

Matt wollte ohnehin in dieses Land.

Jetzt aber hat er die Brücke – den einzigen Zu- und Ausgang – in seiner Hand und damit alles unter Kontrolle. Solch ein Glück hätte er sich nicht mal träumen lassen.

Deshalb kann er nicht aufgeben. Nein! Niemals!

Er öffnet die Augen, als er Schritte hört.

Der Wirt tritt ein, sieht sich schweigend um und tritt dann ans Fenster, um hinunter zu sehen.

Matt Ballangher beobachtet ihn stumm.

Da fragt der Wirt: »Sie bezahlen das wohl nicht?«

»Nein«, sagte Ballangher, »aber der Anführer dieser Büffel nannte sich Curly Ben Wood. Sein Boss wird es zahlen – oder?«

»John McClusky zahlt nicht«, murrt der Wirt. »Der zahlt nie. Der kassiert nur ab. Mann, in was haben Sie sich da eingekauft – wissen Sie das überhaupt? Sie sind ja verrückt, sich mit denen anzulegen. Steve Quade war ein harter Bursche, einer der härtesten hier. Aber er gab auf. Er gab auf, verstehen Sie? Sie sind ja verrückt.«

Nach diesen Worten geht er wieder zur Tür.

»Sie müssen ausziehen«, sagt er von dort.

»Sicher, ich ziehe aus.«

Dann ist Matt Ballangher wieder allein.

Der Waschtisch in der Nische wurde zum Glück nicht beschädigt. Auch den Krug mit dem Wasser traf kein Missgeschick. Und so kann er sich das Blut abwaschen, seine Brauschen und Beulen kühlen, die Risse und Abschürfungen betupfen.

Es war ein Kampf, der nur wenige Minuten dauerte – und dennoch an Wildheit und Härte kaum zu überbieten war.

Er sucht dann seine Sachen zusammen, kleidet sich an und packt die beiden Satteltaschen. Immer noch ist er allein. Doch das ist ihm recht. Er möchte jetzt keine anderen Menschen sehen. Auch muss er sich jetzt noch einmal darüber klarwerden, ob er durchhalten will – oder ob es besser für ihn ist, aufzuhören und davonzuschleichen wie Steve Quade.

Als er fertig ist, tritt er an das Bett. Er schraubt vom Messinggestell eine Kugel ab. Dann steckt er seinen Finger in das Messingrohr und holt die zusammengerollte Urkunde hervor.

Er grinst mit seinen zerschlagenen Lippen.

Es war doch gut, das Papier zu verstecken. Denn die Einbrecher hatten seinen Colt vom Stuhl geholt und auch seine Kleidung durchsucht.

Er schiebt die Rolle in den Stiefelschaft, rückt seinen Colt im Holster zurecht und wirft die Satteltaschen über die Schulter. Die Sattelrolle klemmt er unter den rechten Arm, in dessen Hand er auch das Gewehr hält.

Die linke Hand bleibt frei.

Denn links trägt er seinen Colt.