G. F. Unger Sonder-Edition 300 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 300 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es war ein langer Weg für Jim Bates, doch jetzt ist er am Ziel. Er verhält sein Pferd unter dem alten verwitterten Zedernast, an dem der bleiche Schädel mit den gewaltigen Hörnern hängt.
Damals, als der wilde Bulle ihn angriff, so als wollte er sein Revier gegen die ganze Welt verteidigen, da schlitzte er mit dem linken Horn Jims Pferd den Bauch auf. Aber dann jagte Jim dem wilden Bullen alle sechs Kugeln aus dem Colt in die Stirn des gesenkten Kopfes, von dessen linker Hornspitze das Blut tropfte.
An dies alles erinnert sich Jim Bates nun wieder so stark, als wäre es erst gestern gewesen. Doch es ist schon Jahre her.
Dann baute er die Ranch auf, weil es hier genügend Wildrinder gab, Abkömmlinge der von den Spaniern ins Land gebrachten Rinder. Es wurde eine prächtige Ranch, die aus der Pferdewechselstation entstand. Denn zuerst war er kein Rancher, sondern Stationsmann. Das war seine Basis gewesen.

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Seitenzahl: 175

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Die Ranch am Raton-Pass

Vorschau

Impressum

Die Rancham Raton-Pass

Es war ein langer Weg für Jim Bates, doch jetzt ist er am Ziel. Er verhält sein Pferd unter dem alten verwitterten Zedernast, an dem der bleiche Schädel mit den gewaltigen Hörnern hängt.

Damals, als der wilde Bulle ihn angriff, so als wollte er sein Revier gegen die ganze Welt verteidigen, da schlitzte er mit dem linken Horn Jims Pferd den Bauch auf. Aber dann jagte Jim dem wilden Bullen alle sechs Kugeln aus dem Colt in die Stirn des gesenkten Kopfes, von dessen linker Hornspitze das Blut tropfte.

An dies alles erinnert sich Jim Bates nun wieder so stark, als wäre es erst gestern gewesen. Doch es ist schon Jahre her.

Dann baute er die Ranch auf, weil es hier genügend Wildrinder gab, Abkömmlinge der von den Spaniern ins Land gebrachten Rinder. Es wurde eine prächtige Ranch, die aus der Pferdewechselstation entstand. Denn zuerst war er kein Rancher, sondern Stationsmann. Das war seine Basis gewesen.

O ja, er erinnert sich noch gut an alles.

Aber dann ritt er in den Krieg, so wie viele Südstaatler, die an ihre gerechte Sache glaubten.

Fünf Jahre blieb er fort.

Gewiss, er ließ damals die Ranch in treuen und guten Händen zurück. Doch seit mehr als einem Jahr erreichten ihn keine Briefe mehr, die ihm sein mexikanischer Vormann schrieb.

Doch nun ist er ja wieder daheim.

Und bald wird er wissen, was hier alles inzwischen geschah.

Wieder blickt er zu jenem Ast hinauf, der den Querbalken eines Eingangstores bildet. Es gibt keinen Zaun.

Nur dieses symbolische Tor steht über dem schmalen Weg und macht deutlich, dass man die Ranchgrenze überschreitet, sobald man unter dem Schädel hindurchgeritten ist.

Im verwitterten Querstamm stecken zwei Apachenpfeile über dem Schädel. Wenn er sich im Sattel hochstemmen würde, könnte er die Pfeile mit seinem langen Arm erfassen und herausreißen. Doch er tut es nicht.

Er sieht sich um.

Bis zum Fuß des Passes sind es noch etwa drei Meilen. Dort steht auch die Station, aus der eine Ranch wurde mit vielen Gebäuden, Corrals und Weidekoppeln.

Seine Augen werden schmal, als er um einige rote Felsen herum zwei Reiter kommen sieht. Sie reiten im ruhigen Trab. Einer ist wahrscheinlich ein Halbblutmann mit einer Adlerfeder am Hut. Der andere ist weißblond und bärtig, trägt ein Lederhemd mit langen Fransen.

Fast lässig wirkend kommen sie herangeritten, und dennoch geht der Atem von Gefährlichkeit von ihnen aus, so etwa, als wären sie hier die Herren, die einen fremden Eindringling kontrollieren wollen.

Er erwartet sie, hat seine Hände über dem Sattelhorn liegen.

Und je näher sie kommen, umso deutlicher erkennt er, dass sie zwei wirklich harte Burschen sind.

Immer noch verhält er unter dem symbolischen Eingangstor zum Ranchgebiet.

Dann zügeln sie vor ihm ihre Pferde.

»Na, wen haben wir denn da?«, fragt der gelbhaarige Bursche, dessen Haar ihm unter dem alten Hut ungekämmt wie Maisstroh hervorhängt.

Jim Bates betrachtet sie noch.

Der Halbblutmann kichert leise und sagt dann aus dem Mundwinkel zum Gelbhaar hinüber: »Vielleicht ist er ein Bohunky und versteht gar kein Englisch oder Spanisch. Aber er sieht ziemlich hart aus. Vielleicht will er auf Fragen nur nicht antworten und trägt einen Stern in der Tasche oder hat Steckbriefe bei sich, am Ende sogar deinen, Joe, hahahaha.«

Nun kichern sie beide. Es ist ein böses Kichern.

Dann beugt sich jener Joe im Sattel vor und spricht heiser: »He, sag mir einen Grund, warum du hier durch unseren Eingang reiten möchtest.«

Jim Bates grinst nun blinkend, aber es ist keine Freundlichkeit in diesem blinkenden Zähnezeigen. Als er spricht, klingt seine Stimme ganz ruhig und sanft. Doch es ist eine trügerische Sanftheit.

Und er fragt: »Wer seid ihr denn, meine lieben Freunde?«

Sie staunen verblüfft. Dann sehen sie einander kurz an. Nun aber fragt jener Joe: »Willst du uns verarschen, Mann? Wer können wir schon sein? Natürlich die Grenzwächter der Raton-Pass-Ranch.«

»O ja, von dieser Ranch habe ich schon gehört«, nickt Jim Bates. »Das soll eine mächtig große und prächtige Ranch sein. Da will ich hin. Ist Benito Diaz dort noch Vormann?«

Nun staunen sie. Und wieder sehen sie sich kurz an und tauschen Blicke aus.

»Und was willst du von ihm?« Abermals fragt es jener gelbhaarige Joe scharf.

»Oh, Benito würde mir einen Job geben«, erwidert Jim Bates. »Es ist eine sehr schlechte Zeit jetzt nach dem Krieg. Ich brauche einen Job. Ich kenne Benito aus Taos. Dort hatten wir mal eine Menge Spaß. Und er sagte mir, dass ich kommen solle, wenn mir danach ist. Und nun bin ich gekommen. Platz da!« Er will anreiten.

Doch da schnappen sie nach ihren Revolvern.

Er aber zeigt ihnen den großen Zaubertrick. Denn noch bevor sie ihre Revolverläufe hochschwingen und die Mündungen auf ihn richten können, sehen sie in die Mündung seines großen Colts.

Sie begreifen in diesem Sekundenbruchteil, dass er sie erschießen wird – und muss, um sein Leben zu retten –, wenn sie ihre Revolverläufe auch nur um zwei oder drei Zoll weiter heben.

Und so lassen sie es.

Denn seine Revolverschnelligkeit ließ sie den Atem anhalten.

Sie atmen nun langsam aus.

»He«, ächzt der Halbblutmann, »du hast uns mächtig erschreckt. So schnell sind nur wenige der großen Gilde. Wie ist dein Kriegsname?«

»Ich habe euch nach Benito Diaz gefragt«, spricht Jim Bates. »Und nun will ich eine Antwort. Na los!«

Sie stoßen beide ein böses Fluchen aus. O ja, sie sind zwei böse Pilger. Und sie fühlen sich als Herren dieser Weide.

Immer noch halten sie ihre Revolver in den Händen, wenn auch mit den Läufen gesenkt. Sie lauern auf eine Chance, das sieht er ihnen nicht nur an, sondern spürt es auch mit feinem Instinkt.

Sie sind gefährlich wie Vipern, fühlen sich herausgefordert, weil er sie im Ziehen schlug. Solche Niederlagen mögen sie nicht.

Und so zeigen sie ihm fauchend die Zähne.

»Benito Diaz ist krank, sehr krank sogar«, erklärt jener Joe nun endlich. »Den hat ein Stier böse zerstampft. Jetzt liegt er im Bett. Seine Frau pflegt ihn. Vance McLowry ist jetzt der Vormann.«

»Na gut«, nickt Jim Bates. »Lasst die Revolver einfach zu Boden fallen. Denn ich will immer noch zu Benito Diaz. Na los!«

Sie gehorchen, wenn auch knirschend.

»Du Narr«, faucht der Halbblutmann, »hast du noch nicht begriffen, dass du dich bei uns mächtig unbeliebt gemacht hast?«

»Doch«, grinst er. »Und jetzt mache ich mich noch unbeliebter. Steigt ab! Los, runter von euren Pferdchen! Ihr gefallt mir nicht besonders. Und ich möchte nicht mit euch die Ranch besuchen – nicht mit euch. Absitzen!«

Das letzte Wort ist unmissverständlich. Und nun ist in seiner Stimme eine klirrende Härte.

»Oh, dem werden wir noch die Haut abziehen«, knirscht jener Joe.

»Und ihn dann einsalzen«, faucht der Halbblutmann.

Aber dann gehorchen sie.

»Geht weit genug weg von euren Revolvern«, verlangt Jim Bates. Und abermals gehorchen sie.

O ja, er weiß zu gut, dass er sich in ihnen zwei unversöhnliche Feinde machte. Aber er macht sich große Sorgen um Benito Diaz, seinen Vormann. Und er will diese beiden Kerle nicht bei sich haben. Er müsste ständig auf sie achten.

Als er mit ihren Pferden wenig später davonreitet, da brüllen sie ihm böse Flüche und Verwünschungen nach. Ihre Beleidigungen sind so vulgär, dass er einen kurzen Moment lang entschlossen ist, umzukehren und sie zurechtzustutzen.

Er macht sich große Sorgen um die Ranch, die er verließ, um für den Süden in den Krieg zu reiten. Er brachte es bis zum Captain in der Rebellenarmee. Und einmal wurde er von General Lee persönlich belobigt.

Doch nun kehrt er als Verlierer heim.

Der Süden verlor den Krieg.

Hat er am Ende auch seine Ranch verloren?

Wer hat sich darauf festgesetzt?

Ist es gar eine Bande, die sich hier am Raton-Pass einen festen Platz schuf? Was haben sie mit Benito Diaz gemacht? Warum ließen sie ihn am Leben?

Als er sich die letzte Frage stellt, kann er sie auch schon beantworten.

Denn er hatte Benito Diaz zu seinem Verwalter und Vertreter eingesetzt. Dies wurde in Taos beurkundet. Und solange sie Benito Diaz in ihrer Gewalt haben und dazu zwingen können, immer noch den Verwalter zu spielen, solange beherrschen sie die Ranch.

Ja, Jim Bates beginnt zu ahnen, dass Benito Diaz und dessen Frau vielleicht Geiseln sind.

Also muss er, Jim Bates, hin.

Und er darf sich nicht als der heimkehrende Rancher zu erkennen geben. Noch nicht. Zuerst muss er sich einen Durchblick verschaffen.

Und dann? Ja, was dann?

Nun, das wird sich finden, denkt er, denn er ist ein Mann, der aus dem Krieg kommt und stets irgendwie davonkommen konnte, weil sich letztlich doch immer wieder eine Chance ergab.

Und so glaubt er daran, dass dies so bleibt, weil er für jeden Menschen ein schon von Geburt an in die Wiege gelegtes Schicksal gibt, dem man nicht entkommen kann.

Wenn es ihn irgendwann und irgendwo erwischen soll, dann wird das geschehen.

Er reitet im Trab weiter, und nach drei Meilen taucht die Ranch am Fuße des Passes vor ihm auf. Ihr Anblick erfüllt ihn mit Stolz. Denn das da vor ihm ist sein Werk. Er hat es geschaffen, weil Cochise es damals duldete.

Er erinnert sich noch gut an den Apachenhäuptling vom Stamme der Chiricahuas. Ob er noch lebt? Das fragt er sich. Es ist unwahrscheinlich. Doch selbst wenn Cochise noch leben sollte, er würde ein anderer geworden sein. Denn es gab damals im Jahre 1861 einen Mordanschlag der US-Armee gegen Cochise. Und seitdem herrscht Krieg.

Eigentlich mochten Cochise und er sich irgendwie von Anfang an, respektierten sie sich.

Wie würde es heute sein? Das fragt er sich.

Als damals hier Gold und Silber gefunden wurde und die Glücksucher zu Tausenden ins Land strömten, da waren die Apachen diesen Veränderungen im Wege. Und jetzt zahlen Städte wie Tucson Prämien für Apachenskalpe.

Er reitet nun weiter auf die Ranch zu, betrachtet dabei die Gebäude, Magazine und Stallungen, die Corrals und Weidekoppeln.

Einige Männer bewegen sich da und dort. In einem Corral wird ein Pferd zugeritten. Es wirft schließlich den Reiter ab.

Das alte Stationshaus liegt etwas abseits der Ranch, etwa hundert Yard entfernt am alten Weg. Sein Vormann und Verwalter blieb dort wohnen, auch später, als er Ramona heiratete.

Er sieht nun diese Ramona auf der Veranda erscheinen und eine Decke ausschütteln.

Und so reitet er nicht zum Haupthaus der Ranch, sondern zur Station hinüber.

Ramona sieht ihn kommen und hält inne in ihren Bewegungen. Er kann erkennen, dass sie sich irgendwie innerlich anspannt, zu ihm herüberwittert. Doch noch ist sie sich wohl noch nicht ganz sicher, dass er es ist, der nun nach fünf langen Jahren endlich heimkommt.

Er kann erkennen, dass diese Ramona immer noch schön ist, vielleicht ein wenig fülliger oder reifer, doch immer noch eine Augenweide.

Wenig später hält er vor der Verandatreppe. Weil sie oben steht, befinden sie sich auf gleicher Augenhöhe.

Er lächelt ihr zu.

»Du bist immer noch schön, Ramona«, sagt er. »Und ich bin sehr froh, endlich wieder daheim zu sein. Es waren verdammt lange Jahre, nicht wahr?«

Er kann nun erkennen, wie schwer ihr ein Gegenlächeln fällt. Doch dann zeigt sie ihm dieses blinkende Lächeln so wie damals, als Benito Diaz sie von Taos her als seine Frau auf die Ranch brachte.

Er hatte sie stets als die Frau seines Vormannes respektiert. Und so wurden sie Freunde.

Nun spricht sie leise mit ihrer kehligen Stimme: »Jim, wenn sie erst erfahren, wer du bist, dann werden sie dich töten.«

Er grinst nun hartlippig und wendet sich im Sattel, lässt seinen Blick über den weiten Hof der Ranch bis zu den Gebäuden und Corrals schweifen.

Auf der Veranda des Ranchhauses erscheint nun ein Mann, der sich geschmeidig wie ein Puma bewegt, ein Mann mit zwei Revolvern im Kreuzgurt. Er hält oben an der Treppe inne, wippt auf den Sohlen und hakt die Daumen in den Hosengurt.

So starrt er herüber.

Jim Bates sieht wieder auf Ramona.

»Wer ist der Bursche da drüben?«

»Vance McLowry«, erwidert Ramona. »Er kam mit dem Rest seiner Guerillabande her und übernahm die Ranch, so als wäre sie herrenlos. Sie haben Benito zum Krüppel geschlagen. Nur weil sie ihn brauchten, ließen sie ihn am Leben. Denn er ist der bevollmächtigte Verwalter. Wir sind Geiseln hier. Sie brauchen uns, weil hier immer wieder Armeepatrouillen, Wagenzüge und Postkutschen verkehren, denen bekannt ist, dass Benito diese Ranch für dich verwaltet. Und solange er lebt, werden keine Fragen gestellt. Manchmal besuchen sie den kranken Benito. Aber er kann ihnen nicht sagen, wie es hier wirklich steht. Denn sie würden es mich büßen lassen. Sie sind eine böse Bande von Mördern, Ex-Guerillas, Banditen und Skalpjägern, der Abschaum dieses Landes. Sie beherrschen die Ranch und damit auch den Pass. Sie lauern auf Beute, auf besonders große Beute. So ist das hier, Jim. Sag ihnen nicht, wer du bist. Sonst töten sie dich.«

Sie hat nun alles gesagt. Und ihr Lächeln ist nur eine Maske. Es ist gar kein Lächeln, weil ihre Augen dabei wie tot und leer wirken.

Jim Bates nickt langsam.

Dann sieht er sich wieder um.

Der Mann auf der Veranda des Ranchhauses – Ramona nannte ihn Vance McLowry – wippt dort immer noch auf den Sohlen seiner Stiefel. Doch nun steckt er sich einen Zigarillo an.

Jim Bates sitzt ab und tritt zu Ramona auf die Veranda.

»Ich will Benito sehen«, verlangt er. »Liegt er hier im Haus?«

Sie sieht zu ihm auf. Er ist ein großer Mann, der sie um mehr als einen Kopf überragt. Ihr Blick ist bittend.

»O Jim«, murmelt sie, »du bist hier verloren, so wie Benito verloren ist. Sie töteten einige unserer Reiter, andere liefen zu ihnen über. Du bist allein gegen Vance McLowry und dessen Bande – ganz allein.«

Nach diesen Worten wendet sie sich mit schwingenden Röcken und eilt vor ihm in das Haus hinein.

Er folgt ihr.

Und wenig später steht er an Benito Diaz' Lager.

Er erschrickt bei Benitos Anblick. Benito wurde ein Wrack. Der große und fast riesige Mexikaner, der niemals weniger als hundert Kilo wog, wiegt jetzt gewiss nur noch siebzig. Benitos Beine sind geschient, ebenso sein rechter Arm. Und überhaupt wirkt er zerschlagen, zerschunden. Ja, man könnte wahrhaftig denken, dass er unter eine Rinderstampede geriet.

Als Jim Bates ans Bett tritt, da öffnet Benito die Augen und blickt zu Jim empor.

»Ay, du bist endlich heimgekommen, Patron«, murmelt er. Jim Bates nickt wortlos. Was sollte er auch sagen? Es gibt nichts zu sagen. Jedes bedauernde Wort wäre zu viel oder zu wenig.

Aber sie sehen sich beide eine Weile schweigend an, halten eine stumme Zwiesprache.

Schließlich murmelt Benito Diaz: »Sein Name ist Vance McLowry. Du musst ihn töten, Patron. Denn sonst...«

»Ich weiß«, unterbricht ihn Jim Bates und wendet sich um.

Er geht an Ramona vorbei hinaus.

Als er auf die Veranda tritt, da weiß er, dass er nur zwei Möglichkeiten hat.

Er kann sich auf sein Pferd setzen und wegreiten. Vielleicht lassen sie das zu.

Oder er muss es austragen.

Er entschließt sich für die zweite Möglichkeit, und es gibt kein Abwägen bezüglich der Größe oder der Winzigkeit seiner Chancen. Es gibt nur eines: kämpfen.

Denn dies hier ist seine Ranch.

Sie aber kamen her, töteten seine Männer und machten seinen Vormann und Verwalter zum Krüppel.

Wahrscheinlich ist er, Jim Bates, ein Narr ohne Chancen. Aber er hat im Krieg eine Menge Lektionen gelernt.

Und so wartet er auf der Veranda am Rand der obersten Treppenstufe, wippt ebenfalls auf den Sohlen seiner Stiefel wie der Mann dort drüben und hakt so wie dieser die Daumen hinter den Hosengürtel.

In weiter Runde verharrt nun alles – die Männer bei den Corrals, in der halboffenen Schmiede, bei den Stallungen und überall im weiten Rund des Ranchhofes, wo vorhin noch Leben und Bewegung war.

Der Mann auf der Veranda, der an seinem Zigarillo pafft, hebt nun die Hand und winkt mit dem gekrümmten Finger. Es ist eine Befehlsgeste. Er soll herüberkommen.

Doch Jim Bates schüttelt den Kopf und winkt auf die gleiche Art zurück.

Ja, es ist eine Herausforderung, ein Zeichen, dass er die Autorität des Zweirevolvermannes nicht anerkennt.

Da verlässt dieser die Veranda und kommt über den Hof geschritten. Sein Gang ist leicht und geschmeidig. Er läuft ein wenig auf den Außenkanten seiner Füße, und er wirkt dunkel, verwegen, fast wie ein Pirat, der im Begriff ist ein fremdes Schiff zu erobern.

Jim Bates geht ihm entgegen.

Mitten auf dem Hof halten sie inne, und nur ein Abstand von weniger als einem Dutzend Schritten trennt sie voneinander.

Der Mann fragt: »He, wer bist du? Was suchst du bei den Diaz'?«

Jim Bates schüttelt leicht den Kopf. Dann spricht er: »Benito Diaz ist mein Vormann und war mein Verwalter. Aber jetzt bin ich wieder daheim. Mein Name ist Jim Bates. Heute ist dein Pechtag, McLowry. Das ist doch dein Name – oder?«

»Gewiss«. Der Mann grinst. »Man nannte mich, als ich noch Guerillaführer war, auch Bloody McLowry. Du hättest nicht heimkommen sollen, Bates.«

Als er es gesagt hat, schnappen seine Hände nach den Revolvern.

Er ist sich seiner Revolverschnelligkeit absolut sicher und wirkt so, als müsste er routinemäßig eine lästige Arbeit erledigen.

Als er die Läufe seiner Waffen hochschwingt und abdrückt, da trifft es ihn.

Die schwere Kugel aus dem vierundvierziger Reb-Army-Revolver der Waffenfabrik Griswold & Gunnison, den Jim Bates zog, stößt ihn so sehr, dass seine Kugeln nicht treffen. Er taumelt auf den Absätzen rückwärts und drückt nochmals ab. Diesmal schießt er über Jim Bates' Kopf hinweg schräg hinauf zum Himmel.

Und dann fällt er.

Der Staub des Hofes wirbelt auf.

Das Krachen der Revolver verhallt an den Berghängen.

Auf der Ranch ist es im weiten Rund still. Nichts rührt sich, denn allen Zuschauern erscheint das Geschehen als etwas ganz und gar Unfassbares.

Ein Mann kam, der nur eine einzige Kugel abfeuerte. Und Vance McLowry feuerte viermal und schoss viermal daneben. Da ist unglaublich für alle, die es sahen.

Dabei ist es einfach zu begreifen. Die Kugel von Jim Bates traf jenen winzigen Sekundenbruchteil früher, auf den es ankommt. McLowry stand nicht fest genug. Er schwankte beim Abdrücken.

Nun liegt er im Staub.

Dann aber brüllt drüben bei den Corrals eine heisere Stimme: »Zur Hölle, was war das! Er hat McLowry umgepustet! Seht, er liegt im Staube! Er hat...«

Nun heulen auch noch einige andere Stimmen.

Und vielleicht wären sie nun von allen Seiten gekommen – sie alle, die mit McLowry kamen, diese Ranch übernahmen und Benito mit seiner Frau zu Geiseln machten.

Doch es kommt anders.

Es geschieht wieder einmal etwas, was Jim Bates während des Krieges schon mehr als einmal erlebte und ihn an ein unwandelbares Schicksal glauben ließ.

Aus dem Passeinschnitt am Fuß der Bergbasis taucht eine Armeepatrouille auf, bestehend aus einem Offizier, einem Scout und zwölf Reitern.

Ihr Auftauchen verändert alles.

Vance McLowrys Männer verharren. Was sie auch tun wollten, nun vergessen sie es.

Und die Armeepatrouille trabt heran.

Der Lieutenant lässt halten und kommt mit dem Scout herübergeritten.

»Was ist hier geschehen?« So fragt er hart. Er ist kein junger Lieutenant, sondern ein fast schon eisgrauer Bursche, wahrscheinlich ein ehemaliger Sergeant, der seine Dienstzeit verlängerte und deshalb Offizier wurde.

Jim Bates sieht zu ihm auf.

»Kommen Sie ins Stationshaus zu Benito Diaz, Lieutenant«, spricht er. »Dort klären wir alles. Dieser da war ein Bandit, ein Mörder. Und die Leute da drüben auf dem Ranchhof sind seine Bande. Sagen Sie Ihren Soldaten, dass sie sich nicht überraschen lassen sollen. Ich bin Jim Bates, der Besitzer dieser Ranch. Ich bin soeben nach jahrelanger Abwesenheit heimgekommen.«

Der Lieutenant betrachtet ihn fest.

»Ja, ich habe von Ihnen gehört, Bates«, spricht er dann. »Sie waren ein Rebellenoffizier. Ja, ich will mit Benito Diaz reden. Und dann werden wir sehen.«

Er sitzt ab.

Wenig später ist drinnen im Stationshaus alles klar. Der Lieutenant weiß endlich Bescheid, wie die Dinge wirklich waren, wenn er hier in Abständen von zwei Wochen mit seiner Patrouille vom Raton-Pass herunterkam, um mit seinen Soldaten zu rasten, die Pferde zu tränken und die Wasserflaschen zu füllen.

Sie treten dann hinaus. Ramona folgt ihnen.

Und da sehen sie, dass Vance McLowry zwar noch bewegungslos im Staub liegt, seine Männer aber verschwunden sind.

Sie verließen binnen weniger Minuten fluchtartig die Ranch.

Der Sergeant erwidert auf die Frage seines Offiziers. »Sir, ich hatte keinen Befehl, sie festzuhalten.«

»Das war auch gut so«, erwidert Jim Bates an Stelle des Lieutenants. »Sonst hätte die glorreiche Armee einige Tote zu beklagen. Die hätten sich nicht festhalten lassen. Das waren Ex-Guerillas, die zu Banditen wurden.«

Der Offizier wendet sich an Jim Bates. »Sie mögen die Armee der Union wohl nicht besonders, Bates?«

»Der Krieg ist vorbei«, erwidert dieser nur und wendet sich ab. Er geht zu dem immer noch wie leblos am Boden liegenden McLowry hin, kniet dort nieder und untersucht ihn.

Auch der Lieutenant kommt und kniet auf der anderen Seite nieder.

Und beide stellen sie fest, dass Vance McLowry noch lebt.

Der eisgraue Lieutenant sieht Jim Bates an.